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Der Freibeuter – Charakterunbeständigkeit

Der-Freibeuter-Zweiter-TeilDer Freibeuter
Zweiter Teil
Kapitel 5

Aus dem Städtchen Bergen auf der Insel Rügen schritt eines schönen Herbstabends ein Mann nordwärts jenem Berg zu, der unter dem Namen des Rugard bekannt ist, und einst die Königsburg der Beherrscher des Eilandes auf seinem Gipfel trug. Der einsame Wanderer in der Abendbeleuchtung war jener rätselhafte Fremdling, welcher zuerst als Joseph Flaxmann auftrat, dann sich als vertriebener Jakobit und ehemaliger Major in Diensten der Krone England und endlich als Lord Palmerston enthüllte. Er war sorgfältiger gekleidet als früher. Die grobe Jacke war mit einem kurzen anständigen Rock vertauscht, doch hatte sein kleiner Hut und sein gelocktes braunes Haar immer noch etwas Freies und Ungezwungenes, wie es Leuten seines Standes zu jener Zeit selten eigen zu sein pflegte.

In ein Selbstgespräch verwickelt, hatte er endlich den waldbewachsenen Berg erstiegen und stand auf dessen majestätischem Gipfel, der die Insel und den Meerbusen ringsum, vorzüglich aber die zunächst gelegenen, den kleinen und großen Jasmunder Bodden und darüber hinaus die Halbinsel Jasmund mit der schauerlichen Stubbenitz und der romantischen Stubbenkammer beherrscht. Als er hinauftrat, ließ er sein durstiges Auge langsam umher schwelgen und sog es voll Bilder, die sich ihm schmeichelnd entgegen drängten. Das Land war sanft überhaucht von den Tinten des Abends, aber das Meer glühte in purpurner Verschämtheit, berührt vom Kuss der Sonne, die sich eben in die Fluten hinabließ. Die Wellen wogten die widergestrahlte Glut heran und Töne rauschten seltsam über die Meerfläche und die getreideleeren Felder und die blumenleeren Hügel des Ufers, als ob die entzückten Gewässer die trauernde Erde durch ihren herrlichsten Hymnus erfreuen und aufheitern wollten. Die Majestät Gottes trat in Glanz hervor und ging im glühendsten Farbenspiel über die Wogen, die das Eiland umspülten.

Der junge Mann hatte lange starr in die Herrlichkeit des Himmels hinausgeblickt. Als nun die Bilder näher und näher kamen und sich endlich mit seinem Herzen verschmolzen, da beschwichtigte sich dort ein verzweifelter Kampf, und mit einem andächtigen Blick in den blauen, purpurumränderten Westen der geschiedenen Sonne nach fliegend, löste sich ein langer tiefsinniger Seufzer von seiner Brust ab. Nun warf er sich am Abhang nieder und sagte vor sich hinlächelnd: »Ich habe dich verstanden, hohe, heilige Natur, dich untergegangene Sonne, dich redendes Meer, dich verglimmendes Abendrot, dich Kühle der Nachtluft, die heilend, schmerzlindernd meine wunde Brust erfrischt, umsäuselt. Dich hab’ ich verstanden und gefühlt, großer, heiliger Gott, der du zu mir geredet in deinen herrlichen Werken; denn Sonne und Meer und Erde sind ja deine Sprachorgane. Du hast den Kelch der Versuchung von mir genommen. Ich entsage jeglicher irdischen Größe. Wie verschwindet doch der Glanz aller Kronen vor dem Kranz, den das Abendrot um mein zufriedenes Haupt flechten wird! O Natur, wer dich verstanden hat, wie ich in dieser geweihten Stunde, den gelüstet es nicht mehr nach Macht und Ansehen unter den Menschen! Was sind Herrschaft und Gewalt über andere doch für törichte Begriffe, erzeugt in einem Gehirn, das den Strahlen deiner Herrlichkeit verschlossen ist, du ewig blühende Natur, die du allein wahre Herrscherin bist! Und wenn ich’s nun mit Mühsal und tausendfachen Beschwerden errungen hätte, wenn ich es mit Strömen von Blut erkämpft hätte, das törichte Ziel meiner Jugendwünsche könnten nicht die Wellen, die fetzt friedlich unter mir in ihrem Bett gehen, die Spanne Land verschlingen und mein rastloses Herz mit?

Natur, du hast mich bekehrt. Ich stehe ab, und was hier liegt, erblicke keines Menschen Auge mehr.« Bei diesen Worten legte er seine linke Hand auf die Stelle an seiner Brust, wo das Etui verborgen war. »Wenn der Fluch der Krone«, fuhr er ernst fort, »den Königen der Erde nicht das Herz raubte – denn Herz und Krone schließen einander aus – wahrlich, sie bedürften dann nicht der Ratschläge ihrer von Leidenschaftlichkeit beherrschten Diener, um weise und gerecht zu regieren. Sie brauchten nur auf die Berggipfel ihrer Reiche zu steigen oder auf das Meer hinaus zu segeln, um zu erfahren, was wahr und gut und recht sei. Wem die Predigt der Gewässer, der Hymnus des Sturms, das Lied der Berge und Täler, wem die Stimme der Natur nicht Wahrheit in die Seele donnert, der ist nicht gewürdigt worden, sie zu hören, der geht unter, ohne je gefühlt zu haben, dass er ein Mensch sei. Statt aber Auge und Ohr dem getreuen Bild der wahrhaftigen Stimme Gottes zu öffnen, sehen sie nur die Gebilde der Lüge, die niederer Eigennutz, Erbärmlichkeit, Befangenheit, Bosheit ihnen als Wahrheitsbilder vorspiegeln, hören nur das Gezische der Falschheit, leihen ihr Ohr allein den nichtswürdigen Zuflüsterungen, vergraben und verschanzen sich in den schmutzigen Leidenschaften, als da sind Rachgier, Gewinnsucht, Mordgier, und besudeln sich selbst und sein Ebenbild mit Blut seiner Geschöpfe, allwaltender Geist. Deine Äcker werden von ihren Rossen zerstampf, deine Städte verbrannt, deine Erde mit Blut gefärbt. Und weshalb? Damit der eine den anderen verdränge vom Stuhl der Gewalt – und doch ist der eine nicht bester als der andere. Wem Gott ein edles Herz in den Busen gab, der greift nicht nach einer Krone. Er pflügt lieber im Schweiß seines Angesichts sein Feld und ist glücklich, wenn ihm abends sein zufriedenes Weib entgegentritt mit seinen Kindern und reicht ihm die Kleinen und beut ihm den frischen Mund zum Kuss. Gott, wie ekelt mir plötzlich vor aller irdischen Größe! Wahrlich, Friederike hatte recht: Könige können wohl die Völker verderben, aber nicht beglücken. Ich bin bekehrt, ich stimme bei. Einst wohl träumte ich einen schönen Traum von Völkerbeglückung. Welch’ ein Tor ich war! Ist denn Schweden glücklich? Wie schwer seufzt es unter der Last von Karls eisernem Zepter. Während er wähnt, seinen Feinden mit der Schärfe seines Schwertes Wunden zu schlagen, trifft er sein eigenes Volk ins Herz und schlägt es wieder, bis es verbluten wird. Und doch gilt dieser Karl für einen großen König. Sein Name geht gefeiert durch die Welt und Moskowiter und Muselmann erzählen sich von ihm. Ach, und erst dies Dänemark mit seinem schwachen Herrn, dessen Ohr jeder Intrige, jeder gemeinen Zuflüsterung offen steht, dessen misstrauische Seele vor dem kleinsten Unfall zittert! Er ist kleiner, viel kleiner als Karl, und doch ist Dänemark glücklicher als Schweden. Und England, du mein teures England, bist du denn glücklich geworden durch deinen neuen König? Kann ein Kronenräuber dich beglücken? Ach, du schlummerst den Schlaf der Todesermattung. Wilde Fieber haben in deinen Eingeweiden gewütet. Ein wunderbares Schicksal hat mich aus der Bahn geschleudert, die mir vorgezeichnet war. Ich will nicht mehr versuchen, mich wieder hineinzudrängen. Hier auf dieser glücklichen Insel will ich glücklich leben und glücklich sterben. Eine Strecke fruchtbares Land reicht hin, die Bedürfnisse meines Hauses zu stillen. Man braucht zum wahren Glück nur wenig. So viel wird mir übrig sein, mich hier ankaufen zu können. Und ein Haus will ich mir bauen, an die Meerbucht, dass ich stets die majestätische Wasserfläche vor Augen habe und selbst groß werde an der Größe des Meeres.

Aber wird denn auch Christine solch’ niederes Los mit mir teilen wollen? Wird ihr genügen, was mein Fleiß erworben? O gewiss! Sie wird. Hab’ ich doch einen Blick in ihre Seele getan. Wenn es auch in der Träumerei eines Zauberbannes geschah, der mich damals umstrickt hielt, so ist mir doch alles jetzt zum klaren Bewusstsein geworden, und ich weiß, mit welcher Liebe das sanfte, edle Kind an mir hängt. Und könnte ich denn von jener Stelle, wohin Recht und Herkommen mich bestimmt, ihr die Hand herüberreichen? Nimmermehr! Dazwischen liegt eine unausfüllbare Kluft. Nur dann kann sie mein Weib, mein Eigentum werden, wenn die Welt, wenn kein Mensch erfährt, was dies Büchlein enthält. Mein Los ist entschieden! Christine – o Entzücken! – mein Weib. Diese kleine Scholle Land da unten mein Eigentum, und nie soll die Welt erfahren, wer unter dem Hügel schläft, der dort fern am Waldhang sich erheben wird. Ein Glücklicher ruht hier, soll darauf stehen, und die Vorübergehenden werden mich mehr beneiden, mein Andenken mehr segnen, als wenn ich im Marmorsarg in den Gewölben der Westminsterabtei zu Asche fiele und ein prunkvolles Monument …«

Hier wurde der junge Mann durch ein Geräusch unterbrochen. Ein anderer Mann trat aus dem Gebüsch auf den Sprecher zu und sagte: »Schon einige Zeit suche ich Euch vergeblich, Mylord, und habe nun zufällig einige Eurer Gedanken belauscht, und kann Euch in der Tat meine Bewunderung deshalb nicht bergen. ^aintre.bm! Ich hätte geglaubt, Euch beim Entwurf eines Okkupationsplanes zu finden. Was aber redet Ihr hier?«

»Was du schwerlich zu fassen vermagst, Courtin«, versetzte der Lord gelassen. »Du bist ein guter heiterer Mensch, eine treue Seele, voll Witz und guter Laune, aber für die Gefühle meines Herzens hast du keinen Sinn.«

»Ah que Dieu vous bénisse! Ihr seid verliebt, Mylord, und das macht Euch so windelweich. Und überdies habt Ihr den unbeständigsten Charakter auf der Welt. Heute wollt Ihr die Welt erstürmen, morgen wollt Ihr mit ein paar Öchslein Euer Feld selbst bebauen, heute seid Ihr trotzig, morgen wehmütig, heute gütig, morgen streng, aber bei alledem hitzig, rasch im Entschluss und mit der Tat nicht zögernd. Das kuriert Euch auch den Magen wieder, den Ihr Euch mit solch unverdaulicher Speise verdorben habt. Ma foi! Ich glaube fast, Eure Mahlzeiten sind wirklich an Eurer Veränderlichkeit schuld. Ihr habt heute sehr frugal gespeist und deshalb sind Eure Wünsche so erbarmungswürdig bescheiden.«

»So toll und abgeschmackt auch deine Reden sind«, versetzte der andere, »so ist doch viel Wahres darin. Es ist wahr, oft bin ich mir selbst unerklärlich. Doch ich bitte dich, raube mir die Gefühle nicht, die mir die Natur und der Ort, auf dem wir stehen, eingeflößt haben. Sieh, hier hauste einst ein Königsgeschlecht. Es ist untergegangen. Seine prächtige Burg ist zerfallen, und die Sage allein erzählt mit dem Kindermund des Volkes fabelhafte Geschichten von beiden. Sollte mich dieser Königsberg, der Beherrscher der Insel, nicht an die Hinfälligkeit und Vergänglichkeit aller irdischen Größen erinnern? Auch das königliche Geschlecht der Stuarts, das aus den Nebeltagen der Vorzeit und aus den Nebelbergen Hochschottlands herabgestiegen ist nach Altengland, sich dort auf den Thron zu setzen, wird bald von der Erde verschwunden sein. Ein anderes hat es schon verdrängt. Courtin, ich glaube, es ist auf ewig aus mit den Stuarts.«

»Mille moustaches! Es soll aber nicht aus sein! Wie kommt Ihr mir vor? Ich erzürne mich über Euch! Wenn ein Lümmel kommt und wirft mich aus dem Haus, so liege ich freilich draußen. Bleibe ich aber fein ruhig im Kot liegen und jammere, so ist das meine Schuld. Geh statt des Jammerns und Wehklagens hin zu deinen Freunden, wirb sie zu deinem Beistand an und wirf den Unverschämten, der dich vertrieben hat, wieder aus deinem Haus. Sacrecquin! Häng’ ihn an den Beinen auf. Das ist Lebensphilosophie.«

»Die deine, und ich gesteh’ es, in mancher Zeit auch die meine. Doch der Mensch hat auch seine Weihestunden, wo er der Gottheit, dem reinen Geist näher ist als sonst. Doch lass das! Wir wollen darüber nicht viel sprechen, weil wir uns doch nicht verstehen würden. Also von etwas anderem! Mit dem ersten Schiff, sei es auch nur ein Boot, welches von Rügen nach Seeland abgeht, reisen wir nach Kopenhagen, Courtin.«

»Nach Kopenhagen? Wohl um den dänischen König nicht um das empfangene Handgeld zu prellen? Oder wenn das nicht, uns einstecken und pressen zu lassen?«

»Befürchte nichts! Nein, Courtin, ich will mir eine Frau holen und dann auf dieser Insel still und zufrieden leben.«

»Ah ciel! Seid Ihr bei wachenden Sinnen? Mit einer Frau hier still leben? Habt Ihr vergessen, dass diese Insel erst vor neun Monaten der Schauplatz blutiger Kämpfe zwischen den Dänen und Schweden war? Und glaubt Ihr, man werde lange Ruhe halten? Ihr kommt freilich nicht unter das Volk. Aber ich höre täglich und stündlich seine Stimme, solange wir hier wohnen. Auf der ganzen Insel will man nichts von dem heuer ihr aufgebürdetem dänischen Joch wissen. Die Rügener sind im Herzen alle gut schwedisch gesinnt; und in Stralsund ist’s ebenso. Wenn sich nur der König Karl von Schweden erst einigermaßen von den Schlägen erholt hat, die er zeither bekommen hat, so sind Stralsund und Rügen wieder der Tummelplatz des Krieges, und ich bin fest überzeugt, hätte der kühne Peter Tordenschild nicht den gewagtesten Streich, den je ein Seemann ausgeführt, im Hafen von Ohnekillen auf das Haupt des nordischen Löwen glücklich gerichtet, wäre ferner der russische Peter so diesem Sommer nicht mit einer Flotte nach Kopenhagen gekommen, um von da das Schwedenreich zu überfallen, ich glaube, der Grund und Boden, auf dem wir jetzt stehen, wäre ebenso gut wieder schwedisch wie voriges Jahr um diese Zeit. Und Ihr wollt in Rügen ruhig leben? Bildet Euch das nicht ein. Auch würdet Ihr die Ruhe keine vier Wochen ertragen. Ich habe Euch in kurzer Zeit besser kennengelernt, als ihr Euch selbst kennt. Ich weiß, welch’ einen unruhigen Geist Ihr habt. Das Leben würde Euch gar bald schal und abgeschmackt verkommen. Ihr würdet Weib und Kind überdrüssig werden. Seht mir den Peter Tordenschild an! Das ist ein Mann! Feuer und Flamme und ohne Rast. Immer drauf und dran! Das heiße ich sein Leben gewonnen! Seit ich von diesem Feuerkopf gehört hatte, trieb es mich, unter ihm zu dienen. Betrachtet den anderen Peter, den russischen Zaren. Doch da Ihr diesen Sommer über in Kopenhagen gelebt habt, so müsst Ihr ihn ja persönlich kennen und könnt mir von ihm erzählen.«

»Ich kenn’ ihn, den großen Beter«, rief der Lord aufspringend mit plötzlicher Heftigkeit und von Begeisterung strahlenden Augen. »Ich kenne sie beide, den kühnen Zaren Peter und den kühnen Peter Tordenschild. Mein Herz hob sich bei ihrem Anblick und es schlägt bei dem Gedanken an sie heftiger. Ich fühlte die Kraft in mir auflodern, dem großen Zaren ähnlich zu werden, der ein ungeheures Reich aus dem Chaos der Barbarei hervorgerufen hat durch die gewaltige Kraft seines Willens, ein Volk zu beherrschen, wie er, durch die Macht des guten Prinzips, dem jede Strenge erlaubt ist. Ich fühlte – und hier unter Gottes freiem Himmel kann ich es vor dir ohne Erröten bekennen – ich fühlte, dass ich ihm gleich sein könne. Ach, ihn stets zu sehen und nicht handeln können wie er, war auch eine der Ursachen meiner Flucht aus Kopenhagen!«

»Aber warum vertrautet Ihr Euch denn dem Zaren nicht an? Sein großes Herz hätte sich Euch gewiss zugeneigt.«

»Seine Freundschaft mit den Königen von Großbritannien und Dänemark hinderte mich daran. Was hatte ich auch von ihm zu erwarten, der so Kopenhagen zum Besuch am Hof war, der die im Sunde liegende englische Flotte befehligte und der Feind Schwedens war, welches allein der Unglücklichen Sache des Prätendenten ein geneigtes Ohr schenkte?«

»Man hat übrigens hier und da, und vorzüglich in den französischen Häfen, neuerdings davon gesprochen, dass es mit der Freundschaft des Zaren und des dänischen Königs allem Anschein nach nicht weit her sei.«

»Wie können auch zwei so verschiedene Geister Freunde sein! Ein politisches Interesse führte sie zusammen, ein politisches trennt sie wieder. Peter kam vor vier Monaten nach Kopenhagen. Seine Flotte und ein beträchtliches Landheer wurden früher und später eingeschifft, und man glaubte allgemein, diese Verbindung sei auf die gänzliche Vernichtung des Schwedenkönigs abgesehen. Aber schon vor acht Wochen – so lange bin ich nun von Kopenhagen fort -war man über des Zaren wahre Absichten im Klaren und der ganze dänische Hof war über den verwegenen Plan so sehr erschrocken, als über die Originalität desselben erstaunt.«

»Und welches war eigentlich wohl sein Plan?«

»Jedenfalls wollte er sich der Stadt Kopenhagen bemächtigen und dann die ganze Insel Seeland einnehmen. Dann hätte er wahrscheinlich mit dem Schwedenkönig Frieden gemacht. Und zwei Männer, wie sie, könnten vereint handelnd die Welt unterjochen.«

Die Absicht des schlauen Franzosen war erreicht. Er hatte den Lord geschickt auf einen Gegenstand geführt, der die leicht zu entflammende Seele des jungen Mannes schnell einnahm. Courtin kannte den Charakterwechsel seines Gebieters. Palmerstons Mund strömte von begeisterten Lobpreisungen des Zaren über und seine Augen sprühten Flammen dazu. Er erzählte viel von des Zaren geheimen Plan, von der Art und Weise, wie er entdeckt worden war, beschrieb seine Persönlichkeit, gab mehrere in Kopenhagen erlebte charakteristische Anekdoten von ihm und hatte darüber bald alle die sanften Gedanken, die ihn eine Stunde zuvor beglückten, vergessen.

»Der Eifer unseres Gesprächs«, sagte Courtin endlich, »hat mir bis jetzt nicht erlaubt, Euch zu sagen, weshalb ich eigentlich gekommen bin, Euch aufzusuchen. Es ist nämlich ein Bote an Euch angekommen, der Eile vorgibt und Euch Wichtiges zu überbringen hat.«

»Woher ist er? Was mag seine Botschaft sein? Vielleicht droht uns Gefahr?«

»Seid unbesorgt, Mylord, es ist der nette Schiffsjunge von der schwedischen Fregatte, als deren Gefangene wir nach Stockholm segelten. Wie hieß er doch?«

»Juel Swale?«

»So ist es. Derselbe wartet auf Euch. Die Botschaft ist von seinem Herrn, dem Kapitän Norcroß.«

»So lass uns nach Hause eilen!«

Courtin sah mit Freuden des Lords Bereitwilligkeit. Es war schon Nacht geworden. Mit hastigen Schritten eilten sie den Lichtern des Städtchens zu und langten nach kurzer Zeit in der bescheidenen Wohnung an, welche der Lord mit seinem Freund und Diener eingenommen hatte.

Juel trat ihnen entgegen, grüßte seemännisch und sprach: »Mein Herr hat mir befohlen, Euch das zu sagen: Der König von Schweden will Euch sehr wohl. Er wird mit dem Zar von Russland Frieden schließen und dabei Eurer gedenken. Seid versichert, dass auch Peter Euer Freund wird. Der Freiherr Görz hat in Holland und diesen Sommer schon in Schweden viel für den Prätendenten getan. Niemals waren die Umstände günstiger für uns. Eilt deshalb unverzüglich an Bord unserer Fregatte, die unweit der Spitze von Arkona liegt. Wir gehen auf des Königs Befehl nach Holland zum Grafen Görz. Eilt! Die Stunde Eurer Rache am Kronprinzen von Dänemark naht!« Zugleich überreichte Juel dem Lord ein eigenhändiges Schreiben des Königs, worin nur die Worte standen: Geht, mein Freund, mit dem Kapitän Norcroß nach dem Haag und vertraut Euch dem Baron Görz an. Ihr werdet dort Dinge von Wichtigkeit für Euch erfahren. Euer wohl affektionierter Karl.

Der Lord schwankte keinen Augenblick. Die alten Pläne standen wieder wie riesige Gebirge in seiner Seele und der Adlerflug seines Geistes verschmähte die ruhmlose Niedrigkeit, welche ihn vorhin so freundlich angelächelt hatte. Selbst die Flötenstimme der Liebe verstummte vor dem Posaunenruf des Ruhms, der ihn in die Rennbahn rief, vor dem Wutgeschrei der Rache, welche plötzlich wieder seine Seele erfüllte.

Ehe eine Stunde verging, war er zur Abreise gerüstet und ging mit Courtin und Juel, die das wenige Gepäck trugen, um den kleinen Jasmunder Bodden zum Prorer Wiek, wo einige Matrosen mit einem kleinen Boot hielten. Sie stachen sogleich in See und erreichten noch vor Mitternacht die Fregatte.