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Felsenherz der Trapper – Teil 6.3

Felsenherz-der-TrapperFelsenherz der Trapper
Selbsterlebtes aus den Indianergebieten erzählt von Kapitän William Käbler
Erstveröffentlichung im Verlag moderner Lektüre GmbH, Berlin, 1922

Band 6
Die Goldgräber der Jicarilla-Berge

Drittes Kapitel
Der Namenlose

Eine Viertelstunde später traf er mit Ben, Sepp und dem »Namenlosen« zusammen. Sein Abenteuer verschwieg er, erwähnte nur, dass er zwei der Apachen belauscht und so einiges über deren Absichten gehört habe.

Während die vier noch in einer Waldschlucht beisammenstanden und die Tiere das Gras abweideten, tauchte der Comanchenhäuptling auf.

Als der Namenlose durch Felsenherz mit dem Schwarzen Panther bekannt gemacht wurde, bemerkte der junge Trapper, wie die schwermütigen Augen des bartlosen Fremden einen ganz anderen Ausdruck bekamen.

Es war, als ob in diesen Augen plötzlich ein heimlicher Hass aufflammte. Aber trotzdem gab der Namenlose sich völlig harmlos und meinte nur, er sei nicht Händler, wie Felsenherz dies von den Apachen erlauscht haben wollte.

»Ich will Euch jetzt die Wahrheit sagen«, fügte er hinzu. »Ich bin Goldgräber. Mein Packtier war mit Goldstaub beladen. Ich kam von den Jicarilla-Bergen über den Rio Pecos und durch die Llano hierher und wollte zu den östlichen Ansiedelungen zurückkehren. Zwei Jahre habe ich dort in der Felsenwildnis der Jicarilla-Berge den Goldstaub aus dem Gestein herausgewaschen. Ich war reich geworden. Jetzt bin ich wieder arm. Ich werde Euch begleiten. Ich muss wieder zurück zur Jicarilla-Wildnis. Ich muss wieder reich werden … muss!«

Der Comanchenhäuptling entgegnete ernst: »Und wie sollen wir das Blassgesicht nennen? Jedes Tier hat einen Namen. Weshalb hat das Blassgesicht keinen?«

»Nennt mich … Sansnom1«, meinte der Fremde kurz. »Im Übrigen rede ich nicht gern über mich und auch nicht gern mit andere.«

Der Schwarze Panther wandte sich an Felsenherz. »Mein Bruder und ich werden wieder vorausreiten. Die Fährte der zehn Buschklepper wird uns jetzt an deren Schlupfwinkel führen. Wir werden dort ein Pferd für Sansnom finden.« Dann sagte er zu dem kleinen Ben, dem Hinkenden: »Ben mag uns nach einer Weile folgen. Wo wir unsere Spur vielleicht verwischen müssen, werden wir ein Zeichen zurücklassen, in welcher Richtung Ben uns findet. Das Zeichen wird ein Tannenzweig sein.«

Er schwang sich wieder auf seinen Rappen. Dann ritten die beiden von dannen, durchquerten den Wald und erreichten, stets scharf nach Nordwest sich haltend, jenen Höhenzug, dessen östliche Ausläufer noch mit Baumwuchs bestanden waren.

Hier stieg der Comanche in einem steinigen, sanft in die Berge emporführenden Tal vom Pferd, indem er vor sich auf den Boden deutete und sagte: »Mein Bruder Felsenherz sieht die zermalmten Steinchen. Es ist die Fährte der Buschklepper. Mein Bruder mag sich hier verbergen. Der Weiße, der sich Sansnom nennt, hat keine guten Augen. Er wird hier, wo der Stein keine Spuren annimmt, zu entweichen suchen.

Mein Bruder wird erkennen, dass ich recht habe. Sansnom hat vorhin den Schimmel Sepps gerade so gemustert, als ob er Absichten auf das Pferd hätte.«

Felsenherz nickte. »Der Schwarze Panther spricht meine Gedanken aus. Ich werde hier warten.«

Der Comanche brach von einer nahen Tanne einen Ast ab und legte ihn so, dass die Bruchstelle und der Ast in ein enges Seitental deuteten.

Felsenherz lächelte und meinte: »Der Schwarze Panther ist vorsichtig. Falls Sansnom mir entwischt, wird er nicht wissen, wohin wir uns gewandt haben.«

Der Häuptling sprang in den Sattel und ritt wortlos ein Stück in das Seitental hinein, kehrte um und verfolgte dann die Fährte der Buschklepper weiter.

Felsenherz wusste, dass der Comanche nur eine in das Seitental führende Spur hatte zurücklassen wollen. Als der Häuptling verschwunden war, nahm er seinen Braunen am Zügel und kletterte die linke Seitenwand des Tales hoch. Hier standen mehrere Buchen mit dichtem Unterholz. Der junge Trapper band sein Pferd an einen Baum und legte sich nun dicht am Rand der Talwand auf die Lauer.

Er brauchte nicht lange zu warten.

Ben, Sepp und Sansnom, Letzterer zu Fuß, erschienen bereits nach fünf Minuten.

Als Ben den Tannenzweig bemerkte, sagte er so laut, dass Felsenherz es ebenfalls verstand: »Hm – der Zweig zeigt in das Seitental, obwohl ich hier eine weit deutlichere Fährte sehe, die geradeaus läuft.«

Da bot sich Sansnom sofort an, dieser Fährte ein Stück das breite Tal hinauf nachzueilen. »Wir treffen uns dann in dem Seitental«, fügte er noch hinzu.

Ben war einverstanden.

Felsenherz begleitete nun oben am Talrand den verdächtigen Goldgräber, der hastig davonschritt.

Schon nach wenigen Minuten schaute Sansnom sich argwöhnisch um und begann nun die linke Talwand unweit der Stelle, wo Felsenherz jetzt hinter einem Stein lag, zu erklettern.

Der junge Trapper kroch schnell weiter und drückte sich hinter einen anderen Stein. Hier musste Sansnom vorüber.

Doch – Felsenherz wartete umsonst auf ihn. Schließlich merkte er, dass der Goldgräber eine andere Richtung eingeschlagen haben müsse. Als er dann gerade sein Versteck verlassen wollte, warf sich jemand mit dem vollen Körpergewicht auf ihn und setzte ihm eine Messerspitze ins Genick …

»Liegt still oder ich stoße zu!«, drohte Sansnom. »Ich lasse nicht mit mir spaßen! Bei der geringsten Bewegung seid Ihr geliefert!«

Felsenherz war dieser Angriff so überraschend gekommen, dass er sekundenlang sich völlig still verhielt. Dann fragte er, während er die Messerspitze noch immer auf seiner Haut fühlte: »Master, was wollt Ihr? Ist das Euer Dank dafür, dass wir Euch freundlich behandelten, obwohl wir nicht wussten, was und wer Ihr seid?

»Spart Eure Vorwürfe!«, erwiderte Sansnom kurz, aber nicht unfreundlich. »Mein Tun und Lassen ist lediglich durch eine heilige Pflicht bestimmt. Ich habe ein Ziel vor Augen, das ich unbedingt erreichen muss! Ich war diesem Ziele nahe. Nun ist meine Hoffnung zerschellt. Ich muss von vorne beginnen. – Doch -genug den Worte! Ich will Euch mitteilen, was ich verlange, falls Ihr Euer Leben retten wollt. Ihr sollt mir helfen, den Comanchenhäuptling in meine Gewalt zu bekommen …«

Felsenherz glaubte sich verhört zu haben. »Den Schwarzen Panther?«, meinte er ungläubig. »Ihr scherzt wohl, Master! Der Häuptling ist mein Bruder! Ebenso gut könntet Ihr verlangen, dass ich an meinem Vater, falls er noch lebte, Verrat beginge!«

»Ihr werdet gehorchen!«, stieß Sansnom halb verzweifelt, halb im Zorn hervor. »Ich habe jetzt nur noch diese eine Möglichkeit, meinen Schwur zu erfüllen, nachdem mir heute die andere Möglichkeit genommen wurde.«

Felsenherz spürte, dass der Druck der Messerspitze nachgelassen hatte. Der Fremde nahm wohl an, der junge Trapper würde keine Bewegung wagen.

Doch – da kannte Sansnom die Gewandtheit eines Felsenherz schlecht! – Gewiss, dieser lag auf dem Bauch, und der Fremde kniete halb auf ihm, konnte also jeden Moment wirklich zustoßen. Felsenherz hatte jetzt die unter seinem Leib liegenden Arme etwas angezogen, hatte die Hände flach auf den Boden gestützt.

»Die andere Hoffnung, von der Ihr soeben spracht, war wohl die Goldladung Eures Packtieres?«, fragte er nun. »Dass Ihr den Häuptling insgeheim hasst, sah ich Eurem Blick an. In welcher Beziehung steht nun der Schwarze Panther, der doch niemandem ein Unrecht zugefügt hat, zu Eurem Schwur? Es muss da Zusammenhänge geben, die Ihr offenbar …«

Er hatte all das ganz ruhig gesagt, hatte Sansnom durch den gleichgültigen Ton in Sicherheit wiegen wollen.

Jetzt, als er das Wort »offenbar« ausgesprochen hatte, änderte sich die Szene …

Felsenherz hatte urplötzlich die Beine und den Unterkörper hochgeworfen, hatte sich gleichzeitig aber auch nach rückwärts geschnellt, sodass Sansnom über seinen Kopf hinwegrutschte.

Dann fuhr seine Faust hoch, traf den Fremden gegen den Hinterkopf. Und diese Faust war wie ein Hammer von Stein …

Sansnom brach bewusstlos zusammen.

Felsenherz hatte ihn im Augenblick mit seinem Lasso gefesselt. Dann setzte er seinen Hut wieder auf, hob den Besinnungslosen empor und trug ihn dorthin, wo er seinen Braunen zurückgelassen hatte.

In seinem Inneren empfand er keinerlei Groll gegen den rätselhaften Menschen. Er ahnte, dass dieser Mann mit den so seltsam traurigen Augen und dem von Falten zerrissenen Gesicht sehr Trübes im Leben durchgemacht haben müsse und dass hier ein dunkles Geheimnis vorlag, mit dem der Schwarze Panther vielleicht nur scheinbar verknüpft war.

Er legte den Goldgräber neben den Braunen in das Gras und schlich dann der Talwand wieder zu, um Sepp und den kleinen Ben, die inzwischen wohl bemerkt haben mussten, dass die Spur in jenem Seitental, welche der Häuptling hervorgerufen halte, sehr bald aufhörte, und die dann umgekehrt sehr würden, zu erwarten.

Als er den Kopf durch das Gestrüpp am Rand der Talwand schob, zog er ihn sofort wieder zurück und packte seine Büchse fester.

Dort unten, kaum dreißig Meter entfernt, hielt ein Trupp Apachen, und im Eingang zum Seitental stand der große Bär, der seinen Mustang am Zügel hatte und den Boden sorgfältig prüfte.

Felsenherz spähte durch das Gestrüpp nach Ben und Sepp aus. Er konnte von dieser Stelle das Seitental überschauen. Es war leer.

Diese Beobachtung beruhigte ihn.

Die Apachen, etwa dreißig Krieger, folgten nun langsam dem Häuptling, der wieder auf sein Pferd gestiegen war und dem Hintergrund des Seitentales zuritt.

Mit einem Male blitzte es in einem Gebüsch, das einen Abhang über jenem Seitental bedeckte, zweimal kurz hintereinander auf.

Der Mustang des großen Bären machte noch einen Satz und sank dann vorn in die Knie, kollerte leblos zur Seite. Die zweite Kugel hatte ein anderes Indianerpferd getroffen.

Und abermals fielen zwei Schüsse von jenem Abhang her, die wieder zwei Apachengäule niederwarfen.

Der Trupp drängte zurück. Der große Bär hatte sich rasch in Sicherheit gebracht, hielt sich am Sattel eines seiner Krieger fest und ließ sich so halb mit fortschleifen.

Die Apachen jagten bis in den Wald, verschwanden dort unter den Bäumen.

Felsenherz holte seinen Braunen, nahm den Gefangenen in die Arme und wollte gerade in das Tal hinabsteigen, um sich mit Ben und Sepp wieder zu vereinen, als aus dem Gesträuch lautlos ein Apache hervortrat.

»Der große Jäger mag seinen Tomahawk im Gürtel lassen«, flüsterte der Apache hastig, dessen linker Fuß einen dicken Verband trug. »Der große Jäger sieht den kleinen Bär vor sich, der nun wieder einen Namen hat. Ich wollte dich warnen. Der große Bär hat deine Spur erkannt. Deine Stiefelabdrücke sind für ihn wie das Feuerwasser, das den Zorn und den Hass leichter auflodern lässt. Er wird nicht eher ruhen, bis er dich in seiner Gewalt hat …«

Dann warf er einen langen Blick auf den Gefangenen und fügte hinzu: »Weshalb hat der große Jäger das Blassgesicht betäubt? Weiß er nicht, dass er ein Weib gefesselt hat?«

»Ein Weib?«, meinte Felsenherz ungläubig.

»Ja, es ist so«, antwortete der kleine Bär ernst. »In den Jicarilla-Bergen sagte ich vor fünf Monaten einen weiblichen Baribal (der schwarze Bär Nordamerikas, der nicht viel kleiner als der Grissly ist). Dabei traf ich mit dieser Frau zusammen, die mir Pulver und Blei schenkte. Nur zufällig bemerkte ich, dass es ein Weib war. Sie verließ dann nachts heimlich unser Lager, und ich habe sie seitdem nicht wiedergesehen. Der kleine Bär muss zurück zu seinen Kriegern. Der berühmte Jäger wird es schwer haben, seinen Skalp zu verteidigen.«

Lautlos, wie er gekommen war, tauchte er in den Büschen wieder unter.

Gleich darauf ritt Felsenherz, die bewusstlose Gefangene im Arm, durch das Seitental und erstieg dann den Abhang, wo er in den Büschen Ben und Sepp antraf.

Man beeilte sich, von hier wegzukommen. Ben, der diese Gegend gut kannte, übernahm die Führung.

Nach zehn Minuten hatte man durch eine Schlucht eine Hochebene erreicht, wo man auf die Fährte der Buschklepper und des Schwarzen Panthers stieß.

Die Gefangene war jetzt bei Bewusstsein. Felsenherz hatte ihr nur die Hände gefesselt gelassen und sie vor sich in den Sattel gesetzt. Er wollte ihr vorläufig nicht zeigen, dass er nun den Grund kannte, weshalb sie so völlig bartlos war und einen so schlanken Körper besaß. Er empfand Mitleid mit ihr. Er sagte sich, dass dieses Weib, das etwa vierzig Jahre alt sein mochte, Mitleid verdiene. Sie hatte ja von einer heiligen Pflicht und einem Schwur gesprochen, hatte das Gold wohl nur zu einem besonderen Zweck in den Jicarilla-Bergen aus dem Gestein in mühseliger Arbeit herausgewaschen.

Im Galopp ging es nun auf der Fährte der Buschklepper und des Comanchen weiter …

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  1. Sansnom = französich sans nom – ohne Namen