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Pamfilius Frohmund Eulenspiegel 7

Pamfilius-Frohmund-EulenspiegelDer durch eine steinalte, boshafte, drachenhässliche Teufels-Hexe in allerlei Viecherln verzauberte und durch einen Teufels- und G’waltsrausch wieder glücklich erlöste
Pamfilius Frohmund Eulenspiegel,
Erzkalfakter und einziger Sohn des weltberühmten Till Eulenspiegels,
nebst Pamfilis ganz neue, höchst lustigen Abenteuer, lustigen Streichen und tollen Possen
Altötting, Verlag der J. Lutzenberger’schen Buchhandlung.

Pamfilius spricht mit einem aus Holz geschnittenen Türken

Tags darauf traten drei Burschen, mit Tragkörben auf dem Rücken, in die Wirtsstube und boten verschiedene Spielwaren zum Kauf an.

»Das sind bekannte, abgefeimte Diebe und so schlau, dass ihnen kein Mensch und kein Gericht bisher beikommen konnte«, flüsterte mir Seppi zu, dem vor wenigen Tagen einer derselben 30 Taler in einem Wirtshaus, wo er übernachtete, unter dem Kopfkissen heraus gestohlen hatte, ohne dass er ihn deshalb vor Gericht wegen Mangel an gesetzlichen Beweisgründen belangen konnte.

Ich betrachtete diese drei Halunken aufmerksam und erkannte zwei davon sogleich als die beiden Spitzbuben, welche mich im Wald ausrauben wollten. Der Größere von ihnen hielt einen aus Holz geschnittenen Türken mit zum Gähnen geöffneten Mund in der Hand.

»Was kostet dieser Türke«, fragte ich, nachdem ich selben vorerst mit forschendem Interesse betrachtet hatte.

»Vier Taler«, war die Antwort, indem er dessen schöne Schnitzerei gewaltig anpries- Er war jedoch keine zwei Taler wert, und Seppi schien erzürnt über die Frechheit dieser übergroßen Forderung.

»Hier sind drei Taler. Wenn du willst, ist der Tücke mein.«

»Fort mit Schaden«, entgegnete der Verkäufer, seinen Kameraden zuschmunzelnd über den guten Handel.

Ich setzte mich an den Tisch, entkleidete den Türken und strich mit drei Fingern über seinen Leib hinweg.

Dann hielt ich den Türken an mein rechtes Ohr und horchte.

»Wirklich, er klingt, was er aber nicht bei jedem Menschen tut. Richtig, es ist schon so. Er ist aus dem wunderbaren und höchst seltenen Holz des Echobaumes geschnitten. Nun, mit diesem Handel habe ich ein großes Glück gemacht.«

»Wieso?«, fragte der Verkäufer mit Spannung. »Was ist ein Echobaum? Wo wächst er? Ich möchte dorthin reisen und mir einige solche Echobäume gegen billiges Geld holen.«

»Das würde sich schwer machen lassen«, versetzte ich. »Nur alle hundert Jahre ist ein Echobaum zu finden, und zwar nur, wo die Sonne aufgeht, noch eine halbe Stunde von der Grenze der Erde entfernt, wo die Welt mit Holzbrettern vernagelt ist. Glaubt Ihr denn, ich würde für diesen Türken, wäre er aus gewöhnlichem Holz gemacht, so hin nicht zwei Taler Wert, bereitwillig drei Taler bezahlt haben, ohne nur zu handeln, wenn ich nicht gleich bei dem ersten Blick erkannt hätte, dass er aus Echoholz geschnitten sei? Für so dumm braucht Ihr mich nicht zu halten. Wenn Ihr 20 und 30 Taler dafür würdet verlangt haben, ich hätte sie Euch bezahlt. Jetzt aber gebe ich ihn nicht für 100 Taler wieder aus der Hand, das mögt ihr Euch wohl merken.«

Der Große kratzte sich hinter den Ohren.

»Welchen Nutzen kann denn dieser Türke verschaffen?«, fragte er.

»Nutzen? Nun ich glaube, es sei Nutzen genug, dass man mit ihm sprechen kann, wie mit einem vernünftigen Menschen, und dass er auf alle Fragen die nötige Antwort gibt.«

»Oho!«, rief der Große lachend aus, und seine zwei Kameraden halfen ihm lachen.

»Lacht nur darauf los«, sagte ich, »das Lachen wird Euch bald vergehen, wenn ich Euch beweise, was ich behauptet habe!«

Ich stand auf, setzte den Türken, der abgegliedert war, auf ein Tischlein in der unteren Ecke der Wirtsstube, kehrte auf meinen Platz zurück und fing mit diesem folgendes Gespräch an.

»Lieber Türke!«

»Was willst du?«, fragte er deutlich.

»Aus welchem Holz bist du geschnitten worden?«

»Aus Echoholz.«

»Wo?«

»In Nürnberg?«

»Sind noch mehrere Figuren aus Echoholz geschnitten worden?«

»Nein, nur ich.«

»Warum nur du?«

»Weil nur dieses einzige Stück Echoholz vorhanden war.«

»Sprichst du gerne?«

»Sehr gerne, aber nur alle 14 Tage.«

»Warum dies?«

»Weil mich das Sprechen zu stark anstrengt.«

»Ich habe dich für drei Taler gekauft. Hab’ ich zu teuer eingekauft?«

Der Türke lachte wie ein hölzernes Nürnberger Gelächter.

»Zu teuer? Was fällt dir ein! Bring mich nur an den kaiserlichen Hof und lass mich dort sprechen, so wird man dir gerne tausend und auch zweitausend Taler für mich bezahlen!«

»Ich danke dir für diesen guten Rat.«

»Ist gerne geschehen. Aber sei so gut und frage mich jetzt nicht mehr, weil ich zu müde bin. In 14 Tagen werde ich wieder jedem, der mich besitzt, recht gerne antworten.«

Ich holte den Türken, steckte ihn in meine Tasche, nahm wieder Platz an meinem Tisch und trank einen Becher Wein.

Nach einer halben Stunde, während ich dem ganz erstaunten Seppi versichert hatte, dass mein ganzes Gespräch mit dem Türken nur ein Taschenspielertrick (meine Bauchrednerei wollte ich nicht verraten) gewesen sei, aber keine Zauberei, wie er meine, was er aber doch nicht recht zu glauben schien, trat plötzlich der Große vor unseren Tisch hin und sprach: »Lieber Herr, Ihr werdet doch keine rechte Lust haben, den so weiten und gefährlichen Weg an den kaiserlichen Hof zu machen. Wie wär’s, wenn Ihr den Türken wieder an mich verkaufen wollt? Besser ein Spatz in der Hand, als eine Taube auf dem Dach. Ich geb’ Euch die Taler zurück und dazu 3 Taler als Profit, zusammen 6 Taler.«

»Ja, wenn ihr mein eigenes Geld, die 3 Taler, dazu rechnet. Daraus wird nichts! Ich verlange meine 3 Taler zurück und 50 Taler dazu. Wenn Ihr nicht wollt, so lasst es bleiben! Der kaiserliche Hof bezahlt mir vielleicht dreimal so viel für meinen Türken.«

Nach langen vergeblichen Versuchen, etwas herabzuhandeln, zählte mir der Große 53 Taler seufzend auf den Tisch hin, die ich mit gleichgültiger Miene einsteckte, während er hastig den Türken wieder in seinen Tragkorb einquartierte.

»Wenn Euch allenfalls der Handel reut«, sagte ich zu dem Großen, »so geb’ ich Euch gerne die 53 Taler wieder zurück, solange Ihr da in der Stube bleibt, und nehme den Türken wieder zu mir.«

 

***

 

»Da hast du deine 30 Taler wieder Seppi«, sagte ich, »die dir der Große einst gestohlen hat, und die mir bleibenden 20 Taler sind auch nicht zu verachten, leicht verdient durch ein leichtes Kunststück, das ich dabei mit Gottes Segen gemacht habe.«

Die Berufung auf Gottes Segen schien Seppi von der Meinung geheilt zu haben, dass ich ein Zauberer sei, und er wurde wieder merkbar freundlicher. Ich ersuchte den Seppi, auf seinem Wagen für mich einen Packen mit Kleidungsstücken heimzunehmen, ich würde dann diesen Packen später persönlich bei ihm abholen, um auch seine schöne und liebe Stasi kennenzulernen, was ihn sehr freute. Ich wollte nun möglichst unbelastet, als Pilger noch eine kurze Zeit durch die Welt wandern und dann zu meiner Mutter heimkehren. Ich gab ihm sodann meinen Packen, worin mein Edelmannanzug lag, in einem Umschlag aus Wachsleinwand, nahm nach einem sehr guten Mittagsmahl von ihm herzlichen Abschied und pilgerte wieder, frisch und gesund und ordentlich gefüttert oder »ausgefressen«, wie man zu sagen pflegt, in die weite Welt hinaus.

Ich will gleich hier bemerken, dass ich späterhin, als ich geheiratet hatte, mit meiner lieben Frau meinen Packen mit den Kleidern bei Seppi in Kunried abgeholt habe, wo wir mit der größten Freude aufgenommen wurden. Die brave und schöne Stasi dankte mir mit Freudentränen als dem Gründer ihres Glücks.