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Frederick Marryat – Die Sendung – Kapitel 20

Kapitän Frederick Marryat
Die Sendung
Umschlagzeichnung nach Originalentwürfen von Professor Honegger
Neue deutsche Ausgabe. Magdeburger Verlagsanstalt. 1915
Kapitel 20

Mit Ausnahme von drei Löwen, welche dem Lager sehr nahe gekommen waren und die Griqua aufgestört hatten, fiel im Laufe der Nacht nichts vor. Am Morgen spannten sie die Ochsen ein und hielten alle Pferde für die Jagd gesattelt. Aber ihre Erwartung wurde fast für den ganzen Tag getäuscht, denn obgleich sie alle Arten Wild sahen, ließ sich doch nirgends eine Giraffe blicken. Nachmittags kamen sie an einer Mimosengruppe vorbei und wurden daselbst von einem Nashorn angegriffen, welches beinahe Alexanders bestes Pferd getötet hätte. Aber eine Salve vonseiten der Griqua streckte das Tier nieder, das zwar sehr groß war, aber nicht der schwarzen oder wilden Gattung angehörte. Während der letzten zwei Tage hatten sie auch bemerkt, dass das Gnu nicht mehr derselben Spezies, welche sie früher gesehen hatten, angehörte, sondern eine Varietät bildete, die ihnen Swinton als das sogenannte gescheckte Gnu bezeichnete, obschon sie in jeder anderen Hinsicht, was Bewegungen und Eigentümlichkeiten betraf, es das gleiche Tier war. Gegen Abend deutete der Metebili-Krieger, der sie begleitete, auf eine fern stehende Mimose und gab dem Major durch Zeichen zu verstehen, dass dort eine Giraffe sei.

»Ich kann sie nicht sehen. Sind vielleicht Eure Augen besser, Alexander?« Er deutete auf eine Mimose, an deren Seite ein abgestorbener Stamm stand. »Doch ja, es ist so. Ich sehe den Stamm, wie ich es nannte, sich bewegen. Es muss der Hals des Tieres sein. Lasst die Hunde los, Swanevelt«, rief der Major, in vollem Galopp dahin schießend, während Alexander und Omrah mit Hendersons zweitem Pferd nachfolgten.

Eine oder zwei Minuten später entfernte sich die Giraffe von der Mimose und schlug dann einen linkischen gaukelnden Galopp an, der übrigens doch so schnell war, dass das Pferd des Majors bald weit zurückblieb. Sie segelte mit unglaublicher Geschwindigkeit dahin. Ihr langer schwanenartiger Hals hielt Takt mit den Beinen, und der schwarze Schwanz krümmte sich über ihrem Rücken.

»Vorwärts, Alexander«, rief der Major. »Wenn es je Siebenmeilenstiefel gab, so muss jenes Tier ein Paar anhaben. Die Gazelle schießt mit dem Wind, aber verlasst Euch darauf, sie kann es nicht lange so fortfetzen, und unsere Pferde sind im besten Zustand.«

Alexander und der Major jagten nun dicht nebeneinander einher, als plötzlich das Tier des Letzteren strauchelte und über einen Strauß fiel, der auf seinem Nest saß. Alexanders Ross stolperte gleichfalls und folgte dem Beispiel seines Kameraden, sodass Tiere und Reiter neben den Straußeneiern umherkugelten, während der Strauß selbst sich aufgemacht hatte und so schnell wie die Giraffe von dannen eilte.

Sobald sie sich wieder aufgerafft und die Zügel ihrer Pferde ergriffen hatten, sahen sie sich um, konnten aber die Giraffe nicht mehr entdecken, da sie unter den Mimosenbäumen verschwunden war. Omrah hatte ihre Büchsen aufgelesen und lachte in sehr respektswidriger Weise. Bald schlossen sich auch der Major und Alexander diesem Gelächter an, denn niemand hatte ein Bein gebrochen und die Pferde waren unbeschädigt. Sie konnten nun nichts weiter tun, als mit langen Gesichtern zur Karawane zurückkehren.

»Euer erster Versuch, die Giraffe zu jagen, ist nicht sehr erfolgreich gewesen«, bemerkte Swinton lachend, als sie wieder zurückkamen.

»Nein, aber doch haben wir beide einen recht hübschen Purzelbaum gemacht. Ist es nicht so?«, fragte Alexander. »Immerhin bringen wir einige Straußeneier zum Nachtessen, und dies ist besser als gar nichts. Es wird bald dunkel sein und so wollen wir lieber jetzt für die Nacht das Lager aufschlagen.

Sie standen am anderen Morgen früh auf, ließen den Wagen an seinem Platz und ritten aus, um Giraffen zu suchen, brauchten aber wohl ein paar Stunden, ehe sie etwas entdecken konnten. Endlich erblickten sie eine ganze Herde, welche sich das Mimosenlaub behagen ließ. Unsere Reisenden machten einen weiten Umweg, um die Tiere gegen das Lager zu treiben – ein Plan, der ihnen auch gelang. Die Giraffen schlugen ihren gewöhnlichen Galopp an, konnten es aber nicht lange durchhalten, da sie mehrere nicht ausgewachsene Tiere unter sich hatten, welche nicht imstande waren, so schnell fortzukommen, wie das große Männchen am vorherigen Tag. Nach der Jagd einer halben Stunde fanden sie, dass die Eile der Tiere beträchtlich nachließ und sie denselben näher und näher kamen. Aus einer Entfernung von hundert Schritten gab Alexander Feuer und verwundete ein Weibchen, das sich im Nachtrab befand. Der Major setzte mit den Hunden einem großen Männchen nach, das unter einer Mimose Halt machte und wütend gegen die Hunde ausschlug. Er legte seine Büchse an und streckte das Tier mit dem ersten Schuss zu Boden. Es erhob sich zwar wieder und galoppierte noch hundert Schritte weiter, stürzte aber abermals, um sich nicht wieder zu erheben. Das Weibchen, welches Alexander angeschossen hatte, wurde durch eine zweite Kugel gleichfalls erlegt.

»Jetzt habe ich doch eine Giraffe geschossen«, sagte der Major, der neben dem getöteten Tier stand.

»Es hat mich einen langen Weg gekostet und ist nicht ohne einige Gefahr abgelaufen, bis ich imstande war, diese Heldentat zu verrichten. Aber wir alle haben unsere Torheiten und setzen im Ringkampf der Welt unser Leben oft an ebenso große Kleinigkeiten, sodass ich in diesem Stück vielleicht nicht närrischer bin als die übrige Menschheit. Ich habe meinen Wunsch erreicht und eine Giraffe erlegt. Jetzt mache ich mir nichts mehr daraus, wie bald wir wieder zurückkehren.«

»Mir geht es ebenso«, versetzte Alexander, »denn wenn wir in England anlangen, kann ich mit Euch sagen, ich habe gleichfalls eine Giraffe geschossen. Ihr werdet daher nicht imstande sein, mir gegenüber den Großhans zu spielen. Swintons Bericht zufolge werden wir, wenn wir länger hierbleiben, Metebili zu schießen haben, und darum ist’s mir eben nicht sonderlich zu tun. Ich sage daher mit Euch, ich mache mir nichts daraus, wie bald wir den Rückweg zum Kap antreten.«

Da sie nicht ganz eine Stunde von dem Wagen entfernt waren, so ritten sie zurück und schickten die Griqua aus, um das Fleisch der Tiere nachzuholen, denn Swinton wollte die Häute nicht, da er schon im Nemaqua-Land Exemplare davon erhalten hatte und ihr Gewicht den Wagen zu sehr belästigen musste. Nach ihrer Rückkehr besprachen sie sich mit den Griqua, welche aufrichtig zugestanden, es sei sehr wahrscheinlich, dass der Metebili-König den Versuch machen werde, sie abzuschneiden, obschon sie sich durchaus nicht davor zu fürchten schienen. Indes ließen sie sich es bereitwillig gefallen, am anderen Morgen den Rückweg anzutreten. Am nämlichen Abend langte bei dem Metebili-Häuptling, der sie geleitete, ein Bote an. Welche Kunde derselbe brachte, konnten natürlich unsere Reisenden nicht erfahren, aber ihr Argwohn wurde durch das Benehmen des Mannes bestätigt. Als er nämlich fand, dass sie am folgenden Morgen die Ochsen einspannten und den Rückweg antraten, bat er sie, nicht zu gehen, sondern weiter ins Innere des Landes vorzurücken, wo sie Wild in Menge finden würden. Auch bedeutete er ihnen, der König werde es ihnen sehr übel nehmen, wenn sie so bald aufbrächen, und sein Herz werde traurig sein, wenn er sie nicht einmal zu sehen kriege. Aber unsere Reisenden hatten ihren Entschluss gefasst und wanderten den ganzen Tag über dem Vaal-Fluss zu.

Der Metebili entsandte den Boten, der zu ihm gekommen war und wieder in aller Eile aufbrach. Auch drang er abends aufs Neue in unsere Abenteurer, sie möchten doch nicht zurückgehen, weil der König seinen Unmut an ihm auslassen werde. Da aber die Griqua nun gleichfalls überzeugt waren, dass man auf Verrat sinne, so wurde dem Metebili-Häuptling keine Aufmerksamkeit geschenkt, sondern die Reise fortgesetzt und unterwegs nur hin und wieder für den augenblicklichen Bedarf eine Elen-Antilope geschossen. Am dritten Tag spät abends erreichten sie die Ufer des Vaal-Flusses. Es waren noch zwei Stunden bis zum Einbruch der Nacht, und obgleich der Metebili in sie drang, sie möchten Lager schlagen, wo sie wären, hielten sie es doch für besser, seinem Rat keine Folge zu geben, sondern setzten über den Fluss und langten mit Eintritt der Nacht bei der Karawane an, die unter Bremens Obhut zurückgeblieben war.

Die Griqua erklärten, aus dem Wunsch des Metebili, dass sie auf der anderen Seite des Flusses übernachten sollten, erhelle deutlich, dass im Laufe der Nacht oder spätestens am nächsten Morgen ein Streiterhaufen anlangen werde. Es sei daher notwendig, auf der Hut zu sein, obschon es der Feind wahrscheinlich nicht wagen werde, sie ohne besonderen Auftrag anzugreifen, da sie sich nicht in Moselikatsis Gebiet befänden. Es wurden daher alle Vorbereitungen getroffen, die Griqua und Khoikhoi mit Munition versehen und die Streitkräfte im Gewehr gemustert. Man ordnete die Wagen, zündete Feuer an, und vier Mann zogen als Schildwachen auf die Posten ums Lager. Was den Argwohn noch erhöhte, war der Umstand, dass sich etwa eine Stunde nach Dunkel der Metebili-Häuptling unsichtbar machte.

»Ich bin der Meinung«, sagte der Major, »dass wir ihnen einen Marsch abstehlen sollten. Unsere Ochsen sind in vortrefflichem Zustand und können wohl bis morgen Abend ziehen, ohne es zu spüren. Wir wollen einspannen und uns in der Dunkelheit auf den Weg machen. Morgens um zwei Uhr geht der Mond auf und um diese Zeit werden die Wagen bereits fünf bis sechs Wegstunden zurückgelegt haben. Alexander, ich und Bremen wollen mit unseren Pferden hierbleiben und bis zum Aufgang des Mondes warten, um zu sehen, ob wir etwas entdecken können. Es wird uns ein Leichtes sein, mit Tagesanbruch die Wagen wieder einzuholen. Die Feuer dagegen lassen wir brennen, um den Feind auf den Glauben zu bringen, wir seien noch im Lager. Dies wird ihn vom Nachsetzen abhalten.«

»Und auch den Löwen Respekt einflößen«, bemerkte Alexander, »die als Gegner nicht zu verachten sind.«

»Ich denke, der Plan ist gut. Aber warum wollt Ihr nicht mehr Leute bei Euch behalten? An Pferden fehlt es nicht und auch die Griqua sind damit versehen.«

»Wohlan denn, so wollen wir mit den Griqua sprechen.«

Die Griqua billigten den Plan, und da sie eigene Pferde hatten, so willigten sechs derselben ein, bei Alexander und dem Major zu bleiben. Auch Swanevelt und zwei weitere Khoikhoi wurden in der gleichen Absicht beritten gemacht. Das Rekognoszier-Korps bestand also aus zwölf wohl bewaffneten Reitern. Die übrige Karawane spannte die Wagen ein und machte sich unter Swintons Leitung in südlicher Richtung auf den Weg, diesmal also durch die Wüste und nicht wie früher an den Ufern des Vaal-Flusses hin.

Über diese Richtung waren unsere Reisenden einig geworden, noch ehe von den Metebili ein Angriff zu erwarten stand, weil dadurch der Rückweg beträchtlich verkürzt wurde, obschon sie wussten, dass es ihnen einige Tage schwer werden musste, Wasser zu finden. Nachdem die Karawane aufgebrochen war, stellte es sich heraus, dass sich Omrah selbst zu einem Pferd und einem Gewehr verholfen hatte und im Lager zurückgeblieben war. Da er sich aber stets nützlich zu machen wusste, so blieb sein Benehmen unbeachtet. Nach einer halben Stunde waren die Wagen außer Sicht und von dem Rädergerassel nichts mehr zu hören.

Die Zurückbleibenden banden ihre Pferde im Kreis der Feuer an und setzten sich bis zum Aufgang des Mondes nieder. Dann richteten sie ihre Blicke zu dem entgegengesetzten Ufer des Flusses, ohne übrigens vorderhand etwas entdecken zu können, was zu Bestätigung ihres Argwohns gedient hätte. Erst eine Stunde später bemerkten sie, dass ein Haufen Leute gegen die Ufer herunterkam, deren weiße Schilde von dem Mond erhellt wurden. Sobald sie den Fluss erreicht hatten, setzten sie sich nieder, ohne irgendein Geräusch zu machen. Bald danach erschien ein zweiter Haufen mit dunkeln Schilden, der gleichfalls herunterkam und sich dem ersten anschloss.

»Jedenfalls hatten wir mit unserem Argwohn nicht unrecht«, sagte der Major, »und die beiden Haufen, die bis jetzt erschienen sind, können nicht weniger als tausend Mann ausmachen. Was tun wir jetzt? Sollen wir hierbleiben oder den Wagen nachsprengen?«

»Ich weiß wahrhaftig kaum, was wohl das Beste sein dürfte«, versetzte Alexander. »Wir wollen uns mit Bremen und den Griqua beraten.«

»Wenn wir jetzt gehen«, sagte Bremen, »so werden die Feuer bald erlöschen. Sie schöpfen dann Argwohn und kommen herüber, um zu rekognoszieren. Finden sie, dass wir fort sind, so folgen sie uns vielleicht und holen die Wagen ein. Wenn wir aber hierbleiben und die Feuer bis Tagesanbruch unterhalten, haben die Wagen bereits eine viel größere Entfernung gewonnen.«

Die Griqua waren derselben Ansicht, und es wurde beschlossen, dass sie sich mit Tagesanbruch auf den Weg machen sollten.

»Aber wie halten wir es weiter?«, fragte Alexander. »Sollen wir aufbrechen, ehe sie uns sehen können, oder ist es besser, wenn sie uns zu Gesicht kriegen?«

Die Griqua erklärten sich für das Letztere, denn der Feind werde daraus entnehmen, dass die Feuer nicht bloß deshalb unterhalten wurden, um sie zu täuschen, während die Wagen vielleicht weg wären. Nachdem man sich über diesen Plan geeinigt hatte, wurde der Feind den Rest der Nacht über sorgfältig beobachtet. Sie hatten zwar im Mond die Metebili vorrücken sehen, aber der Ort, wo das Lager aufgeschlagen war, befand sich im Schatten, sodass sich von der anderen Seite des Flusses aus nur die Feuer unterscheiden ließen. Ein wenig vor Tagesanbruch hörten sie etwas herankommen, und sie wollten schon Feuer geben, als sie entdeckten, dass es Omrah war, der sich ohne ihr Wissen zum Flussufer hinuntergeschlichen hatte, um den Feind zu rekognoszieren.

Omrah, der vom Laufen ganz außer Atem war, berichtete nun, einige der Metebili setzten über den Fluss und sechs wären bereits gelandet, ehe er habe heraufkommen können, um die Meldung zu machen. Er deutete dabei auf eine Baumgruppe, die etwa dreihundert Schritte entlegen war, und sagte, sie seien in jener Richtung gegangen und wahrscheinlich daselbst angelangt.

»Dann ist es gut, wenn wir aufsitzen«, sagte der Major, »und in aller Stille zu dem Gehölz auf dieser Stelle des Lagers reiten. Wir können dann ihre Bewegungen beobachten, ohne gesehen zu werden.«

Dieser Rat war gut und wurde von allen gebilligt. Sie führten ihre Pferde geräuschlos hinaus und kehrten wieder zurück, um den Feuern noch mehr Brennstoff zuzulegen. Dann begaben sie sich zu dem Gehölz, das in der entgegengesetzten Richtung ungefähr ebenso weit von dem Lager entfernt war wie die Baumgruppe, wo sich die Metebili verborgen hatten.

Sie waren kaum in ihrem Versteck angelangt, als die Metebili auf der anderen Seite, die nicht wenig erstaunt waren, keine Wagendecke zu sehen und deshalb eine Täuschung mutmaßten, aus ihrem Hinterhalt hervorkamen. Zuerst krochen sie auf allen vieren an das Lager heran. Als sie nichts anderes fanden als brennende Feuer, so richteten sie sich nacheinander auf. Nach einer kurzen Beratung wurden zwei zum Fluss zurückgeschickt, um dem Haupthaufen diese Kunde zu überbringen, während die übrigen in allen Richtungen umher spürten. Alexander blieb mit dem Major und seinen Leuten an der Stelle, wo sie waren, denn sie gedachten durch das Gehölz zu reiten, bis sie ein paar tausend Schritte südlich auf den offenen Grund kamen. Dann wollten sie sich dem Feind zeigen, ehe sie fortsprengten, um sich den Wagen anzuschließen.

Die Sonne hatte nur noch einige Minuten zu ihrem Aufgang, und sie bemerkten nun, dass die ganze Streitmacht der Metebili über den Fluss setzte.

»Sie gedenken also, uns zu verfolgen«, sagte Alexander.

Omrah deutete gegen das Flussufer in die Richtung, in welcher die Wagen angekommen waren, und sagte: »Wenn ihr geht, reitet diesen Weg zuerst – der Wagen, der kommt, macht dieselbe Spur wie der Wagen, der geht.«

»Der Knabe hat recht«, entgegnete der Major., »Wenn wir aus dem Gehölz aufbrechen, wollen wir uns an die Flussseite halten und den Spuren folgen, welche die Wagen bei ihrer Ankunft abgedrückt haben. Sind wir dann durch Berge und Bäume gedeckt, so können wir nach dem Süden umholen.«

»Ich verstehe«, entgegnete Alexander. »Sie werden dann wahrscheinlich die alten Wagengeleise für die neuen nehmen und sie verfolgen, weil sie glauben, die Richtung, die wir eingeschlagen, müssen auch unsere Wagen genommen haben. Doch da kommen sie am User herauf. Es ist Zeit, dass wir uns fortmachen.«

»Höchste Zeit«, sagte der Major. »Wir wollen uns jetzt zeigen und dann auf unsere Geschwindigkeit bauen.«

Die Streitmacht der Metebili befand sich nun ungefähr vierhundert Schritte vom Lager und bot, da es bereits hell war, mit ihren kurzen Speeren und den weißen und roten Schilden einen in Wahrheit furchtbaren Anblick.

Da keine Zeit zu verlieren war, so ritt unser Häuflein am Ende des Gehölzes, welches dem Fluss am nächsten war, ins Freie. Sie hatten sich kaum blicken lassen, als die Krieger sie mit einem Zetergeschrei empfingen und in die Richtung stürzten, wo sie unsere Abenteurer gesehen hatten. Dem Befehl des Majors zufolge sollte niemand Feuer geben, denn weder er noch Alexander wünschten unnötigerweise Blut zu vergießen. Sie winkten daher mit ihren Händen, wandten ihre Pferde um und galoppierten am Flussufer weiter, indem sie stets den alten Radspuren folgten. Nachdem sie ungefähr tausend Schritte geritten waren, hielten sie an und drehten die Köpfe ihrer Pferde, um zu rekognoszieren. Die metebilische Streitmacht setzte ihnen mit größter Eile nach, aber da sie keine Reiter hatten, war diese Hast natürlich nicht zureichend, um Leute, die gute Pferde und einen Vorsprung hatten, einzuholen. Sobald die Streiter nahe an unsere Partie herangekommen waren, galoppierten sie wieder von dannen und ließ ihre Gegner weit hinter sich. So legten sie, während die Metebili ihnen nachsetzten oder vielmehr die Wagenspuren verfolgten, ungefähr zwei Wegstunden zurück, bis sie endlich etliche tausend Schritte vor sich einen Strich mit Baum bewachsenen Landes bemerkten. Der Major hielt dies für einen guten Schirm, um die Richtung ändern zu können, ohne dass es vom Feind bemerkt wurde. Sie galoppierten daher vorwärts und bogen, sobald sie die Bäume erreicht hatten, in einer Richtung ab, welche sie mit der Spur der auf dem Rückwege begriffenen Wagen zusammenführen musste.

Sie waren, noch immer im Gehölz verborgen, ungefähr eine Stunde weit geritten, als ihnen die befriedigende Überzeugung wurde, dass die Metebili noch immer schnellen Schrittes den Radgeleisen an der Flussseite folgten. Unsere Reisenden konnten sich nun für sicher halten, weshalb sie ihre Feinde etwa eine halbe Stunde beobachteten und dann ihren Weg wieder aufnahmen.

»Ich denke, wir haben sie jetzt vom Halse«, sagte der Major. »Sie sind augenscheinlich in die Schlinge gefallen, die ihnen der gescheite kleine Kerl, der Omrah gelegt hat.«

»Es ist ein sehr verständiger Knabe«, bemerkte Alexander, »und kann für eine Reise durch dieses Land nie mit Gold aufgewogen werden.«

»Ich wünschte, Swinton überließe ihn mir«, sagte der Major. »Aber bemerkt Ihr, Alexander, welcher Wechsel bereits in der Landschaft vorgegangen ist?«

»Jawohl«, versetzte Alexander, »und alles, was vor uns liegt, scheint immer öder und unfruchtbarer zu werden.«

»Mit den Flussufern lässt man auch fast alle Vegetation im Rücken. Swinton sagt, es gebe hier durchaus keine regelmäßige Regenzeit, denn wenn auch im Laufe von drei Monaten gelegentliche Regengüsse einfallen, so könne man doch nicht darauf zählen. Meist ziehen die Berge die Feuchtigkeit an, und bisweilen trifft im Laufe eines ganzen Jahres nicht ein einziger Schauer die Ebenen.«

»Wie weit werden wir wohl reisen müssen, ehe wir wieder auf Wasser treffen?«, fragte Alexander.

»Swinton sagt, man treffe vielleicht Wasser in einem Fluss, der ungefähr vierundzwanzig Stunden von dem Ort entfernt sei, den wir diesen Morgen verlassen haben. Wo nicht, so hätten wir noch zwölf Stunden weiterzuziehen, bis an den Geikhout oder Vet-Fluss. Dann müssen wir uns viele Tage auf das Wasser verlassen, das wir in den Löchern finden, welche sich, da die Regenzeit jetzt herannaht, wahrscheinlich füllen werden.«

Alexander musste mit seinen Begleitern etwa drei Stunden weit reiten, bis sie auf die Radspuren trafen, dann ließen sie ihren abgehetzten Tieren die Zügel und ritten langsamer weiter, sodass sie erst spät abends, nachdem sie das ausgetrocknete Bett des Salzflusses gekreuzt hatten, in einiger Entfernung die Wagen entdeckten. Den ganzen Tag über hatten ihre Pferde weder Nahrung noch Wasser gehabt, weshalb sie ganz erschöpft bei den Wagen anlangten. Auch die Ochsen waren von der langen Reise sehr erschöpft, da sie seit ihrem Aufbruch am vorherigen Abend fast zwanzig Wegstunden zurückgelegt hatten.

Das Land war nun in hohem Grade steinig und unfruchtbar. Nur hier und da ließ sich einige Vegetation blicken, die aber lange nicht zureichte, um den Bedürfnissen des Viehs zu entsprechen, und von Wasser war vornweg keine Rede. Den Tag über zeigte sich nur wenig Wild, aus einigen Zebras und Strauße bestehend. Alle übrigen Arten waren verschwunden. Natürlich gab es auch kein Holz, um vor dem Lager Feuer anzuzünden, obwohl man so viel auf den Wagen geladen hatte, dass die Lebensmittel gekocht werden konnten. Man tötete zwei Schafe, um einen so großen Haufen mit Nachtessen zu versehen. Aber die Abwesenheit des Wildes hielt auch die Löwen fern, und sie wurden im Laufe der Nacht nicht beunruhigt. Am Morgen verabschiedeten dich die Griqua unter dem Vorwand, ihre Ochsen und Pferde befänden sich in einem zu schlechten Zustand, um durch den Westen ziehen zu können. Sie müssten daher gerade auf den Vaal-Fluss abhalten und nach dessen Ufer zurückkehren.

Unsere Reisenden gaben ihnen einen schönen Vorrat Munition – das Einzige, was sie wünschten. Die Griqua spannten ihre Ochsen an die gebrechlichen alten Wagen, worauf sie in westlicher Richtung aufbrachen.

Die Route der Karawane ging nun mehr gegen Südwest. Sie kamen dabei über eine weite Ebene, auf welcher sich kleine Landschildkröten in Menge vorfanden, während zugleich der Boden mit einer Fülle der herrlichsten Blumen bedeckt war. Um Mittag, nach einer erschöpfenden Reise von neun Stunden, langten sie glücklicherweise an einem Sumpf an, der aber so garstiges Wasser enthielt, dass nur die größte Not sie oder die ermatteten Tiere zwingen konnte, davon zu trinken. In der Nähe dieses Sumpfes fanden sie mehrere wilde Tiere. Drei erlegte Gnus gaben ihrer Speisekammer einen gelegenen Zuwachs. Aber das bisschen Brennholz, das sie in den Wagen nachführten, war für das Kochen des letzten Nachtessens aufgebraucht worden. In der Nacht fiel schwerer Tau, und am Morgen, ehe die Sonne aufging, sahen sie sich in dichten Nebel eingehüllt. Wie sich dieser zerstreute, bemerkten sie nach allen Richtungen hin Herden von Quaggas, aber nur in großer Entfernung. Sie spannten abermals ihre Ochsen ein und setzten die Wanderung fort. Der Boden war nun mit Gewächsen und Blumen aller Art bedeckt, sodass man in einem Garten zu wandeln meinte.

»Wie seltsam, dass der Boden mit Blumen bedeckt ist, wo es doch weder Regen noch Wasser gibt«, bemerkte Alexander.

»Der schwere Nachttau erhält sie«, sagte Swinton. »Vielleicht wirken auch die Regen, die gelegentlich fallen, mit.«

Eine Linie von Bäumen im Süden zeigte nunmehr an, dass sie sich einem namenlosen Fluss näherten. Die müden Ochsen beschleunigten ihren Schritt. Als sie jedoch anlangten, fanden sie, dass das Flussbett trocken und auch an den tiefsten Stellen kein Tropfen Wasser zu finden war. Die armen Tiere, welche nicht im Joch gezogen hatten, beschnupperten die feuchte Erde und leckten mit ihren Zungen daran, ohne übrigens Erleichterung zu fühlen. Das Wasser, welches in den Fässern zum Gebrauch der Menschen nachgeführt worden war, war bereits aufgebraucht. Man konnte nicht hoffen, frischen Vorrat zu erlangen, bis man den Vet-Fluss erreichte, der wenigstens noch zehn bis zwölf Stunden entfernt war. Zwei der Ochsen legten sich hin, um nicht wieder aufzustehen. Die Khoikhoi waren düster und niedergeschlagen, und unsere Reisenden fühlten, dass ihre Lage beunruhigend war.

Während sie noch umherspürten und nach Wasser gruben, bewölkte sich der Himmel, und den fernen Blitzen folgte das Rollen des Donners. Die Wolken ballten sich zu Massen und zogen heran, sodass jedes Gesicht frohe Hoffnung widerspiegelte in dem angenehmen Vorgenuss eines tüchtigen Regenschauers, den das Gewitter mit sich führen musste. Sogar das Vieh schien zu fühlen, dass ihm Erleichterung bevorstand. Die Wolken sammelten sich den ganzen Tag über mehr und mehr und die Blitze zuckten fort. Aber mit Einbruch der Nacht war noch kein Regen gefallen. Nun hob sich der Wind, und in weniger als einer Stunde waren alle Wolken weggeblasen. Die Sterne funkelten hell, und unsere Reisenden sahen sich in ihrer lechzenden Erwartung aufs Bitterste getäuscht.