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Frederick Marryat – Die Sendung – Kapitel 15

Kapitän Frederick Marryat
Die Sendung
Umschlagzeichnung nach Originalentwürfen von Professor Honegger
Neue deutsche Ausgabe. Magdeburger Verlagsanstalt. 1915
Kapitel 15

Da sie nicht daran zweifelten, sie würden während ihres Vorrückens mit einer Büffelherde zusammentreffen, so brachen sie am folgenden Morgen sehr früh auf. Sie hatten jetzt die Befriedigung, zu finden, dass reichlich Wasser im Fluss war. Aus einigen der großen Löcher, an denen sie vorbeikamen, hörten sie das Schnauben und Blasen des Flusspferdes – zur großen Freude der Khoikhoi, die sehr begierig waren, eines dieser Tiere, deren Fleisch sie sehr liebten, zu erlegen.

Während der Wanderung trafen sie auf einen kleinen Haufen von Buschmännern, die sich anfangs nur sehr scheu benahmen. Als aber endlich ein paar von den Frauen herangetreten waren und einige Geschenke in Schnupf- und Rauchtabak erhalten hatten, so schlossen sich die übrigen bald an. Wie sie übrigens noch außerdem von Omrah und den Khoikhoi erfuhren, dass man nachmittags eine Jagd abzuhalten gedenke, so folgten sie der Karawane, in der Hoffnung, bei dieser Gelegenheit gleichfalls Speise zu erhalten.

Das Häuflein war von einem sehr winzigen Menschenschlag, da z. B. die Frauen, ungeachtet ihrer sonstigen guten Bildung nicht über vier Fuß maßen. Die Gesichter der Jüngeren waren angenehm, und eine oder zwei davon hätte man sogar hübsch nennen können, wenn sie nicht so sehr durch Fett und Schmutz verunstaltet gewesen wären. In der Tat waren ihre Ausdünstungen so unangenehm, dass unsere Reisenden sie gerne in einiger Entfernung hielten.

Alexander bemerkte hierauf zu Swinton: »Ist es wahr, dass der Löwe und andere Raubtiere um des höheren Wohlgeschmacks willen den schwarzen Menschen einem weißen vorziehen, oder beruht diese Angabe nur auf einem Scherz?«

»Es muss wohl einiges Wahre daran sein«, bemerkte der Major, »denn man sagt dem bengalischen Tiger nach, dass ihm ein Eingeborener stets lieber sei als ein Europäer.«

»Es lässt sich, glaube ich, nicht bestreiten«, entgegnete Swinton, »dass der Löwe oder andere Tiere auf einen einzigen Europäer vielleicht zehn und mehr Khoikhoi oder Buschmänner auffressen. Ich schreibe jedoch die Ursache hiervon nicht gerade einem Unterschied in dem Fleisch des schwarzen und des weißen Menschen zu. Der Löwe lässt sich, wie viele andere Raubtiere sowohl durch den Geruch als durch das Auge zu seinem Wild hinleiten, und ich frage Euch, die Ihr eben diese Buschmänner vom Halse gekriegt habt und so gut wisst, wie düstereich die Haut eines Khoikhoi ist, ob nicht eine Löwennase durch die Witterung derartiger Personen notwendig stärker affiziert werden muss, als durch einen von uns. Wie oft haben wir nicht während der Reise unsere Stellung gewechselt, wenn die Wind die Ausdünstungen des Ochsen treibenden Khoikhoi zu uns heruntertrug – wahrhaftig, der Wind kann sie halbe Stunden weit fortführen, und sie sind ohne Zweifel für den Löwen ebenso würzig, wie für uns ein Beefsteak.«

»Das kann, glaube ich, keinem Zweifel unterliegen«, versetzte Alexander, »aber man sagt, die Löwen wählten einen Khoikhoi vor dem Weißen.«

»Das geschieht wohl aus keinem anderen Grund, weil sie die Witterung bis zu der Person, von der sie ausgeht, verfolgen.

»Ich glaube, jener Hügel dort würde ein geeigneter Platz sein, unser Lager aufzuschlagen, Swinton«, sagte der Major. »Er ist von Mimosen beschattet und hängt doch nicht mit dem Hauptwald zusammen.«

»Ei, Ihr seid ja der Generalquartiermeister. Die Entscheidung muss Euch überlassen bleiben.«

Der Major beauftragte sofort Bremen, die Wagen wie gewöhnlich zu ordnen und das Vieh auf die Weide zu treiben. Sobald dies geschehen war, sattelten sie ihre Pferde und erwarteten die Rückkehr Swanevelts, der zum Rekognoszieren ausgegangen war. Dieser ließ sie nicht lange harren, sondern brachte nach kurzer Frist die Nachricht, dass sich am Flussufer von allen Richtungen her die Fährten von Elefanten, Büffeln und Löwen vorfänden. Da nun die Hunde von Nutzen sein konnten, so wurden sie losgelassen, was selten anders geschah, wenn das Wild groß war und regelmäßig gehetzt werden musste. Unsere Reisenden saßen auf und ritten zum Wald. Sämtliche Khoikhoi mit Ausnahme der Viehhirten und die Buschmänner folgten ihnen. Bremen, Swanevelt und Omrah waren gleichfalls mit Pferden versehen. Während sie anfangs langsam und bedächtig vorwärts ritten, fragte Swinton den Major, ob er je einen Büffel geschossen habe.

»Ja, in Indien«, versetzte der Major, »und sie sind in diesem Land verzweifelte Tiere.«

»Ich wollte Euch nur bemerken, dass Ihr sie hier ebenso finden werdet. Ihr müsst daher sehr vorsichtig sein, Alexander. Zuvörderst richtet eine Bleikugel nicht viel aus gegen ihre zähen Häute und ihre – ich möchte fast sagen – undurchdringliche Stirn. Am besten zielt man unter das Schulterblatt.«

»Unsere Kugeln sind mit Zinn gehärtet«, bemerkte Alexander.

»Ich weiß das«, versetzte Swinton, »aber dennoch sind die Büffel höchst gefährliche Tiere, namentlich wenn man mit einem einzigen zusammentrifft. Es ist weit ratsamer, eine ganze Herde anzugreifen. Doch wir haben keine Zeit, um die Sache jetzt zu besprechen, und ich will daher nur sagen: Seid behutsam und nähert Euch nie einem verwundeten Tier, selbst wenn es schon auf den Knien liegt. Aber da kommt Bremen mit Neuigkeiten.«

Der Khoikhoi kam herauf und kündigte an, dass eine große Büffelherde auf der anderen Seite des Hügels weide. Es dürfte daher gut sein, sie zu umgehen und zum Fluss hinzutreiben.

Dieser Vorschlag wurde für gut befunden und angenommen. Nachdem sie etwa eine halbe Stunde geritten waren, hatten sie die Stelle erreicht, welche ihnen am wünschenswertesten erschien. Dann wurden die Hunde losgelassen, und die Khoikhoi verteilten sich nun nach allen Seiten, um die Tiere durch Schreien vor sich herzutreiben. Die Herde sammelte sich und stand eine Weile, die großen Bullen voran, verlegen da. Dann brach sie durch den Wald gegen den Fluss hinauf, und sämtliche Jäger folgten zu Ross und zu Fuß nach. Nach einer Viertelstunde hatte die ganze Herde eine Stelle des Flusses erreicht, die mit dem Schilf, den Binsen und den kleinen Inseln in der Mitte einen langen Strich einnahm.

Der Major, Swanevelt und zwei weitere Khoikhoi begaben sich mehr flussaufwärts, um vor dem Beginn des Angriffs auf das andere Ufer hinüberzusetzen. Auch hatten sie untereinander ausgemacht, dass die übrigen warten sollten, bis Henderson durch einen Schuss das Signal gebe. Sobald sie den Knall hörten, rückten Swinton und Alexander mit ihren Parteien gegen das Flussufer vor. Sie stürzten hinein und die Rösser befanden sich bald bis zum Gurt im Wasser, während ihnen das Schilf weit über die Köpfe ging. Man konnte hören, wie die Tiere sich durch das Schilf Bahn brachen. Da man aber außerstande war, etwas zu sehen, so bemerkte Swinton nach einiger schweren Anstrengung: »Alexander, es wird am besten sein, wenn wir wieder zurückgehen. Hier ist nichts für uns zu tun, und wir stehen in Gefahr, von unseren eigenen Leuten erschossen zu werden, da sie uns nicht sehen können. Überlassen wir es den Hunden oder den Khoikhoi und Buschmännern, die Büffel hinauszutreiben. Wir aber müssen das Ufer wieder suchen.«

Swinton hatte kaum ausgesprochen, als sich ein lautes Rauschen im Schilf vernehmen ließ.

»Seht Euch vor!«, rief er. Aber ehe er weiter sprechen konnte, teilte sich das Schilf und ein großer Flussochse stürzte auf sie zu, der Alexanders Pferd beiseite schleuderte, im Vorbeieilen Ross und Reiter tief unters Wasser trat und verschwand. Obgleich der Fluss an dieser Stelle nur vier Fuß tief war, hielt es doch schwer, sich wieder aus dem Schilf herauszuwinden. Als Alexander endlich wieder auftauchte, konnte er kaum mehr zu Atem kommen. Bremen und Swinton sprangen ihm hilfreich bei, und das Pferd wurde wieder auf die Beine gebracht.

»Meine Büchse ist im Wasser«, rief Alexander.

»Wir wollen sie später suchen«, sagte Swinton, »aber jetzt eilt so schnell wie möglich ans Ufer, denn Ihr seid wehrlos.«

Alexander hielt es für das beste, Swintons Rat zu folgen, und erreichte mit einiger Schwierigkeit das Ufer, wohin ihm bald darauf Swinton und Bremen, welche seine Büchse wiedergefunden hatten, nachfolgten. Alexander rief Omrah und schickte ihn zu der Karawane, um eine andere Büchse herbeizuholen.

Dann aber rief er zum ersten Mal: »Ha, welche eine Bestie! Ich kann von Glück sagen, dass das Wasser tief war, sonst würde sie mir den Kopf eingeklemmt haben, dass ich nie wieder zum Vorschein gekommen wäre.«

»Die Vorsehung hat in der Tat über Euch gewacht«, entgegnete Swinton. »Hat Euer Pferd Schaden genommen?«

»Es muss wohl, sollte ich glauben«, antwortete Alexander, »denn es wurde von dem Untier getreten. Freilich für den Augenblick sieht man ihm nichts an.«

Inzwischen ließen sich von der anderen Seite des Flusses herüber die Schüsse des Majors und seiner Partei vernehmen. Hin und wieder sahen auch die Khoikhoi, welche bei Swinton und Alexander geblieben waren, den Kopf oder die Hörner eines Büffels aus dem Schilfe auftauchen, aber die Tiere selbst blieben in ihrem Versteck. Omrah hatte eine andere Büchse herbeigebracht, und Bremen machte nun den Vorschlag, die Khoikhoi, die Buschmänner und die Hunde sollten durch das Schilf dringen, um die Büffel heraus zu treiben. Hierin sei keine Gefahr, da die Tiere in dem tiefen Wasser und in dem Binsendickicht keinen wirksamen Angriff machen können.«

»Vorausgesetzt, dass sie nicht auf einen Flussochsen treffen«, rief Alexander lachend.

»Redet nicht davon, Sir«, entgegnen Bremen, der sich sodann entfernte und seine Anweisungen gab.

Die Khoikhoi und Buschmänner begaben sich nun, von den Hunden begleitet, in das Schilfdickicht. Das Geschrei und das Bellen trieben bald einige Büffel auf die andere Seite, und man hörte das Knallen von Gewehren.

Endlich kam ein Tier nach der Seite des Flusses, wo Alexander und Swinton standen. Letzterer gab Feuer und der Büffel fiel auf seine Knie. Ein Schuss Alexanders machte ihm vollends den Garaus, sodass er sich auf die Seite legte. Nun eilte einer der Buschmänner zu dem gefallenen Tiere und war gerade im Begriff, sein Messer zu gebrauchen, als ein anderer Büffel aus dem Schilf hervorstürzte, den Buschmann mit seinen Hörnern aufgriff und ihn viele Ellen weit in die Luft schleuderte. Der Buschmann fiel hinter dem Büffel ins Schilf, und das Tier sah sich noch immer vergeblich nach seinem Feind um, als ihn ein Schuss aus Bremens Büchse zu Boden streckte.

Bald danach tauchte der Buschmann aus dem Schilf auf. Er hatte keinen weiteren Schaden genommen, als dass ihm durch die Hörner des Tieres die Haut aufgeschürft und die Rippen gequetscht worden waren.

Die Jagd wurde nun warm, denn das Schreien der Khoikhoi, das Bellen der Hunde und das Brüllen der Herde, welche sich durch das Schilf Bahn brach, wirkten sehr aufregend. Swintons Rat zufolge nahmen sie ihre Stellung auf einem höher gelegenen Grund, wo die Pferde, im Falle die Büffel einen Angriff machten, gut ausgreifen konnten.

Sobald sie diesen Standort erreicht hatten, erblickten sie auf der anderen Seite des Flusses, ungefähr hundert Schritte von ihnen, eine Szene, welche sie mit Schrecken und Sorge erfüllte. Das Pferd des Majors galoppierte ledig dahin, und Henderson selbst war nirgends zu sehen. Swanevelt saß unter einem großen Baum und hielt sich den Leib mit beiden Händen, als ob er schwer verwundet wäre. Sein Pferd lag an seiner Seite, und gerade vor ihm stand regungslos ein ungeheurer Büffelstier. Das Blut strömte aus den Nüstern des Tieres, und es war augenscheinlich, dass er vor Schwäche und Blutverlust wankte. Endlich fiel er.

»Ich fürchte, es hat ein Unglück gegeben«, rief Swinton. »Wo kann der Major sein – und wo sind die Khoikhoi, die bei ihm waren? Swanevelt ist verwundet und sein Pferd tot, das ist augenfällig. Es wird besser sein, wir rufen sie zurück und lassen die Büffel in Ruhe. Mögen sie immerhin entkommen.«

»Dort ist der Major«, sagte Alexander. »Auch die Khoikhoi sind nicht verletzt. Seht Ihr sie nicht? Sie hatten sich auf die Bäume geflüchtet. Gott sei Dank!«

Sie bemerkten nun, wie Henderson auf Swanevelt zueilte, und unmittelbar darauf setzten die beiden Khoikhoi dem Pferd des Majors nach. Swanevelt half sich unter dem Beistand des Majors auf die Beine, nahm sein Gewehr und ging langsam von hinnen.

»Am Ende ist doch kein großer Schaden geschehen«, sagte Alexander. »Gott sei dafür gepriesen! Doch da kommt die ganze Herde, Swinton.«

»Lasst sie gehen, mein Freund«, versetzte Swinton. »Wir haben vorderhand genug Büffeljagd gehabt.«

Die ganze Herde war nur etwa fünfzig Schritte von dem Standort unserer beiden Freunde aus dem Schilf gebrochen und stürzte, triefend von Schlamm und Schmutz, mit erhobenen Schwänzen, die Hörner schüttelnd und vor Wut und Furcht brüllend, dem Wald zu. Schon nach einigen Augenblicken war nichts mehr von ihr zu sehen.

»Gott sei Dank, dass wir sie vom Halse haben«, sagte Swinton. »Ich hoffe, der Major hat nun genug Büffeljagd gehabt.«

»Bei mir ist es wenigstens der Fall«, versetzte Alexander. »Alle Glieder schmerzen mich und ich fühle mich sehr steif. Wie nahe es jenem Buschmann ans Leben ging.«

»Freilich, aber Eurem Pferd fehlt etwas, Alexander, denn es kann kaum atmen. Ihr werdet besser tun, wenn Ihr absteigt.«

Alexander tat so und löste die Gürtel seines Tieres. Bremen stieg gleichfalls ab, bot Mr. Wilmot sein Pferd an, nahm die Zügel des anderen und untersuchte es.

»Die Rippen sind ihm gebrochen, Sir«, sagte der Khoikhoi. »Jedenfalls zwei, wenn nicht mehr.«

»Kein Wunder – das arme Tier. Führt es gemach, Bremen. Oh, da kommt der Major. Jetzt werden wir erfahren, was sich zugetragen hat. Und da ist auch Swanevelt mit den beiden anderen.«

»Wie ist es Euch ergangen, Major? Wir haben um Euch wahre Todesangst ausgestanden.«

»Oh, nicht halb so viel, wie ich selbst«, entgegnete der Major. »Ich kann Euch versichern, dass es uns scharf auf die Nähte ging. Swanevelts Pferd ist tot.«

»Ist Swanevelt verwundet?«

»Nein, er blieb auf eine wunderbare Weise bewahrt. Die Hörner des Büffels schunden ihm den Leib nach der ganzen Länge auf, und doch hat er keinen ernstlichen Schaden genommen. Aber jetzt lasst uns zu der Karawane gehen und einen Trunk tun, dann will ich Euch alles erzählen. Ich bin halb tot und die Zunge klebt mir am Gaumen.«

Sobald sie bei der Karawane angelangt und abgestiegen waren, trank der Major etwas Wasser und erzählte von Anfang bis zu Ende den Hergang der Büffeljagd von der einen Seite des Flusses.

Nachdem auch Swinton berichtet hatte, was auf der anderen Seite des Flusses vorgefallen war, sagte der Major: »Ihr mögt mir immerhin von Löwen sprechen, aber ich will doch lieber zehn Löwenjagden mitmachen, als nur eine einzige Büffeljagd. Ich habe jetzt für mein ganzes Leben genug mit Büffeln zu tun gehabt.«

»Es freut mich, Euch so sprechen zu hören«, entgegnete Swinton, »denn sie sind sehr wilde und gefährliche Tiere, wie Ihr jetzt selbst zugeben werdet. Die Schwierigkeit, ihnen eine tödliche Wunde beizubringen, macht den Angriff auf sie höchst bedenklich. Ich habe genug von Büffeljagden gesehen und gehört, um Euch versichern zu können, dass Ihr noch von großem Glück sprechen könnt, obgleich ein Pferd zugrunde ging und ein anderes sehr beschädigt wurde. Doch da kommt die Jagdbeute. Jedenfalls wird uns die Anstrengung des Tages in einem trefflichen Mahl zugutekommen.«

»Mir ist′s nicht ums Essen zu tun«, sagte Alexander, »denn ich fühle mich steif an allen Gliedmaßen. Ich will mich für ein paar Stunden niederlegen.«

»Und ich gleichfalls«, versetzte der Major. »Auch mir ist der Appetit vergangen.«

»Wohlan denn, so treffen wir beim Nachtessen wieder zusammen«, sagte Swinton. »Inzwischen will ich sehen, ob ich nicht Swanevelt in irgendetwas nützlich werden kann. Wo ist Omrah?«

»Ich habe ihn und Begum eben miteinander gehen sehen«, entgegnete der Major. »Was er vorhat, weiß ich nicht.«

»Oh, ich sagte ihm, er solle einige Buschmannwurzeln aufsuchen«, sagte Alexander. »Gesotten sind sie so gut wie Kartoffeln, und er hat den Affen mitgenommen, um sie leichter auffinden zu können.«

Der Major und Alexander blieben bis zur Nachtessenszeit auf ihren Betten liegen und wurden von Mahomed geweckt. Der Schlaf hatte sie erfrischt und auch ihren Appetit wieder hergestellt. Unsere Reisenden fanden in Büffelsteaks und gerösteten Buschmannwurzeln ein nicht übles Surrogat für Beefsteaks und gebratene Kartoffeln. Nachdem sie sich ihr Mahl weidlich hatten belieben lassen, fragte Alexander den Naturforscher, was er bei Gelegenheit seines früheren Aufenthaltes auf dem Kap von der Büffeljagd gesehen habe.

»Ich war nur ein- oder zweimal dabei, kann Euch aber mitteilen, was ich gehört und selbst von der Nuturgeschichte dieses Tieres erfahren habe. Der heutige

Tag gibt dazu einen wertvollen Beitrag. Ich sagte Euch diesen Morgen, ein einzelner Büffel sei weit gefährlicher als eine ganze Herde, und der Grund davon liegt in dem Umstand, dass zur Brunstzeit die schwächeren Tiere von den wilderen aus der Herde vertrieben werden – gerade so, wie es bei den Elefanten der Fall ist. Diese einsamen Büffel sind außerordentlich gefährlich und warten nicht, bis sie angegriffen werden, sondern stürzen ungereizt auf den Menschen los. In der Regel verbergen sie sich und überfallen die Leute so unversehens, dass man ihnen nur schwer entkommen kann. Sie sind dann so kühn, dass sie sich nicht einmal vor dem Löwen fürchten. Ich habe mir von den holländischen Buren erzählen lassen, wenn ein Büffel einen seiner Kameraden durch Hörnerstöße getötet habe, so bleibe er stundenlang bei seinem Opfer, stampfe mit seinen Hufen darauf herum, knete das tote Tier mit seinen Füßen, wie der Elefant, und lecke es mit seiner rauen Zunge, bis die Haut abgehe. Damit sei er übrigens noch nicht zufrieden, sondern kehre, nachdem er schon fortgegangen war, wieder zurück, als ob ihn seine Rachsucht an die Stelle banne.«

»Welch′ eine boshafte Bestie!«

»Man muss ihm allerdings ein derartiges Zeugnis geben. Ich erinnere mich eines Jagdabenteuers, das mir von einem holländischen Pflanzer, welcher Augenzeuge davon war, erzählt wurde. Der Mann war mit einem Häuflein anderer ausgezogen, um auf eine Büffelherde Jagd zu machen, die neben einem sumpfigen, mit einigen Mimosenbäumen besetzten Grund weidete. Da die Jäger nicht zu Schuss kommen konnten, ohne über einen Teil des Sumpfbodens zu setzen, was für ihre Pferde nicht tunlich war, so beschlossen sie, Letztere unter der Obhut zweier Khoikhoi zu lassen und zu Fuß vorzurücken. Sie meinten nämlich, im Fall eines Angriffs vonseiten der Büffel nicht über den Sumpfgrund zurück sich flüchten zu können, da derselbe wohl die Last eines Mannes, nicht aber die eines Pferdes und noch viel weniger die eines Büffels tragen konnte.

Demgemäß rückten sie vor und waren so glücklich, unter dem Schutz einiger Büsche drei der fettesten Tiere zu erlegen. Zugleich verwundeten sie den großen Stier, der die Herde anführte, so schwer, dass er auf die Knie niedersank und wütend zu brüllen anhob. Da sie glaubten, das Tier sei tödlich verwundet, so trat der vorderste Jäger aus dem Gebüsch hervor, begann aufs Neue seine Muskete zu laden und ging näher, um dem Tier durch einen Schuss vollends den Garaus zu machen. Kaum aber sah der wütende Büffel den Mann herankommen, als er aufsprang und ungestüm auf ihn zuschoss. Der Jäger warf sein Gewehr von sich und eilte gegen den Sumpfgrund hin. Aber der Büffel war ihm so nahe, dass er in dieser Richtung zu entkommen verzweifelte, weshalb er plötzlich um eine Gruppe Buschholz bog und einen nahestehenden alten Mimosenbaum zu erklimmen begann. Der Büffel war ihm jedoch zu schnell. Mit einem Gebrüll, wie es der Pächter, der mir die Geschichte erzählte, nie garstiger und gellender gehört haben wollte, erfasste er den armen Teufel, der beinahe schon seinem Bereich entrückt war, mit seinen schrecklichen Hörnern und schleuderte ihn mit solcher Gewalt in die Luft, dass er, nachdem er sich in großer Höhe etliche Male im Kreis gedreht hatte, auf einen gabelförmig gespaltenen Ast des Baumes niederfiel. Der Büffel umkreiste brüllend den Baum und sah zu dem Mann hinauf, bis er von Wunden und Blutverlust erschöpft, nieder auf seine Knie sank. Die übrigen Jäger erlegten ihn vollends; aber auch ihren Kameraden fanden sie tot in den Zweigen hängen.«

»Ich zweifle nicht, dass dies auch Swanevelts oder mein Schicksal gewesen wäre, wenn uns die Bestie zu fassen gekriegt hätte«, sagte der Major. Ich habe noch nie in dem Gesicht eines Tieres einen so boshaften teuflischen Ausdruck gesehen, wie in dem jenes Büffels. Ein Löwe ist sozusagen ein Gentleman und ein Mann von Ehre im Vergleich mit einem so maliziösen Strolch.«

»Ihr hättet ihn nur gehen lassen sollen, Major. Vergesst nicht, dass Ihr der Angreifer wart«, entgegnete Swinton lachend.

»Wohl wahr; aber ich wünsche mir nicht, je wieder einen derartigen Kerl zu Gesicht zu kriegen.«

»Und ich kann Euch versichern, dass es mir lieb wäre, wenn mir die Flussochsen aus dem Wege blieben«, bemerkte Alexander. »In meinem Leben nie bin ich so unhöflich behandelt worden.«

Während dieses Gesprächs waren die Khoikhoi und die Buschmänner an den übrigen Feuern nicht mäßig gewesen. Die Ersteren hatten gebraten und gegessen, bis nichts mehr in sie hinein ging, und die Buschmänner, welche am Morgen so dünn und mager ausgesehen hatten, als wäre ihnen seit einem Monat nichts Kräftiges über die Lippen gekommen, waren nun so vollgestopft, dass sie kaum gehen konnten, denn ihre Wänste glichen wahrhaftig an die Rundung einer Kugel. Der Buschmann, welcher von dem Büffel in die Luft geschleudert worden war, kam herauf und bat um ein wenig Tabak. Zugleich lächelte er und strich sich den zu einem ganz außerordentlichen Umfang ausgedehnten Magen.

»Wir wollen ihnen willfahren«, sagte Alexander, »denn dies wird bei ihnen das Glück des Tages vervollständigen. Habt Ihr je einen Kerl so vollgepfropft gesehen? Mich wundert, dass er nicht platzt.«

»Dies ist so ihre Gewohnheit. Sie hungern tagelang und füllen sich in dieser Weise an, so oft sich eine Gelegenheit bietet, die aber freilich selten genug vorkomm. Ihr Kalender besteht hauptsächlich in Rückblicken auf tüchtige Mahlzeiten, und ich stehe dafür, dass unsere Buschmänner hier, wenn sie sich in Zukunft fragen, wann dies oder dies stattgefunden habe, antworten werden, es war unmittelbar vor oder nach der Zeit, als die weißen Männer die Büffel töteten.«

»Von was leben sie im Allgemeinen?«

»In gewissen Zeiten des Jahres von Wurzeln – dann von den Heuschrecken, wenn diese ihre Wanderungen machen, von Eidechsen, von Käfern – kurz von gar allem. Hin und wieder gelingt es ihnen, sich Wild zu verschaffen, aber nicht sehr oft. Sie müssen demselben auflauern und verwunden es mit ihren vergifteten Pfeilen. Dann folgen sie seiner Fährte und suchen es am anderen Tag auf. So fein auch das Gift ist, schneiden sie doch nur den Teil in der Nähe der Wunde aus und verzehren den Rest des Tieres. Für die Flussochsen und Nashörner graben sie Löcher und erwischen bisweilen eine dieser Bestien. Auch vergiften sie die Wassergruben, zu welchen das Wild zum Trinken kommt. Immerhin ist übrigens ihr Lebensunterhalt sehr zweifelhaft, und sie leiden oft den äußersten Hunger.«

»Glaubt Ihr nicht, Swinton, dies sei die Ursache ihres kleinen Wuchses?«

»Zuverlässig. Unausgesetzte Entbehrungen und Mühseligkeiten von Generation zu Generation haben sie ohne Zweifel so verkümmern lassen, wie Ihr sie seht.«

»Wie kommt es, dass diese Buschmänner so zutraulich sind? Ich hielt sie für wild und unversöhnlich.«

»Diese gehören zu den zahmen Buschmännern, das heißt, sie haben in der Nähe der Pflanzer gelebt und sich nachgerade daran gewöhnt, die Europäer weniger zu fürchten. Wenn man sie freundlich behandelt, so erweisen sie sich den Pflanzern dankbar, indem sie die Schafe derselben hüten und gegen eine Belohnung in Tabak andere kleine Dienste verrichten. Dies hat sie bis zu einem gewissen Grade zutraulich gemacht. Wir müssen übrigens erwarten, auch mit anderen zusammenzutreffen, die sehr wild und boshaft sind. Sie werden versuchen, uns unser Vieh wegzutreiben, werden unserer Karawane in Hinterhalten auflauern und jeden Augenblick bereit sein, uns wegzumausen, was sie können. Aus diesen Umständen können wir, ohne sie zu sehen, entnehmen, dass wir an ihren Wohnplätzen sind.«

»Wieso?«

»Weil wir ihre Nähe nur aus ihren Diebstählen entdecken werden. Doch es ist Zeit, zu Bett zu gehen, und da morgen Sonntag ist, haben wir einen Ruhetag, den ihr beide, glaube ich, recht gut werdet brauchen können.«

»Jawohl«, entgegnete Alexander. »Nun, gute Nacht.«