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Pamfilius Frohmund Eulenspiegel 6

Pamfilius-Frohmund-EulenspiegelDer durch eine steinalte, boshafte, drachenhässliche Teufels-Hexe in allerlei Viecherln verzauberte und durch einen Teufels- und G’waltsrausch wieder glücklich erlöste
Pamfilius Frohmund Eulenspiegel,
Erzkalfakter und einziger Sohn des weltberühmten Till Eulenspiegels,
nebst Pamfilis ganz neue, höchst lustigen Abenteuer, lustigen Streichen und tollen Possen
Altötting, Verlag der J. Lutzenberger’schen Buchhandlung.

Pamfilius als Geldherausschwindler

Am anderen Morgen, es war Sonntag, weckte mich die Glocke des Kirchleins um 8 Uhr aus tiefem Schlaf zum Besuch der heiligen Messe. Hinter dem Vorhang des Fensters sah ich die Köchin in die Kirche gehen. Der Herr Pfarrer war schon früher hingegangen. Ich kleidete mich schnell an und dennoch fand ich die Kirche schon so mit Leuten angefüllt, dass ich durch Tür nicht mehr hineinkonnte. Ich ging also durch die Sakristei und so wie ich rechts vom Choraltar die Kirche betrat, rissen die andächtigen Dorfleute Maul und Augen auf vor Verwunderung, denn ich erschien in prächtiger Edelmannstracht, die ich schon beschrieben habe. Die Mannsleute knieten in den Bänken rechts und die Weibsleute links, unter diesen am ersten, eigene ihr vorbehaltenen Platz der ersten Bank die Jungfrau Köchin, die ich im Vorbeigehen durch eine artige Verbeugung grüßte, die sie mit dem freudigsten Erstaunen erwiderte Ich kniete neben einem Bauer. Nach dem Ende der heiligen Messe und der Predigt wartete ich vor der Kirchtür auf die Köchin, reichte ihr den Arm und führte sie gar freundlich in den Pfarrhof zurück. Sie konnte mir nicht genug danken für meine ihr erwiesene Ehrenbezeugung.

Bald stand das Frühstück auf dem Tisch, an welchem auch der Herr Pfarrer teilnahm, dem ich das herzlichste und wirklich wohlverdiente Lob seiner vortrefflichen Predigt aussprach. Er verließ uns sodann, um mehrere Dorfbewohner anzuhören, welche an Sonn- und Feiertagen zu dieser Stunde zu kommen pflegten, um ihm ihr Anliegen zu eröffnen und seinen Rat zu erbitten. Dies war der für meinen Plan günstige Augenblick.

»Liebe Jungfrau Köchin«, sagte ich, »seid nun so gefällig, mir zu sagen, was ich für meine Nachtherberge und sehr gute Bewirtung schuldig bin!«

»Von einer Bezahlung kann gar keine Rede sein, Herr Edelmann, da Ihr uns durch die Erzählung Eurer merkwürdigen Reise nach Jerusalem so großes Vergnügen gemacht habt. Wollt Ihr uns etwa gar jetzt schon wieder verlassen?«

»Ja, leider! Ich muss nach Hause trachten, um dort alles zu ordnen und dann«, – hier blickte ich die Jungfrau Köchin zärtlich an – »meine künftige Frau zu holen.«

Sie schlug verschämt die Augen nieder.

»Zur Beschleunigung meiner Reise«, fuhr ich fort »muss ich auf dem nächsten Pferdemarkt einen tüchtigen Renner kaufen, den ich unter 100 Taler nicht bekomme. Offen zu gestehen, besitze ich aber kaum mehr als 40 Taler und will also bei den Prälaten in den Klöstern, die mir auf dem Weg liegen, den Versuch machen, ein Darlehen von 80 Talern zu erhalten, was mir auch nicht schwer fallen wird. Die Ungeduld meines Herzens «, – hier ließ ich wieder einen zärtlichen Blick los – »macht es mir unmöglich, die kostbare Zeit meiner Heimkehr durch eine langwierige Fußreise zu verschleudern.«

»Das ist sehr klug von Euch, Herr Edelmann, und da Euch der Besuch in den Klöstern, die Euch gewiss nicht bald fortlassen, viel Zeit kosten würde, so will ich Euch diese 80 Taler von meinem in vielen Jahren Ersparten recht gerne geben, und ich nehme dafür keinen Empfangsschein an, in der sicheren Hoffnung, nach kurzer Frist Euch wieder zu sehen.«

»Das versteht sich von selbst, geliebte … Wie heißt Ihr?«

»Genoveva Strömer.«

»Geliebte Genoveva, und nicht bloß auf kurze oder lange Zeit, sondern lebenslänglich!«

Ich breitete meine Arme aus, und die überglückliche Jungfrau Köchin sank an meine Brust. Sie brachte mir die 80 Taler in einem ledernen Beutel, den ich in eine Tasche meiner Pluderhose steckte. Ich musste noch zu Mittag speisen, und der Baumann musste mich in der Kalesche des Herrn Pfarrers einen Weg von drei Poststunden fahren, wofür ich dem Kutscher einen Taler aus meinem eigenen Vermögen schenkte, das sodann nur mehr aus vier Talern bestand. Erst von dem Kutscher erfuhr ich, dass das Dorf, worin meine Braut in der Einbildung lebt, Merkelfeld heißt.

Damit jedoch meine geneigten Leser mich nicht etwa für einen ordinären Spitzbuben und Geldherausschwindler halten, erzähle ich gleich jetzt, dass ich später, nach meiner Heimkehr zur Mutter, der Pfarrköchin Genoveva nicht bloß die 80 Taler, sondern auch zur Vergütung für meine freundliche Aufnahme und gastliche Verpflegung ein großes, künstlich gesticktes Bild der heiligen Genoveva übersandte, welches ich in einem Nonnenkloster in der Nachbarschaft meiner Heimat hatte machen lassen, mit einem artigen und dankbaren Brief, worin ich ihr bekannte, dass ich kein Edelmann – und nur ein solcher sei ihrer Hand würdig – sondern der Pamfilius Frohmund Eulenspiegel sei, der Sohn des verstorbenen, berühmten Till Eulenspiegel, den zu heiraten sie gewiss keine Lust haben würde. Vier Jahre danach erfuhr ich zufällig von einem Hausierer, dass Genoveva nach dem Tod des Herrn Pfarrers einen innigen Schäfflermeister in einem benachbarten Dorf geheiratet habe, und dieser ihre Hartherzigkeit und andere Unarten bereits glücklich aus ihr heraus geklopft habe, sodass sie seitdem recht vergnügt miteinander leben.

 

***

 

Meine mit vielen Abenteuern gespickte Wanderlust ließ mich noch an keine Heimkehr zu meiner lieben Mutter denken, die seit meiner Abreise von Assingen keine Nachricht von mir erhalten hatte, so hin gar nicht wusste, wo ich mich befinde. Ich ging immer in der Pilgertracht, die zu meinem guten Fortkommen das meiste beitrug.

Eines Tages kam ich in den Marktflecken Binseck, worin eben ein großer Pferdemarkt gehalten wurde.

Natürlich war mein erster Gang wieder ins Wirtshaus, und ich war kaum in die Gaststube getreten, als ein junger Mann von seinem Speiseplatz aufsprang, mir entgegeneilte und mit freundlichem Gruß mir die beiden Hände drückte.

Seppi war’s, den die geehrten Leser bereits kennen. Er zog mich auf einen Stuhl neben ihm und ließ noch ein Gedeck für mich und einen großen Krug des besten Weines bringen. Ich ließ es mir recht wohl schmecken.

»Nun, Seppi«, fragte ich, »Wie geht’s daheim?«

»Über alle Beschreibung gut. Meine liebe Stasi ist der Augapfel meines Vaters und meiner Mutter geworden; sie haben auch meine Schwiegermutter ins Haus genommen, und diese und die Stasi arbeiten für acht andere. Vater und Mutter brauchen sich um gar nichts mehr zu bekümmern. Was ihnen die Stasi nur an den Augen ansieht, das tut sie auch auf der Stelle. Ich bin zu Hause so entbehrlich, außer bei meiner Frau, dass ich auf den Pferdehandel ausziehen kann, der mir schon viel Geld eingetragen hat. Erst heute verkaufte ich wieder 43 Pferde und hatte bei jedem Stück 10 Taler Profit. Nun aber werdet ihr doch ein Geldgeschenk von mir annehmen, als ein Zeichen meiner Dankbarkeit für die Begründung meines Glückes und des Glückes meiner Stasi und meiner Eltern.«

»Nein, Seppi«, erwiderte ich ohne Zögern, »ich nehme keine Bezahlung für das an, was ich für dich getan habe, so sehr ich auch das Geld liebe und auch brauchen kann; denn ich will das frohe Bewusstsein haben, ohne Eigennutz Glückliche gemacht zu haben, was auf der Welt ein gar seltener Fall ist. Aber essen und trinken will ich mit dir, so lang es dir beliebt.«

»Gut, ich nehm euch beim Wort! Ich muss einige Tage hier bleiben, um einen Transport von 120 Pferden zu erwarten, deren Lieferung für die kaiserliche Armee ich übernommen habe, vier Knechte von mir sind dabei und sechs Aushelfer; ihr bleibt also so lange in diesem guten Wirtshaus mein Gast.«

»Diese Einladung nehm’ ich gerne an; da wollen wir recht viel Plaudern von deiner lieben Stasi und deinen Eltern. «

»Einverstanden! Das ist mein liebstes Gespräch.«

»Was sagte denn dein Vater wegen der vergebens erwarteten Erbschaft Stasis?« fragte ich lachend.

»Vier Wochen lang«, antwortete Seppi gleichfalls lachend, »erkundigte sich der Vater alle Tage, ob vom Gericht in Hamburg noch kein Schreiben – Geld wollte er nicht sagen – an die Stasi gekommen sei. Nach dieser Zeit fragte er nicht mehr, in der festen Überzeugung, dass recht spitzbübische Leute die Erbschaft müssten unterschlagen haben, wahrscheinlich der Schreiberlump, setzte aber ganz freudig hinzu: Tut aber nichts, da wir an Stasi einen weit größeren Schatz, als jene Erbschaft, gefunden haben.«

»Der Vater hat die Wahrheit gesprochen; er soll hoch leben, und die Mutter, und die liebe Stasi, und die Mutter der Stasi, und der brave Seppi!«

»Und ihr«, erwiderte dieser, hastig die beiden Becher füllend, »als der Stifter unseres häuslichen Glücks!« – Wir stießen zu diesem Lebehoch an.