Ausschreibung
Sternenlicht-Anthologie

Download-Tipp
Band 6

Heftroman der Woche

Archive
Folgt uns auch auf

Der Teufel auf Reisen 33

Der-Teufel-auf-Reisen-Zweiter-BandCarl von Kessel
Der Teufel auf Reisen
Zweiter Band
Ein humoristisch-satirischer Roman aus dem Jahr 1870
Siebentes Kapitel – Teil 2
Des Teufels Anteil

Den Tag darauf bezog Glöckner das ihm empfohlene Zimmer und schon eine Woche später stand er mit dem Baron auf dem vertrautesten Fuße.

»Whist verstehen Sie jetzt«, sagte dieser eines Abends, »und mit dem Landsknecht geht es auch. Ich will Ihnen nun nur noch das Tempeln beibringen, dann sind Sie ein vollendeter Gentleman und können in jeder noblen Gesellschaft auftreten.«

»Ach ja, wenn ich bitten dürfte, ich würde Ihnen sehr dankbar dafür sein.«

»Nun gut, ich erlaube mir, Sie für morgen zu einem Glas Wein einzuladen. Apropos, tragen Sie Ihr Geld noch immer bei sich?«

»Freilich. Man hat mir gesagt, in den großen Städten müsste man vorsichtig sein.«

»Das hat auch seine vollkommene Richtigkeit. Nun also bis morgen. Aber ganz unter uns, Sie müssen mit dem, was Sie finden fürlieb nehmen. Eine kalte Pastete, ein Glas Wein, eine Zigarre und hinterher ein kleines Spielchen, lediglich zu Ihrer Belehrung.«

»Natürlich. Übrigens sind Sie mir vom letzten Mal noch eine Revanche schuldig und ich habe so eine stille Ahnung, dass ich diesmal gewinnen werde.«

»Sollte mir sehr angenehm sein, denn aufrichtig gesagt, es ist mir fatal, wenn ich immer im Vorteil bin.«

»Der Spitzbube«, dachte Schwalbe, »er wünscht nichts sehnlicher, als mir die letzte Feder auszurupfen.«

Tief waren schon die Lichter heruntergebrannt und der angebliche Glöckner saß noch immer mit dem Baron von Hahnenfeder und einem anderen Herrn beim Landsknecht.

»Trinken Sie«, sagte der Glücksritter und schenkte zugleich die Gläser wieder voll. »Pah, wer wird einer solchen Kleinigkeit wegen gleich ein so jämmerliches Gesicht machen! Wie oft habe ich heute verloren und morgen das Doppelte wieder gewonnen! … Hier, mein Freund, der Graf Puff, ist mehr als zehnmal davon Zeuge gewesen.«

»Ja wohl, ja wohl«, bestätigte der falsche Graf Puff, »ist alles schon dagewesen. Ziehen Sie ab, Baron, was steht?«

»Zehn Friedrichsd’or.«

»Eine Bagatelle. Ich halte!«

»Sie haben verloren, Graf«, sagte Herr von Hahnenfeder. »Wer hält die zwanzig Friedrichsd’or?«

Es entstand eine kleine Pause. Die beiden Gauner tauschten einen heimlichen Blick miteinander aus, aber auch Schwalbe spielte seine Rolle vortrefflich.

»Nun, Herr Glöckner, halten Sie?«, fragte der Baron.

Dieser wischte sich den Schweiß von der Stirn. »Wenn ich verliere, so bin ich bis auf den letzten Gulden fertig.«

»Ich will nicht schuld daran sein«, sagte Herr von Hahnenfeder mit einer großmütigen Gebärde die Karten niederlegend.

»Halten Sie«, flüsterte Graf Puff, »er hat viermal gewonnen, er muss das fünfte Mal verlieren.«

»Nun, meine Herren«, rief der Freiherr, »wenn niemand mehr hält, so ziehe ich ein.«

»Ziehen Sie ab«, rief Schwalbe und schob mit zitternder Hand den Einsatz hin, während er mit stierem Blick in fieberhafter Spannung dem Umschlagen der Karten folgte.

»Es tut mir leid, Sie haben verloren«, bemerkte mit der größten Kälte der Baron, »der König war für mich, die Zehn für Sie.«

»Ich halte noch einmal«, rief Glöckner.

»Gut, ich stehe zu Diensten.«

»So ziehen Sie ab.«

Herr von Hahnenfeder rührte sich nicht.

»Nun, worauf warten Sie denn?«

»Auf ihren Einsatz.«

»Sie werden mir doch bis morgen Kredit geben?«

»Im Spiel tue ich dies grundsätzlich nicht«, bemerkte der liebenswürdige Baron.

»Aber Sie haben mir doch alles abgenommen?«

»Sie hätten mir ebenso gut alles abnehmen können.«

»Was wird meine Mutter sagen«, seufzte Glöckner, »es war ihr sauer Erspartes.«

Der Herr Graf Puff brach hier in ein rohes Gelächter aus.

»Sie stellen sich aber doch auch zu jämmerlich an.« »Wie soll ich den Meinen unter die Augen treten. Oh, ich Leichtsinniger! Ich Verworfener!« Der angebliche Glöckner hielt sich beide Hände vors Gesicht und brach in ein Schluchzen aus.

»Ich bitte Sie, führen Sie hier keine Szene auf«, sagte jetzt auch im groben Ton Herr von Hahnenfeder.

»Leihen Sie mir wenigstens fünf Friedrichsd’or, damit ich meine Rechnung bezahlen und nach Hause zurückkehren kann.«

»Geht wirklich nicht, mein Bester, sehen Sie, wie Sie fertig werden.«

»Sie sehen aber, dass ich der Verzweiflung nahe bin.«

»Bedaure sehr, vermag Ihnen aber nicht zu helfen.«

»So nehmen Sie es auf sich, wenn ein Unglück passiert!«

Mit diesen Worten stürzte Glöckner mit allen Zeichen einer verzweifelten Aufregung zur Tür hinaus, während ihm ein kaltes höhnisches Gelächter nachgeschickt wurde.

»Wie viel nahmen Sie dem Dummkopf ab?«, fragte Puff.

»Hier haben Sie die versprochenen fünfzig Taler und nun seien Sie zufrieden«, lautete die Antwort.

»Damit bin ich aber nicht zufrieden, ich verlange meinen vollen Anteil. Ich habe im Stillen genau Rechnung geführt, Sie müssen wenigstens sechshundert Taler gewonnen haben.«

»Was geht das Sie an. Hier ist Ihr Geld und nun trollen Sie sich.«

»Wenn Sie nicht mit mir teilen, so sage ich morgen dem jungen Mann, dass Sie mit einem falschen Spiel Karten gespielt haben.«

»Und ich werde der Polizei in einem anonymen Schreiben anzeigen, dass Sie einer der gefährlichsten Gauner sind.«

»Sie Halunke!«

Hahnenfeder riss einen Revolver von der Wand. »Wollen Sie nun gleich machen, dass Sie fortkommen, Sie feiger Schuft!«

»Warten Sie nur!«, drohte der andere, griff aber doch nach dem Fünfzigtalerschein und stürzte dann zur Tür hinaus.

»Ich kenne den Kerl«, murmelte sein Kompagnon, »morgen wedelt er wieder vor mir und leckt mir die Stiefelspitzen. Bleibt sich übrigens gleich, denn nun ist mir geholfen und in wenigen Tagen verlasse ich die Stadt, um andere Pläne zu verfolgen.«

»Das ist ja ein wahrer Ausbund von Laster«, sagte Schwalbe, als er am darauffolgenden Tag mit Schwefelkorn zusammentraf.

Dieser rieb sich sehr behaglich die Hände. »Den Burschen halte ich schon lange im Auge, ich hoffe einst noch mehr Freude an ihm zu erleben. Sie sind übrigens früher, als ich vermutete, zurückgekehrt.«

»Nun, ich hatte ja nichts mehr zu tun. Der erste Akt ist aus. Jedenfalls glaubt dieser Gauner nun, ich sei nach Hause gereist, oder ich habe mich in den Fluss gestürzt. Das Eine wird ihm so gleichgültig wie das Andere fein.« Schwefelkorn lachte. »In vierzehn Tagen reisen wir von hier ab.«

»Wohin?«

»Nach Paris. Dort werden wir dem zweiten Akt als Zuschauer beiwohnen.«

»Wie heißt denn aber das Stück, Sie haben ihm immer noch keinen Namen gegeben.«

»Na«, sprach der falsche Baron lachend, »Sie werden doch zugeben, dass dieser liebenswürdige Freiherr von Hahnenfeder mir bereits ganz sicher ist?«

»Darüber hege ich nicht den geringsten Zweifel.« »Außerdem kennen Sie mich als einen toleranten Mann, der nicht an jedem Wort Anstoß nimmt.«

»Das ist wahr. Trotz Ihrer höllischen Herkunft lässt es sich mit Ihnen ganz gut umgehen.«

»Danke bestens für Ihre Offenheit.«

»Also der Name des Stücks, wie heißt der?«

»Des Teufels Anteil«, antwortete Schwefelkorn. »Wie gefällt Ihnen derselbe?«

»Vorzüglich.«

»Nun ich weiß, es tut unserer Freundschaft keinen Abbruch, dass ich mich beim rechten Namen nenne.«

»Hat gar nichts zu bedeuten, legen Sie sich keinen Zwang an. Als Philosoph vermag ich das schon zu ertragen.«