Ausschreibung
Sternenlicht-Anthologie

Download-Tipp
Band 6

Heftroman der Woche

Archive
Folgt uns auch auf

Schwäbische Sagen 11

Schwäbische-Sagen

Der kleine Mummelsee
Eine mündliche Überlieferung aus Forbach

Auf der sogenannten Herrenwiese, zwei Stunden von Forbach entfernt, haben die badischen Markgrafen oft Tänze und Lustbarkeiten aufgeführt, daher man sie die »Herrenwiese« genannt hat. In der Nähe dieser Wiese liegen mehrere Seen, darunter auch der kleine Mummelsee, in welchem ehedem zwölf Seeweiblein wohnten. Die kamen zweimal des Jahres, zu Fastnacht und zu Martini nach Forbach zum Tanz, worauf die Burschen sie dann gewöhnlich bis zum See heimbegleiteten. Einst hatte sich ein Bursche mit seinem Seeweible verspätet und war hinter den übrigen zurückgeblieben.

Als die beiden endlich ankamen, hatten die anderen Seeweiblein, die sie am Ufer erwarteten, eine gar große Freude und schenkten dem Burschen zur Belohnung ein Bündel Stroh. Das nahm er, trug es eine Strecke weit und dachte: Was sollst du mit dem Stroh dich schleppen? Und warf es von sich. Aber ein Halm blieb noch an ihm zurück, und der war eine schwere Goldstange geworden, als er heimkam. Die hat er dann um gutes Geld an den Markgrafen von Baden verkauft.

Diese Seeweiblein sollen den Leuten auch bei der Arbeit fleißig geholfen und namentlich immer das Brot gebacken haben.

Wenn sie nach Forbach zum Tanz kamen, blieben sie immer nur bis abends 11 Uhr. Einst aber vergaßen sie die Stunde und kamen mit ihren Begleitern zu spät beim See an. Da jammerten sie und sagten, was ihnen drunten bevorstehe. Ihr Leben sei verwirkt. Wenn aber Milch aus dem See aufspringe, so sei es ihnen geschenkt, springe dagegen Blut, so sei das ein Zeichen ihres Todes. Der See wurde ganz rot, sobald sie hinabgestiegen waren, und man hat die zwölf Seeweiblein nie wieder gesehen.

Darauf soll der Herzog mit seiner Begleitung schnell von dannen geeilt sein.


Sagen vom wilden See
1.

In dem wilden See, der etwa drei Stunden von Wildbad entfernt an der badischen Grenze liegt, gab es sonst Seefräulein, die kamen oft nach Wildbad und spannen. Andere sagen, sie seien sehr schüchtern gewesen, und sobald ein Mensch sich ihnen näherte, seien sie immer in den See gesprungen. Sie sollen gewöhnlich nur bis zur »Stierhütte«, das sind drei bis vier Häuser, die eine halbe Stunde weit vom wilden See entfernt liegen, gekommen sein.

Sonst habe man sie nur auf der Wasserfläche sehen und singen hören können.

2.
Eine mündliche Überlieferung aus Kalmbach

Herzog Karl wollte einmal den wilden See, der unergründlich ist, messen und ließ eine Bleikugel an vielen hundert Ellen Faden hinunter, ohne Boden zu finden. Als er endlich die Kugel wieder heraufzog, war ein Zettel daran geheftet, auf dem standen die Worte:

Ergründest du mich,
So ersäufe ich dich.

3.
Eine mündliche Überlieferung aus Schönmünzach und aus dem roten Murgtal

In dem zweiten wilden See beim Kadenkopf, aus dem die Schönmünzach entspringt, soll ein Nonnenkloster versunken sein, daher er beim Volk auch wohl Nonnensee heißt. Er gilt ebenfalls für unergründlich tief und darf nicht befahren werden, denn wenn man in die Mitte kommt, so geht das Fahrzeug unter. Wirft man einen Stein hinein, so soll es ein Wetter geben. Mittags um 12 Uhr hört man noch immer in der Tiefe die Glocken läuten. Auch Gesang und Musik will man hier schon vernommen haben. Ein alter Bauer, Namens Volz, der im Schönmünzachtal wohnt, bewahrt noch einen großen Schlüssel auf, der zu der versunkenen Kirche gehören soll. So geht die Sage in Schönmünzach.

Im roten Murgtal, Obertal usw. erzählt man: In der Nähe des wilden Sees sehe man noch behauene Steine als Reste eines Mauerwerks. In dem See aber, sagt man, leben ein Seemännlein und ein Seeweiblein, die seien ehedem oft nach Obertal und auf die Höfe des roten Murgtals gekommen und hätten für die Menschen gearbeitet. Zwei Seefräulein oder Nonnen seien aber oftmals drei Stunden weit bis nach Schwarzenberg gegangen, um zu tanzen, und hätten auch Liebschaften gehabt mit den Burschen im Tal.

Das alte Seemännlein kam übrigens immer ganz »verzottelt« daher, weshalb ein Bauer im roten Murgtal ihm neue Kleider machen ließ.

Nachdem es diese genommen hatte, sprach es: »Jetzt hab′ ich meinen Lohn!.« Und hat sich seitdem nie wieder sehen lassen.


Der bodenlose See
Eine mündliche Überlieferung aus Empfingen im Fürstentum Hechingen

Zwischen Empfingen und Nordstetten, in dem sogenannten Seewald, liegt ein kleiner See, der ist nicht zu ergründen und heißt deshalb der »bodenlose See«. An der Stelle des Sees soll früher ein Kloster gestanden haben. Die Nonnen darin führten aber ein schändliches Leben und tanzten mit den Buben aus Empfingen und Nordstetten und liebten sie. Dafür traf bei einem Gewitter ein Blitzstrahl das Kloster, worauf es mitsamt den Nonnen in die Tiefe gesunken ist. Wenn ein Unglück bevorsteht, sieht man eine kleine nackte weibliche Figur, die bis an die Brust im Wasser schwimmt, in diesem See und bemerkt deutlich, dass sie weint. Man vermutet, dass die untere Hälfte dieses Seeweibchens, die noch niemand gesehen hat, die Gestalt eines Fisches habe.

Andere sagen, auf dem Platz des Sees habe ein Wirtshaus gestanden, in welchem man immer des Sonntags getanzt und allerlei Gottloses verübt habe. Deshalb sei es versunken. In dem See aber leben drei weiße Fräulein, die seien schon oft um den See herum gewandelt und nach Empfingen zu Hochzeiten und Tänzen gekommen. Es gibt noch jetzt einen Platz in Empfingen, auf dem sonst eine alte Linde stand, der sogenannte »Tanzplatz«, wo sie oftmals getanzt haben. Einst fragte aber jemand, woher sie denn eigentlich kämen? Da haben sie es zwar gesagt, sind aber seitdem weggeblieben. Nur zur Adventszeit soll man sie noch immer im Seewald sehen können.


Die zwei Meerfräulein bei Dimbach
Eine mündliche Überlieferung aus Grantschen

Bei Dimbach, unweit Weinsberg, wohnten in einem Brunnen zwei Meerfräulein, die sah eines Tages ein Mann, der vorbeiging, Kuchen backen und bat, dass sie ihm davon abgeben möchten.

Da sagten sie: »Ja, wenn er zurückkäme.«

Und als der Mann zurückkam, fand er wirklich an dem Brunnen zwei Viertel eines Kuchens.

Diese Meerfräulein waren klein wie Kinder und reichten, wenn sie des Abends zuweilen die Leute in Dimbach besuchten, nur bis an den Tisch. Sie sangen sehr schön, gingen aber immer mit dem Schlag zehn wieder fort. Einmal jedoch verspäteten sie sich. Da klagten sie sehr und sagten ihr Schicksal voraus: Wenn das Wasser aus dem Brunnen rot laufe, so bedeute das ihren Tod. Als man darauf nach dem Brunnen sah, war das Wasser wirklich rot gefärbt, und seither sind auch die beiden Meerfräulein nicht mehr gesehen worden.


Die Meerfräulein in Ehningen
Eine mündliche Überlieferung aus Ehningen

Bei Ehningen, unter der Brücke an der »Wette« (Schwemme) zeigen sich zur Weihnachtszeit zwei weißgekleidete Fräulein und waschen. Man nennt sie nur die Meerfräulein. Auch gehen sie des Winters in die »Lichtkarz« und spinnen.


Der ungeheure Brunnen
Beschreibung des Oberamts Hall v. Moser, S. 220

Eine halbe Stunde südlich von Hessental (bei Schwäbisch Hall) befindet sich ein Brunnen, bei dem es nicht »geheuer« ist, weshalb er allgemein der »ungeheure Brunnen« heißt.

Dieser Brunnen war einst von Wasserfrauen bewohnt, welche sich mit den Mädchen von Hessental so vertraut machten, dass diese, wenn sie in der Frühe des Sommers hier mähen wollten, das Gras schon geschnitten fanden. Auch des Winters kamen sie nach Hessental in die Spinnstuben und halfen den Mädchen beim Geschäft, entfernten sich aber jeder Zeit noch eh es zwölf geschlagen hatte. Weil sie jedoch einmal von den Spinnerinnen über die Stunde getäuscht wurden und sich deshalb zu lange aufhielten, so mussten sie es mit ihrem Leben büßen und kamen nie wieder. Man fand den Brunnen am anderen Morgen voll Blut.

Seitdem geht hier ein Geist um, der die Wanderer irre führt und in das Wasser zu locken sucht.


Der Poppele auf Hohenkrähen
Mündliche Überlieferungen aus Engen und der Umgebung von Hohentwiel

1.

Auf der zerstörten Burg Hohenkrähen, nahe bei Hohentwiel, geht ein Geist um, der den Leuten auf dem Bruderhof sehr nützlich ist und alles, was sie ihm auftragen, tut. Er holt Wasser und Holz in die Küche, wirft Stroh und Heu vom Boden, füttert das Vieh, putzt die Pferde, wendet den Dreschern die Garben um und dergleichen. Bei jedem Auftrag aber muss man stets bemerken: »it ze litzel und it ze viel!« (nicht zu wenig und nicht zu viel), sonst macht er Dummheiten und wirft z. B. alles Heu vom Boden herunter, schleppt alles vorrätige Holz in die Küche usw. Sagt man ihm dann, er solle es wieder forttragen, so tut er es auch.

Zum Lohn wegen seiner Dienste muss man aber auch für den Poppele alle Tage mit decken, ihm einen besonderen Teller hinstellen und sagen: »Poppele, iss auch mit!« Unterlässt man das, so wirft er das Gedeck und alle Speisen durcheinander, bindet das Vieh im Stall los und dergleichen. Ebenso muss man ihn einladen, wenn man ausfährt, und muss sagen: »Poppele, fahr auch mit!« Dann setzt er sich hinten auf das hervorstehende Wagenbrett (»Schnätter«) und fährt mit ins Feld. Wird er nicht eingeladen, so passiert dem Fuhrwerke gewiss etwas. Ferner muss man, so oft gebacken wird, dem ersten Bettler ein ganzes Brotlaib geben, sonst verschwindet das übrige Brot und auch die Küche gerät in Unordnung.

Wenn jemand einen dummen Streich macht, so heißt es in der ganzen Umgegend sogleich: »Du bist ein Kerl wie der Poppele.«

2.

In dem unterirdischen Gewölbe zu Hohenkrähen soll ein goldenes Kegelspiel mit großen goldenen Kugeln sich befinden. Damit kegelt der Poppele in Gesellschaft vieler Ritter jede Sonntagnacht um 12 Uhr sowie an jedem Sonntagmorgen während der Kirche. Kinder und erwachsene Leute haben ihn da oftmals schon belauscht.

3.

Andere erzählen von diesem Kegelspiel allerlei Geschichten, besonders folgende. Eines Sonntags während der Kirche sahen zwei Handwerksburschen den Poppele in dem Graben kegeln. Er traf aber nichts. Da lud er die Handwerksburschen ein, mit ihm ein Spiel zu machen. Das taten sie und gewannen anfangs mehrere Gulden. Dann aber verspielten sie nicht bloß alles, was sie gewonnen hatten, sondern auch noch ihr Reisegeld bis auf den letzten Kreuzer und zogen traurig von dannen.

Als sie darauf an einen Berg kamen, sah der eine, dass eine Kegelkugel auf seinem Ranzen lag und nahm sie ärgerlich herab und warf sie fort. Dann gingen sie miteinander nach Mühlhausen. Da fand der andere, als er seinen Ranzen abnahm, einen Kegel darauf, der war von reinem Gold. Er wollte ihn verkaufen, aber in dem Ort war niemand, der den Kegel bezahlen konnte. Einer jedoch ließ sich für zweitausend Gulden ein Stück absägen.

Zum Andenken an diese Geschichte hat man in Mühlhausen einen Kreuzstock errichtet, den man noch zeigt.

Den Rest des Kegels verkaufte der Handwerksbursche für viele tausend Gulden in Schaffhausen.

Darauf hat der andere Bursche die weggeworfene Kugel gesucht und wieder gesucht, aber nicht mehr gefunden.

Wenn man seit der Zeit den Poppele kegeln sah oder es nur hörte, so hatte er immer bloß acht Kegel und eine Kugel.

(Auch in der Ruine Aspermont bei Chur in Graubünden liegt ein goldenes Kegelspiel. Man hört zu Zeiten, wie damit gekegelt wird.)

4.

Einst hatte ein früherer Bewohner von Hohenkrähen eine Magd, die jedes Mal, wenn sie die Kühe melkte, von der süßen Milch trank und dann von unsichtbaren Händen Ohrfeigen bekam. Deshalb kündigte sie ihrer Herrschaft den Dienst auf. Als der Hausherr fragte, weshalb sie fort wollte, sagte sie lange den eigentlichen Grund nicht, gestand aber doch endlich, dass sie sich nicht länger beim Melken schlagen lassen möge.

»Dann musst du irgendetwas getan haben, was nicht recht ist«, sagte der Herr, »sonst hättest du keine Schläge bekommen.«

Die Magd leugnete zwar anfangs alles, bekannte dann aber doch ihre Schuld. »So lass nur das Milchtrinken«, sprach der Herr, »dann wird dir nichts wieder geschehen.«

Das tat sie denn auch, und seitdem hat sie keine Ohrfeigen mehr bekommen.

5.

Ein Schneider aus Engen ging eines Abends vom Nähen heim, und nachdem er unterwegs seine Notdurft verrichtet hatte, sprach er: »Da, Poppele, das ist dein!«

In demselben Augenblick aber war der Poppele auch schon da, nahm den Schneider und zog ihn durch Hecken und Büsche, durch Korn und Dorn, dass er am ganzen Leib elendiglich zerrissen und zerfetzt ward. Seitdem hat der Schneider nie mehr über den Poppele spotten mögen.

Ebenso hat der Poppele auf der Brücke, die bei Mühlhausen über die Ach führt, schon manchen, der ihn geneckt hatte, ins Wasser geworfen.

Aber auch Leuten, die ihm nichts getan haben, spielt er zuweilen einen Streich. So kam einmal ein Glasmann daher und war sehr müde. Plötzlich verwandelte sich der Poppele in einen abgesägten Baumstamm, und als nun der Glasmann seine Last auf den Stamm niedersetzen wollte, war alles Verblendung, das Glas fiel auf die Erde und zerbrach.

Auf dieselbe Weise hat der Poppele auch schon müde Eierträger angeführt.

6.

Als das Haus, worin der Poppele sich aufhielt, einmal abgebrochen und das Holz an einen anderen Platz fortgeführt wurde, sprach der Herr unterwegs zu seinem Knecht: »Haben wir jetzt auch alles?«

»Nein«, antwortete dieser, »den Poppele haben wir nicht.«

Da rief aber eine Stimme vom Wagen herunter: »O ja, ich bin auch da.«

7.

Der Poppele war eigentlich ein Graf von Hohentwiel und hatte ein Lustschloss auf Hohenkrähen sowie auf Hohberg, beneidete aber seinen älteren Bruder und erschoss ihn mit einem Pfeil um des Erbes willen. Als der Poppele hierüber zur Beantwortung gezogen wurde, reinigte er sich durch einen falschen Eid und tat den Schwur, dass er geistweis gehen wolle, wenn er seinen Bruder umgebracht habe. Dafür muss er nun bis auf den heutigen Tag noch immer geistern. Er fährt mit vier schwarzen Rappen und regt sich besonders, wenn ein Krieg bevorsteht. So jetzt wieder (1848). Früher hat er bis zum Jahre 1814 alle Kriege Napoleons mitgemacht, kam dann aber wieder und sagte, sein Herr verliere es jetzt; er möge deshalb nicht mehr bei ihm dienen.

Einmal ist er in der Nähe von Hohentwiel mitten durch ein Johannisfeuer gefahren, dass die Funken nach allen Seiten hin stoben. Den anwesenden Menschen aber hat er nichts zuleide getan.

Den Mädchen ist der Poppele auch schon als ein glänzender Mann erschienen.