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John Tanner – Das Leben eines Jägers 29

John Tanner
Das Leben eines Jägers
oder
John Tanners Denkwürdigkeiten über seinen 30-jährigen Aufenthalt unter den Indianern Nordamerikas
Erstmals erschienen 1830 in New York, übersetzt von Dr. Karl Andree

Neunundzwanzigstes Kapitel

Am Abend nach diesem Vorfall gingen die Häuptlinge im Lager umher und sprachen mit den Kriegern. Das Wesentlichste, was sie sagten, lautete, dass es, statt hier untereinander Zank und Metzeleien anzufangen, viel besser sei, wenn wir uns gleich am nächsten Morgen gegen die Sioux in Bewegung setzten. Also wurde das Lager aufgehoben, aber freilich schmolz nun auch unsere Anzahl wie im Nu auf die Hälfte zusammen. Der Herbst (Blätterfall) war bereits sehr weit vorgerückt, und zwei Tagesreisen vom Turtle Mountain überfiel uns nebst strenger Kälte ein heftiges Unwetter. Es regnete und schneite furchtbar. Zwei Pferde gingen verloren, und viele Menschen schwebten in Gefahr. Indessen trugen die meisten Chippewa auf ihrem Rücken eine Puk-kwi aus Baumrinde, und diese war so groß, dass sie drei Menschen decken konnte. Sie alle beeilten sich daher, den übrigen Kriegern zu Hilfe zu kommen, und so wurde beinahe die ganze Mannschaft geschützt.

Als dieses furchtbare Wetter vorüber war, hörte ich, dass Ba-gis-kun-nung mich wegen des Pferdes, welches ich ihm genommen hatte, aufsuchte.

»Sehr wohl«, sagte ich, »so viel ich weiß, hat er gegenwärtig noch zwei Pferde. Wenn er mich nur im Geringsten des Gaules wegen belästigt, so werde ich ihm noch einen wegführen.«

Um Mittag etwa kam er an. Aber Wa-ge-to-te, Ke-me-wun-nis-kung und mehrere andere mir befreundete Männer hielten sich bereit, ihn zurückzuhalten, sobald er es sich einfallen ließe, eine Gewalttätigkeit zu verüben. Er trat zu mir heran, als ich Fleisch am Feuer zu braten im Begriff war, stand zwei volle Stunden neben mir und sah mich, ohne dass ein Wort über seine Lippen gekommen wäre, mit finsterem Blick an. Dann ging er wieder, wie er gekommen war.

Am anderen Tage rissen zweihundert Assiniboine aus und wurden von den Zurückbleibenden während ihres Abzuges verhöhnt. Diese Beleidigungen schienen indes ihren Entschluss nicht im Geringsten wankend zu machen. Jeden Tag liefen kleinere Gruppen davon, und die Häuptlinge stellten, um diesen Unfug zu steuern, fünfzig der entschlossensten jungen Krieger als Nachhut auf. Durch diese Maßregel war aber auch nichts gebessert worden.

Als wir dem Dorf, welches angegriffen werden sollte, bis auf zwei Tagesreisen nahe gekommen waren, hatten wir nur noch etwa vierhundert Mann beisammen. Am anderen Morgen entschlossen sich sehr wenige, dem Matsch-a-to-ge-wub zu folgen. Er brach um die gewöhnliche Stunde auf und schritt allein voran. Als er aber etwa eine Meile weit gegangen war und sah, dass niemand ihm folgte, setzte er sich auf der Prärie nieder. Von Zeit zu Zeit vereinigten sich ein Paar Krieger mit ihm. Aber auf einen, der zu ihm ging, kamen zwanzig, welche ausrissen. Ich war mit meinem jungen Schwager allein im Lager geblieben, um zu sehen, wie das Ganze ablaufen würde. Als es sich nun ergab, dass von vierhundert Mann nur zwanzig ihrem Anführer folgen wollten, beschlossen wir, mit diesen Letzteren gemeinschaftliche Sache zu machen. Als wir kaum einige Schritte vorwärtsgegangen waren, steckte einer von den Assiniboine, welche sich auf dem Rückzug befanden, die Prärie in Brand. Dieser Umstand bewog uns alle, den Häuptling nebst zwei Männern abgerechnet, zurückzuweichen. Der im Stich gelassene Anführer drang bis zum Dorf der Sioux vor und durchstreifte die Gegend in der Nähe desselben. Als er aber endlich entdeckt worden war, floh auch er davon, ohne etwas gegen den Feind unternommen zu haben. Die Sioux folgten unseren Spuren, drangen so weit vor, dass wir sie sehen konnten, beunruhigten uns aber nicht. Wir langten wohlbehalten wieder bei unseren Familien an. Solchen Ausgang hatte dieser Kriegszug, zu welchem so große Vorkehrungen getroffen worden waren, und von dem man so wichtige Ergebnisse hoffte. Auf dem Rückzug nahm Ke-me-wun-nis-kung dem Assiniboine, welcher die Prärie in Brand gesteckt hatte, sein Pferd weg und schlug diesen Mann, der keinen Widerstand zu leisten wagte.

Als wir in Pembina ankamen, überließen sich die Krieger, wie sie es gewöhnlich zu tun pflegen, wenn sie von einem Zug heimkommen, dem Trunk und begingen Ausschweifungen aller Art. Ich nahm daran teil, hielt mich indessen ziemlich gut. Ich war ein wenig angetrunken, da hörte ich, wie ein Indianer sich lustig darüber machte, dass Wa-me-gon-a-biew mir mein Gewehr zerbrochen hatte. Mein Messer hatte ich gerade einem anderen geborgt, allein vor dem Feuer steckte ein zugespitzter Stab, der als Bratspieß gedient hatte. Den ergriff ich und eilte dann nach Wa-me-gon-a-biews Hütte. Sein Pferd stand vor der Tür. Ich rammte demselben meinen Bratspieß in die Seite und erzählte dabei mit lauter Stimme, was Wa-me-gon-a-biew gesagt hatte, als er mein Gewehr zerbrach. Das Pferd sank auf der Stelle um, starb indessen erst am anderen Tag.

Ich musste mit fünf anderen Kriegern zum Wälder-See zurückgehen. Scha-gwaw-ko-sink, der angesehenste Mann unserer kleinen Gruppe, wurde furchtsam und besorgt und floh bei Nacht in einem Kanu davon. Ich wollte weder so schnell wie er, noch am frühen Morgen abreisen, damit Wa-me-gon-a-biew nicht glauben sollte, ich hätte Furcht vor ihm. Deshalb ging ich so lange vor seiner Hütte auf und ab, bis er und Net-no-kwa mich gesehen hatten. Ich gab in ihrer Gegenwart allen meinen Freunden einen Handschlag und ging darauf bei hellem Tage fort, um zu Scha-gwaw-ko-sink zu stoßen, der mich in den Wäldern erwartete. Wa-me-gon-a-biew führte keine Klage über den Verlust seines Pferdes. Ja, es ist wahrscheinlich, dass er sehr damit zufrieden war, denn ein Indianer erwartet immer Böses für Böses. Das liegt einmal in den Sitten der Wilden. Und ein Mann, der nicht Rache nehmen kann, wird unter ihnen sehr gering geachtet.

Am Muskeeg (Morast-) Trageplatz überraschte uns Schnee und Frost. Die Bäume brachen unter der Last des Reifes. Aber das Wasser in den Sümpfen war noch nicht so stark gefroren, dass es uns hätte tragen können. Und doch konnten auch unsere Kanus noch nicht hindurch, ja wir vermochten, trotz aller Kraftanstrengung, sie nicht einmal fortzubewegen. Wir waren hungrig und ermüdet, und hatten uns eben niedergesetzt, um zu beratschlagen, was nun wohl zu beginnen sei. Da sahen wir vom Wälder-See her Indianerinnen kommen, die ihre leichten Kanus über Wasser, Eis und Schnee wegzogen. Die Nässe reichte ihnen bis an die Knie. Es waren meine Schwiegermutter, meine Frau und jene des Scha-gwaw-ko-sink und Ba-po-waschs.

Die drei anderen Männer setzten ihre Reise zum See fort, an welchem ihre Familien zurückgeblieben waren. Unsere Frauen lachten sehr auf unsere Kosten und sagten, sie hätten uns eher für alte Frauen als für Männer, die von einem Kriegszug zurückkehren, gehalten, als sie uns vor Frost zitternd in den Kanus hätten sitzen sehen. Wir wären nicht einmal imstande gewesen, dieselben aus der Stelle zu schaffen und lediglich deshalb, weil wir uns vor etwas Schnee- und Eis gefürchtet hatten. Sie brachten uns Getreide, Störe und andere Lebensmittel, und wir kehrten mit ihnen zu unserem letzten Lagerplatz zurück. Nachdem dort einige Tage Rast gehalten war, gingen wir zum Red River, um dort den Winter zuzubringen.

Damals lag kein Schnee auf der Erde, aber das Wetter war sehr kalt, und der Boden so tief gefroren, dass gar kein Stück Wild zu schießen war. Ich ging tagtäglich auf die Jagd, aber immer vergebens, und wir waren zuletzt furchtbar ausgehungert. Endlich traf ich ein Moosetier. Ich kam ihm bis auf Schussweite nahe. Da sprang mein bester Hund, den ich vorsätzlich in der Hütte zurückgelassen hatte, auf mich zu und verscheuchte das Tier. Ich kehrte zu den meinen zurück, lockte den Hund an die Tür und sagte ihm, es sei seine Schuld, dass die Kinder nichts zu essen hätten. Darauf tötete ich ihn und er wurde verzehrt.

Da auch andere Familien dieselbe Not litten, so baten mich die Indianer, eine Jagdmedizin zu machen. Ich sagte also zu Me-zhick-ko-naum, er solle hingehen und meine Trommel holen; wies auch, ehe ich das Werk anfing, alle Mitglieder meiner Familie an, solche Stellungen einzunehmen, in welchen sie die halbe Nacht hindurch aushalten könnten, denn ehe ich fertig war, durften sie keinerlei Bewegung machen. Ich habe stets das Bewusstsein und die Überzeugung gehabt, dass ich von einem höheren, unsichtbaren Wesen völlig und durchaus abhängig war. Nie aber fühlte ich das stärker, als in Klagen der Not und Gefahr. Ich begann also mit Inbrunst zu beten, denn ich war sicher, dass meine Bitten an ein Wesen gelangten, welches mich gern erhörte. Ich bat es, seine Augen mitleidig auf die Leiden meiner Familie herabzulenken und Erbarmen mit ihr zu haben. Am anderen Morgen tötete ich ein Moosetier, und bald danach waren wir, da der Schnee in dichten Flocken fiel, von aller Furcht vor Hungersnot erlöst.

Aber Überfluss herrschte deshalb noch nicht in unseren Hütten. Einst kam ich, im Jagen begriffen, einem Bären auf die Spur. Meine Hunde verfolgten ihn drei Tage lang, und ich schritt unablässig hinter ihnen her. Sie hatten ihn aber noch nicht eingeholt. Meine Mokassins und Beinschienen waren durchaus zerrissen, und ich sah mich dem Hungertod nahe. Da musste ich umkehren und brachte nur acht Fasane zur Hütte. Damals trennten sich Me-zhick-ko-naum, Ba-po-wasch und die übrigen Indianer von mir, sodass ich allein in jenem Bezirk blieb und genug Wild antraf, um meine Familie ernähren zu können. Am Anfang des Frühlings stießen meine Freunde wieder zu mir, und wir kehrten miteinander in unser Dorf am Wälder-See zurück.

Zu Me-nau-zhe-tan-nung harrten meiner schwere Unglücksfälle. Ich habe früher vergessen, ein nicht unwichtiges Ereignis mitzuteilen, das aber in weit frühere Zeit fällt, als in die, von welcher ich jetzt rede. Es geschah nämlich bald nach dem Tod meines Freundes Pe-schau-ba. Ich befand mich damals bei unseren Getreidefeldern an der Morte Rivière, als ein Chippewa vom Red Lake, während ich abwesend war, in meine Hütte trat und einen meiner Söhne, einen Knaben von etwa sechs Jahren, entführte. Der Mann hieß Gi-ah-ge-wa-go-mo. Als ich zurückkam, sagte mir meine Frau, was vorgefallen war. Ich lief sogleich nach, und fand ihn etwa eine Tagesreise weit entfernt. Ohne um seine Einwilligung zu fragen, nahm ich eins seiner Pferde, um meinen Sohn zurückzubringen, riet ihm auch, künftig dergleichen bleiben zu lassen, sonst würde es ihm übel ergehen.

Als vier Monate später Schnee die Erde deckte, und ich eines Tages von der Jagd heimkam, sagte mir meine Frau, Gi-ah-ge-wa-go-mo sei wieder da gewesen und habe den Jungen zum zweiten Mal mitgenommen. Da wurde ich sehr böse und bestieg, nachdem ich von den Leuten in meiner Hütte erfahren hatte, was für ein Pferd er ritt, meinen besten Gaul, und eilte ihm nach. Das Lager der Chippewa war aufgehoben worden. Ich folgte indessen ihrer Spur und erreichte sie bald. Da sah ich, dass der Räuber meines Sohnes und Na-na-busch eine Strecke weit hinter den anderen zurück waren, und sich in einem Gebüsch versteckt hielten, um zu sehen, was ich tun würde. Ehe ich in Schussweite war, rief ich sie mit lauter Stimme an, um ihnen anzudeuten, dass sie von mir gesehen würden. Ich lud mein Gewehr, hielt mich jeden Augenblick schussfertig und ging an ihnen vorüber. Mein Knabe befand sich mitten unter der Gruppe. Ohne vom Pferde zu steigen, hob ich ihn von der Erde empor und setzte ihn vor mir hin. Darauf wendete ich und ritt gerade auf die beiden Indianer zu. Sie waren aus dem Gehölz herausgetreten und wollten mir den Weg versperren. Gi-ah-ge-wa-go-mo hielt sein bestes Pferd am Halfter und machte Anstalten, mich nicht durchzulassen. Da stieg ich vom Pferd, auf welchem mein Knabe sitzen blieb, behielt aber die Zügel in der Hand und brachte nun dem Ross meines Gegners zwei Stiche mit einem Messer bei, welches ich ausdrücklich zu diesem Behuf bei mir führte. Er schlug auf mich an und wollte abdrücken, als ich auf ihn losstürzte und ihm sein Gewehr aus den Händen riss. Da drohte er, mein Pferd sollte auch schon stürzen, sobald er einer Waffe habhaft geworden sei. Ich reichte ihm sein Gewehr und sagte, er möchte nun mein Pferd erschießen. Das wagte er aber nicht.

»Du hast, wie es scheint, vergessen, was ich dir vor einigen Monaten, als du meinen Jungen zum ersten Mal raubtest, gesagt habe. Ich aber vergaß es nicht, wie du wohl siehst. Ich habe große Lust, dich zu töten. Du bist aber so erschrocken, dass ich dich am Leben lassen will, um zu sehen, ob du mir mein Kind wohl noch einmal wegnimmst.«

Mit diesen Worten ging ich weg. Meine Freunde wollten kaum glauben, dass ich sein Pferd totgestochen hätte. Sie tadelten mich aber keineswegs. Gi-ah-ge-wa-go-mo selbst fand es wohl ganz in der Ordnung, wenigstens habe ich nie gehört, dass er sich darüber beschwert hätte. Er belästigte mich auch seit jenem Tag nie wieder.

Gleich nach meiner Ankunft in Me-nau-zhe-tau-nung machte ich ein Stück Land urbar. Allein die Indianer, wahrscheinlich durch des Ais-kaw-ba-wis Ränke dazu aufgereizt, zeigten so viel Übelwollen gegen mich, dass ich mich entschloss, von ihnen fortzuziehen. Als ich bereit war, abzureisen, trat ein unglücklicher Zufall hindernd dazwischen. Ich war auf einen hohen Baum gestiegen, um die Zweige abzuhauen, und wollte, nachdem ich schon fast alle heruntergeworfen hatte, noch höher klettern, und den Gipfel abkappen. Aber einige der höchsten Zweige berührten den Gipfel eines anderen Baumes, und der Gegenstoß schleuderte den Gipfel, welchen ich abgehauen hatte, gegen meine Brust. Ich stürzte aus einer beträchtlichen Höhe hinunter und lag lange Zeit ohnmächtig da. Als mein Bewusstsein wieder kam, konnte ich mich kaum hörbar machen, und nur mit Mühe den Indianern andeuten, dass ich Wasser zu haben wünschte. Drei Mal fiel ich auf dem Weg zu meiner Hütte in Ohnmacht. Es waren mir mehrere Rippen zerbrochen, und viele Tage vergingen, ehe ich wieder ordentlich gehen konnte. Der Doktor Mac Laughlin, Handelsmann am Regen-See, hörte von diesem Unfall und schickte Herrn Tace, der mich zu seinem Haus am Weißfisch-See bringen sollte. Lange Zeit warf ich Blut aus, und sobald ich mich bewegte, war es mir, als ob mir im Körper eine flüssige Wärme auf- und abstiege. Von Herrn Tace und den übrigen Gentlemen der Nordwest-Company wurde ich am Regen-See sehr gut behandelt. Gegen Ende des nächsten Winters fühlte ich mich wohler. Als aber im Frühling warmes Wetter kam, wurde ich wieder krank und konnte nicht gehen.

Als wir im Frühjahr die langen Stromschnellen des Regen-See-Flusses hinauf fuhren, schlugen unsere Kanus um, und ich musste, meine Kinder auf dem Rücken, ans Land schwimmen. Das Kanu des Herrn Tace schlug gleichfalls um, es wurden aber alle Menschen gerettet. Wenige Tage nach diesem Vorfall gelangten wir zum Kontor des Doktor Mac Laughlin, und dieser Gentleman räumte mir in seinem Haus ein Zimmer ein, in welchem mich meine Kinder pflegen konnten. Ich erhielt alles, dessen ich bedurfte, und der Doktor wollte mich ein ganzes Jahr lang bei sich behalten. Mich drückte aber die traurige Einsamkeit, und ich beschloss, an den Wälder-See zurückzugehen, wo meine Frau sich aufhielt, denn ich hoffte, dass des Ais-kaw-ba-wis Aufhetzereien gegen mich nun endlich vergessen sein würden. Allein ich wurde keineswegs so aufgenommen, wie ich wünschte. Indessen blieb ich doch im Dorf bis zum Aussäen des Getreides. Wir zogen darauf fort, um blaue Beeren einzusammeln, welche in jener Gegend sehr häufig sind. Darauf wurde wilder Reis, nachher Getreide geerntet, und so verging der Sommer.

Einige Zeit nach dem Blätterfall wurde ich wieder krank. Ich hatte mich von den Folgen meines Rippenbruchs immer noch nicht recht wieder erholt. Damals richtete auch eine Seuche große Verheerungen unter den Indianern an. Eines Tages, ich war weder imstande zu gehen, noch mich aufrecht zu halten, lag ich in meiner Hütte, während die Frauen auf dem Feld arbeiteten. Da traf plötzlich meine Schwiegermutter, eine Hacke in der Hand haltend, herein, und fing an, damit auf meinen Kopf loszuschlagen. Ich konnte ihr keinen Widerstand leisten, machte auch nicht einmal den Versuch dazu, und dachte an den Tod, weil ich glaubte, mein letzter Augenblick sei da. Plötzlich hielt sie inne, warum, blieb mir ein Geheimnis. Da ich meinen Kopf in die Decke gehüllt hatte, so waren meine Wunden nicht so gefährlich, wie ich dachte. Späterhin kam mir Folgendes zu Ohren: Meine Schwiegermutter hatte auf dem Feld gearbeitet, an ihre Kinder gedacht und plötzlich laut aufgeschrien. Da der Mann, welcher, wie sie meinte, am Tod der Kleinen schuld war, sich nun in ihrer Gewalt befand, so war sie herbeigelaufen, um mich zu töten. Sie baute auf die Worte des Ais-kaw-ba-wis so stark, dass sie fest glaubte, ich sei Mörder ihrer Kinder. Ich wusste, wie sehr sie gegen mich eingenommen war, und verargte ihr daher das, was sie mir antat, nicht so sehr, wie im Gegenteil wohl der Fall gewesen wäre. Ihr hartes und böswilliges Betragen zeigte sich tagtäglich mehr, und meine Frau folgte ganz dem Beispiel der Mutter. Zum Teil rührte ihr schlechtes Benehmen auch wohl mit daher, dass ich während meiner Krankheit nicht imstande war, sie so reichlich mit Lebensmitteln zu versehen, wie ich es früher getan hatte. Indessen kam doch allmählich, trotz der großen Leiden, welche ich erdulden musste, meine Gesundheit wieder. Auch die Kräfte stellten sich wieder ein, und bald danach konnte ich mich mehreren Indianern anschließen, welche zu einem Handelsmann gingen.

Ich bestieg mit meinen Kindern ein kleines Kanu. Meine Frau folgte nebst der Schwiegermutter in einem größeren, das mit Gepäck und Vorräten beladen war. Am ersten Tag ließ ich die Frauen zurück und beeilte mich mit den anderen Indianern, den verabredeten Lagerplatz zu erreichen. Ich nahm einige Pfähle, spitzte sie an und rammte sie in die Erde. Die Frauen, welche die Hütte fertigmachen sollten, blieben aber aus, und so hatte ich weder Decken noch Lebensmittel. Am anderen Morgen schämte ich mich, den Indianern zu gestehen, dass es mir an Nahrung fehlte, und ich ließ meine hungernden Kinder schreien. Dieselbe Eigenliebe veranlasste mich auch, bei meinen Gefährten zu lagern.

Ich begriff nun wohl, dass es die Absicht meiner Frau gewesen war, mich zu verlassen, und durfte demnach nicht erwarten, dass sie nun gleich wieder zu mir kommen würde. Also reiste ich ab, hielt jenseits der Stelle an, auf welcher die Übrigen ihr Lager aufschlagen wollten, und schoss einen fetten Schwan, womit ich den Hunger meiner Kinder stillte. Das Wetter wurde bald sehr kalt, und ich hatte einen weiten Weg zu machen. Vor allem aber besorgte ich, von den Indianern eingeholt zu werden. Meine Kinder mussten auf dem Boden des Kanus schlafen, und ich deckte sie so gut es ging mit einer Bisonhaut zu.

Der Wind fing an, immer heftiger zu wehen, und die Wellen schlugen in mein kleines Fahrzeug hinein, die Kinder wurden nass und hatten viel zu leiden. Auch mich erstarrte die Kälte dermaßen, dass ich kaum imstande war, mein Kanu zu lenken, und ich ließ es, unweit von der Stelle, wo ich landen wollte, auf eine Klippe laufen. Zum Glück war das Wasser nicht tief. Ich schlug das noch nicht dicke Eis durch und trug meine Kinder ans Ufer. Aber nun wäre ich beinahe mit ihnen erfroren. Mein faules Holz war durchnässt. Wie sollten wir uns trocknen? Ich schüttete mein Pulverhorn aus und fand noch einige Körner, die trocken geblieben waren. Wir waren gerettet. Am anderen Morgen bekam Herr Sayre, dessen Kontor nicht weit entfernt lag, Nachricht durch die Indianer, dass wir uns verirrt hätten, und schickte mehrere Männer ab, um mich aufsuchen zu lassen. Diese führten mich zu ihm. Ich nahm einen Kredit für meine ganze Familie, denn ich wusste ja nicht, ob ich so bald wieder mit meiner Frau zusammentreffen würde.

Der Häuptling dieser Gegend riet mir, ich sollte doch nicht den ganzen Winter über in dieser Einöde bleiben. Aber er hatte mir die Erlaubnis gegeben, in einem kleinen, ausgewählten Bezirk zu jagen, und versprochen, keiner solle dahin kommen dürfen, wo ich Zeichen machen und Zweige umknicken würde. Er meinte, es sei besser, wenn ich beiden Indianern bliebe, oder eine zweite Frau nähme. Freilich waren meine Kinder so klein, dass sie mir noch nicht an die Hand gehen konnten. Meine Gesundheit war auch nicht die stärkste, und so war es denn allerdings, wie der Häuptling richtig bemerkte, sehr unklug, den Winter über ganz allein zu bleiben. Aber ich hörte nicht auf seinen Rat, wollte weder bei den Indianern leben, noch eine zweite Frau nehmen. Ich bahnte also einen Fußpfad in meinem Winterbezirk, schleppte alles zusammen, was ich besaß, nahm meine Kinder mit und machte mich auf den Weg. Meine Tochter Martha war damals erst drei Jahre alt, und die übrigen waren auch noch klein. Nach drei Tagen erreichte ich meinen Bezirk, geriet aber bald in große Not, aus der mich erst eine Jagdmedizin erlöste.

Ich hatte keine Matten oder Puk-kwi zu einer Hütte. Also musste ich eine solche aus Baumzweigen und hochgewachsenem Kraut bauen. Ich bereitete Moosetierhäute zu, fertigte für mich und meine Kinder Schneeschuhe, Beinschienen und Mokassins, fällte Holz, bereitete das Mahl. Aber alle diese Arbeiten hielten mich mehrmals ab, auf die Jagd zu gehen, und so litten wir zuweilen Mangel. Des Nachts arbeitete ich an meiner Hütte, bei Tagesanbruch holte ich Holz oder besorgte etwas anderes draußen, besserte auch manchmal meine und meiner Kinder Schneeschuhe aus. Den ganzen Winter über kam ich nachts nur selten zur Ruhe.

Dieses Leben führte ich bis zum Frühling. Dann besuchte mich ein junger Mensch, namens Se-bis-kuk-gu-un-na (starke Schenkel), ein Sohn des Waw-zhe-kwaw-maisch-koon, welcher kurze Zeit vorher gestorben war. Er befand sich, gleich seinen übrigen Gefährten, die in einer geringen Entfernung von mir lagerten, in einem sehr elenden Zustand. Meine Hunde waren so gut abgerichtet, dass sie die Hälfte eines Moosetiers fortziehen konnten. Ich vertraute sie ihm an, gab ihm eine starke Ladung Fleisch und sagte, er möchte mit seinen Freunden nur zu mir kommen. Drei Tage danach langten sie an. Ihr Hunger war durch das Fleisch, welches ich ihnen geschickt hatte, gestillt, aber sie sahen alle recht erbärmlich aus, und wären gewiss allesamt verhungert, wenn sie mich nicht gefunden hätten.