Ausschreibung
Sternenlicht-Anthologie

Download-Tipp
Band 6

Heftroman der Woche

Archive
Folgt uns auch auf

Frederick Marryat – Die Sendung – Kapitel 13

Kapitän Frederick Marryat
Die Sendung
Umschlagzeichnung nach Originalentwürfen von Professor Honegger
Neue deutsche Ausgabe. Magdeburger Verlagsanstalt. 1915
Kapitel 13

Sobald die Pferde bereit waren, traten unsere Reisenden ihren Feldzug gegen die Gnus und Quaggas an, welche sich westlich von der Karawane gesammelt hatten. Bremen, Swanevelt und Omrah waren beritten, zehn Khoikhoi folgten mit ihren Gewehren zu Fuß und die Koranna schlossen sich gleichfalls der Partie an. Unter den Teilnehmern an der Jagd befanden sich auch der große Adam, welcher denen, die noch nie ein Gnu gesehen hatten, die Art und Weise auseinandersetzte, wie er sie zu töten pflegte.

Die Reiter verhielten sich ruhig, bis die Fußgänger der Herde wieder nahe gekommen waren. Nun fingen die Khoikhoi an zu feuern und trieben die Tiere unseren Reisenden in Schussweite. Drei von den Gnus fielen, während die übrigen weiter flüchteten. Aber als sie sich der Karawane näherten, stutzten sie abermals und wurden nun aufs Neue von den Jägern eingeschlossen.

Die Khoikhoi rückten vorsichtig vor und schlichen sich so nah wie möglich an die Tiere heran, deren Aufmerksamkeit auf die Reiter gerichtet war. Die Khoikhoi befanden sich fast in Schussweite, als Omrah, welcher das zweite Pferd des Majors ritt, an den Büchsenladestock ein totes Bandana-Schnupftuch, das er gewöhnlich um den Kopf trug, befestigte, sich rasch von den übrigen Reitern trennte und sein Tier zu der Stelle lenkte, wo der große Adam dahin schlich, um einen Schuss zu tun. Hinter seinem Feind aufgestellt, begann er nun das rote Tuch gegen die Tiere zu schwenken, denn er wusste wohl, dass ein Gnu ebenso reizbar aufgrund der roten Farbe ist wie ein Ochse. Sobald er daher sein Manöver begonnen hatte, trat eins der größten Männchen aus dem Haufen heraus, scharrte die Erde und bereitete sich zu einem Angriff vor. Der große Adam, welcher sich nicht träumen ließ, wie Omrah hinter ihm beschäftigt war, stand auf, um zu schießen. Aber wie er sich erhob, nahm das Gnu seinen Anlauf. Omrah hatte, sobald das Tier seinen Anlauf genommen, sich umgewandt und galoppierte davon. Der große Adam aber verlor, sobald er einen solchen Feind auf sich zustürzen sah, alle Geistesgegenwart, fehlte in seinem Schuss und ergriff die Flucht. Die Hörner des Gnus standen ihm schon ganz nahe, als der große Adam plötzlich zum Erstaunen aller Zuschauer verschwand und das Gnu über der Stelle, wo er unsichtbar geworden war, hinweg schoss.

»Was ist aus ihm geworden?«, fragte Alexander lachend.

»Ich weiß es nicht, glaube aber, dass er durch ein wahres Wunder gerettet worden ist«, versetzte der Major. »Er verschwand wie ein Geist durch eine Falltür.«

»Aber ich sehe seine Fersen«, sagte Swinton lachend. »Verlasst Euch darauf, er ist in ein Ameisenfresserloch gefallen. Die boshafte Schadenfreude dieses kleinen Knirpses hätte ihm leicht den Tod bringen können.«

»Er wollte ihn bloß zwingen, dass er sich wirklich als den sicheren Zieler erweise, für den er sich prahlerisch ausgibt«, versetzte der Major. »Doch halt einen Augenblick, ich will dieses schöne Tierlein niederstrecken, und dann können wir nach dem großen Adam sehen.«

Aber ehe der Major dem Gnu, welches noch immer in der Erde scharrte und sich nach seinem Gegner umsah, nahe genug rücken konnte, war Omrah, der das Tuch beseitigt hatte, mit des Majors Büchse herangekommen und hatte das Tier erlegt. Zu gleicher Zeit ließen die Khoikhoi eine Salve auf die Herde krachen, und drei weitere Tiere fielen, worauf die übrigen davon galoppierten, und bald nicht mehr zu sehen waren.

Sie ritten nun zu der Stelle hin, wo der große Adam verschwunden war, und fanden ihn, wie Swinton vermutet hatte, in einem tiefen Ameisenfresserloch, in welchem er kopfabwärts stak und kläglich um Hilfe schrie. Seine Füße sahen oben heraus, aber dies war alles. Die Khoikhoi halfen ihm aus dem Loch. Er fiel zu Boden und schien vor Schrecken und infolge seiner Köpflingslage ganz erschöpft zu fein. Auch ärgerte er sich sehr über das Gelächter, das gegen ihn erhoben wurde.

Da die Pferde durch die Jagd sehr erschöpft worden waren, so beschlossen unsere Reisenden zur Karawane zurückzukehren, um ihre Tiere nicht für den künftigen Dienst unbrauchbar zu machen. Ihr Mittag- und Nachtessen bestand aus dem Fleisch der Gnus, welches großen Beifall erhielt.

Als das Souper vorüber war, sagte Alexander: »Nun, Swinton, wenn Ihr Lust habt, so sind wir beide, der Major und ich mit Freuden bereit, Eure Geschichte der Mäntetie anzuhören.«

»Recht gerne«, versetzte Swinton. »Die Anzahl von Stämmen, die unter dem Namen Mäntetie oder Eindringlingen bekannt ist, wohnte den besten Autoritäten zufolge in den Landstrichen westlich vom Zulu-Gebiet und in gleicher Breite mit der Delagoa Bay. Da sie insgesamt fast bloß von dem Fleisch und der Milch ihres Viehes leben, müssen sie, wenn sie desselben beraubt und dadurch zur Verzweiflung getrieben werden, entweder sich selbst aufs Plündern legen oder Hunger sterben. Dies war bei den Mäntetie der Fall. Außerstande, den Angriffen der Zulu Widerstand zu leisten, wurden sie aus ihrem Land vertrieben und vereinigten ihre Streitkräfte mit anderen, welche das gleiche Schicksal getroffen hatte.

Dies war der Ursprung der Mäntetie, welche, obschon sie nicht Mut genug hatten, die Angriffe der Zulu zurückzuweisen, durch Hunger und Verzweiflung in ihren Einfällen auf andere Gebiete zu den außerordentlichsten Kraftäußerungen angespornt wurden.

Sie bildeten, nachdem sie sich gesammelt hatten, mit ihren Frauen und Kindern eine ungeheure Masse. Da sie außerstande waren, sich den nötigen Unterhalt zu beschaffen, so veränderte sich ihre Lebensweise dermaßen, dass sie zuletzt Kannibalen wurden und die Leichen ihrer Feinde oder das Fleisch ihrer im Kampf gefallenen Kameraden verzehrten.

Die Betschuanastämme oder die Xhosa im Inneren wurden zuerst angegriffen, ihre Städte geplündert und verbrannt, ihre Viehherden weggeführt und verzehrt. Dann fielen die Mäntetie auf die Wenkiet, einen der Demara-Stämme, welche, nördlich von dem Nemagua-Land, an der Ostküste wohnen. Aber die Wenkiet waren ein tapferes Volk und auf den Einfall gefasst, sodass die Mäntetie unter großem Gemetzel zurückgeschlagen wurden. Über ihre Niederlage erstaunt, wandten sie sich nach dem Süden und fielen in das Betschuanaland ein.

Mittlerweile hatten unsere Missionare sich in dem Koranna-Land niedergelassen, und als das Vorrücken der Mäntetie ruchbar wurde, gerieten die Betschuana in große Bestürzung, denn obgleich sie schöner Aussehen als die östlichen Xhosa, sind sie doch keineswegs so tapfer und kriegerisch.

Da das Vorrücken dieses Volkes sowohl die Mission zerstört als auch den bedrohten Stamm vernichtet haben würde, so beschloss der Missionar Mr. M., die bereits erwähnten Griqua, die nicht nur Pferde hatten, sondern auch wohl bewaffnet waren, um Beistand anzugehen. Die Griqua kamen unter ihrem Häuptling Waterboer und zogen gegen den Feind. Ihnen schloss sich ein großes Heer Betschuana an, welche, durch die Anwesenheit der Griqua ermutigt, gleichfalls ins Feld rückten.

Die Mäntetie hatten aber bereits die Betschuanastadt Liteku, welche 16.000 Einwohner enthielt, in Besitz genommen.

Ich will nun, so gut ich mich noch erinnern kann, den Bericht des Missionars zu Kuruman, Mr. M., geben, der die Griqua begleitet hatte, um womöglich ein gütliches Abfinden mit den Eindringlingen zu erwirken.

Er erzählte mir, als er mit einem kleinen Häuflein dem Griquaheer vorausgezogen sei, um diesen Zweck zu erreichen, habe er Scharen des Feindes gesehen, welche zu den Lagunen kamen, um zu trinken, aber dort niedersanken und vor Hunger starben. Als sie sich dem Haupthaufen des gegnerischen Heeres näherten, fanden sie, dass das geraubte Vieh im Zentrum einer ungeheuren Menschenmasse eingeschossen war. Sie versuchten zu parlamentieren, aber der Feind schleuderte in der wildesten Wut seine Speere nach ihnen, sodass sie sich zum Rückzug genötigt sahen, ohne dass sie hoffen konnten, einen Vergleich zu erzielen.

Am nächsten Tage sollten die Griqua vorrücken. Sie bestanden aus ungefähr hundert wohlberittenen und wohlbewaffneten Kriegern. Der Feind stürzte mit schrecklichem Geheul auf sie zu und schleuderte seine Wurfspieße und Keulen auf sie. Das schwarze, garstige Aussehen der Mäntetie, ihre wilde Wut und ihre heiseren, lauten Stimmen übten einen seltsamen Eindruck. Die Griqua zogen sich weislich zurück, um nicht umringt zu werden.

Endlich wurde der Beschluss gefasst, dass die Griqua Feuer geben sollten. Man hoffte, die Mäntetie , welche noch nie Zeuge von der Wirkung der

Feuerwaffen gewesen waren, würden dadurch eingeschüchtert, und es könne auf diese Weife weiteres Blutvergießen verhindert werden. Viele der Feinde blieben; aber obschon die überlebenden mit Staunen auf ihre Toten blickten und die verwundeten Krieger sich im Staub wälzten, stürzten sie doch mit löwengleicher Wut auf die Reiter los und rissen die Waffen aus den Händen ihrer sterbenden Kameraden, um diejenigen zu ersetzen, welche sie bereits auf ihre Gegner geschleudert hatten.

Da diejenigen, welche aus dem Hauptheer hervorgetreten waren, um die Griqua anzugreifen, die Häuptlinge der Mäntetie waren und einer nach dem anderen stürzte, so wurde das übrige Heer mutlos.

Nachdem die Griqua in dieser Weise den Kampf begonnen hatten, rückte die Betschuanaarmee nach und unterstützte die Reiter mit ihren vergifteten Pfeilen, die sie gegen die Feinde entsandten. Aber nun brach ein kleiner Haufen der mutigsten Mäntetie-Krieger heraus und schlug das gesamte Heer der Betschuana in die Flucht.

Der Kampf hatte dreieinhalb Stunden gedauert, als die Griqua finden mussten, dass ihre Munition zur Neige ging, weshalb sie sich vornahmen, auf jede Gefahr hin die ganze Macht des Feindes anzugreifen. Dies geschah, und die Mäntetie flüchteten gen Westen. Sie wurden aber von den Griqua eingeholt, und es begann ein abermaliger Angriff, der das wildeste Handgemenge zur Folge hatte.

Mr. M. sagte, die Szene, die sich nun darbot, sei fürchterlich und der Zustand der Spannung im höchsten Grade peinlich gewesen. Das wellenförmige Land war nach allen Richtungen hin mit Kriegern bedeckt -Griqua, Mäntetie und Betschuana, alles in Bewegung, sodass es unmöglich war, zu sagen, wer die Freunde und wer die Feinde waren. Staubwolken umhüllten die ungeheuren Massen, die da sich flüchteten, dort den Feind verfolgten. In ihr Zetergeschrei mischten sich das Brüllen der Ochsen, der Kriegsruf der noch unbesiegten Streiter, das Stöhnen der Sterbenden und das Wehgeheul von Frauen und Kindern. Endlich zog sich der Feind zur Stadt zurück, die nun, um die Schrecken der Szene zu erhöhen, in Flammen gesetzt wurde.

Dann folgte ein abermaliger verzweifelter Kampf. Die Mäntetie versuchten die Griqua in die brennende Stadt einzuschließen, ergriffen aber, da ihnen dies nicht gelang, in größter Verwirrung die Flucht. Es ist eine seltsame Tatsache, dass die Mäntetie-Streitkräfte in zwei Heerhaufen geteilt waren. Während die Griqua mit dem einen stritten, blieb der andere in der Stadt, denn der Letztere setzte so großes Vertrauen in den Ersteren, dass er ihm nicht zu Hilfe kam.

Nachdem die Stadt in Brand gesteckt war, vereinigten sich beide Abteilungen und zogen sich, nicht weniger als vierzigtausend Streiter stark, nach Norden zurück. Aber mit dem Rückzug der Mäntetie begannen auch die Betschuana das Werk des Gemetzels. Frauen und Kinder wurden ohne Erbarmen abgeschlachtet. Was übrigens die verwundeten Mäntetie betraf, so schien es, als ob nichts sie zur Ergebung zwingen konnte. Es kam oft vor, dass ein einziges Individuum von fünfzig Betschuana umringt war und so lange fortfocht, wie noch Leben in ihm war.

Mr. M. sagt, er habe mehr als einmal mit angesehen, wie ein Mäntetie, der schon zehn oder zwölf Pfeile und Speere in seinem Leib stecken hatte, sich wild gegen ganze Scharen wehrte. Männer, die mit dem Tod rangen, rafften sich vom Boden auf und schleuderten noch ihre Waffen, ehe sie tot zusammenbrachen, denn ihr kriegerischer, feindseliger Geist erlosch erst mit dem Leben.«

»Und doch ließ sich dasselbe Volk sein eigenes Land von den Zulu entreißen?«

»Ja, aber durch Mangel und Not waren sie in verzweifelte Krieger umgewandelt worden.«

»Es nimmt mich Wunder, dass sie nie daran dachten, ihr eigenes Land wieder zu erobern, da sie den Zulu doch gewiss gewachsen sein mussten. Ist dies das Ende Ihrer Geschichte, Swinton?«

»Nicht ganz. Aber vielleicht seid Ihr müde.«

»O nein, ich bitte, fahrt fort.«

»Die Mäntetie, obgleich von den Griqua geschlagen, ermutigten sich bald wieder, und es verbreitete sich die Nachricht, dass sie im Begriff wären, nach Kuruman herunter zu kommen, wo die Missionare ihre Station hatten. Sobald sie nämlich in Erfahrung brachten, die Griqua seien nach Hause gezogen, fassten sie den Entschluss, sich an den Betschuana zu rächen, welche sie nur wie den Staub unter ihren Füßen betrachteten.

Auf diese Nachricht hin schrieb Mr. M. an Waterboer, den Häuptling der Griqua, und bat ihn, er möchte unverweilt wieder zurückkehren. Dieser aber erwiderte, ein großer Haufen von Mäntetie bedrohe von dem Baal oder gelben Fluss her die Griqua mit einem Angriff, weshalb sie bleiben müssten, um Ihr Eigentum zu verteidigen. Mr. M. solle übrigens mit seiner Familie zu der Griqua-Stadt kommen und sich unter ihren Schutz begeben.

Da die Missionare unter solchen Umständen nicht länger bleiben konnten, so wurden die Posten verlassen, und sie flüchteten mit ihren Frauen und Familien zur Griqua-Stadt, wo sie übrigens noch nicht lange eingetroffen waren, als sich schon die Kunde verbreitete, dass die beiden Mäntetiehaufen ihre Route geändert hätten. Der eine Teil zog nach Osten und in das Land, aus dem sie von den Zulu vertrieben worden waren. Der andere aber nahm, wie es scheint, Besitz von dem Strich in der Nähe der Quellen des Orange-Flusses, wo sie viele Jahre einen Plünderungskrieg gegen die Stämme dieses Distrikts führten. Endlich vermischte sich ein Teil derselben mit den Bewohnern des Striches, der nun den Namen »neues Mäntetie-Land« führt. Die übrigen machten einen Einfall in das Gebiet der östlichen Xhosa, unter denen sie als die Ficani bekannt waren.«

»Und was wurde aus ihnen?«

»Sie erschlugen einige Xhosahäuptlinge, und die Xhosa boten nunmehr den Beistand der englischen Kolonisten auf, welche ihrem Gesuch Gehör schenkten und eine starke bewaffnete Macht gegen die Eindringlinge marschieren ließ. Man fand sie angesiedelt, denn sie hatten eine Stadt in der Nähe der Quellen des Umtata-Flusses gebaut. Die Xhosa schlossen sich mit all ihren Streitkräften den englischen Truppen an, und die Ficani wurden überrascht. Es fand ein schreckliches Blutbad statt. Musketen, Artillerie und kongrevische Raketen übten ihr zerstörendes Werk an den unglücklichen Elenden, die von allen Seiten durch die Xhosa eingeschlossen waren. Und so wurden die Ficani ausgerottet, denn die Xhosa schonten weder Mann noch Frau oder Kind. Dies ist die Geschichte der Mäntetie . Ihr Untergang war schrecklich, aber vielleicht unvermeidlich.«

»In Eurer Erzählung ist mir etwas aufgefallen, Swinton«, bemerkte der Major, »was Ihr nur leichthin berührtet; ich meine die Lage der Missionare während dieser Schreckenszene, die gewiss höchst peinlich gewesen sein muss.«

»Gewiss.«

»Und dennoch habe ich viele Einwendungen gegen sie nicht nur gelesen, sondern auch gehört. Von manchen Seiten her sucht man den Beiträgen, welche zu ihrer Unterstützung gesammelt werden, Abtrag zu tun.«

»Es unterliegt keinem Zweifel, dass die Missionare, welche unter den Wilden des Innern arbeiten, häufig, wo nicht meistenteils Leute von sehr beschränkter Erziehung sind, denn viele davon waren ursprünglich für ein Handwerk bestimmt. Aber es fragt sich sehr, ob Leute von höherer Bildung besser geeignet sein würden, das Fassungsvermögen einsichtsloser Barbaren anzusprechen. Ein hochgebildeter Mann wird allerdings seine Würdigung unter denen, die selbst gebildet sind, finden, aber wird wohl unter den Wilden derselbe Fall statthaben? Im Gegenteil – dieser blickt mit weit mehr Achtung auf einen Mann, der in Eisen arbeiten, seine Waffen ausbessern und durch das sinnreiche Werk seiner Hände sein Erstaunen erregen kann. Nur unter solchen Umständen bemerkt der Wilde die Überlegenheit des Missionars und schenkt ihr Anerkennung. An dem Studierten würde er sie nie entdecken.«

»Zuverlässig«, erwiderte Swinton. »Die Eingeborenen halten uns für eine überlegene Rasse, und wenn sie unsere Gottesverehrung sehen, so sind sie leicht auf den Gedanken zu bringen, das, was sie uns tun sehen, müsse auch recht sein. Sie nehmen vielleicht Anlass daraus, sich zu erkundigen, treffen auf die geeignete Belehrung und lassen sich zuletzt unter die Jünger unseres Erlösers aufnehmen. Es ist übrigens nicht in Abrede zu ziehen, dass hin und wieder Personen zu Missionaren gewählt wurden, die eines solchen Amtes unwürdig waren – doch wo ließe sich dies vermeiden, wo die Wirksamkeit des Menschen in Anwendung kommen muss? Immerhin liefern derartige Ausnahmen ebenso wenig einen Gegenbeweis gegen die allgemeine Achtbarkeit und den Nutzen der Missionare überhaupt, als die Aufnahme des Verräters Judas unter die Apostel der Verbreitung des Christentums Abtrag tun konnte. Von den Früchten ihres Wirkens und ihres Eifers kann ich, da ich die Stationen besucht habe, getrost das beste Zeugnis ablegen, wie denn überhaupt ihr musterhafter Mut, ihre Geduld und ihre Beharrlichkeit alle Bewunderung verdienen.

Man findet diese aufopferungsvollen Männer in den entlegensten Einöden; sie begleiten die unsteten Wilden von Platz zu Platz, unterwerfen sich bereitwillig den Beschwerden des Hungers und des Durstes, entbehren fast jeder Bequemlichkeit und können mitunter nicht einmal über die nötigsten Lebensbedürfnisse verfügen. Manche haben ohne Murren ihr ganzes Leben in einem derartigen Dienst verbracht, und doch erklären Leute, die nie ihren heimischen Herd verlassen haben, ihren Eifer als Fanatismus und behaupten, das für ihre Ausstattung beigetragene Geld sei weggeworfen. Zum Glück erwarten diese Gottesmänner ihren Lohn nicht von dieser Welt, sondern bauen ihre Hoffnungen auf die künftige.«

»Dass diejenigen, welche sich die Missionsstationen zunutze machten, gesitteter und viel verständiger werden als ihre Landsleute, ist bewiesen«, bemerkte der Major. »Aber habt Ihr schon Beweise gesehen, dass das Christentum unter den Eingeborenen besondere Früchte getragen hätte? Ich meine, ob sich Fälle aufbringen lassen, die auch diejenigen überzeugen müssten, welche sich bisher in der Sache lau oder gar feindselig gezeigt haben.«

»O ja, und namentlich gehört hierher die Geschichte Afrikaners«, entgegnete Swinton. »Es gibt zwar noch andere Belege, aber der, den ich meine, ist der augenfälligste.«

»Da müssen wir Euch schon wieder in Anspruch nehmen, Swinton. Erzählt uns Afrikaners Geschichte.«

»Mit Vergnügen; Ihr könnt sodann von ihr Gebrauch machen, wenn es gilt, den Missionen das Wort zu reden. Afrikaner war ein Häuptling und ein Abkömmling von Häuptlingen der Khoikhoi-Nation, welche vordem im Bereich von etwa zwanzig Meilen um die Kapstadt ihre Herden auf ihren eigenen heimischen Bergen weideten. Als sich die holländischen Kolonisten am Kap vermehrten, beraubten sie auch, wie Mr. Fairburn Alexander erzählt hat, die Khoikhoi ihrer Ländereien, und diese, welche nicht imstande waren, den Eindringlingen Widerstand zu leisten, wurden mehr und mehr aus den Besitzungen ihrer Väter verdrängt.

Afrikaner sah seinen Stamm durch die Grausamkeit seines Lehnsherrn mit jedem Tag mehr zusammenschmelzen und beschloss deshalb endlich, sich nicht länger zu unterwerfen. Da die Buschmänner unaufhörlich das Vieh des Boers zu rauben suchten, so waren Afrikaner und seine Leute nicht nur gut an den Gebrauch der Feuerwaffen gewöhnt, sondern befanden sich auch stets im Besitz derselben. Der Holländer, welcher sich vorstellte, dass eine Verschwörung im Werke sei, beschloss, einen Teil von Afrikaners Leuten nach einem entlegenen Ort zu schicken, wo er sie einzusperren und durch ihre Vernichtung die Macht des Stammes zu schwächen gedachte.

Da er eine Art obrigkeitlichen Postens begleitete, so war er auch imstande, diesem Entschluss Nachdruck zu geben. Aber Afrikaner, der Verdacht schöpfte, nahm sich vor, den Anschlag zu vereitele. Befehl um Befehl erging zu den Hütten Afrikaners und seiner Leute, aber sie verweigerten entschieden den Gehorsam, verlangten Bezahlung für ihre langen Dienste und wollten entlassen werden, um sich weiter nach dem Innern zurückzuziehen. Die Antwort war eine entschiedene Weigerung, und sie erhielten die Weisung, in dem Haus des Boers zu erscheinen. Zwar Gewalt befürchtend, aber doch daran gewöhnt, den Befehlen zu gehorchen, ging Afrikaner mit seinen Brüdern hinauf, aber einer der Letzteren verbarg sein Gewehr unter dem Mantel. Als sie anlangten, kam der Boer heraus und schlug Afrikaner zu Boden. Nun zog sein Bruder das Gewehr hervor und schoss den Holländer auf der Stelle nieder. Der Elende hatte in dieser Weise die gerechte Belohnung für seine Schändlichkeiten und Bluttaten erhalten.

Die Frau Boers, welche die Ermordung ihres Gatten mit angesehen hatte, schrie und flehte um Gnade. Man bedeutete ihr, sie brauche nicht unruhig zu sein, forderte sie aber auf, sämtliche Gewehre und Munition im Haus auszuliefern, was denn auch augenblicklich geschah. Afrikaner eilte sodann zu seinen Leuten zurück, sammelte sie mit all seinem Vieh und den Gerätschaften, welche sie mit sich nehmen konnten, und wandten sich nach dem Orange-Fluss.

Er war bald aus dem Bereiche seiner Verfolger, denn in einem Distrikt mit so zerstreuter Bevölkerung war Zeit erforderlich, um eine zureichende Streitmacht zu sammeln. Afrikaner schlug seinen Wohnplatz an den Ufern des Orange-Flusses auf. Da später ein Häuptling im großen Namaqualand sein Gebiet an ihn abtrat, so fiel es sowohl auf dem Weg des Rechts als auch durch Eroberung ihm zu. Doch wir wollen jetzt abbrechen. Es wird spät und wir müssen zu Bett gehen, wenn wir morgen zeitig aufbrechen wollen.«

»Wir wollen Erbarmen mit Euch haben, Swinton, und unsere Ungeduld verschieben«, sagte der Major. »Gute Nacht, und möge Euch keine Löwenserenade aus dem Schlummer wecken.«

»Wir wollen nicht hoffen. Die Musik ist zu laut, um angenehm zu sein. Gute Nacht.«