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Felsenherz der Trapper – Teil 6.5

Felsenherz-der-TrapperFelsenherz der Trapper
Selbsterlebtes aus den Indianergebieten erzählt von Kapitän William Käbler
Erstveröffentlichung im Verlag moderner Lektüre GmbH, Berlin, 1922

Band 6
Die Goldgräber der Jicarilla-Berge

Fünftes Kapitel
Ein Ritt durch die Luft

Zehn Schritte vor Felsenherz lag der Ausgang des Canyons wie ein schwarzer Schlund.

Nichts war zu sehen, nichts zu hören.

Und doch wusste der junge Trapper genau, dass dort drüben in der Finsternis die Apachen steckten. Er wusste es, weil ein Luftzug durch den Canyon auf ihn zu strich und ihm die scharfe Ausdünstung von Pferden in die Nase trieb.

Nichts regte sich. Felsenherz’ Augen bohrten sich in die Finsternis ein, gewöhnten sich langsam an das Dunkel, lernten geringe Einzelheiten unterscheiden.

Er kniff die Augen leicht zusammen. Er entdeckte etwas, das sich schlangengleich über den Boden hinschob.

Seine Reche tastete nach einem Stein.

Der Stein flog … Ein dumpfer Schlag … ein Aufschrei …

Die Gestalt blieb regungslos liegen.

Und Felsenherz suchte einen zweiten Stein.

In weitem Bogen sauste das schwere Geschoss in den Tunnel.

Ein drittes, viertes folgte …

Pferde schnaubten, halb unterdrückte Aufschreie erklangen.

Nun wusste Felsenherz, wo ungefähr es ein Ziel für seine Kugeln gab.

Zweimal drückte er ab, ließ den Schüssen weitere Steine folgen.

Nun wieder Stille in dem schwarzen Schlund, eine unheimliche, die Seele bedrückende Stille.

Felsenherz überlegte. Ob er nicht bereits davoneilen konnte? Ob nicht seine Gefährten die Reittiere bereits nach oben geschafft hatten? Er zählte schnell die Anzahl. Sechs Tiere mussten in die Höhe gewunden werden – sechs! Das erforderte doch wohl mehr als fünfzehn Minuten! Also hieß es, hier noch weiter auszuharren.

Er hatte inzwischen seine Büchse geladen. Als er nun die Zündhütchen auf die Pistons steckte, war es ihm, als hörte er links von sich an der Talwand ein Poltern wie von einem herabfallenden Stein.

Er blickte scharf dorthin. Doch an der dunklen Wand ließ sich nichts erkennen. Trotzdem war er vorsichtig, kroch lautlos zurück hinter einen anderen Stein, hob die Büchse, feuerte aufs Geratewohl nach links. Der Blitz des Schusses zeigte ihm acht Apachen, die aufrecht dort an der Talwand standen, kaum sechs Schritt entfernt.

Sofort glitt er noch weiter zurück. Wenn er den Apachen Nacht in die Hände fallen wollte, musste er die Verteidigung des Canyons anders fortsetzen.

Hinter einem dichten Gestrüpp machte er halt. Wieder nahm er sein Präriefeuerzeug. Das Flämmchen leckte an dem dürren Gras, das zwischen den Dornen und Disteln verkümmert war, zischend hoch. Die Flämmchen wurden zu Flammen, huschten weiter und weiter.

Felsenherz war bereits hinter eine Gruppe von kleinen Tannen geschlüpft.

Die rote Glut fraß höher, beleuchtete die ganze Umgebung. Die Apachen waren verschwunden.

Nein – nicht verschwunden! Fünf – acht Pferde, scheinbar ohne Reiter, brachen aus dem Tunnel hervor.

Und hinten auf der Kruppe jedes Pferdes hing ein Apache.

Felsenherz schoss die beiden vordersten Pferde nieder. Dann stürmte er davon.

Es galt nun das Leben. Hinter ihm war plötzlich die Hölle los. Das Kriegsgeschrei der Apachen erfüllte das Tal. Ein vielfaches Echo verstärkte das gellende Geheul.

Als Felsenherz den Vorsprung der südlichen Talwand erreichte, wurde gerade das Letzte der Comanchenpferde hochgewunden.

Es hing in breiten Ledergurten, schnaubte vor Angst.

Felsenherz bekam noch den einen Steigbügel zu packen, zog sich empor, ergriff das dicke Lederseil, ließ sich in den Sattel fallen.

Unter ihm rissen die Apachen ihre Tiere zurück, starrten eine Weile untätig nach oben, als ob sie ihren Augen nicht recht trauten.

Pferd und Reiter schwebten höher.

Aus dem Randgestrüpp der Wand blitzte es auf. Drei Apachengäule brachen zusammen.

Aber zu viele der Reiter waren es jetzt. Und die wütende Stimme des großen Bären brüllte den Befehl, Felsenherz herabzuschießen.

Die Apachen feuerten vom Sattel aus. Gegen den sternklaren Himmel hob sich das Pferd in den Gurten deutlich ab.

Das arme Tier wieherte. Felsenherz fühlte,. wie es unter den Kugeleinschlägen zusammenzuckte. Er hatte sich tief auf den Hals gebeugt, fand so einige Deckung. Dann konnte er einen Ast der Eiche erreichen, schwang sich hoch, kletterte höher, duckte sich hinter den Stamm.

Das Schnauben des verwundeten Pferdes ging in ein Stöhnen über, dann ein Todesschrei, der fast etwas Menschliches an sich hatte. Das Tier war tot.

Und doch zog man es mithilfe der an den Ledergurten befestigten Lassos nach der Seite in das Gestrüpp.

Des Schwarzen Panthers Stimme übertönte noch das Gebrüll der Apachen.

»Mein Bruder Felsenherz mag in der Eiche bleiben! Wir werden die stinkenden Apachenkröten versagen!«

Eine Salve aus sechs Büchsen fuhr die Masse der Apachen. Eine zweite folgte.

Unten im Tal wälzten sich Tier- und Menschenleiber in wirrem Haufen.

Felsenherz benutzte diesen Moment, glitt am Stamm herab, verschwand in den Sträuchern.

Der kleine Ben trat ihm als Erster entgegen, streckte ihm die Hand hin.

»Old Boy, Ihr seid doch ein ganzer Kerl! Ohne Euch hätten die Apachen uns überrannt!«

Der Mond war nun über den Bergen aufgegangen.

Felsenherz blickte geradeaus, sah dort zehn Schritt weiter mehrere Leichen liegen, daneben fünf Gefesselte.

Der Schwarze Panther sagte ernst. »Die Bleichgesichter, die von hier aus die ganze Gegend unsicher machten, werden nie wieder einsame Reisende und Farmer überfallen, werden nie wieder hinterlistig jagende Comanchen ausplündern! Ich habe drüben in ihrer Höhle die Waffen und die Medizinbeutel von fünfzehn meiner Krieger gefunden. Die fünf noch lebenden Buschklepper werden am Marterpfahl der Comanchen sterben. Es sind Geier, die nur in der Überzahl sich an ihre Beute heranwagten! Auch das Gold der Señora liegt in der Höhle. Mein Bruder möge mir folgen.«

Dieses von allen Seiten unzugängliche Felsplateau hatte genau in der Mitte eine kegelförmige Ausbuchtung, deren Nordseite eine tiefe Grotte bildete. In dieser Grotte brannte ein Feuer. Der junge Trapper konnte daher staunend die Unmenge von Beute aller Art betrachten, die von der Bande hier aufgehäuft worden war.

Dem Comanchenhäuptling und Felsenherz hatte sich auch die Señora Frontera angeschlossen.

»Der Schwarze Panther und sein weißer Bruder sollen jetzt meine Leidensgeschichte hören«, sagte sie nun und trat vor die beiden hin. »Ich will mich ganz kurz fassen. Mein Mann besaß eine kleine Hazienda drüben in Mexiko am Rio Aripe. Er war ein sehr unruhiger Geist, der stets von Reichtümern träumte. Mit seinem Freund Satervo durchstreifte er oft wochenlang die Einöden, wagte sich bis in das Apachengebiet hinein, stets von dem Wunsch getrieben, eine Goldader oder eine Bonanza1 zu entdecken. Als er dann einmal allein abermals drei Wochen unterwegs gewesen und zu mir und unseren beiden Söhnen zurückgekehrt war, erzählte er mir freudestrahlend, dass er nun am Ziel seiner Wünsche sei. Er beschrieb mir sehr genau eine Schlucht in den südlichen Jicarilla-Bergen, wo er eine reiche Goldader gefunden hatte. Seinem Freund Satervo, dessen Habgier er inzwischen durchschaut hatte, verschwieg er den Erfolg dieses letzten Rittes. Er wollte die Goldader allein ausbeuten. Vor fünf Jahren im Herbst brach er dann gut ausgerüstet allein zu der Goldschlucht auf. Und er kam nicht wieder! Erst ein volles Jahr später erschien dann Satervo, der inzwischen Indianerhändler geworden war, auf unserer Hazienda und teilte mir mit, dass mein Mann von Comanchen gefangen genommen worden sei und dass er versuchen wolle, ihn loszukaufen. Ich gab Satervo alles an Gold und Waren, was ich auftreiben konnte. Abermals nach acht Monaten fand sich Satervo darauf bei uns mit der Nachricht ein, den Comanchen genüge das Lösegeld nicht, sie wünschten drei Ledersäcke Goldkörner. Meine Söhne waren damals sechzehn und siebzehn Jahre alt. Wir beschlossen, Satervo nichts von der Goldschlucht mitzuteilen. Ich bestellte ihn aber nach einem halben Jahr an den Westrand der Llano Estacado an eine bestimmte Stelle, von der mir mein Mann erzählt hatte, dass sie nur zwei Tagesritte von der Goldschlucht entfernt läge. Wir drei wurden dann in aller Stille Goldgräber. Satervo versuchte zwar, uns heimlich zu folgen. Wir brachten ihn aber von unserer Fährte ab. In jener Schlucht der Jicarilla-Berge haben wir, meine Söhne und ich, dreimal je drei Säcke Goldstaub und Goldkörner gewonnen. Und stets hat Satervo uns um die Früchte unserer mühsamen Arbeit betrogen, wie jetzt aus seinem Geständnis hervorging. Er selbst wird meinen Mann gefangen genommen haben, um ihm das Geständnis zu erpressen, wo die Goldschlucht zu suchen sei. In den Jicarilla-Bergen hausen viele aus ihrem Stamm ausgestoßene Apachen, und diese dürften es sein, die meinen Mann bewachen. So, nun weiß der Schwarze Panther, weshalb ich glaubte, er hielte meinen Mann gefangen, wie dies – so musste ich es so annehmen – schon sein Vater getan hätte. Satervo wird das Gold in den Ansiedelungen verspielt haben. Ich hegte ja etwas Misstrauen gegen ihn. Aber stets, wenn er mir wieder das Gold als Lösegeld abnahm, zeigte er nur irgendeinen Gegenstand vor, der meinem Gatten gehörte. So schläferte er mein Misstrauen immer wieder ein.«

Der kleine Ben war nun in der Grotte ebenfalls erschienen.

»Wir tun gut daran, noch in dieser Nacht von hier zu verschwinden«, meinte er. »Wir dürfen nicht vergessen, dass der große Bär genügend Krieger bei sich hat, uns hier zu belagern und gleichzeitig einen Trupp zum Apache Spring in die Llano zu senden, um Eure Schwester, Häuptling, und unsere Freunde Billy und den Skalpierten in seine Gewalt zu bringen. Felsenheer Ihr könntet Euch das Plateau mal näher ansehen. Euch ist so noch immer irgendetwas eingefallen, uns aus der Patsche herauszuhelfen.«

Felsenherz verließ dann mit Ben die Grotte.

Das Plateau bildete ein Dreieck, dessen Grundlinie nach Süden zu lag. Es war mit einzelnen Bäumen und Buschwerk bestanden und rings durch tiefe Abgründe von der Umgebung abgeschnitten. Als Felsenherz und Ben nun an der Ostseite des Plateaus entlang schritten, bemerkte der Erstere eine Stelle, wo die jenseitige Steilwand nur sechs Meter etwa entfernt war, weil drüben eine Felszunge sich wie ein Balkon weit vorschob.

Der junge Trapper blieb stehen.

»Ben, wenn wir an dieser Stelle hinüberkönnten!«, meinte er bedächtig. »Ob die Apachen etwa auch hier unter uns in diesem Abgrund Wachen aufgestellt haben?«

»Nein. Bisher nicht. Sie warten wohl erst das Tageslicht ab. In dieser von Schluchten zerrissenen Bergwildnis findet sich nachts niemand zurecht.«

»Gut, dann käme es also auf einen Versuch an, hier den Abgrund irgendwie zu überqueren. Wir haben ja das Lederseil und die Winde zur Verfügung, ebenso genügend Lassos.« Er blickte angestrengt zu der Felszunge hin und fuhr fort: »Wenn es uns gelingt, zunächst zwei Lassos drüben zu befestigen, haben wir gewonnenes Spiel!«

»Wird ein böses Kunststück werden!«, brummte der kleine Ben.

»Hm – nicht gar so schlimm, wie Ihr denkt. Sehen wir nach, ob sich unter der Beute der Buschklepper vielleicht eine Eisenstange befindet, die sich in Ankerform biegen lässt. Kehren wir also zur Grotte zurück.

Show 1 footnote

  1. Fundstätte großer Goldkiesel