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Mit den Konquistadoren ins Goldland Teil 11

Gustav Dittmar
Mit den Konquistadoren ins Goldland
Eine Erzählung aus der Zeit der Welserzüge
Teil 11

Grüßend zogen sich die Hauptleute zurück.

Am nächsten Tage betrat die Truppe die ausgebrannte Indianerstadt. Enttäuschung spiegelte sich auf allen Gesichtern. Selbst Jakob Schmitzens Witze verfehlten heute ihre Wirkung. Die Reiter blickten trübsinnig auf die Aschehaufen am Wege, aus denen Rauch quoll und da und dort noch Flammen emporzüngelten. An dem Umfang der Trümmer war zu erkennen, dass hier ein paar Hundert, vielleicht ein paar Tausend Indianer gehaust hatten, wohl ein ganzer Stamm, der im fruchtbaren Tal ohne Mühe seinen Lebensunterhalt fand. Jetzt waren die Eingeborenen in alle Winde zerstoben, von Entsetzen gepackt vor den weißen Männern, deren Nahen sie wohl durch flüchtende Xideharas erfahren hatten. Vorher aber hatten sie ihr heimatliches Pueblo angezündet. Sie hatten ganze Arbeit getan, die Bewohner von Barquisimeto, um die gefürchteten und gehassten Fremdlinge aller Hilfsmittel zu berauben. Nicht nur die Hütten, auch alle Anpflanzungen von Mais, Kartoffeln, Hirse hatten sie vernichtet, alle Vorräte zerstört. Reiterstreifen, die Hohermut aussandte, fanden keine Spur von den Flüchtigen.

Missmutig wühlten die Soldaten in dem Brandschutt, in der Hoffnung, etwas Essbares zu finden oder wenigstens goldenes Gerät. Hatten nicht die Bewohner Barquisimetos vor fünf Jahren den Nikolaus Federmann fürstlich beschenkt? Wo hatten die Heiden, die Gott verdammen möge, den Schmuck, die Edelsteine verborgen?

Aus einer halbverbrannten Hütte zerrten ein paar Reiter ein altes Indianerweib hervor. Ihr Auge starrte irr. Sie sprach Worte vor sich hin, die niemand verstand, auch der Dolmetscher nicht. Sie klangen dumpf und drohend.

»Eine Hexe«, murmelten die deutschen Landsknechte und bekreuzigten sich. »Sie weiß, wo das Gold ist«, riefen einige. »Man muss ihr den bösen Geist austreiben, von dem sie besessen ist«, schrien ein paar Spanier.

Man holte den Pater Severinus und drang in ihn, dass er den Teufel austreibe, der die Indianerin plage. Dem guten Pater war nicht wohl zumute. Ein dunkles Gefühl sagte ihm, dass das arme Weib krank sei und der Herrgott sich seiner erbarmen werde auch ohne sein, des Paters, Zutun. Doch er wagte nicht, dem Drängen der Soldaten zu widerstehen.

»In nomine patris et filii et spiritus sancti!«, begann er zögernd.

Die Indianerin sah den Priester, der ihr das Kruzifix vorhielt, aus irren Augen verständnislos an. Dann brach sie plötzlich in ein gellendes Lachen aus. Es klang wie das Meckern eines Ziegenbocks.

Nun waren die Soldaten, Deutsche und Spanier, nicht mehr zu halten. »Sie muss brennen, die Hexe!«, brüllten sie.

Vergeblich versuchte Hans Hauser die Unglückliche zu retten. »Seht ihr denn nicht, dass sie eine Wahnsinnige ist?«

»Hört nicht auf ihn! Hört nicht auf den Ketzer!«, schrien die Landsknechte und drängten Hans zur Seite, der sich schützend vor die Unglückliche gestellt hatte.

Der Priester wagte nicht, sich den Wütenden zu widersetzen. Ein Scheiterhaufen war bald errichtet und die Indianerin an den Pfahl gebunden. Während die Flammen emporleckten, lag Pater Severinus auf den Knien und betete inbrünstig: »Gott, erbarme dich ihrer, Christi, erbarme dich ihrer!«

Plötzlich sprang Hauptmann Velasco vor. Sein Gesicht war von wilder Gier verzerrt. »Wo ist das Gold, verdammte indianische Hexe?«, schrie er in die Flammen.

Das Lachen der Gemarterten klang so grausig, dass selbst Velasco sich verfärbte. Sein gelbes Gesicht wurde ganz grau. Dann erstickte das Prasseln der Flammen das Ächzen der Sterbenden.

Am 16. Juni, an der Boca de los Llanos, da, wo der Rio Cojedes den südlichen Gebirgsrand durchbricht, um sich der Ebene zuzuwenden, traf man endlich mit dem Fußvolk zusammen.

Peñas Truppe war in keiner guten Verfassung. Mancher brave Landsknecht war dem Fieber und den Pfeilen der Indianer erlegen. Die Überlebenden sahen übel aus. Die Kleidung war zerrissen, die Waffen waren schartig. In jämmerlichem Zustand war das Schuhwerk. Viele gingen barfuß, andere hatten sich nach Indianerart Sandalen aus den Blattstielen der Mauritiuspalme gemacht. Bei manchen hatten sich Sandflöhe unter den Fußnägeln eingenistet und schlimme eiternde Wunden erzeugt. Aber in der Freude des Wiedersehens wurde das alles kaum beachtet.

Im Angesicht der unermesslichen Llanos hielt der Gubernator eine Truppenschau ab. Es war immer noch eine stattliche Schar, die vor dem Führer in Reih und Glied stand. Freilich, die Gesichter waren hager, gebräunt von der Sonne, ausgedörrt vom Fieber, und den Gäulen standen die Beckenknochen weit heraus. Aber in den Mienen, auf denen das Auge des Führers prüfend ruhte, lag wilde Entschlossenheit. Sie werden ihm nachjagen, unermüdlich, bis sie ihn fangen, den »Goldenen«, diese deutschen und spanischen Landsknechte, und müssten sie ihn aus den Klauen der Hölle holen.

An einem rasch errichteten Feldaltar las Pater Severinus die Messe. Alle sanken auf die Knie und beteten inbrünstig. Sie beteten um glückliche Heimkehr, um ein seliges Ende, sie beteten, dass Gott sie das Dorado finden lasse und Gold, Gold, viel Gold. Dann ließ Hohermut die letzten Schweine der aus Coro mitgenommenen Herde schlachten – viele Tiere waren auf dem Marsch an einer Seuche eingegangen -und einige Weinschläuche öffnen. Das reichliche Mahl und der feurige Wein hoben die Stimmung gewaltig. Die Deutschen sangen ihre geliebten Landsknechtslieder und umringten den Kölner Barbier, der wieder einmal seine Schnurren und Späße zum Besten gab. Die Spanier hörten nachdenklich einem jungen Offizier, dem Leutnant Cevallos, zu. Er sang mit schöner Stimme Romanzen aus seiner andalusischen Heimat.

Auf dem letzten in die Ebene vorgeschobenen Hügel aber standen die drei Freunde und blickten in die unermessliche Ferne. Ein überwältigendes Bild bot sich ihnen dar. Nach Westen verlor sich das Gebirge in bläulichem Dunst. Es sandte in die Llanos noch einige Ausläufer vor, wie vorgeschobene Festungswerke. Zu Füßen des gewaltigen Gebirges aber breitete sich majestätisch wie das Meer die Ebene. Unzählige Bäche und Flüsse, matt schimmernd wie Silberbänder, durchschnitt sie. In das hellere Grün des Grases schoben sich wie Zungen die dunkelgrünen Waldstreifen, die die Flussläufe begleiteten und sich da und dort zu größeren Waldflächen zusammenschlossen.

Blutrot versank am westlichen Horizont die Sonne. Von ihrem Schein waren die Wellen des Rio Cojedes gerötet, der in unzähligen Windungen in die Ebene hinausströmt und sich am Horizont im Dunst verliert. Schwärzliche Schatten stiegen auf. Rasch sank die Nacht herein. Über den Häuptern der Freunde spannte sich der Sternenhimmel. Tief am nördlichen Horizont grüßten die Sterne der Heimat. Im Süden, dort, wo das Dorado liegt, glänzte herrlich das Kreuz des Südens.

Am nächsten Tag begann der Marsch durch die Llanos. Langsam schoben sich Reiter, Fußvolk und lasttragende Indianer, ein schier endloser Zug, durch das mannshohe Gras. Prachtvolle Blüten leuchteten daraus hervor, viel reicher und üppiger als daheim in Deutschland die Wiesenblumen im Frühling. Aber die gewaltigen Grasebenen hatten nicht die Lieblichkeit deutscher Frühlingswiesen. Das wilde Durcheinander von frischem und welkem Gras und blattlosem Buschwerk gab der Landschaft eine stumpfe graugrüne Farbe von beklemmender Eintönigkeit.

Der Marsch war beschwerlich. Das Gras bildete keine zusammenhängende Fläche. Der Boden war bedeckt mit zahllosen einzelnen Grasflecken, zwischen denen überall die schwarze Erde sichtbar war. Die Pferde stolperten, der Fuß strauchelte. So drückend war die feuchte Hitze, dass man kaum atmen konnte.