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Der Teufel auf Reisen 31

Der-Teufel-auf-Reisen-Zweiter-BandCarl von Kessel
Der Teufel auf Reisen
Zweiter Band
Ein humoristisch-satirischer Roman aus dem Jahr 1870
Sechstes Kapitel – Teil 6
Die Familie Purps

Im Hof in der Müllerstraße herrschte am Sonntag eine außergewöhnliche Aufregung. Das Gerücht von der plötzlichen Ankunft des Vetters aus Amerika bildete das Tagesgespräch sämtlicher Familien. Aus der halben Million waren bereits zwei Millionen geworden und Frau Purps, geborene Piepenmeier, widersprach dem durchaus nicht und warf den Kopf stolzer als je in den Nacken.

Als nun noch gar eine elegante Kutsche vorfuhr und der Nabob nun aus derselben stieg und der kleine Purps sich fast bis zur Erde vor ihm bückte, und Frau Purps tief knickste und sämtliche kleinen Purpse mit reingewaschenen Gesichtern in ihrem Sonntagsanzug zum Vorschein kamen und dem Herrn Vetter sehr demütig die Hand küssten. Als nun endlich Therese in einem neuen seidenen Kleid an der Seite ihres Verlobten erschien und sich ebenfalls der feierlichen Begrüßung anschloss, da wurden die Hälse sämtlicher Nachbarn länger. Ein staunendes Gemurmel durchlief den dichtgedrängten gaffenden Haufen. Einige alte Weiber wurden vor Neid noch gelber als sie schon waren und meinten, die Therese sei immer hoffärtig und aufgeblasen gewesen (obwohl sie ein stilles bescheidenes Mädchen war). Jetzt werde wohl der Hochmutsteufel der dicken Frau, von welcher der arme Purps immer so viel zu leiden gehabt habe, vollends in den Kopf steigen.

 

Drinnen aber in der Purps’schen Wohnung ging es hoch her. Vetter Larsen hatte für Wein gesorgt und ein mächtiger Kuchen stand auf dem Tisch, welchen die jungen Purpse mit verlangenden Blicken anglotzten, bis schließlich jedes ihrer offenen Mäuler mit einem großen Stück desselben zugestopft wurde und sie nun im großen Hof verschwanden, um zum Neid der übrigen Kinder diese ungewohnte Kost unter dem Ausdruck eines gewissen stolzen Selbstbewusstseins zu verzehren. Der Vetter aber drinnen war sehr aufgeräumt und erzählte Wunderdinge und ließ nicht undeutlich merken, dass nächstens noch eine große Kiste mit Diamanten ankommen werde, so groß wie Haselnüsse, von denen Frau Purps zunächst ein prachtvolles Geschmeide erhalten solle, so wie er auch hoffe, dass er dieselbe dereinst an einer anderen Stelle wieder als alte Bekannte werde begrüßen können.

Als nun die würdige Dame fragte, ob er denn beabsichtige, wieder von hier fortzugehen und wo sich denn die »andere Stelle« befinde, wo ihr die Ehre zuteilwerden sollte, den Herrn Vetter wieder zu treffen, erwiderte dieser, sie müsse nicht so neugierig sein. Vielleicht wäre es auf dem Blocksberg oder anderwärts, welcher Scherz bei den Anwesenden ein großes Gelächter hervorrief, während Frau Purps ein sehr bedenkliches Gesicht machte.

Acht Tage später wurden Therese und der Aktuar ehelich verbunden. Vetter Larsen hatte sich wegen eines plötzlich eingetretenen Unwohlseins entschuldigen lassen und erschien nicht in der Kirche. Natürlich erregte dies allgemeines Bedauern und Frau Purps meinte, wenn die Krankheit schlimmer würde, so müsse man darauf dringen, dass er ein Testament mache. Besonders die Diamanten nehme sie für sich in Anspruch, da ihr der Herr Vetter dieselben schon so gut wie versprochen habe.

Sehr erstaunt war die dicke Frau, als ihr Heidenreich nach beendigter Trauung mitteilte, er verzichte auf alle Hochzeitsfeierlichkeiten und werde stattdessen mit seiner jungen Frau eine kleine Vergnügungsreise machen. In ihrer gewöhnlichen herrschsüchtigen Weise wollte Frau Purps zwar dagegen Einspruch erheben, aber der neue Eidam erklärte sehr bestimmt, dass er sich von nun ab jede Einmischung in seine häuslichen Angelegenheiten verbitte und dass die Frau Schwiegermutter bei seiner Rückkehr noch mehr erfahren werde. Vater Purps aber flüsterte er zu, dass sie später unter sich den Hochzeitsschmaus feiern würden. Während dieser sich vergnügt die Hände rieb und seine Frau wütende Blicke auf den Aktuar schoss, bestieg derselbe den bereitstehenden Wagen. Schon einige Stunden danach hatte ihn die Kraft des Dampfes viele Meilen weit fortgeführt und er konnte nun ungestört die ersten Wonnetage seiner neuen Ehe genießen.

Etwa acht Tage später saß die böse, alle Herzen sich entfremdende Frau eines Nachmittags sehr übel gelaunt in ihrem Lehnstuhl, denn sie hatte den kleinen Purps eben wieder tüchtig ausgescholten, als ein Brief von Heidenreich ankam. Derselbe teilte ihr mit, dass es sich nach dem beigeschlossenen Schreiben herausgestellt habe, dass Vetter Larsen, nach seinem eigenen Bekenntnis, nichts weiter als ein armer Teufel sei, der sich in einem Anfall von guter Laune veranlasst gefunden habe, ihm (Heidenreich) beizustehen und der eben nur noch so viel besitze, um mit dem nächsten Schiff wieder nach Amerika zurückzukehren. Er selbst verbitte sich übrigens entschieden jeden Verkehr mit seiner Schwiegermutter, denn Therese gewinne er täglich immer lieber und er wolle sein häusliches Glück durch ihre Einmischung nicht gestört sehen. Da der kleine Purps eben nicht zur Hand war, so prügelte die Amazone in ihrer Erbitterung der Reihe nach alle jungen Purpse durch. Als sie sich auf diese Weise Erleichterung verschafft hatte, hielt sie ein sehr interessantes Selbstgespräch, in welchem sie in höchst christlicher und in wahrhaft mütterlicher Weise den Wunsch aussprach, dass sich alle möglichst bald die Hälse brechen möchten.

Der kleine Purps besuchte seine Tochter täglich und wurde dort auf das Liebevollste gepflegt und gehätschelt, bis er schließlich, als seine Frau eines Tages für immer von ihm Abschied nahm und er dadurch seiner Rolle als Prügeljunge enthoben wurde, ganz zu seinem Schwiegersohn zog.

Nie erfuhr Heidenreich, wer ihm so treffliche Dienste geleistet und wem er eigentlich den Besitz seiner Therese verdanke. Nur einmal besuchte ihn noch der Baron von Schwefelkorn und sagte ihm, er komme, Abschied von ihm zu nehmen und freue sich, ihn so glücklich zu sehen.

Zu Schwalbe bemerkte er aber, als sie sich auf dem Wege nach einer anderen großen Stadt befanden: »Die Menschen verleumden mich und sind stets bereit, mir alles Böse in die Schuhe zu schieben. Und doch sind es die Leidenschaften in ihrer eigenen Brust, welche mich herbeirufen, um mich dann hinterher anzuklagen.«