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Frederick Marryat – Die Sendung – Kapitel 12

Kapitän Frederick Marryat
Die Sendung
Umschlagzeichnung nach Originalentwürfen von Professor Honegger
Neue deutsche Ausgabe. Magdeburger Verlagsanstalt. 1915
Kapitel 12

Die Ochsen wurden angespannt, und die Karawane zog langsam weiter, dem ersehnten Fluss zu. Während unsere Reisenden im Schritt dahin ritten – denn die armen Tiere hatten 24 Stunden lang weder Futter noch Wasser erhalten, und es dachte niemand daran, auf die verschiedenen Tierherden, welche sich unterwegs blicken ließen, Jagd zu machen – bemerkte Swinton. »Wir sind jetzt nicht mehr weit von dem Pfad, auf welchem die Mäntetie vor 18 Monaten ihren Einfall in das Xhosagebiet machten.«

»Ich gedachte schon früher, Euch über diesen Punkt zu befragen, Swinton. Die Eingeborenen der nördlichen Gebiete haben mehr als einen Einfall gemacht. Mr. Fairburn gab mir zwar einen ziemlich guten Begriff von der Geschichte der Kap-Kolonie, aber wir beide waren nach unserer Ankunft in der Kapstadt zu sehr beschäftigt, als dass ich mir weitere Auskunft hätte erbitten können.«

»Seid versichert, ich will Euch alles erzählen, was ich weiß«, entgegnete Swinton, »nur dürft Ihr keinen Mr. Fairburn in mir zu finden erwarten. Ich muss bemerken, dass Afrika ein Land zu sein scheint, welches nicht imstande ist, gleich Europa eine dichte Bevölkerung zu ernähren, und den Hauptgrund davon haben wir wohl in dem großen Wassermangel zu suchen, der hin und wieder noch peinlicher wird durch eine Dürre, die vier oder fünf Jahre anhält.«

»Ich gebe zu, dass dies zurzeit der Fall sein mag«, bemerkte der Major; »indes wisst Ihr wohl, dass hieran nicht der Mangel an zureichender Regenmenge schuld ist, denn diese fällt in der Regel einmal im Jahr. Das gefallene Wasser wird vielmehr zu schnell abgeführt. Die Flüsse werden zu wilden Strömen und haben in ein paar Wochen all ihr Wasser in das Meer ergossen, sodass für den Rest des Jahres nichts mehr übrig bleibt.«

»Das ist vollkommen richtig«, versetzte Swinton.

»Und so wird es fortdauern, bis die Bevölkerung nicht nur dicht, sondern auch hinreichend unterrichtet und gewerbstätig ist. Dann wird sie vermutlich zur Sicherung des nötigen Wasservorrats für das ganze Jahr zu denselben Maßregeln ihre Zuflucht nehmen, welche in Indien schon so lange in Anwendung sind, und früher auch von den Mexikanern eingeschlagen wurden – ich meine damit das Ausgraben von großen Teichen, aus denen das Wasser nur durch Verdunstung entweichen kann.

»Ich glaube, dass dies das einzige Hilfsmittel sein wird.«

»Es ist nicht nur ein Hilfsmittel gegen den Wassermangel, sondern übt auch noch weiteren Nutzen, denn wo einmal derartige Teiche sind, gedeiht auch die Vegetation, die nicht nur das Wasser im Lande erhalten, sondern auch noch mehr anziehen wird.«

»Alles dies ist sehr richtig«, entgegnete Swinton, »und ich hoffe, es wird einmal eine Zeit kommen, in welcher dieses Land nicht nur durch den Tau des Himmels gut bewässert wird, sondern auch die Bäche der Gnade nach allen Richtungen sich ergießen, um den Baum Christi gedeihen zu machen.«

»Amen«, versetzte Alexander.

»Um übrigens den Faden meiner Rede wieder aufzunehmen«, fuhr Swinton fort. »Ich wollte sagen, dass die Zunahme der Bevölkerung und, ich möchte beifügen, die Zunahme des Reichtums (denn für diese nomadischen Stämme liegt im Viehbestand der einzige Reichtum) die Hauptursache der Einfälle aus dem Norden ist, denn die lang anhaltende Trockenheit, welche, wie ich bereits erwähnte, bisweilen vier oder fünf Jahre währt, zwingt sie, anderswo Weideplätze zu suchen, wenn ihre eigenen ausgedorrt sind. Jedenfalls scheint es, dass die Xhosa seit vielen Jahren unaufhörlich dem Druck von außen preisgegeben waren, sowohl vom Norden als vom Süden aus.

Als sich die Holländer auf dem Kap ansiedelten, nahmen sie Besitz von dem Land, das den Khoikhoi-Stämmen gehörte, und vertrieben die wenigen, welche es vorzogen, ihre Unabhängigkeit in dem Land der Buschmänner und der Namaqua zu bewahren. Dadurch wurde die Bevölkerung im südlichen Teil vermehrt, obschon er nur imstande war, einigen wenigen ihr Auskommen zu geben. Sie sahen sich daher gezwungen, die Xhosa zu bedrängen, welche sie anfangs über den großen Fischfluss hinaus und später noch weiter nach Norden trieben. Die Buschmann-Stämme der Berg-Khoikhoi, wenn wir sie so nennen dürfen, wurden gleichfalls durch verschiedene Mittel vergrößert, obschon sie unablässig der Mordgier der holländischen Boern preisgegeben waren. Außerdem haben unsere unklugen Kolonial-Regulationen eine andere und neue Volksrasse hinzugefügt, die bereits sehr beträchtlich ist.«

»Was meint Ihr damit?«

»Ich meine das Volk, das unter dem Namen der Griqua bekannt ist, weil es von dem Griqualand Besitz nahm. Es besteht aus einer Mischlingsrasse zwischen Khoikhoi und Weißen. Der holländischen Kolonialgesetzumgebung zufolge konnten diese Leute in der Kolonie kein Landeigentum erwerben, und dieser Akt der Ungerechtigkeit und Torheit hat uns eines sehr wertvollen Menschenschlags beraubt, der viel zum Gedeihen der Kolonie hätte beitragen können. In hohem Grad tapfer, einsichtsvoll und gewerbstätig sind sie, weil sie sich wegen des Khoikhoibluts in ihren Adern verachtet sahen, ausgewandert und haben sich jenseits der Grenzen angesiedelt. Sie sind ziemlich gut mit Feuerwaffen versehen. Die friedlich Gesinnten können sich daher selbst beschützen, während die anderen dem Beispiel der Kolonisten folgen und allem Rechtsgefühl zum Trotz die armen Wilden ihres Viehs und ihres Eigentums berauben. Ihr bemerkt nun, Alexander, wie auch vom Süden ein Druck ausgeht.«

»Das ist sehr einleuchtend«, entgegnete der Major.

»Vielleicht ist es am besten, wenn ich gradweise in dem Norden steige und jetzt der Xhosa erwähne, auf die der Druck vom Norden und Süden ausschließlich wirkt. Sie sind sehr zahlreich. Der Ursprung des allgemeinen Ausdrucks Xhosa, welcher nichts anderes als Ungläubige bezeichnet, ist eben so wenig bekannt, als der des Namens Khoikhoi.«

»Ein Beweis für die Tatsache, welche wir schon an der Schule erfahren mussten«, bemerkte der Major, »dass nämlich die sogenannten Spitznamen weit länger im Gedächtnis bleiben, als die eigentlichen.«

»Allerdings«, erwiderte Swinton. »Unsere Bekanntschaft bezieht sich meist auf die südlichen Xhosa, welche das Land an der Ostküste von Afrika von der Kapgrenze an bis Port Natal bewohnen. Sie sind der Amakosastamm, deren Krieger uns kürzlich erst verlassen haben, die Tambukie, aus deren Gebiet wir herkommen, und nördlich von ihnen bei Port Natal die Hambona. Diese sind die östlichen Xhosa.

»Auf der anderen Seite des Mambukiegebirges und im Zentralteil Afrikas unter dem Wendekreis sind die Betschuana, welche einen Landstrich bewohnen, der bis jetzt nur unvollkommen bekannt ist. Diese kann man die Zentral-Xhosa nennen.

Auf der Westseite der afrikanischen Küste und über dem Namaqualand, dessen Bewohner hauptsächlich der Khoikhoi-Rasse angehören, haben wir die Demara, welche als die westlichen Xhosa bezeichnet werden können. Mit diesen findet nur wenig oder gar kein Verkehr statt.

Alle diese Stämme sprechen mit sehr weniger Abwechslung die Betschuana- oder Xhosasprache. Sie werden von Häuptlingen oder Königen beherrscht und zerfallen in zahlreiche Körperschaften, sind aber insgesamt Xhosa. Betreffs ihres Charakters habe ich nur zu bemerken, dass, soweit unsere Erfahrungen reichen, die Xhosa der Ostküste, die wir eben verlassen haben, an Mut und allen anderen guten Eigenschaften den übrigen weit überlegen sind. Habe ich mich verständlich gemacht, Alexander?«

»Vollkommen.«

»Dennoch wäre es mir lieb, wir säßen an irgendeinem sicheren Plätzchen, statt dass wir jetzt über diesen welken Landstrich reiten. Auch wünschte ich, ich hätte die Karte vor mir, um mich Euch besser verständlich zu machen.«

»Ich will die Karte zurate ziehen, sobald ich kann«, entgegnete Alexander. »Da ich übrigens die Geografie fleißig studiert habe, so vermisse ich den Mangel nicht zu sehr.«

»Alle diese Xhosa führen die gleiche Lebensweise. Ihr Reichtum besteht im Vieh. Sie sind zum Teil Feldbauern, zum Teil Hirten und zum Teil Jäger. Auch dient ihr beharrlicher Kampf mit den wilden Tieren des Landes dazu, um sie für den Krieg vorzubereiten. Die östlichen Xhosa, von denen wir herkommen, sind am zahlreichsten. Aber da wir ihnen so viel von ihrem Land abgenommen haben, besitzen sie kaum genug Weideplätze für ihr Vieh. Ich habe gesagt, das Gebiet der östlichen Xhosa erstreckte sich bis Port Natal. Früher ging es bis zu der Delagoa Bay hinaus, wie es sich denn auch viel weiter im Süden hinzog, ehe wir sie aus ihren Besitzungen vertrieben. Das ganze Land zwischen Port Natal und der Delagoa Bay war früher von Xhosastämmen bewohnt. Ich glaube, Alexander, Mr. Fairburn hat Euch die Geschichte Shakas, des berühmten Königs der Zulu, mitgeteilt?«

»Ja.«

»Gut, also. Es war Shaka, welcher das Land, von dem ich jetzt spreche, überströmte und sowohl die Stämme, die darin wohnten, als auch einen großen Teil der Betschuana-Stämme, welche mehr im Norden saßen, vertrieb. Die Einfälle, welche in das Land der Xhosa und der Betschuana, welches an die Kolonie grenzt, geschahen, wurden ganz durch Shakas Verheerungen herbeigeführt. Ich meine damit natürlich nur diejenigen, welche stattfanden, seit wir das Kap kennen und im Besitz haben, denn ohne Zweifel haben sie sich stets wiederholt und sind vielleicht in jedem Menschenalter wenigstens einmal vorgekommen. Ihre Ursache ist in dem Umstand zu suchen, dass sich die Bevölkerung über das Maß ihrer Subsistenzmittel vermehrt hat, und die Einfälle fanden statt, sobald der Überfluss an Menschen es nötig machte.

Die Wanderungen der Springböcke, dergleichen wir gestern mit ansahen, mögen noch häufiger sein, sind aber ebenso unsicher, als die der Zentralbevölkerung Afrikas. Die Xhosa selbst geben an, sie feien früher aus dem Norden gekommen und haben ihr Gebiet durch Eroberungen gewonnen. Auch tragen sich die Khoikhoi in Hinsicht auf ihre Herkunft mit derselben Überlieferung.

Der Einfall der Mäntetie, wie sie genannt werden (bei den östlichen Xhosa heißen sie Fikani), war nichts weiter, als der eines Volkes, das seines Eigentums beraubt und unter Shaka durch die Zulu aus seinem Gebiet vertrieben wurde. Überhaupt lässt sich auch das Vorrücken des Heeres unter Quitu, das erst im Laufe dieses Monats vernichtet wurde, aus einer ähnlichen Ursache ableiten. Nachdem sich Quitu von Shaka getrennt hatte, konnte er keinen Ruheplatz finden, weshalb er nach Süden kam, um den Xhosa ihr Gebiet zu entreißen – ein Unternehmen, das ihm übrigens fehlschlug. Hätte er den Sieg davongetragen, so würde er ein Blutbad angerichtet und sich für seine eigenen Leute Platz gemacht haben.«

»Natürlich, denn das Ende aller dieser Einfälle und Wanderungen muss auf ein derartiges Opfer von Menschenleben hinausgehen, um den Bleibenden die Mittel für ihren Unterhalt zu bieten«, bemerkte der Major.

»Und so muss es wohl auf diesem Kontinent fortgehen, bis die Menschen durch Zivilisation und Künste so weit herangezogen sind, um die Mittel für ihren Unterhalt zu vergrößern. Für diesen Zweck gibt es nichts Geeigneteres wie die Einführung des Christentums, denn dieses geht Hand in Hand mit der Zivilisation.«

»Aber die Mäntetie oder Fikani, wer sind diese?«

»Ich habe bereits gesagt, sie seien nördliche Xhosa-Stämme, die von Shaka ihres Gebiets beraubt wurden. Die Namen der Stämme kennen wir nicht. Mäntetie und Fikani bedeutet in der Xhosasprache Eindringlinge. Beide diese Ausdrücke passen wohl auf das Volk, sind aber zuverlässig nicht die Namen der Stämme.

Ich glaube nun genug gesagt zu haben, um auf die Geschichte dieses letzten Einfalls eingehen zu können. Aber offen gestanden, die Hitze ist so überwältigend, und ich fühle meine Zunge dermaßen vertrocknet, dass Ihr mich entschuldigen müsst, wenn ich meine Mitteilung auf eine andere Gelegenheit verschiebe. Sobald wir es ein bisschen gemächlicher haben, will ich Euch die Geschichte der Mäntetie geben.«

»Wir sind Euch sehr für Eure Belehrung verbunden, Swinton, und wollen Euch vorderhand schonen«, entgegnete Alexander. »Was sind dort für Tiere? Schaut!«

»Das sind Gnus«, entgegnete Swinton. »Es gibt zwei Arten davon, das gemeine Gnu und das gefleckte Gnu. Sie bilden ein Mittelglied zwischen der Antilopen- und der Rinderfamilie. Auch sind sie sehr gut zu essen.«

»Dann wünschte ich nur, wir könnten uns über sie hermachen. Sie scheinen sich nicht vor uns zu fürchten und nähern sich uns im Galopp.«

»Ja, denn obgleich sie sehr scheu sind, besitzen sie doch einen guten Teil Neugierde«, entgegnete Swinton. »Gebt jetzt acht auf sie.«

Während Swinton sprach, sprangen die Tiere hinweg und näherten sich dann wieder, um die Karawane zu betrachten. Dabei scharrten sie mit ihren Hufen den Staub auf, schüttelten die Mähnen, peitschten sich die Seiten mit ihren langen Schwänzen, brüllten und schüttelten die Köpfe, stampften bisweilen wie im Trotz und flogen dann mit Windeseile von dannen, als ob sie sich fürchteten.

»Für heute sind sie sicher«, bemerkte Major Henderson, »aber ein anderes Mal wollen wir ihren Mut versuchen.«

»Ihr werdet sie wild und gefährlich finden, Sir, wenn sie verwundet sind«, sagte Bremen, der herangeritten war. »Wir sind nicht mehr weit von dem Fluss, denn das Vieh beginnt zu schnüffeln.«

»Freut mich, dies zu hören, denn dann muss Wasser in der Nähe sein. Aber der Nebel und das blendende Licht sind von der Art, dass man auf eine halbe Stunde hin kaum etwas zu unterscheiden imstande ist.«

»Wohl, Sir«, versetzte der Khoikhoi, »aber ich kann sie doch gut genug sehen.« Er deutete dabei mit seinem Finger auf einen sich hebenden Grund, der rechts von ihnen etwa hundert Schritte abgelegen war.

»Eins, auf den morgigen Tag verschoben.

»Was gibt’s?«, fragte der Major, in die angedeutete Richtung blickend. »Ah, ich sehe, es sind Löwen.«

»Ja, Sir, aber wir brauchen keine Notiz von ihnen zu nehmen, denn sie werden uns nicht belästigen. Sie sind nicht hungrig.«

»Ihr habt recht«, sagte Swinton. »Wir müssen gerade ausgehen und weder haltmachen, noch unsere Eile beschleunigen. Der Treiber soll auf seine Ochsen achthaben, denn so müde sie auch sind, reicht doch die Witterung der Löwen zu, ihnen für den Augenblick eine fast unbewältigende Kraft zu geben.«

»Bringt uns unsere Gewehre, Bremen«, versetzte der Major. »Ich bin geneigt, deine bewaffnete Neutralität anzunehmen, wenn sie damit einverstanden sind.«

Da unsere Reisenden hier ein paar Tage haltzumachen gedachten, so wurden die Wagen in einiger Entfernung vom Fluss aufgefahren, damit das Lager aus den Pfaden der Tiere komme, welche sich zum Trinken am Fluss einfanden.

Sie wurden im Laufe der Nacht nicht von Löwen beunruhigt. Dagegen gelang es den Hyänen, unter die Wagen zu kriechen und, nachdem sie einen der Ochsen schwer gebissen hatten, ein Schaf wegzuschleppen. Unsere Reisenden waren von diesen Tieren so oft belästigt worden, dass wir ihrer nie Erwähnung taten, aber am folgenden Morgen stellte sich heraus, dass der Ochse schwer verletzt worden war und geschlachtet werden musste.

»Wenn der Mut der Hyäne ihrer Kraft gleichkäme, so wäre sie ein sehr furchtbares Tier«, bemerkte Swinton. »Aber es ist Tatsache, dass sie selten oder nie den Menschen angreift, und wenn ihrer zwanzig in einem Rudel beisammen wären. Gleichwohl dringen sie unter den Xhosa sehr oft in die Hütten der Eingeborenen und erwürgen hin und wieder Kinder und gebrechliche Leute. Hieran ist übrigens nur der Brauch der Xhosa schuld, welche ihre Toten diesen Tieren zum Fraß überlassen. Sie gewinnen dadurch eine Vorliebe für Menschenfleisch und machen deshalb hin und wieder einen dreisteren Versuch, um es zu erhalten«

»Sie müssen eine furchtbare Kraft in ihren Kinnladen haben«, bemerkte Alexander.

»Allerdings, und sie ist ihnen gleichfalls zu sehr weisen Zwecken verliehen. Die Hyänen und die Geier sind die Wasenmeister der tropischen Gegenden. Letztere verzehren, was die Ersteren übrig lassen, nämlich die Haut und das Gerippe eines toten Tieres. Die Kraft ihrer Kinnbacken ist von der Art, dass sie den größten Knochen mit Leichtigkeit zermalmen können.«

»Gibt es von diesen Tieren mehrere Spielarten?«

»In Afrika zählt man vier: die gemeine gefleckte Hyäne oder den Wolf der Kolonisten, deren Geruch so abscheulich ist, dass die Hunde sie liegen lassen, nachdem sie die Bestie getötet haben; dagegen kommen dann ihre eigenen Kameraden und fressen sie augenblicklich auf. Ferner die gestreifte oder wilde Hyäne, welche auch der Löcherwolf heißt, und eine andere, die von den Kolonisten der braune Wolf genannt wird. Letztere ist auch, glaube ich, die Varietät, welche unter dem Namen »die lachende Hyäne« bekannt ist. Eine weitere Spielart, welche ein Mittelglied zwischen der Hyäne und dem Hund bildet, heißt die Venatica. Sie sagt in Rudeln und die Kolonisten nennen sie den wilden Hund. Sie wurde zuerst von dem Reisenden Burchell beschrieben und ist zwar kleiner, aber viel wilder als die übrigen.«

»Ich weiß, dass es im Land Leoparden gibt, aber dennoch sind wir noch nie mit einer derartigen Bestie zusammengetroffen. Sind sie gefährlich?«

»Dies ist bei jedem Tier der Fall, wenn es zur Verzweiflung getrieben wird. Ich habe einmal mit angesehen, wie ein Quagga, das durch einen berittenen Jäger an den Rand eines Absturzes gehetzt wurde, den Fuß seines Feindes mit den Zähnen fasste und ihn förmlich abriss, sodass der Mann am Blutverlust sterben musste, obwohl ärztliche Hilfe in der Nähe war.«

»Wer hätte sich auch eines so tragischen Ausgangs von der Jagd auf einen wilden Esel versehen?«, bemerkte der Major. »Wollt Ihr hier bleiben oder vorrücken, Wilmot?«

»Der Major möchte gern einen Schuss auf die Gnus tun, da er bis jetzt noch kein derartiges Tier erlegt hat. Auch werden die Ochsen wohl einen Tag Ruhe brauchen können, um sich wieder zu erholen, und da wir keine Eile haben, so glaube ich, wir können ebenso gut haltmachen und unser Lager für einige Tage verproviantieren.«

»Von Herzen gern. Es tut mir leid, dass die Hyäne unseren Mundvorrat vermehrte, indem sie uns nötigte, den armen Ochsen zu schlachten. Doch da ist nicht zu helfen. Unter jenem kleinen Berg im Westen gibt es eine große Herde von Gnus und Quaggas. Wenn wir übrigens nach Norden kommen, werden wir bessere Tiere für die Tafel finden.«

»Und die wären?«

»Das afrikanische Elen, das größte Tier der Antilopen-Spezies, welches bisweilen mehr als tausend Pfund wiegt. Diese Tiere sind sehr fett, leicht zu erlegen und bieten eine vortreffliche Speise. Als ich im Land der Namaqua war, zogen wir sie jeder anderen Kost vor. Aber ich sehe auf der Ebene dort eine andere Art von Wild.«

»Welches?«

Omrah deutete danach hin.

»Es sind entweder Buschmänner (zahme Buschmänner, wie man sie im Gegensatz zu den anderen nennt) oder Koranna – wahrscheinlich das Letztere. Sie kommen geraden Weges auf uns zu. Aber Mahomed kündigt das Frühstück an.«

Nach Beendigung des Frühstücks fanden unsere Reisenden, dass sich ein Häuflein von zwölf Koranna der Karawane angeschlossen hatte. Sie gaben durch Zeichen zu verstehen, dass sie hungrig seien, indem sie auf die Riemen deuteten, womit sie in der Magengegend ihren Leib eingeschnürt hatten. Der Dolmetscher bedeutete ihnen, dass es jetzt auf die Jagd gehe und sie etwas von dem Wild erhalten sollten, worüber sie sehr erfreut waren.

»Wisst Ihr auch, wie man die Riemen nennt, welche sie um den Leib tragen, Wilmot?«, fragte Swinton. »Sie heißen Hungergürtel, und alle Eingeborene tragen sie, wenn sie sehr vom Hunger gequält werden. Sie meinen, durch das Einschnüren des Magens Erleichterung zu erhalten, und ich zweifle nicht, dass es auch wirklich der Fall ist.«

»Gut«, versetzte der Major. »Ich hoffe bald imstande zu sein, den armen Teufeln ihre Gürtel zu lösen und ihre Magen zu füllen, dass sie so angespannt sind, wie eine Trommel. Sattelt die Pferde, Bremen. Du, Omrah, reitest mein anderes Pferd und trägst meine zweite Büchse.«

Omrah, welcher jetzt Englisch verstand, obwohl er nur wenige Worte sprechen konnte, nickte mit dem Kopf und begab sich zum Wagen, um die Gewehre des Majors zu holen.