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Fritz Wildaus Abenteuer zu Wasser und zu Lande 14

Friedrich Gerstäcker
Fritz Wildaus Abenteuer zu Wasser und zu Lande
Kapitel 14

Fitz macht in den javanischen Bergen eine Jagd auf wilde Kühe
oder
Bantings, mit und was ihm dabei begegnete

In wenigen Stunden erreichten sie den kleinen Ort Babadan, von dem aus sie nicht mehr weit zu der Kaffeepflanzung des Herrn Foelen hatten. Die Aussicht war wundervoll, dem vollkommen tropischen Klima freilich entrückt. Je höher sie hinauf in die Berge stiegen, gedieh schon die Kokospalme nicht mehr oder trug doch wenigstens keine Früchte, trieb nur höchstens die breiten federartigen Blätter aus dem Boden heraus. Sie kamen in den Bereich der Farnpalmen und des wilden Pisang mit seinen breiten, raschelnden Blättern. Gewaltige Eichenarten streckten dabei die hohen hellgrauen Stämme wie riesige Säulen empor, die ein weites dunkelgrünes Laubdach trugen. Muntere Affen kletterten hier und da mit gellenden Kreischen und Schreien oder wunderlichem Heulen in den Zweigen herum und sprangen von Ast zu Ast. Der schwarz-rot-goldene Pfeffervogel (Tukan) strich mit schwerem geräuschvollem Flügelschlag durch den Wald oder wetzte den gewaltigen Schnabel an dem Zweig, auf dem er sich niedergelassen hatte.

Mijnheer Foelen empfing die beiden Europäer auf das Herzlichste, gönnte ihnen aber auch kaum am Tag Ruhe, da sie zwei Tage zu der beabsichtigten Jagd zum Urarang brauchten und am dritten wieder auf Babadan eine große indische Festlichkeit mit Tierkämpfen besuchen wollten, die sie unter keiner Bedingung versäumen durften. Sich also an diesem Tag noch ordentlich ausruhend, auf die folgenden Strapazen vorbereitet zu sein, setzten sie besonders ihr Schießzeug ordentlich instand und brachen dann am nächsten Morgen mit Tagesanbruch zu den wilden Schluchten des Urarang auf, wo besonders wilde Stiere und Hirsche, hier und da aber auch noch der Königstiger gefunden wurde, der nicht selten sogar in die Ansiedlungen brach und Pferde oder Rinder, ja manchmal sogar Menschen überfiel, tötete und mit sich fortschleppte.

Vor einigen Wochen war erst ein solcher stattlicher wilder Bursche, der einen Malaien angefallen und fortgeschleppt hatte, in einer neben seiner verscharrten Beute ausgeworfenen Grube oder Falle gefangen worden und wurde zu der in diesen Tagen stattfindenden Festlichkeit aufbewahrt.

Die interessante Jagd sollte aber die auf Bantings oder wilde Rinder sein. Fritz erstaunte über den Schwarm von Malaien, den ihr freundlicher Wirt aus der ganzen Umgegend heraufbeschworen zu haben schien. Von allen Seiten strömten sie mit ihren kurzen aber scharfen Klewangs, eine fremde Art von kurzen Schwertern oder langen Messern, heran, wurden eben so rasch mit Provisionen, Waffen, Zelttüchern und Gott weiß was sonst beladen. Fritz kam aber das Ganze besonders komisch vor, wenn er daran dachte, was für Umstände man hier um eine zwei- oder anderthalbtägige Jagd machte, während ein amerikanischer Jäger mit seiner Decke auf dem Rücken, in die er etwas getrocknetes Hirschfleisch eingewickelt trägt, mit seinem Messer an der Seite, seiner Büchse auf der Schulter und höchstens von einem guten Hund begleitet, Monate lang allein im Wald herumstreift und den Bär und Panther, den Hirsch und Truthahn jagt und erlegt.

Aber ländlich sittlich, in Indien glaubt man nun einmal, weder reisen noch jagen zu können, ohne eine Horde Dienerschaft das Leben nebenbei schwer zu machen. Das Jagen würde stets den kürzeren dabei ziehen, wäre nicht eben so entsetzlich viel Wild in den dichten Waldungen, dass etwas doch immer hier und da aufgetrieben werden muss – die Jäger mögen eben Spektakel machen, soviel sie wollen.

Um acht Uhr setzte sich endlich der Zug in Bewegung, die Jäger von zehn oder zwölf berittenen Javanen begleitet, ebenfalls zu Pferd, eine Anzahl Kulis oder Diener zu Fuß, aber immer in einem kurzen Trab hinterher. Schon von Haus aus verließen sie dabei die breite bequeme Straße und folgten erst einem noch ziemlich bequemen Weg, der sie wohl acht Paal weit durch lauter Kaffeegärten führte.

Du darfst dir aber hierbei nicht denken, lieber Leser, dass diese Kaffeegärten eine Reihe von Restaurationen, mit hölzernen Bänken darin und kleinen Lauben gewesen wären, vor denen blaue Schilder mit goldenen Buchstaben das anzeigen, was geschäftige Kellner mit glatt frisierten Haaren und sehr kurzen Jacken, im Innern umhertragen. Nein, das Ganze war Wald und Dickicht. Dem ersten flüchtigen Blick nach und erst beim weiteren Eindringen zeigten die regelmäßig gepflanzten Bäume und der von Unkraut frei gehaltene Boden die Kaffeepflanzung, oder – den Kaffeegarten, wie man es dortzulande und ziemlich passend nennt.

Durch diese Kaffeegärten hindurch begann nun der wirkliche Wald. Nur ein schmaler Pfad führte noch zwischen wilden Himbeeren, Pisang und Farnpalmen hin, überall von dem prachtvollen Baumwuchs überragt, bis zu der kleinen niederen Bambushütte eines Javanen, und hörte dort, in Alang Alang oder Schilfgras und Dornen auslaufend, förmlich auf.

Nun aber begannen die mitgenommenen Javanen ihre Arbeit, denn mit ihren langen, vorn schweren Klewangs mussten sie Bahn hauen in das Dickicht hinein, die Reiter folgten langsam und einzeln. Der Menschenschwarm machte dabei einen Lärm, dass an ein wirkliches Auffinden von Wild in der Tat nicht gedacht werden konnte, bis sie endlich etwas offeneren Wald erreichten und Mr. Evans erklärte, absteigen und zu Fuß weiter jagen zu wollen. Das Hauptziel ihrer Jagd war nämlich ein kleiner See hoch oben in den Gebirgen, wahrscheinlich von dem Krater irgendeines ausgebrannten Vulkans herrührend, um den herum sich die Bantings besonders gern aufhalten sollten. Da sie sich gar nicht mehr weit von diesem befanden, gab auch endlich selbst Herr Foelen den Bitten des kleinen Engländers nach und stieg – etwas was er sehr ungern tat – selber vom Pferd herunter. Dadurch wurde es aber auch möglich, dass sie einen ganzen Schwarm ihrer Spektakel machenden Begleiter hinter sich ließen, die von dem Holländer angewiesen wurden, einen bestimmten und ihnen schon bekannten Lagerplatz für die Nacht in Ordnung zu bringen. Mit verhältnismäßig sehr wenig Geräusch, aber immer noch genug, jedes nur einigermaßen scheue Wild aus der Nähe zu vertreiben, schien sie von da an ihren Weg mit nur etwa sechsmal mehr Menschen, als sie notwendig brauchten, fort.

Endlich hatten sie die Höhe erreicht, von der aus sie den kleinen Bergsee sollten überschauen können. Mr. Evans bestand nun darauf, dass jetzt wenigstens die allein vorrücken sollten, die Gewehre trugen. Wolle man die anderen haben, könne man sie ja leicht nachrücken lassen. Mijnheer Foelen schüttelte den Kopf dazu, gab aber nach und Fritz wurde nun, mit einem der Javanen, der eine Doppelflinte trug, vorausgesandt, um zu beobachten.

Die beiden, denn der Javane gehörte glücklicherweise zu einem der schweigsamen seines Geschlechts, schlichen leise und geräuschlos vorwärts, kamen auch bald zu einer kleinen offenen Lichtung, von der aus sie die blitzende, von Tausenden Wildenten belebte Wasserfläche überschauen konnten. An denen lag ihnen aber jetzt weniger. Fritz hatte sich schon die Augen ausgeschaut, irgendein größeres Tier als eine Wildente am Ufer des Sees zu erkennen, ohne jedoch auch nur einen einzigen Gegenstand entdecken zu können, der das dunkle Grün der sumpfigen Wiesen- oder Schilfgewächse am anderen Ufer unterbrach. Da stieß ihn der Javane vorsichtig an. Mit den leisen Worten »Miri – miri« – dem Malaiischen sieh deutete sein Arm einer Stelle des Sees zu, die ihm gerade gegenüberlag und an der Fritz auch nicht das Geringste bis dahin aufgefallen war. Der Javane beharrte dabei. Plötzlich bewegte sich ein dunkler Gegenstand im Wasser, über das der junge Bursche bis dahin immer hinausgeschaut hatte. Er erkannte deutlich sieben dunkle Körper, die in der Flut stehend, ihre Seiten zu kühlen schienen und nur manchmal das Wasser mit den Mäulern emporwarfen.

Es waren Bantings und ihr Schlachtplan war rasch entworfen. Zu den übrigen Jägern zurückkehrend, erstatteten sie Bericht über das gesehene Wild ab. Auf Mijnheer Foelens Rat hin teilten sich die Jäger in zwei Gruppen zu je fünf Mann, auf der einen Seite Mr Evans und Fritz mit drei, auf der anderen Mijnheer Foelen mit vier Javanen, den kleinen, kaum eine halbe englische Meile im Durchschnitt haltenden See zu umgehen und die Bantings womöglich im Wasser noch zu umstellen.

Evans und Fritz brachen augenblicklich auf, denn ihnen war der längere, aber offenere Weg zugeteilt und weigerten sich, mehr Leute mitzunehmen. Foelen ließ sich aber noch acht oder zehn seiner Kulis holen, Bahn zu hauen. Am gegenüberliegenden Ufer wollten sie wieder zusammenkommen.

Allerdings konnten sie nur höchst langsam vorrücken, denn trotz der Tatsache, dass dieser Teil der Wildnis offener Wald genannt wurde, war er doch so mit allen möglichen Arten von Unterholz und Schlingpflanzen durchwachsen, dass es gar nicht möglich war, einen geraden Kurs zu halten. Die furchtbaren Dickichte bildeten dabei das Rattan, dem deutschen Leser jedenfalls unter dem, wenn auch unrichtigen oder wenigstens veralteten Namen spanisches Rohr bekannt (da die Spanier wohl das erste von ihren überseeischen Besitzungen nach Europa gebracht haben). Es ist eine Schlingpflanze, und zwar in der großartigen Bedeutung des Wortes, denn mit fast schilfähnlichen Blättern versehen, schlingt sich dieses Gewächs in unglaublicher Länge von Zweig zu Zweig der Bäume, rankt sich mit tausend Armen hinüber und herüber, ist bei seiner enormen Zähigkeit auch noch zum Überfluss an der äußeren Schale mit dicht gedrängten wohl zolllangen und harten Stacheln besetzt.

Es lässt sich denken, dass solche Dickichte, wo dieses Gewächs einmal überhandgenommen hat, gar nicht zu passieren sind. Man muss sie umgehen und sich rechts oder links darum hin eine Bahn durchhauen, aber sie halten den Marsch jedenfalls um ein Bedeutendes auf, machen ihn so viel beschwerlicher.

Nichtsdestoweniger drangen unsere Jäger verhältnismäßig rasch vorwärts und kamen etwa nach einer halben Stunde in Sicht einer kleinen Gruppe von Farnpalmen, die sie sich von drüben als Merkzeichen genommen hatten, hinter denen die Rinder den See betreten haben mussten.

Dort hielten sie, denn es war mit den übrigen Jägern verabredet worden, dass jene, in der Nähe des Wildes angelangt, ein Zeichen geben sollten. Wenn sie den Schrei des Ulung Ulung, eines dort ziemlich häufigen roten Falken mit weißer Brust, den einer der Javanen vortrefflich nachzuahmen verstand, hörten, dann wollten sie von beiden Seiten heranrücken, und die Bantings mussten dann einer Gruppe von ihnen jedenfalls zum Schuss kommen.

Für den möglichen, aber nicht wahrscheinlichen Fall, dass diese den See durchschwimmen würden, waren noch zwei Javanen mit Gewehren und alle übrigen Kulis als Treiber am anderen Ufer zurückgelassen worden.

Noch hatten sie aber keine zehn Minuten auf ihrem Platz gestanden und mit lautlosem Schweigen dem verabredeten Signal gelauscht, als es plötzlich im Wasser zu plätschern und schlagen, in den Büschen zu brechen und rascheln begann. Zu gleicher Zeit fast hörten sie auch das rasch und laut ausgestoßene Signal. Als Fritz hierauf, von Mr. Evans gefolgt, hinter den Büschen, die sie bis jetzt verdeckt, auf eine ziemlich freie Lichtung vorsprang, die links hinab zum See zu, rechts den Hügelhang sich hinaufzog, brachen in demselben Augenblick vier von den Bantings aus dem gegenüberliegenden Dickicht und wollten über den offenen Platz, in etwa sechzig Schritt Entfernung, hinüberfliehen. Der Vorderste von ihnen war ein roter mächtiger Bulle mit kühn und hoch, fast lyraartig ausgeschweiften Hörnern. Dicht hinter ihm kamen zwei junge Stiere. Die Kühe folgten nach.

»Ich nehme den Vordersten, nimm du einen der anderen«, rief da der kleine Naturforscher, in dem frisch erwachten Jagdeifer alles Übrige vergessend.

Als die beiden Schüsse fast zusammen aus den Rohren krachten, brach auch der eine der jungen Stiere, auf den Fritz geschossen hatte, im Feuer zusammen, während der in die Schulter getroffene Bulle einen wilden Satz nach vorn machte und in die Knie brach. Das war aber nur ein Moment, vielleicht eben soviel der Überraschung über den Schuss als der Kugel selber zuzuschreiben, denn kaum mit dem schäumenden Maul das Gras berührend, schnellte er auch schon wieder empor. Mit kurzem trotzigen Brüllen den Kopf emporwerfend, erkannte er kaum dicht vor sich den Feind, als er die Hörner niederbog und in wilden Sätzen gegen den wirklich zum Tod erschreckten Naturforscher anlief. Die beiden Javanen feuerten darauf allerdings ihre Schüsse ab, der eine traf aber gar nicht, der andere verwundete das so schon rasende Tier nur in der Keule und machte es dadurch noch wilder, sodass der kleine Engländer, der in diesem Augenblick auch den Kopf verlor und ratlos weder Anstalten zur Flucht noch zur Verteidigung machend, dem wütenden Stier jedenfalls ein leichtes Opfer geworden wäre, hätte sich Fritz nicht in diesem Moment mit dem anderen, noch geladenen Rohr, laut schreiend und rufend dem Bullen entgegen geworfen, dessen Aufmerksamkeit auf sich zu lenken und ihn dann mit seinem zweiten Schuss zu töten. Das Erste gelang ihm auch vollkommen. Als aber der Stier abbog und auf ihn zusprang, er das Gewehr an die Wange riss und abdrücken wollte, versagte das Rohr. Machtlos klappte der Hahn nieder und Fritz, im selben Moment auch die ganze gefährliche Lage überschauend, warf das nun nutzlose Gewehr fort und wollte auf den nächsten Baum fliehen. Dorthin aber lag nicht allein eine Sumpfstrecke zwischen ihm und dem schützenden Holz, sondern der wütende Stier gewann auch dadurch an Vorsprung, weil er hätte gerade vor ihm vorüberfliehen müssen.

Lange Wahl blieb aber auf keinen Fall und in der Hoffnung, dass das Wasser seinen Verfolger jedenfalls zurückhalten würde, floh er dem Ufer des Sees zu, übersprang einen ziemlich breiten mit Kresse überwachsenen, aber mit Wasser gefüllten Graben und warf sich, so weit er möglicherweise konnte, in den See hinein.

Wohl hörte er in demselben Augenblick einen Schrei, aber im nächsten Augenblick verschwamm das schon alles in dem Rauschen und Quellen des Wassers um ihn her, unter dem er, ein vortrefflicher Schwimmer, so lange ausstrich, bis er glaubte, eine hinlängliche Entfernung zwischen sich und dem angeschossenen und gereizten Tier zu haben. Erst als er es nicht mehr länger unter Wasser aushalten konnte, tauchte er empor, hätte aber fast einen lauten Angstschrei ausgestoßen, denn, kaum fünfzehn Schritt von ihm entfernt, schwamm sein furchtbarer unerbittlicher Feind und suchte schnaubend und blasend das ihm so plötzlich entflohene Ziel seiner Rache.

Fritz vermochte noch nicht wieder unterzutauchen, er musste erst wieder sich einige Sekunden der Erholung gönnen. Trotzdem aber, dass er nur eben den Mund über Wasser behielt und nicht das geringste Geräusch machte, hatte ihn das wütende Tier doch wieder über die blitzende Wasserfläche hin erspäht und schwamm brüllend, als ob es seinen Gegner zum Kampf herausfordere, gegen ihn an.

Der junge Bursche gab sich schon für verloren, als er an das kleine, aber haarscharfe Messer dachte, das er in einer Scheide im Gürtel trug. Nach diesem fühlend, ob es auch noch an seiner Stelle sei, beschloss er wenigstens einen Versuch zu machen, wieder unterzutauchen, unter den Weichen seines Feindes aufzukommen und diesem dort einen Stich beizubringen, an dem er langsam verbluten müsse.

Wie er daher sah, dass der Stier die genaue Richtung gegen ihn hin hatte, ließ er sich wieder sinken. Kaum fünfzehn Sekunden später schwamm der Bulle gerade über ihn hinweg und traf ihn sogar mit dem austretenden Hinterlauf an die Schulter.

War es nun der Fall, dass er etwas unter dem Wasser gefühlt, oder hatte er sich den Platz so genau gemerkt, wo der Verfolgte zum zweiten Mal unter der Oberfläche verschwunden war. Kurz, er drehte gerade dort um und schwamm zurück.

Mehrere Schüsse wurden jetzt von dem am Ufer versammelten Jägern auf ihn abgefeuert. Fritz konnte den dumpfen Schall deutlich selbst unter Wasser hören. Eine neue Gefahr erwuchs daraus für den verfolgten und so schon ermatteten Jäger, der leicht, wenn er wieder an die Oberfläche kam, von den nicht weniger als sicheren javanischen Schützen, statt des Stieres getroffen werden konnte. Nichtsdestoweniger musste er wieder nach oben, das längere Tauchen ließ ihn immer mehr nach Luft verlangen und er fürchtete, die Besinnung zu verlieren und dann zu ertrinken.

Seine Freunde am Ufer waren in kaum geringerer Angst, denn was Fritz unter Wasser nicht bemerken konnte, sahen sie vom Ufer aus soviel deutlicher, dass das wütende Tier nämlich zu wissen schien, wie sich sein Opfer gerade unter oder doch dicht bei ihm befinde und gerade dort wieder an die Oberfläche kommen musste, denn es passierte die Stelle kaum, als es auch wieder umkehrte und nun in kleinen Kreisen den Ort umschwamm.

Mijnheer Foelen und Evans feuerten jetzt ihre Gewehre auf ihn ab, eine Kugel traf ihn am Kopf, an dem sie jedoch seitwärts abprallte. Die andere schlug dicht vor ihm auf das Wasser und schnellte harmlos über ihn hin. Die Javanen schickten ihm auch eine Salve hinüber. Da aber diese ihr Blei nach allen Richtungen hinausstreuten und die Europäer das Wiederheraufkommen des Unglücklichen jeden Moment erwarten mussten, er aber von einer aufs Geratewohl abgefeuerten Kugel eben so gut wie der Stier selber getroffen werden konnte, so verboten sie es den Leuten. Überdies schien es auf den Bullen auch nicht die geringste andere Wirkung auszuüben, als ihn wo möglich noch wilder zu machen, denn er dachte gar nicht daran, an Land zurückzukehren, ehe er seiner Rache hier genügt hatte.

Fritz nun, im Begriff wieder aufzutauchen, warf den Blick vorher nach oben. Das Herzblut stockte ihm, als er die dunkle Gestalt des Feindes im hellen Wasser gerade wieder über sich hinschwimmen sah. Aber ihm blieb keine Wahl und nur in der Hoffnung, wenn er dicht hinter ihm wieder an die Oberfläche komme, nicht gleich von ihm gesehen zu werden. Dadurch wenigstens Zeit zu gewinnen, Atem zu holen und neue Kräfte zu sammeln, tauchte er, so rasch er konnte, auf, sah sich kaum drei Sekunden später im Tageslicht. Aber auch dicht vor ihm, dass er seine Hand hätte auf ihn legen können, schwamm der Stier.

Trotz seiner Erschöpfung suchte seine Hand doch nach dem Messer, als der Schwanz des wütenden Tieres gerade vor ihm das Wasser peitschte und dieses den Kopf wendend seiner ansichtig wurde. Fritz hielt sich für verloren, als ihm wie ein Blitz der Gedanke durch die Seele schoss, den Schwanz zu ergreifen und festzuhalten.

Ohne Widerstand im Wasser zu finden, war der Stier dann gar nicht imstande, ihn zu erreichen. Vielleicht konnte er ihn bewältigen. Jedenfalls gewann er Zeit, sich über Wasser zu halten und neue Kräfte zu sammeln. Natürlich brauchte er nicht den zehnten Teil der Zeit das auszuführen, wie ich hier, es zu erzählen. Im Nu hatte er den buschigen Schwanz des Stieres erfasst. Während dieser ein förmliches Wutgebrüll ausstieß und mit dem Vorderkörper nach ihm herumfuhr, riss er ihn auch eben so rasch durch sein eigenes Hinterteil sich selber aus dem Weg.

Angst, Aufregung und körperliche, fast übermenschliche Anstrengung hatten den jungen Burschen nun aber so ermüdet, dass er bereits fühlte, wie seine Kräfte nachließen. Seine einzige Hoffnung blieb die, den Stier, der auf so wunderliche und glückliche Weise von ihm gefasst war, mit seinem Messer anzugreifen und zu ermatten. Dieses also aus der Scheide reißend und sich selber so nahe wie möglich zum Körper des Tieres heranziehen, stieß er es ihm mit aller Kraft, deren er fähig war und so weit er nach vorne reichen konnte, in dessen Weichen, wiederholte den Stoß dreimal rasch hintereinander, die Wunde dabei so groß reißend, wie er nur irgend konnte.

Der also gefangene und angegriffene Stier brüllte laut auf in Schmerz und Wut, aber er war nicht imstande, weder von der einen noch anderen Seite den Gegner, der sich mit der Kraft der Verzweiflung an ihn anklammerte, abzuschütteln. Von der früheren Wunde selber erschöpft, drang auch noch das Wasser in die neuen Stiche und fing an ihn zu erlahmen und niederzuziehen. Noch einen Versuch machte er, den Feind mit seinen Hörnern zu erreichen. So gewaltsam war dieser, dass Fritz, der seine linke Hand nachlassen fühlte, in der plötzlichen Überraschung das Messer fallen ließ, nur um auch mit der rechten zuzufassen und sich festzuhalten. Aber er bedurfte keiner Waffe mehr. Das arme gequälte und durch Blutverlust erschöpfte Tier schien ihn ganz zu vergessen. Mit kurzem Brüllen und Stöhnen, der eigenen Erhaltung nur noch gedenkend, da es wahrscheinlich fühlte, wie es mehr und mehr zu sinken begann, fing es an, in gerader Richtung dem nächsten Ufer, einer flachen, offenen Sumpfspitze zuzuschwimmen und zog nun Fritz, der aber immer noch unschlüssig war, ob er dem Tier bis zum Festland folgen solle oder nicht, hinter drein.

Er hatte übrigens nichts mehr zu fürchten. Wo der Stier, der sich gar nicht mehr um die am Ufer herumspringenden Jäger kümmern und dessen Augen schon anfingen, grün und gläsern zu werden, das Land berühren musste, hatten sich schon mehrere der Javanen mit Mr. Evans selber, postiert. Als er mit den Vorderfüßen festen Boden berührte, schossen sie ihm von der Seite, auf kaum zehn Schritt Entfernung, drei Kugeln in den Kopf, dass er tot in dem seichten Wasser, die Blut schäumende Schnauze eben noch auf den Rand des Ufers bringend, zusammenknickte. Der junge Bursche aber, der mit einem förmlichen Freuden- und Triumphgeschrei von den übrigen Jägern empfangen wurde, war so matt geworden, dass er, als mit der beseitigten Gefahr auch die Erregung der Nerven nachließ, nicht einmal mehr allein das Ufer erreichen konnte und von den rasch in das Wasser springenden Javanen hinaufgezogen wurde.

Mit der Bantingsjagd war es aber nun vorbei, denn die übrigen Tiere hatten einen zu großen Vorsprung gewonnen und waren überhaupt zu sehr überrascht und erschreckt worden, als das man hätte daran denken können, sie wieder einzuholen, würde ihre eigene Erschöpfung das wirklich auch gestattet haben. Die Weißen überließen deshalb den Kulis, Fleisch und Haut der erlegten Tiere zur Plantage zu schaffen, bestiegen ihre Pferde wieder und ritten, so rasch es ihnen der enge oft unterbrochene Pfad erlaubte, dem nicht weit entfernten Lagerplatz für die Nacht zu, wo schon Vorrichtungen getroffen waren, als ob sie einen Monat hier oben hätten kampieren wollen.

Pfosten waren eingeschlagen und ein dichtes festes Dach aus Schilf und Blättern darüber gedeckt. Die Wände und Decke bildeten ausgespannte Stücken Zeug, die eine förmliche kleine Kammer herstellten. Selbst Matratzen fehlten nicht für die Europäer, die, auf den Schultern dazu bestimmter Diener bis hier oben in die entferntesten Berge geschleppt worden waren, damit die weißen Herren des Landes eine einzige Nacht darauf schlafen konnten.

Auch einen ordentlichen Tisch hatten die darin ungemein geschickten Eingeborenen aus Bambusstäben hergestellt. In Samarang oder Batavia selber hätte die Tafel nicht mit größerem Luxus und mit verschiedenartigeren Speisen, Früchten und Weinen bedeckt sein können, als hier. Wie aus dem Boden gezaubert war das alles im Herzen der furchtbarsten Wildnis entstanden. Als die Jäger ihre nassen Kleidungsstücke erst mit trockenen getauscht und aus der kleinen, dazu besonders hergerichteten Abteilung in das Speisezelt traten, rieb sich Fritz wirklich die Augen, um auch gewiss zu sein, dass er nicht träume, so sehr glich es einem Märchen aus Tausend und einer Nacht oder der tollen Zaubergeschichte, dem Tischlein deck dich, von denen sich die Kinder mit solcher Seligkeit erzählen lassen.

Der Luxus, der auf diese Art mit allem Möglichen, was zur Bequemlichkeit gehört, besonders aber mit Dienern getrieben wird, ist wirklich fabelhaft. Nie werden auch nur die kleinsten Expeditionen unternommen, ohne für jede Kleinigkeit zu sorgen, einen besonderen Bedienten oder Eingeborenen – zwei Worte hier ziemlich gleich bedeutend – zu erfordern. Hat aber gar ein oberer Beamter, oder ein Regent der Eingeborenen selber, die auch unter der Botmäßigkeit der Europäer stehen, eine Reise oder Inspektionstour zu unternehmen, dann genügt es schon nicht mehr, an jedem Ort, durch den er kommt, alles aufzubieten, was niet- und nagellos ist, seinen Bedürfnissen zuvorzukommen, sondern eine ganze Armee von Begleitern muss auch noch hinter dem Wagen her- und vorausrennen, um dem ganzen Land dadurch zu imponieren.

So in Holländisch Indien – und in Englisch Indien soll es noch schlimmer sein, wo jeder Leutnant bei der Armee ein Heer von Bediensteten hält, und ein Arzt, der einst eine kleine Tour allein zu unternehmen hatte, von seinen Freunden bedauert wurde, wie er wohl den meisten und doch so notwendigen Bequemlichkeiten werde entsagen müssen, da er nur etwa hundert Eingeborene zu seiner Begleitung habe.

Es ist wahr, das heiße Klima jener Zone verbietet dem Europäer jede Art von körperlicher Anstrengung. Das aber zur Entschuldigung nehmend, verweigert er sich auch selbst jede Bewegung und erschlafft dadurch in einer Reihe von Jahren seinen Körper dermaßen, dass er zuletzt nicht – einmal mehr imstande ist, wenn er es wirklich wollte, die leichtesten Verrichtungen selber vorzunehmen und nun zu einer Art Krüppel wird, der vollständig von seiner Umgebung abhängig, das hilfloseste Wesen auf der Welt sein würde, wenn ihn diese einmal plötzlich verließe. Es ist gut und ratsam unter der heißen Zone eine gewisse Vorsicht zu gebrauchen, besonders wenn unser Körper sich noch nicht an das fremde, heiße Klima gewöhnt hat. Sich aber fast jeder Bewegung des Körpers enthalten und mit wirklich ängstlicher Sorgfalt darüber wachen, dass man nicht einmal den Arm hebt, sich eine Zigarre anzuzünden oder sich einen Stuhl zum Tisch zu rücken – wie das eben dort geschieht – und dazu lieber eine Menge von Dienern herbeizurufen, schwächt und entnervt auch den Körper zuletzt solcher Art, dass die bösen und nachteiligen Folgen nicht ausbleiben können und viele, sehr viele Krankheiten der heißen Zone wohl eben so oft ihren Ursprung in der vollständigen und mutwillig herbeigeführten Erschlaffung unseres ganzen Nervensystems haben mögen, als in dem heißen Klima selber.

Am nächsten Morgen – die Nacht schliefen sie infolge der ungewohnten Anstrengungen ungewiegt – gingen Mr. Evans und Fritz allein auf die Jagd, da Mijnheer Foelen Geschäfte vorgab, welche ihn auf die Plantage zurückriefen. Er ließ ihnen jedoch den größten Teil der Leute zurück, mit denen sie sich aber nicht ordentlich verständigen konnten und die den Wald in einem solchen Aufruhr hielten und dermaßen nach allen Richtungen hin durch die Büsche brachen, dass gar nicht daran zu denken war, noch irgendwie zum Schuss zu kommen. Fritz fühlte sich auch wirklich zu ermattet von der gestrigen übermäßigen Anstrengung, die sich erst heute in seinen Gliedern zeigte. Gegen Mittag gaben sie das Jagen auf und kehrten ebenfalls, wohl sehr zur Freude ihrer sämtlichen Begleiter, zur Plantage zurück.