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Der Teufel auf Reisen 34

Der-Teufel-auf-Reisen-Zweiter-BandCarl von Kessel
Der Teufel auf Reisen
Zweiter Band
Ein humoristisch-satirischer Roman aus dem Jahr 1870
Siebentes Kapitel – Teil 3
Des Teufels Anteil

Während Schwalbe auf diese Weise mit seinem zweideutigen Freund immer vertrauter wurde, was wir zu unserer tiefsten Betrübnis den Lesern leider nicht zu verschweigen vermögen, befand sich unser Hochstapler Hahnenfeder ebenfalls in einer rosigen Stimmung. Mit besonderem Behagen hatte er am anderen Morgen das Gold und die Banknoten überzählt. Was inzwischen aus dem jungen Mann geworden war, dem er beides abgenommen hatte, das machte ihm nicht die geringsten Kopfschmerzen.

»Endlich bin ich dem Ziel meiner Wünsche näher«, murmelte er, »und ich habe nun Gelegenheit aus dieser Atmosphäre herauszukommen, welche schließlich doch anfängt, beengend auf mich zu wirken. Was wird sich der alte Spitzbube wundern, wenn ihm sein geliebter Sohn so plötzlich einen Besuch abstattet! … Auf eine Anzapfung von seiner Seite muss ich mich natürlich gefasst machen. Aber wenn er mir die gewünschten Empfehlungen gibt, so soll es mir auf fünfzig Taler nicht ankommen. Die kleine Angelegenheit, welche ich hier noch zu ordnen habe, soll noch diesen Abend arrangiert werden und dann: Leb wohl Madrid und nie siehst du mich wieder! Spurlos bin ich dann für alle, die ich nicht mehr wiedersehen will, verschwunden. In Paris beginne ich ein neues Leben und fange mir hoffentlich ein Goldfischchen, mit dem ich ganz munter und behaglich durchs Leben schwimme.«

Es war schon ziemlich spät, als der Hochstapler durch die Straßen eilte und in einem großen Haus verschwand, aus dessen vierten Stock ein matter Lichtschimmer durch die Scheiben drang. Dort hinauf stieg er. Wohlbekannt mit der Lokalität klopfte er an eine Tür und öffnete dieselbe. Es war nur eine dürftige Wohnung, schon halb Mansarde, aber reinlich und mit einem gewissen Anstand möbliert. Eine junge Dame von etwa zweiundzwanzig Jahren saß an einem Tisch, auf welchem eine Schirmlampe stand. Sie selbst führte fleißig die Nadel. Sowie sie Hahnenfeder bemerkte, legte sie die Arbeit fort und trat ihm entgegen. Ihr Gesicht war mild und ausdrucksvoll, aber eine wahrhafte Freude sprach sich doch beim Anblick des in seinem Äußeren durchaus nicht üblen Mannes aus, sondern ihre Stirn zeigte sich umwölkt, so sehr sie dies auch unter einem mehr gezwungenen als natürlichen Lächeln zu verbergen suchte.

»Die Mutter ist ausgegangen«, sagte sie, »aber sie wird bald wieder zurückkommen. Setz dich – ich glaube es sind jetzt schon vier Tage, dass ich dich nicht mehr gesehen habe.«

»Geschäfte, mein Engel, unaufschiebbare Geschäfte, und auch heute habe ich nicht viel Zeit.«

»Aber ich habe mir schon längst vorgenommen, mit dir ein ernstes Wort zu sprechen. Du wirst mir daher hoffentlich eine halbe Stunde widmen können.«

»Natürlich, vorausgesetzt, dass es nicht länger dauert.«

Das junge Mädchen erhob stolz den Kopf und blickte ihren Gesellschafter streng an.

»Es gab eine Zeit, wo du anders sprachst«, sagte sie, »und wo du dich glücklich fühltest, wenn du bei mir sein konntest.«

»Nun, das ist auch jetzt noch der Fall.«

Ein Seufzer entrang sich der Brust der Sprecherin. »Ich bin dir mit vollem Vertrauen entgegengetreten«, sagte sie, »keine Nebenabsichten haben mich dabei geleitet. Ich weiß, dass du nichts zu geben hast und ich bin damit zufrieden gewesen, ja noch mehr, ich habe verschiedene Male die Bewerbungen rechtlicher Männer aus Liebe zu dir zurückgewiesen.«

»Wie oft musste ich das schon hören«, sagte, leicht mit den Achseln zuckend, Hahnenfeder.

»Nun, da es sich dabei um meine Zukunft handelt, so wirst du wohl erlauben, dass ich nochmals darauf zurückkomme.«

»Verdammt langweilig«, brummte der Hochstapler. »Mag sein«, erwiderte das Mädchen mehr betrübt als verletzt, »aber für mich ist es von Erheblichkeit. Ich will wissen, wie ich mit dir dran bin und ob ich deinen Versprechungen Glauben schenken kann.«

»Nun, das lässt sich nicht gleich so schnell machen, wie du zu glauben scheinst.«

»Aber du hast Zeit genug gehabt, dich nach einer Stelle umzusehen und du behauptetest ja stets, dass es dir an Fürsprache nicht fehle.«

»Ich bitte dich, höre mit diesem Drängen ein für allemal auf. Es langweilt mich.«

»Nun, du gabst mir ja doch ein schriftliches Eheversprechen.«

»Deswegen komme ich eben her. Es ist albern, wenn sich zwei Leute nicht aufs bloße Wort glauben sollen. Ich bitte dich daher, gib mir das Papier zurück.«

Nun warf aber die Brünette einen misstrauischen Blick auf ihren Gesellschafter. »Nein«, erklärte sie bestimmt, »das geschieht nimmermehr! Ich werde keinen Missbrauch damit treiben, dazu kennst du mich zur Genüge. Ich will aber auch nicht das einzige Dokument aus der Hand geben, wodurch ich mich in den Augen der Welt rechtfertigen kann.«

»Nun, dann behalte den Wisch meinetwegen«, antwortete Hahnenfeder, der sich inzwischen anders besonnen zu haben schien, kurz und ungezogen. »Behalte ihn und rechtfertige dich damit vor der Welt.«

»Ich hoffe, dass das nicht nötig sein wird«, lautete die ruhige Erwiderung.

»Ich denke auch nicht. Und nun lebe wohl.«

»Willst du nicht die Mutter erwarten?«

»Nein, ich habe keine Zeit.«

»Du hast keine Zeit?«, fragte das junge Mädchen nun auch sichtbar beleidigt und in ihrem Stolz gekränkt. »Nun, wenn du Billard und Kartenspiel meiner Gesellschaft vorziehst, dann will ich dich allerdings hier nicht länger zurückhalten.«

Sie nahm die Lampe und leuchtete dem Davoneilenden, sie erwartete mit Bestimmtheit, dass er sich wenigstens noch einmal umdrehen und ihr eine freundliche gute Nacht sagen würde. Als er aber trotzig die Treppe hinunterstieg, kehrte sie langsam mit gesenktem Kopf in ihr Stübchen zurück, während ihre Augen mit Tränen gefüllt waren.

»Bittere Enttäuschung!«, murmelte sie. »Er lässt es mich ja deutlich genug fühlen, dass er mich nicht mehr liebt. Womit habe ich dies verdient? … Habe ich mich nicht stets treu, habe ich mich nicht immer nachgebend und aufopfernd gegen ihn bewiesen?«

Sie ergriff ihre Arbeit und nahm dieselbe still und nachdenkend wieder auf, während noch immer einzelne Tränen auf den Stoff, den sie verarbeitete, herabfielen.

Inzwischen war der Mann, welcher sie so rau behandelt hatte, auf der Straße angelangt.

»Verdammte Schrift«, murmelte er, »welche ich mir in einer schwachen Stunde ablocken ließ! … Ist am Ende aber auch einerlei«, fuhr er fort. »Hierher kehre ich ja doch nicht mehr zurück und meinen neuen Aufenthalt erfährt sie nicht.«

Mit der Herzlosigkeit eines Schurken drehte er sich noch einmal um, und nach dem matterleuchteten Fenster oben blickend, sagte er höhnisch: »Auf Nimmerwiedersehen, Liebchen! Ich entbinde dich deiner Schwüre – wirst dich schon trösten und dir bald genug einen anderen anschaffen!«

Er begab sich direkt zu seiner Wohnung und begann einen kleinen Koffer zu packen. Das Geschäft war bald beendet, denn eine Garderobe besaß der ehrenwerte Freiherr von Hahnenfeder nicht, und mit seiner Wäsche war es ebenfalls schlecht bestellt.

»Alles werde ich in Paris ergänzen«, sagte er gewissermaßen zu seiner eigenen Entschuldigung, indem er die wenigen Sachen, die er hatte, in den engen Raum hineinpresste, dann den Deckel zuklappte und den Schlüssel im Schloss zweimal herumdrehte.

Er klingelte und ein Bursche von etwa sechszehn Jahren trat ein.

»Wie viel Uhr haben wir?«

»Es geht auf acht.« –

»So ist es die höchste Zeit, um halb neun fährt die Postkutsche ab.«

Zwei Stunden später rasselte der schwere Wagen auf der Chaussee durch die finstere Nacht. Baron von Hahnenfeder saß in eine Ecke gedrückt und hing seinen Gedanken nach, während die übrigen Passagiere größtenteils schliefen. Mitunter fühlte er in seine Brusttasche, ob sein ergaunerter Schatz auch noch vorhanden sei, denn eine so große Summe hatte er seit Langem nicht besessen. Er befand sich daher auch in der angenehmsten Stimmung.

»Erhalte ich von dem alten Halunken die gewünschten Empfehlungen«, murmelte er, »so ist mir geholfen. Ich erinnere mich des Mädchens noch sehr gut, es ist etwas schief, hat einen breiten Mund und schielt auf beiden Augen. Es muss jetzt in einem passablen Alter sein, in einem Alter, wo man mit Vergnügen, ohne erst viel zu überlegen, mit beiden Füßen in den Ehestandshimmel springt … Ja, Himmel! … Habe ich nur erst die schönen Banknoten, welche ihr Vater, der alte Lagemann, bei seinem Tod hinterließ, so schiebe ich sie beiseite und führe ein Leben wie ein Pascha!«

Hier wurde der edle Freiherr durch einen heftigen Stoß des gerade nicht in den besten Federn hängenden alten Wagens emporgeschleudert. Gerade wollte er durch einen kräftigen Fluch sein Missfallen über diese unsanfte Störung zu erkennen geben, als der Kondukteur an dem offenen Fenster erschien und meldete, dass man auf der Station Hahnenfelde angekommen sei.

»Richtig«, murmelte unser Glücksritter, indem er aus der auf vier Rädern ruhenden Arche stieg, »richtig, hier befinde ich mich auf dem freiherrlichen Territorium! Diese Felder – der Morgen war bereits angebrochen – gehörten einst meinen Vorfahren, die Hahnenfeder von Hahnenfelde hielten hier einst Hof. Es ist eine besondere Tücke des Schicksals, dass gegenwärtig der letzte Baron dieses berühmten Geschlechtes in einem alten baufälligen, mit Stroh gedeckten Haus wohnen muss.«

»Heda!«, sagte er zu einem Bauerburschen, welcher, die baumwollene Zipfelmütze auf dem Kopf, mit gaffendem Maul dastand , »heda, mein Bursche, unstreitig ist dir doch der Freiherr von Hahnenfeder bekannt?«

»Ganz gut«, antwortete dieser, »meine Mutter liefert ihm ja die Eier und die Butter, wofür sie freilich seit einem Jahr keine Zahlung erhalten hat.«

»Große Ehre für deine Mutter«, bemerkte humoristisch unser Hochstapler, und zu sich selbst setzte er hinzu: »Der alte Schuldenmacher treibt es also noch immer wie früher, und ich kann mich darauf gefasst machen, dass er mir seine Empfehlungen so teuer wie möglich verkaufen wird.«

Mithilfe des jungen Burschen gelangte er auch bald am jenseitigen Ende des Dorfes an ein Haus, welches einst ziemlich stattliche Dimension gehabt haben musste, das aber nun vollständig verwüstet und verfallen war. Noch in diesem Augenblick machte sich ein sumpfiger Graben bemerkbar, über welchen wohl einst eine Zugbrücke geführt haben mochte, der indessen jetzt mithilfe einiger über denselben gelegten Bretter leicht zu überschreiten war.

Mit einem großmütigen Geschenk entließ hier unser Bekannter seinen Begleiter. »Trinke auf die Gesundheit deines künftigen Grundherrn«, sagte er sehr herablassend, indem er ihm eine Silbermünze in die Hand drückte, und als er in dem Gesicht des Burschen etwas zu lesen schien, was wie die Frage aussah: »Wollen Sie nicht auch gleich die Eier und die Butter bezahlen?«, winkte er sehr herablassend mit der Hand zum Abschied und kehrte ihm dann den Rücken.

Wenige Minuten darauf klopfte er mit der Faust in ziemlich ungenierter Weise an ein ihm wohlbekanntes Fenster. Es dauerte etwas lange, ehe sich im Innern des Hauses jemand rührte. Endlich hörte man ein unartikuliertes Brummen, und zuletzt wurde der wurmstichige Laden etwa einen Zoll breit geöffnet.

»Das alte Murmeltier«, dachte der Glücksritter und laut setzte er hinzu: »Sie brauchen keine Furcht zu haben, es ist kein Gerichtsdiener, der Ihnen mit einem Haftbefehl oder einem Auspfändungsmandat schon so früh einen Besuch abstattet. Es ist Ihr geliebter Sohn, welcher sich erlaubt, Sie persönlich herauszuklopfen, da, wie ich vermute, Ihr Kammerdiener augenblicklich verreist ist.«

»Wie, du bist es, mein hoffnungsreicher Sprössling?«, rief der Alte, »nun, Gott stehe mir bei, ich glaubte dich längst hinter Schloss und Riegel. Es muss etwas Außergewöhnliches vorgefallen sein, dass du auch einmal auf den Einfall kommst, deinen Vater zu besuchen.«

»Das ist es auch«, antwortete der liebenswürdige Sohn, »machen Sie nur auf und dann sollen Sie alles erfahren.«

»Aber ich kann dich hier nicht eher aufnehmen, bis ich nicht überzeugt bin, dass mir daraus keine Kosten erwachsen«, kapitulierte der Alte.

»Na, machen Sie sich darüber keine Sorgen, Sie alter Uhu«, sagte unser Bekannter lachend. »Dieses Mal komme ich nicht mit leeren Händen. Und wenn Sie sich hübsch anständig benehmen, fällt vielleicht auch für Sie etwas ab.«

»Du hast also jedenfalls irgend so einen Grünschnabel die Federn ausgerupft?«, fragte der würdige Vater, als er seinem nicht minder würdigen Sohn gegenüberstand.

»Allerdings«, antwortete dieser. »Ich hoffe, Sie werden nichts dagegen haben.«

»Was sollte ich denn. Und du willst jetzt die Früchte deines Fleißes mit mir teilen?«

»Fällt mir gar nicht ein.«

»Welche Undankbarkeit!«, rief der Freiherr, »ich habe dich doch in alle diese edlen Künste so väterlich eingeweiht.«

»Mag sein, aber deswegen habe ich doch keine Lust, Ihnen mein sauer Erworbenes an den Hals zu werfen.«

»Nun, was willst du dann hier? Da hättest du ja lieber ganz weg bleiben können.«

»Hören Sie«, erwiderte der Hochstapler, »es bietet sich Ihnen Gelegenheit, ein gutes Geschäft zu machen, und deswegen stattete ich Ihnen gerade meinen Besuch ab.«

»Soll ich etwa einen Wechsel akzeptieren? Ich glaube kaum, dass es dir gelingen wird, denselben unterzubringen.«

»Davon bin ich auch überzeugt. Nein, es handelt sich um etwas anderes. Es gibt gewisse Personen, welche Sie kannten, als Sie noch in anderen Verhältnissen lebten und denen Ihre jetzige Lage völlig fremd ist. Es gibt auch gewisse Leute, die noch immer auf einen alten Namen etwas halten und welche einen Freiherrn von Hahnenfeder gern in ihrem Familienkreis aufnehmen würden.«

»Nun, also?«

»Die Sache ist die, dass ich mein jetziges Leben müde bin und mir durch eine reiche Heirat wieder auf die Beine zu helfen wünsche.«

»Ein verdammt gescheiter Gedanke.«

»Wie Sie bereits wissen, habe ich einem dummen Teufel ein ganz artiges Sümmchen im Spiel abgenommen.«

»Wovon du Undankbarer aber deinem alten Vater nichts zukommen lassen willst.«

»Geduld. Meine Absicht ist, nach Paris zu gehen. Erinnern Sie sich vielleicht noch einer Frau Lagemann, die dort mit Ihrer Stieftochter lebt?«

Der Freiherr ließ einen pfeifenden Ton hören. »Nicht übel«, rief er, »jetzt weiß ich woher der Wind weht.«

»Mein Vorteil ist auch der Ihre«, sagte der Sohn. »Gelingt es mir, diese Jakobine zu der Torheit zu verleiten, mir ihre Hand zu reichen, so ist auch Ihnen geholfen.«

»Das alte schieläugige Mädchen wäre am Ende wirklich imstande, eine solche Dummheit zu begehen«, bemerkte der Vater. »Nun, was soll ich also tun?«

»Sie sollen mir an Frau Lagemann eine Empfehlung mitgeben.«

»An die frühere Tänzerin? Ja, ja, sie ist steinreich, ihr Mann setzte sie zur Universalerbin ein.«

»Und dann bedarf ich noch einiger weiteren Empfehlungen. Da hält sich, wenn ich nicht irre, noch ein anderer Bekannter von Ihnen in Paris auf, der Baron von Rodenwald.«

»Ein alter Industrieritter, der auch jetzt sein Handwerk noch nicht verlernt hat.«

»Allerdings. Den brauche ich aber eben, um in gewissen Salons Eingang zu finden, denn die kleine Summe, welche ich jetzt habe, betrachte ich nur als Einlagekaptial, um mir in anderer Weise die Mittel zu einem standesgemäßen Leben zu verschaffen.«

»Am besten wäre es wohl«, meinte der ehrwürdige Freiherr, »wenn ich dich begleite.«

»Na, das fehlte eben noch!«, rief Hahnenfeder der Jüngere. »Das wäre die schönste Manier, um meinen fein angelegten Plan von Vornherein zum Scheitern zu bringen! Nein, Ihre Gesellschaft verbitte ich mir unter allen Umständen. Ich fühle keine Neigung, Sie auf meine Kosten zu füttern.«

»Aber ich habe durchaus keine Lust, leer auszugehen, wenn ich dir helfen soll.«

»Das ist auch gar nicht mein Wille. Gelingt die Heirat, so setze ich Ihnen ein Jahrgeld aus.«

»Etwas zu ungewisse Aussichten«, erwiderte der alte Freiherr, spöttisch mit den Achseln zuckend. »Ich halte mich an das Sichere, zu einer Jahresrente ist es später noch immer Zeit.«

»Nun, was verlangen Sie also für Ihre Empfehlungen?«

»Die Hälfte von dem, was du dem Einfaltspinsel im Spiel abgenommen hast.«

»Da wäre ich ein ebenso großer Einfaltspinsel«, konterte der hoffnungsreiche Sohn lachend. »Ich wette, dass Sie sich gegenwärtig nicht im Besitz von fünf Gulden befinden?«

»Nun, was soll das? Wenn ich meinen Grundzins einbekomme …«

»Wahrscheinlich von Ihren Gütern auf dem Mond. Ha, ha, Sie werden altersschwach, sonst würden Sie nicht den Versuch machen, mir so etwas aufbinden zu wollen!«

Der Baron zog ein Gesicht, als wenn er über sich selbst lachte. »Nun also, wenn das Geschäft zwischen uns abgeschlossen werden soll?«

»So gebe ich Ihnen zwanzig Taler.«

»Bleibe mir mit einem solchen Lumpengebot vom Leibe. Unter zweihundert ist gar nicht daran zu denken.«

»Dann wird nichts daraus, ich reise wieder dahin, wo ich hergekommen bin.«

»Du bist ein unnatürlicher Sohn. Um dir jedoch mit einem guten Beispiel voranzugehen, will ich mich mit hundert Talern zufrieden erklären.«

»Ich gebe Ihnen fünfzig Taler.«

»Mir so etwas anzubieten! Es ist wirklich eine Schande.«

»An die Schande sind wir beide schon gewöhnt«, sagte der Abenteurer frivol lachend. »Also entschließen Sie sich kurz: Nehmen Sie mein Gebot an? Es ist das letzte.«

»Wirklich, ich tue es nur, weil meine väterlichen Gefühle dabei den Ausschlag geben. Zähle also das Geld auf, du sollst dafür die gewünschten Empfehlungen erhalten.«

»Erst nach Ablieferung derselben. Sie wären doch am Ende noch imstande, mir einen Streich zu spielen.«

Daraufhin lächelte der Freiherr seinem Sohn sehr befriedigt zu. »Ich sehe doch, dass du mir nicht allein in allen Stücken gleichst, sondern dass du mich noch in manchen übertriffst. Hast du denn gar nichts mitgebracht?«

»Doch, Papa, eine Flasche echten Jamaikarum.«

Der Alte rieb sich vor Vergnügen die Hände. »Dort im Ofen ist heißes Wasser. Während ich die Briefe schreibe, welche bestimmt sind, dich in die vornehme Gesellschaft einzuführen, kannst du Punsch brauen.«

Wir brauchen wohl dem Leser nicht erst zu versichern, dass sich das würdige Paar, nachdem es das Geschäft, durch welches es zusammengeführt worden war, zur gegenseitigen Zufriedenheit erledigt hatte, ohne sonderlichen Schmerz wieder trennte. Mit seinen Briefen in der Tasche wandte der jüngere Hochstapler dem Sitz seiner Ahnen, dem alten baufälligen, mit Stroh gedeckten Haus, kalt den Rücken, während sein würdiger Herr Papa, auf den erblindeten Scheiben einen Marsch trommelnd, dem hoffnungsvollen Sprössling in sonderbar pfiffiger Weise nachblickte.

»Ich habe ihn jetzt in meinen Fingern«, murmelte er, »und so schlau er sich auch dünkt, so bin ich doch noch schlauer. Rodenwald ist ein alter geriebener Fuchs, mit allen Hunden gehetzt und in allen Kartenkünsten erfahren. Ich zweifle daher auch nicht, dass mein hoffnungsreicher Sohn, wenn er denselben unter seine Protektion nimmt, in den Spielsalons gute Geschäfte machen wird. Aber wenn mein lieber Albert glaubt, dass er nunmehr seinen teuren Vater los ist, so irrt er sich. Es ist nicht mehr als billig, dass die Kinder für die Eltern arbeiten, wenn diese alt und schwach werden. Ich werde mir also eine Tantieme von dem Gewinn aussetzen, welche dieser liebenswürdige Tausendkünstler durch allerhand Fingerfertigkeiten aus den Börsen anderer Leute zieht. Und wenn er die Rente nicht pünktlich einzahlt, so spiele ich ihm einen Streich, an welchem er die strafende Hand seines armen, vernachlässigten Vaters erkennen soll.«