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Die Macht der Drei – Teil 2

Die-Macht-der-DreiMacMorland und Professor Curtis waren allein im Saal des Polizeipräsidiums zurückgeblieben.

»Ein lebhafter Tag heute!«

MacMorland sprach die Worte mit einer gewissen Erleichterung. Der Vorfall mit dem Flugzeug musste die Sorge der Regierung auf einen anderen Punkt lenken.

Professor Curtis griff sich mit beiden Händen an den Kopf. »Der zweite Vorfall ist beinahe noch mysteriöser als der erste. Bedenken Sie! Dar neueste, schnellste Kreuzer unserer Luftflotte. Auf einem Flugplatz hinter dreifachen, mit Hochspannung geladenen Drahtgittern. Schärfste Passkontrolle. Fünfhundert Mann unserer Garde als Platzbewachung. Es geht mir über jedes Verstehen, wie das geschehen konnte.«

Der Polizeichef war mit seinen Gedanken schon wieder bei dem Fall, der sein Ressort anging.
»Warum war dieser Logg Sar zum Tode verurteilt? Wir von der Polizei wissen wieder einmal nichts. Sicherlich ein Urteil des Geheimen Rats.«

Der Professor nickte.

»In dem Einlieferungsschein für Sing-Sing stand: ›Zum Tode verurteilt wegen Hochverrats, begangen durch einen verbrecherischen Anschlag auf Schleusen am Panamakanal.‹ Die Unterschrift war, wie Sie richtig vermuteten, die des Geheimen Rats.«

»Ich will gegen diese Institution nichts sagen. Sie hat sich in kritischen Zeiten bewährt, in denen das Staatsschiff zu scheitern drohte. Aber … Menschen bleiben Menschen, und bisweilen scheint es mir … ich möchte sagen … das heißt, ich werde lieber nicht …«

Professor Curtis lachte.

»Wir Leute von der Wissenschaft sind immun. Sagen Sie ruhig, dass dieser Logg Sar die Panamaschleusen wahrscheinlich niemals in seinem Leben gesehen hat und dass der Geheime Rat ihn aus ganz anderen Gründen zum Teufel schickt.«

MacMorland fuhr zusammen. Die Worte des Professors waren schon beinahe Hochverrat. Aber Curtis ließ sich nicht aus der Ruhe bringen.

»Lassen wir den Delinquenten. Er ist doch längst über alle Berge. Aber brennend gern möchte ich etwas Genaueres über Doktor Glossin erfahren. Sie wissen, man munkelt allerlei …»

MacMorland überlegte einen Augenblick.

»Wenn ich nicht überzeugt wäre, dass ich auf Ihre unbedingte Verschwiegenheit rechnen könnte, würde ich selbst das Wenige, das ich weiß, für mich behalten. Um mit dem Namen anzufangen, so habe ich begründete Zweifel, ob es der seiner Eltern war. Seinen wahren Namen kennt außer ihm selbst vielleicht nur der Präsident-Diktator. Seinen Papieren nach ist er Amerikaner. Aber als ich zum ersten Mal seine Bekanntschaft machte, glaubte ich bestimmt, starke Anklänge schottischen Akzents in seiner Sprache zu bemerken.«

»Wann und wo war das?«, fragte Curtis gespannt.

»Die Gelegenheit war für Dr. Glossin nicht gerade ehrenvoll. Vor zwanzig Jahren. Während des ersten japanischen Krieges. Ich hatte einen Posten bei der politischen Polizei in San Francisco. Kalifornien war von japanischen Spionen überschwemmt. Die Burschen machten uns Tag und Nacht zu schaffen. Es war auch klar, dass ihre Unternehmungen von einer Stelle aus geleitet wurden. Einer meiner Beamten brachte mir den Doktor, den er unter höchst gravierenden Umständen verhaftet hatte. Aber es war ihm schlechterdings nichts zu beweisen. Hätten wir damals schon den Geheimen Rat gehabt, wäre die Sache wahrscheinlich anders verlaufen. So blieb nichts weiter übrig, als ihn laufen zu lassen. Er soll … ich bemerke ›soll‹ … ein Führer der Roten gewesen sein. Zu beweisen war hier nichts. Jedenfalls war er einer der Ersten, die ihre Fahnen wechselten. Als Cyrus Stonard an der Spitze des in den Weltstaaten gesammelten weißen Heeres die Revolution mit blutiger Hand niederschlug, war Doktor Glossin bereits in seiner Umgebung. Er muss dem Diktator damals wertvolle Dienste geleistet haben, denn sein Einfluss ist seitdem fast unbegrenzt.«

MacMorland unterbrach seinen Bericht, um sich dem Ferndrucker zuzuwenden.

»Hallo, da haben wir weitere Meldungen über R. F. c. 1. Versuchen Sie Ihren Scharfsinn, Herr Professor. Vielleicht können Sie das Rätsel lösen. Der Bericht lautet: R. F. c. 1 stand um sieben Uhr morgens zur Abfahrt bereit. Drei Monteure und ein Unteroffizier waren an Bord. Der Kommandant stand mit den Ingenieuren, die an der Fahrt teilnehmen sollten, dicht dabei. Zwei Minuten nach sieben erhob sich das Flugschiff ganz plötzlich. Seine Maschinen sprangen an. Es flog in geringer Höhe über einen neben dem Flugplatz liegenden Wald. Etwa fünf Kilometer weit. Man nahm auf dem Platz an, dass die Maschinen versehentlich angesprungen seien und die Monteure das Flugzeug hinter dem Wald wieder gelandet hätten. Ein Auto brachte den Kommandanten und die Ingenieure dorthin. Vom Flugzeug keine Spur. Die Monteure, in schwerer Hypnose, behaupten, es habe nie ein Flugzeug R. F. c. 1 gegeben. Sie sind zurzeit in ärztlicher Behandlung.«

MacMorland riss den Papierstreifen ab und legte ihn vor dem Professor auf den Tisch.

»Das ist das Tollste vom Tollen. Was sagen Sie dazu?«

Der Polizeichef lief aufgeregt hin und her. Auch Professor Curtis konnte sich der Wirkung der neuen Nachricht nicht entziehen.

»Sie haben recht, Herr Präsident, es ist ein tolles Stück. Aber, Gott sei Dank, fällt es nicht in das Ressort von Sing-Sing und geht mich daher wenigstens beruflich nichts an. Es wird Sache der Armee sein, wie sie ihren Kreuzer wiederbekommt. Lieber noch ein paar Worte über Doktor Glossin. Ich hatte schon viel von ihm gehört. Heute habe ich ihn das erste Mal gesehen. Wo wohnt er? Wie lebt er? Was treibt er?«

»Sie fragen viel mehr, als ich beantworten kann. Hier in New York besitzt er ein einfach eingerichtetes Haus in der 316. Straße. Daneben hat er sicher noch an vielen anderen Orten seine Schlupfwinkel …«

»Ist er verheiratet?«

»Nein. Obgleich er keineswegs ein Verächter des weiblichen Geschlechts ist. Mir ist manches darüber zu Ohren gekommen … Na, gönnen wir ihm seine Vergnügungen, wenn sie auch manchem recht sonderlich vorkommen mögen.«

»Hat er sonst gar keine Leidenschaften?«

»Ich weiß, dass er Diamanten sammelt. Auserlesene schöne und große Steine.«

»Nicht übel! Aber ein bisschen kostspielig das Vergnügen. Verfügt er über so große Mittel?«

Mac Morland zuckte mit den Achseln.

»Es entzieht sich meiner Beurteilung. Ein Mann in seiner Stellung, mit seinem Einfluss kann wohl … lieber Professor, ich habe schon viel mehr gesagt, als ich sagen durfte und wollte. Lassen wir den Doktor sein Leben führen, wie es ihm beliebt. Es ist am besten, so wenig wie möglich mit ihm zu tun zu haben. Da Sie gerade hier sind, geben Sie mir, bitte, über die Vorgänge in Sing-Sing einen kurzen Bericht für meine Akten. Wir können nachher zusammen frühstücken.«