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Der wilde Raubgraf Bruno von Rabenhorst Kapitel 3

Raubgraf-Bruno-von-RabenhorstDer wilde Raubgraf Bruno von Rabenhorst und sein schreckliches Ende in der Teufelsmühle
Oder: Das furchtbare Femgericht um Mitternacht
Eine Geschichte aus den rohen Zeiten des Faustrechts
Um 1860 niedergeschrieben

Kapitel 3

Beim Fackelschein und Schwerterklang
im heißen Kampfgewühl,
da ward’s so manchem todesbang,
wenn ihm sein Schwert entfiel
.

Der schlaue Bruno hatte indessen, alles vorher gar wohl berechnend , seine Leute in zwei Haufen geteilt, wovon der eine von außen in sein Schloss, der andere jedoch durch einen verborgenen unterirdischen Gang, der im Innern der kleinen Schlosskapelle, die im Hof stand, ausmündete, zu gleicher Zeit von innen angreifen sollte.

Schon war die Abenddämmerung stark hereingebrochen, und die Waffengenossen Henricos hatten es sich gerade im Hofraum in der Nähe der Kapelle möglichst bequem gemacht. Da wurde ein durchdringendes Gelärm und Getöse hörbar, das weithin durch die Lüfte hallte und Brunos wilde Horde verkündete. Alles beeilte sich nun, in der Nähe des Torweges seinen angewiesenen Posten einzunehmen. Denn von hier aus sollte plötzlich das Tor geöffnet und Bruno samt seinen Knappen umzingelt und gefangen genommen werden.

Doch hierin hatten sie sich verrechnet, denn als sie auf Brunos herangekommene Leute losstürzen wollten, brach eine starke Gruppe von Brunos Helfern, mit dem bösen Burgvogt an der Spitze, unter furchtbar wildem Wutgeschrei aus der Kapelle hervor und griff sie mit einem solchen Ungetüm an, dass sie sogleich in Unordnung gerieten.

Zu gleicher Zeit fing auch der andere Haufen von außen zu stürmen an, und so wurden nun Henricos tapfere Streiter von vorn und hinten zu gleicher Zeit angegriffen. Trotz der angestrengtesten Tapferkeit vermochte Henrico, der gleich einem Helden auf jeden Schwertstreich einen von den feilen Bösewichtern Brunos in den Sand streckte, das Zurückweichen seiner Kampfgenossen nicht hindern, und sah wohl ein, dass sie alle zusammen verloren seien, wenn nicht ein besonderer günstiger Zufall sie rettete.

Schon lagen viele seiner Leute, aus klaffenden Wunden blutend, röchelnd am Boden, obschon fast jeder auch seinen Gegner, wie es eben gerade das Glück des Kampfes mit sich brachte, tödlich verwundete oder doch kampfunfähig machte. Dieser nächtliche Kampf, von einigen Fackeln erleuchtet, welche die aus der Kapelle hervorgekommenen Gefährten Brunos trugen, bot einen schaudererregenden Anblick dar. Das Blitzen der Schwerter und Helme im rötlichen Fackelschein, welcher die blassen verzerrten Gesichter sowohl der Getöteten als auch der wutentbrannten Kämpfenden beleuchtete, vermochten selbst dem Mutigsten einen geheimen Schauder einzuflößen.

Elwira hatte sich während dieser Schreckensszene in die Kapelle geflüchtet. Kniend am Altar bat sie um Rettung aus diesem Mordgewühle. Indem sie ihre Blicke auf dem Altar ruhen ließ, bemerkte sie an der rechten Seite desselben, dass die untere Bretterwand geöffnet war. Sie trat näher, um sich daselbst zu verbergen, sah aber, dass diese Öffnung die Mündung eines unterirdischen Ganges sei, durch welchen der böse Burgvogt und seine Gesellen zum Verderben Henricos heraufgeschlichen waren.

Da durchzuckte die Jungfrau, die Henricos verzweifelte Lage einsah, ein mutiger Gedanke, den sie auch sogleich ausführte. Sie näherte sich unbemerkt dem Kampfplatz, entriss einem zunächst der Kapelle liegenden, schwer verwundeten Knappen die brennende Fackel aus der Hand und eilte schnell wieder in die Kapelle zurück, wo sie, an der Pforte stehend, mit der größten Kraft, die sie in ihre Stimme legen konnte, rief: »Henrico! Hierher zur Kapelle!«, und dann schnell die Kapelle durchschreitend sich mutig in den finsteren Gang, der nun durch ihre Fackel beleuchtet wurde, begab.

Als Henrico Elwiras Stimme vernahm und bemerkte, dass sie mit einer brennenden Fackel in der Kapelle verschwand, verstand er sogleich, was sie damit gemeint hatte. Seine letzten Kräfte anstrengend, stürzte er, wie rasend mit dem Schwert um sich schlagend, mit dem Ruf »Mir nach!« zur Kapelle hin, und glücklich hieb er sich mit mehreren seiner Leute durch. Am Eingang derselben blieben sie so lange kämpfend stehen, bis sich die Seinen fast alle versammelt hatten. Dann zogen sie sich fechtend Schritt für Schritt in das Innere der Kapelle bis zu dem geheimen Gang zurück, den Henrico durch den Schein von Elwiras Fackel als das günstigste Rettungsmittel erkannte, das ihm der Himmel in seiner höchsten Not durch die mutige Jungfrau schickte. Der Burgvogt ward über dieses fast wütend und feuerte den Rest seiner Streiter zur Verfolgung unter grässlichen Flüchen doppelt an. Er selbst an der Spitze wollte Henrico, der bereits mit den Seinen glücklich im Gang eingedrungen war, hindern, die am Eingang desselben befindliche schwere, eiserne Tür zu schließen, als dieser mit einem mächtig geführten Schwerthieb den bösen Vogt dermaßen auf den Helm traf, dass er taumelnd und fast besinnungslos zur Erde stürzte und seine eigenen Leute am Vordringen hinderte. Diesen Augenblick benutzte Henrico und die ihn Umgebenden, zogen schnell die Tür an sich, und im Nu war dieselbe geschlossen, und er und die Seinen vor weiterer Verfolgung geschützt.

Mit einem Wutgeschrei hörte Henrico noch die Feinde an die Tür stürmen, die, obwohl in ihren Angeln erdröhnend, dennoch zu stark war, um sich auf gewaltsame Weise öffnen zu lassen.

Sie eilten nun mit schnellen Schritten durch den unheimlichen Gang dahin, auf dessen Boden und Wänden Molche und allerlei abscheuliches Ungeziefer sich bewegte, um so rasch wie möglich den Ausgang dieses geheimen Weges zu erreichen, da sie nicht wissen konnten, ob nicht Bruno mit einer Anzahl von den Seinen vielleicht in der Zwischenzeit den Ausgang erreichen und besetzt halten würde. Doch davor waren sie gesichert, denn um von außen an die Mündung des Ganges zu gelangen, hatten sie einen bedeutenden Umweg zu machen, und überdies getraute sich Bruno mit seinem ziemlich zusammengeschmolzenen Häuflein keinen weiteren Angriff auf Henrico zu unternehmen, umso weniger, da man vollauf beschäftigt war, den stark betäubten Burgvogt wieder zu sich zu bringen.

Nach kurzem Marsch erreichten sie glücklich das Ende des Ganges, welcher in eine Felsenkluft auslief, die stark mit Gebüsch und Gestrüpp bewachsen war, sodass man von außen die Öffnung unmöglich entdecken konnte, durch die sich nun die Verfolgten auch glücklich retteten. Als Henrico den freien Sternenhimmel wieder über sich sah, da konnte er nicht länger seine Dankbarkeit gegen Elwira unterdrücken. Er eilte auf sie zu, erfasste ihre Hand und stammelte Worte des Dankes, die sie jedoch errötend ablehnte.

»Noch sind wir«, sprach sie, »nicht in Sicherheit. Lasst uns daher eilen, von hier wegzukommen, denn wer weiß, was uns sonst noch begegnen könnte, wenn wir länger zaudern würden.«

Sogleich trat Henrico an die Spitze des Zuges, und nachdem er, die Stellung der Gestirne genau beobachtend, seine Richtung links einzuschlagen begann, schritt hierauf der Zug durch Gesträuch und Gestrüpp in größter Stille so schnell wie nur möglich vorwärts und gelangte endlich am dämmernden Morgen nach höchst beschwerlichem Marsch am Ende des Waldes an. Zu gutem Glück fanden sie auf einer nahen Wiese einige Pferde grasend, die vermutlich während des Kampfes im Schlosshof unbemerkt das Freie gewonnen hatten, und worunter sie auch von den ihren welche wahrnahmen. Sogleich benutzte man diese Gelegenheit und schnell hatte man dieselben bestiegen. Da die Pferde für alle bei Weitem nicht hinreichten, so bestiegen abwechselnd die Erschöpftesten und Verwundeten dieselben, und so legten sie bis gegen Abend eine bedeutende Strecke zurück.