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Der bayerische Hiesel – Teil 7

Der-bayerische-HieselFriedrich Wilhelm Bruckbräu
Der bayerische Hiesel
Wildschützen- und Räuberhauptmann, landesverrufener Erzbösewicht

Hiesel als kurzer Hauptmann

Die Sonne stand schon hoch am Himmel, als Hiesel, mehr des Gehens überdrüssig, als vom Gehen ermüdet, in einem dichten Wald sich unter eine Eiche legte und über seine bisherigen Schicksale nachsann. Plötzlich sprangen 10 bis 12 vermummte Kerle aus dem Dickicht und hielten ihm auf 5 Schritte die Mündungen ihrer Büchsen vor, mit dem Befehl, augenblicklich sein Gewehr und alles, was er bei sich habe, herauszugeben oder des Todes gewärtig zu sein. Hiesel sah wohl ein, dass er keinen Widerstand leisten könne. Er nahm also zur List seine Zuflucht.

»Ihr seid mir die rechten Kerle«, fing er an. »Euer zehn gegen einen. Schämt ihr euch nicht, ihr Spitzbuben und Straßenräuber, die den Strick nicht wert sind, um sie daran aufzuhängen? Ihr seid schlechte Diebe, weiter nichts. Wär’t ihr rechtschaffene Wildschützen wie ich, so würde sich der Hiesel gerne euch anschließen. Aber …« »Was, du bist der Hiesel, der bei Bobinger war?«

»Derselbe! Kennst du mich denn?«

»Das will ich meinen! War ja dabei mit dem Schwarzen Martin, wie du uns Fünf so schön bedient hast. Kameraden, das ist ein Kerl, der nimmt euch’s mit dem Teufel auf freiem Feld auf!«

Sie sprachen nun miteinander in einer dem Hiesel völlig unverständlichen Sprache.

Da kreiste hoch oben in der Luft ein großer Geier. Hiesel griff nach seinem Stutzen und sprang auf. Die Vermummten griffen nach ihren Gewehren. »Lasst’s gut sein, ich hab’s nur mit dem Vogel da oben zu tun!«

»Sei kein Narr«, entgegneten die anderen lachend, »der Schuss ist weggeworfen. Den trifft der Teufel nicht!«

»Aber ich!« Sprach’s und schoss den Geier mit der Kugel herab.

Die Vermummten standen sprachlos vor Erstaunen da.

»Du musst unser Hauptmann werden!«, schrien sie alle zusammen.

»Wenn ihr mir unbedingt folgen wollt, ja!«

»Lass hören!«

»Wir bleiben Wildschützen. Was wir gewinnen, wird gleichheitlich geteilt. Wer einen Straßenraub oder einen gewaltsamen Einbruch begeht, um zu rauben, wer einem Menschen, außer er wird angegriffen, das Leben nimmt, ist des Todes schuldig und wird am nächsten besten Baum aufgehenkt. Seid ihr damit einverstanden?«

»Ja, ja! Es lebe unser Hauptmann, der tapfere Hiesel, vivat hoch!«

»Wie stark ist die Gesellschaft?«

»Einundzwanzig Mann!«

»Wer ist euer Anführer?«

»Der Schwarze Martin war’s. Er verließ uns gestern und kam bisher nicht zurück. Nach unseren Gesetzen verliert der Hauptmann seine Stelle, wenn er ohne Urlaub 24 Stunden lang die Bande verlässt.«

»So schwört mir den Eid der Treue! Tod dem Verräter!

»Tod dem Verräter!« Sie schwuren den Eid. Noch am nämlichen Abend wurden auch die Übrigen zum Schwur gelassen, und ein Festschmaus, wie ihn Wildschützen in den Wäldern bereiten können, feierte den neuen Bund.

Vierzehn Tage darauf wurde ein Jagdzug in die Nähe des Lechfeldes verabredet.

Hiesel hatte seine Anordnungen so geschickt getroffen, dass der Zug nicht misslingen konnte.

Seine Kameraden hatten sich bereits seit einer halben Stunde im Wald verteilt. Er selbst stand auf einem Wechsel, wo er das meiste Wild zu treffen hoffte.

Ein Stein in seinem Schuh war ihm schon während des Marsches lästig gewesen. Er lehnte also den Stutzen an einen Baumstamm, kniete sich nieder und löste die Riemen auf. Plötzlich fühlte er sich von rückwärts ergriffen und zu Boden gerissen. Ehe er sich besinnen konnte, waren auch schon seine Hände gebunden. Ein Kommando von zwanzig Mann marschierte hinter dichtem Gebüsch mit aufgepflanzten Bajonetten hervor, um vier Gerichtsdienerknechte zu unterstützen, die sich mit Hiesel beschäftigten.

In diesem Zustand führten sie ihn zuerst in die Fronfeste nach Landsberg, von da aber nach München, wo er nur zu einer neunmonatlichen Zuchthausstrafe verurteilt wurde, was er seiner Verstellung und seiner Gewandtheit im Lügen zu verdanken hatte. Überführte Wilddiebe wurden damals ungleich strenger bestraft.

Es ergab sich späterhin, dass einer von Hiesels Kameraden, aus Ärger, nicht zum Hauptmann gewählt worden zu sein, den verabredeten Zug dem Landgericht Landsberg verraten hatte. Seine eigenen Kameraden hingen ihn ohne Umstände an einem Baum auf.

 

***

 

Es dauert alles nur eine Weile, die Taten des Bösen aber sind von der kürzesten Dauer. Die Strafe bleibt nie aus. Durch die Zuchthausstrafe war nun Hiesel aus der Gemeinschaft der ehrlichen Menschen ausgestoßen. Er konnte einsehen, dass nun der Weg zum redlichen Leben eine dornenvolle Bahn für ihn geworden sei, welche zu beschreiten nicht in der Kraft des Schwachen liegt. Hütet euch vor dem ersten Fehltritt, er wird nie der Letzte sein!