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Pamfilius Frohmund Eulenspiegel 8

Pamfilius-Frohmund-EulenspiegelDer durch eine steinalte, boshafte, drachenhässliche Teufels-Hexe in allerlei Viecherln verzauberte und durch einen Teufels- und G’waltsrausch wieder glücklich erlöste
Pamfilius Frohmund Eulenspiegel,
Erzkalfakter und einziger Sohn des weltberühmten Till Eulenspiegels,
nebst Pamfilis ganz neue, höchst lustigen Abenteuer, lustigen Streichen und tollen Possen
Altötting, Verlag der J. Lutzenberger’schen Buchhandlung.

Pamfilius im Kloster

Bekanntlich war ich ein großer Freund von Wirtshäusern, weil ich darin allerlei lustige Streiche spielen und immer ein Mittel zu finden wusste, zechfrei durchzukommen. Aber noch lieber waren mir die gastfreundlichen Klöster, worin ich immer mehrere Tage lang das gemütliche Leben führen konnte, und oft viel länger, ja sogar viele Wochen lang, wenn ich den Klosterherren meine merkwürdige, ungemachte Reise nach Jerusalem vorlog. Gegen Abend, gerade noch zur rechten Zeit vor der Dämmerung, erblickte ich eines Tages auf einer Anhöhe ein stattliches Kloster und ging fröhlichen Mutes darauf zu. Ich wurde freundlich eingelassen und vernahm zu meinem größten Vergnügen, dass heute im Kloster das Fest des Patrozinium gefeiert und abends große Tafel gehalten werde, wozu viele vornehme Personen aus der Umgegend eingeladen und auch schon eingetroffen seien. Dieses reiche Kloster hieß Wundersau.

Ich wurde, wie herkömmlich, dem hochwürdigen Herrn Prälaten vorgestellt, dessen gastfreundliche Aufnahme ich erbitten musste.

»Schon gut«, erwiderte er. »Man führe den Gast in die Pilgerstube.«

Er war schon der Tür ganz nahe, welche in den Empfangssaal der vornehmeren Gäste führte, als er sich plötzlich umkehrte, meinem Begleiter ein Zeichen gab, sich zu entfernen und fragte: »Euer Name?«

»Untertänigst aufzuwarten. Ich heiße Pamfilius Frohmund Eulenspiegel, einziger Sohn des weltbekannten, verstorbenen Till Eulenspiegel.«

»Was? Der Pamfili Eulenspiegel seid Ihr, von dem mir mein bester Freund und geistlicher Kollege, der hochwürdige Herr Prälat von Gottsgnad, erst kürzlich auf dem Reichstag in Regensburg so viel Liebenswürdiges erzählt hat?«

»Der bin ich, hochwürdiger Herr Prälat. Euer hochwürdiger Herr Kollege war immer mein gnädiger Gönner, dem meine liebe Mutter und ich zu ewigem Dank verpflichtet sind.«

»Gut gesprochen, Pamfili, Ihr kommt mir wie gewünscht! Ihr sollt heute als Gast an der Festtafel sitzen und durch die Erzählung Eurer Abenteuer die ganze vornehme Gesellschaft unterhalten. Euren Namen werde ich erst am Schluss Eurer Erzählung nennen, um eine allgemeine Überraschung zu bereiten.«

»Auch erlaubt ich mir, noch, untertänigst zu bemerken, dass ich auch eine Wallfahrt nach Jerusalem gemacht habe, von der ich erst kürzlich zurückgekehrt bin.«

»Wie? Sogar in Jerusalem seid Ihr gewesen, Pamfili? Das ist ja herrlich, und Ihr werdet so viel zu erzählen bekommen, dass ich Euch wenigstens vor 14 Tagen nicht mehr fortlassen kann. Nun folgt mir in den Saal, damit ich Euch bei den vornehmen Gästen einführen kann!«

Meinen geehrten Lesern brauche ich nicht zu schwören, dass ich für zwei gegessen und für drei getrunken habe. Dem Prälaten gefiel mein Durst, und er sagte zu mir: »Nur immer frisch darauf los getrunken, deshalb steht’s da. Könnt Ihr kein Weinlied singen?«

»O ja! Ich war Sänger auf dem Chor in der Kirche des Klosters Gottsgnad, wo ich singen lernte. Ich hab’ auch selbst ein Trinklied gemacht, das ich dort dem hochwürdigen Prälaten bisweilen vorsingen musste. Er hatte eine besondere Freude an meiner Bassstimme, weil sie um zwei Töne tiefer geht, als ein Ochse singt.«

Alle Gäste lachten laut auf und der Herr Prälat sagte: »Also heraus mit dem Trinklied!«

Ich sang mit einer wirklich famosen Bassstimme:

Ich will einst bei Ja und Nein
Vor dem Zapfen sterben;
Alles, meinen Wein nur nicht,
Lass ich frohen Erben.
Jedermann hat von Natur,
Seine eigene Weise,
Mir gelingt jedes Werk,
Nur nach Wein und Speise.
Speis’ und Wein erhalten mich
In dem rechten Gleise,
Trinken will ich immerdar
Auf der Lebensreise,
Will auch einst bei Ja und Nein
Vor dem Zapfen sterben,
Und die Hefen sollen mich
Nach dem Tod noch färben!

Kaum vollendet, brummte mir gegenüber ein vornehmer Gast, weil ein schwarzer Rettich, eine von seinen Lieblingsspeisen, den er eben durchschnitten hatte, inwendig hölzern war.

»Wissen Euer Gnaden«, fragte ich ihn, »was für ein Unterschied zwischen einem schwarzen Bären und Eurem schwarzen Rettich ist?«

»Dass der Bär viel größer ist.«

»Halten zu Gnaden, der eigentliche Unterschied besteht darin, dass der Bär auswendig und Euer Rettich inwendig pelzig ist.«

Da gab es wieder ein lautes Gelächter, das sich bei jedem von mir erlebten oder nicht erlebten Abenteuer wiederholte. Als ich zuletzt die Neugier der versammelten Gäste mit der wundersamen Erzählung meiner Reise nach Jerusalem gefüttert hatte, da hörte ich von allen Seiten mein Lob erschallen. Nun schien dem Herrn Prälaten die rechte Zeit zur Überraschung gekommen zu sein.

Er erhob sich von seinem Stuhl und sagte: »Meine verehrten Herren Gäste, wissen Sie, wer dieser fromme, weitgereiste Pilger ist?«

»Nein! Nein! Wer denn, wer?«, fragte jeder in gespannter Erwartung.

»Pamfilius Frohmund Eulenspiegel …«

»Ah! Ah!«

»Einziger Sohn des verstorbenen, weltberühmten Till Eulenspiegel!«

»Ah! Ah!«

Alle Gäste sprangen von ihren Sitzen auf, gingen zu mir, lobten mich, drückten mir freundlich die Hände und luden mich zu beliebig langen Besuchen auf ihren Gütern ein. Da hätte ich wohl ein Jahr lang und darüber zechfrei leben können. Der Herr Prälat war seelenvergnügt über das seinen Gästen bereitete Vergnügen und eröffnete mir, dass er mich vor 8 Tagen nicht aus dem Kloster fortziehen lasse.

Als endlich die Gäste zur Nachtruhe aufbrachen und vom Klosterbruder, der aus tiefem Schlaf auffuhr, ihre im Nebenzimmer an Nägeln aufgehängten Hüte und Mäntel sich reichen ließen, bekam kein Einziger sein Eigentum, was einen unglaublichen Wirrwarr veranlasste, worüber der Herr Prälat so herzlich lachte, dass er sich den Bauch mit beiden Händen halten musste.

»Da habt ihr nun gleich ein verlangtes Eulenspiegelei!«, sagte er.

Die Gäste lachten, ungeachtet ihres Ärgers. Tags darauf, nach dem Frühstück, wurde der Befehl zum Anspannen gegeben. Die Wagen standen im hinteren Klosterhof, der durch ein niederes Gitter von dem tiefen, das ganze Kloster umgürtenden Graben mit weichem Grasboden getrennt war. Die Kutscher führten die Pferde herbei und begannen plötzlich, ohne sich darum zu bekümmern, dass sie sich in einem Kloster befanden, gräulich zu fluchen, denn an allen Wagen fehlten die Deichseln, die ich weggenommen und an verschiedenen Stellen in den Graben hinabgeworfen hatte. Die Kutscher mussten sie mit großer Anstrengung herausholen.

Zwei Glöckner, die im Glockenhaus der Kirche läuten sollten, schimpften barbarisch, weil ich die beiden Stricke auf die hohen Querbalken hinaufgeschleudert hatte. Um sie wieder herabzubringen, mussten sie erst eine Feuerleiter holen. Der Hirte, im Begriff, das Vieh auf die Weide zu treiben, durch das Getöse herbeigelockt, stand im nämlichen Hof, sein Horn in der Hand und lachte die Kutscher und die Glöckner aus. Dann wendete er sich den Viehställen zu und begann mit solcher Gewalt blasen zu wollen, dass ihm die Augen hervortraten und sein Gesicht ganz kirschrot wurde. Aber er brachte keinen Ton heraus, weil ich in das Horn Werg von unten bis oben fest hineingepresst hatte.

Laut lachend ergötzten sich der Herr Prälat und seine Gäste von den Fenstern aus an diesem lustigen Spektakel.

Ich stellte mich, als sei ich so unschuldig an allem, was da unten im Hof vorgefallen, wie ein neugeborenes Kind.

Jeder von den vierzehn vornehmen Gästen schenkte mir noch einen Taler aus Erkenntlichkeit für die angenehme Unterhaltung, die ich ihnen bereitet habe und wiederholten den dringlichen Wunsch, sie ja recht bald auf ihren Gütern zu besuchen, und sie dort durch neue Eulenspiegeleien zu ergötzen, welche ich inzwischen ersinnen möge.

»Ich brauche keine erst zu ersinnen, gnädige Herrschaften«, erwiderte ich.

Das Gittertor war geschlossen. Die Pferde konnten also nicht davongehen. Diesen Umstand benutzten die 14 Kutscher, um auf einen Wink des Pater Kellermeisters an einem Mauervorsprung in der Nähe der Kirche noch einige Krüge Wein zum Abschiedstrunk zu leeren, wie man oft vor den Türen der Wirtshäuser rufen hört: »Noch eine Halbe aufs Ross!«

Diese Gelegenheit benutzte ich zur Ausführung eines Schabernacks.

Die Gäste stiegen ein. Einige von ihnen riefen mir noch fröhlich zu: »Es ist doch schade, Eulenspiegel, dass Ihr uns kein neues Stückel von Euch mitgebt.«

Das Gitter wurde geöffnet.

»Nur zugefahren, gnädige Herrschaften«, versetzte ich, »vielleicht begegnet Euch ein gewünschtes Stückel von mir!«

Die Abfahrt begann. Die Kutscher saßen auf den Sattelgäulen. Die Pferde des ersten Wagens gingen mit dem Vordergestell fort. An den übrigen 13 Wagen waren die Sperrketten in die Räder eingehängt. Ich stand als Zuschauer zur Linken des Herrn Prälaten mit dem ernsthaften Gesicht von der Welt, als ob ich an diesem Spektakel, der doch mein Werk war, ganz unschuldig sei. Eine halbe Stunde verging, bis wieder alles zur Abfahrt geordnet wurde.

»Glückliche Reise gnädige Herrschaften!«, rief ich ihnen zu. »Nichts für ungut!«

»Gewiss nicht, Eulenspiegel«, erwiderten noch mehrere Gäste, »wir selbst haben es ja nicht anders gewollt!«

Fort waren sie.

Der Herr Prälat ließ mich nicht fort. Ich musste noch 8 Tage lang im Kloster bleiben und ihn mit der Erzählung meiner abenteuerlichen Erlebnisse unterhalten, wobei ich des besten Wohllebens mich erfreuen durfte. Als ich herzlich dankend Abschied nahm, drückte mir der Herr Prälat noch ein Beutelchen mit zehn Talern in die Hand und trug mir auf, ja recht bald wieder zu kommen und recht lange bei ihm zu bleiben, was ich natürlich versprach.

Auf Kummer folgt Freude, auf Freude folgt Kummer, den ich nun nach dem freudigen Leben im Kloster zu gewärtigen hatte, und der auch leider nicht ausblieb. Ich verließ nun das Kloster und kehrte auf die Landstraße zurück, die an dem Wirtshaus vorbei, wo ich den Türken gekauft und wieder verkauft hatte, zur Stadt Reibenstein führte.