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Felsenherz der Trapper – Teil 6.6

Felsenherz-der-TrapperFelsenherz der Trapper
Selbsterlebtes aus den Indianergebieten erzählt von Kapitän William Käbler
Erstveröffentlichung im Verlag moderner Lektüre GmbH, Berlin, 1922

Band 6
Die Goldgräber der Jicarilla-Berge

Sechstes Kapitel
Die Flucht von dem Bergplateau

Felsenherz suchte aus dem Beutelager in der Grotte sehr bald einen richtigen kleinen Anker heraus, der sicherlich einmal zu einem Flachboot gehört hatte, wie sie auf dem Arkansas, Colorado und den anderen Flüssen in den Ansiedlungsgebieten verkehren.
Der Schwarze Panther, Ben und Felsenherz begaben sich nun wieder zur Ostseite des Plateaus, hüteten sich aber, sofort mit ihrem Vorhaben zu beginnen, verhielten sich vielmehr eine Viertelstunde völlig regungslos und beobachteten die gegenüberliegende Steilwand und den mit Gestrüpp und Steinblöcken bedeckten Boden des Abgrundes tief unter ihnen.
Nichts regte sich. Die Apachen schienen sämtlich in dem großen, nördlichen Tal zu lagern.
Dann erhob sich Felsenherz, trat in eine Lücke des Gestrüpps und schleuderte den an dem einen Tau befestigten Anker über den Abgrund, indem er das freie Ende des Taus in der linken Hand behielt.
Der Wurf war an sich durchaus nicht schwierig. Es kam lediglich darauf an, ob die Schaufeln des Ankers sich nun auch drüben in einer Spalte festklemmen würden.
Der Anker schlug mit leisem Klirren auf. Felsenherz holte nun langsam das Tau ein und zog den Anker über den Boden hin.
Zweimal missglückte der Versuch. Dann aber warf der Trapper den Anker mehr nach rechts, wo das Gestein verwittert war und sich mehrere Zacken gebildet hatten.
Felsenherz zog immer stärker an dem Tau. Der Anker hielt.
Daraufhin wurde das freie Ende um einen Felsblock gebunden, sodass das Tau ganz straff gespannt war. Als Felsenherz nun jedoch hinüberklettern wollte, schob der Häuptling ihn sacht beiseite.
»Mein Bruder hat in dieser Nacht sein Leben bereits mehrfach aufs Spiel gesetzt«, sagte er schnell. »Der Schwarze Panther wird das Weitere ausführen. Ben möge mir die drei hierher mitgenommenen Lassos reichen.«
Er knotete sie zusammen, gab Felsenherz das eine Ende und band sich das andere um den Leib, ließ seine Büchse zurück und schwang sich Griff für Griff an dem Tau hinüber.
Langsam richtete er sich drüben auf. Ben halte für alle Fälle seine Büchse gespannt. Der Häuptling benahm sich umsichtig wie stets. Er suchte erst das jenseitige Plateau ab, indem er, jede Deckung benutzend, von Felsblock zu Felsblock, von Busch zu Busch glitt.
Der Mond hüllte die ganze Umgegend in ein mildes Licht. Felsenherz und Ben konnten den Comanchen genau beobachten.
Mit einem Mal war es, als ob eine unsichtbare Gewalt den Schwarzen Panther rücklings zu Boden riss.
Er war verschwunden! Und das Lasso, das Felsenherz nun anzog, war durchschnitten.
»Ben, er ist durch einen Lassowurf überwältigt worden«, deutete Felsenherz erregt. »Ich muss hinüber, muss ihm beistehen! Es sind doch Apachenspäher drüben verborgen gewesen!«
Drei Minuten später umklammerten seine Hände drüben bereits eine Felszacke. Er zog sich höher, tief gebückt, kroch dann sofort nach rechts hin am Rand der Wand weiter, bis er einen Buschstreifen erreicht hatte, der über das Plateau bis in die nächste Schlucht hinabging. Dort richtete er sich auf, lief vorsichtig der Schlucht zu. Er ahnte, dass die Apachen von dort hergekommen sein müssten, und beabsichtigte, ihnen den Weg abzuschneiden.
Das Plateau senkte sich hier ziemlich steil abwärts. Felsenherz spähte nach den Apachen aus. Er entdeckte nichts. Abermals kroch er auf allen vieren weiter. Wenn die Apachen sich kommen.
Lautlos näherte er sich so einem großen Strauch. Als er zwischen ein paar Grasbüscheln hindurch lugte, bemerkte er an dieser Seite des Busches fünf Apachen, die den Schwarzen Panther gerade fesselten.
Der junge Trapper sagte sich mit Recht, dass von den fünf Apachen nicht einer entkommen dürfe. Sie sollten fraglos den Schlupfwinkel der Buschklepper bewachen und hatten wahrscheinlich schon längere Zeit hier verborgen gelegen. Wenn es ihm gelang, sie unschädlich zu machen, war der Weg nach dieser Richtung frei.
Allerdings fünf Rothäute ohne Lärm zu betäuben, alle fünf niederzuschlagen, das war ein sehr zweifelhaftes Vorhaben! Entfloh auch nur ein Einziger, dann war der Plan, über den Abgrund zu entweichen, für alle Zeit vereitelt!
Felsenherz entschloss sich abzuwarten, was die Apachen weiter tun würden. Er hoffte, dass zwei den Schwarzen Panther zum Lager schaffen würden. Dann konnte er erst diese beiden überwältigen und später sich an die drei übrigen heranwagen.
Er kroch deshalb wieder eine Strecke zurück bis zu einem einzelnen Busch. Dort verbarg er sich.
Und seine Vermutung traf zu! Zwei Apachen trugen den offenbar bewusstlosen Häuptling tief gebückt in das Plateau hinab, kamen dicht an dem Strauch vorüber, wo Felsenherz kniete.
Nun hatten sie den Strauch hinter sich. Und dieser Strauch entzog sie den Blicken der drei anderen.
Neben ihnen schnellte eine Gestalt hoch …
Zwei Fausthiebe, zwei Griffe, und Felsenherz ließ die betäubten Apachen zu Boden gleiten.
Dann durchschnitt er des Schwarzen Panthers Fesseln. Der Comanche war bei Bewusstsein, hatte sich aber, als das Lasso ihn nach hinten riss, den Kopf an einem Stein recht übel zugerichtet.
Der Häuptling setzte sich aufrecht. Sein Blick fiel auf die Apachen. Einer der beiden hatte des Comanchen Messer und Tomahawk im Gürtel. Der Schwarze Panther nahm seine Waffen wieder an sich.
Felsenherz schaute nach den drei anderen Rothäuten aus. Sie lagen noch hinter den Büschen und hatten nur Augen und Ohren für das Plateau drüben, auf dem die Bleichgesichter sich befanden.
Der Schwarze Panther fesselte schnell diese beiden Apachen, winkte dann Felsenherz und schob sich langsam den Büschen zu.
Gleich darauf lebten von den fünf Apachen nur noch drei. Es waren die, denen die Faust des jungen Trappers einen Messerstich erspart hatte.
Der Schwarze Panther kehrte nun zum Schlupfwinkel der Buschklepper zurück und schickte die beiden Comanchenkrieger zu Felsenherz hinüber, der sie als Wachen unten in der Schlucht aufstellte, von der aus man allein auf das Plateau gelangen konnte. Nun war man vor einer Überraschung durch andere Apachen sicher. In aller Eile wurde das zweite Schiffstau über den Abgrund gespannt und mit dem Hinüberschaffen der Pferde begonnen, was hier weit mehr Schwierigkeiten machte als vorhin das Emporwinden.
Diese Arbeit dauerte fast anderthalb Stunden. Von den überflüssigen Pferden der Buschklepper suchte man die drei besten aus, eins für den einen Comanchenkrieger, dessen Tier für Felsenherz die Kugeln abgefangen hatten, das zweite für die Señora Frontera, die beim Hinüberschaffen der Pferde wacker wie ein Mann mitgeholfen hatte. Auch die drei Säcke mit Goldstaub nahm man auf das andere Plateau hinüber und lud sie dem dritten der Buschklepperpferde auf. Nachdem dann noch das Beutelager in Brand gesteckt und die Verbindung über den Abgrund zerstört worden war, setzte sich der Zug mit den fünf Gefangenen und dem einen Packpferd in Bewegung.
Am folgenden Abend kam der kleine See in Sicht, der unter dem Namen Apache Spring allen Rothäuten und Trappern wohlbekannt war.
Hier in der Nähe hatte der Trapper Barnley, der stets nur der Skalpierte genannt wurde und mit dem Felsenherz und der Schwarze Panther seit Langem befreundet waren, seine festungsartige, gut versteckte Behausung.
Des Comanchenhäuptlings Schwester, die dieser vor drei Wochen unter dem Schutz des Skalpierten und des langen Billy, eines alten, erfahrenen Westmannes, hierher geschickt hatte, weil die Apachen auf die junge Comanchin Jagd gemacht hatten, wurde nun in Begleitung Billys, Bens und der zwei Comanchenkrieger mit den fünf gefangenen Buschkleppern durch die Llano nach Nordost zu den Dörfern der Comanchen am Canadian vorausgesandt, wo sich später auch Felsenherz und der Schwarze Panther einfinden wollten, sobald sie den Señor Frontera befreit hätten. Der Skalpierte schloss sich den drei anderen an, die nun weiter quer durch die Llano den Jicarilla-Bergen zustrebten.