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Pamfilius Frohmund Eulenspiegel 3

Pamfilius-Frohmund-EulenspiegelDer durch eine steinalte, boshafte, drachenhässliche Teufels-Hexe in allerlei Viecherln verzauberte und durch einen Teufels- und G’waltsrausch wieder glücklich erlöste
Pamfilius Frohmund Eulenspiegel,
Erzkalfakter und einziger Sohn des weltberühmten Till Eulenspiegels,
nebst Pamfilis ganz neue, höchst lustigen Abenteuer, lustigen Streichen und tollen Possen
Altötting, Verlag der J. Lutzenberger’schen Buchhandlung.

Pamfilius als Heiratsstifter

So oft ich auf der Straße ein Wirtshaus winken sah, lachte mir immer das Herz im Leib. Es versteht sich von selbst, dass ich nicht vorbeigehen konnte, ohne einzukehren, um ein gutes Mahl zu halten und womöglich dafür nichts bezahlen zu dürfen.

Ich trat in die Wirtsstube zu Kunried, einem Weiler an der Landstraße, und sah einen jungen Menschen, der sich mit seinem Rockärmel die Tränen aus den Augen wischte, als er mich erblickte.

»Wer bist du und warum meinst du?«, fragte ich ihn.

»Ich bin der Wirtssohn«, antwortete er, »und weine, weil mein Vater nicht zugeben will, dass ich meinen Schatz heirate. Meine Mutter ist auf meiner Seite, darf sich aber nicht mucksen, weil sie nichts gehabt hat, als sie mein Vater heiratete, wie mein Schatz, der auch nichts hat. Der Vater will, dass ich eine heirate, die drei- bis vierhundert Taler Vermögen hat.«

»Braucht denn dein Vater Geld in seiner Wirtschaft?«

»Er hat genug Geld, er kann niemals genug haben. Er möcht’ immer noch mehr haben. Außerdem ist er ein rechtschaffener Mann.«

»Und wer ist denn dein Schatz?«

»Die schönste, fleißigste und tugendhafteste Jungfrau weit und breit, und auf Feldarbeit und aufs Vieh versteht sie sich, dass es nur so eine Freude ist. Mein Vater weiß dies alles recht gut und hat alle Achtung vor ihr. Denn unser alter Herr Pfarrer hat sie schon oft von der Kanzel herab allem anderen Weibsvolk als ein Muster dargestellt. Aber er will nun einmal haben, dass ich eine mit Geld heiraten soll, um alles noch besser betreiben zu können. Leider ist aber mein Schatz arm, blutarm, eine Hirtentochter von der Einöde Rollsteig, eine Stunde von hier. Ihr Vater ist schon längst gestorben und die gebrechliche Mutter lebt ganz von der Arbeit meiner kreuzbraven Stasi.«

»Stasi heißt sie?«

»Ja, Stasi Ziller, 17 Jahre alt ist sie zu Johanni geworden, doch schon ein großes, bannt starkes Mädel.«

»Wo ist denn dein Vater?«

»Auf dem Feld draußen.«

»Und deine Mutter?«

»Oben in der Kammer. Sie tut Wäsche mangeln.«

»Wie heißt du denn?«

»Seppi.«

»So, jetzt weiß ich alles, was ich zu wissen brauche. Du glaubst also, mit deiner Stasi glücklich leben zu können?«

»Das glaub’ ich fest; aber ach! An dieses Glück darf ich gar nicht denken!«

Er fing wieder zu weinen an.

»Du bist ein Narr, Seppi, dass du weinst. Spare dein Weinen auf, bis du aus Freude weinen kannst, denn ich sage dir, dass dein Vater, bevor drei Tage vergehen, zu dir sagen wird, dass du die Stasi heiraten kannst, sobald du willst, je eher, desto lieber.«

Seppi riss Augen und Maul auf. »Ihr treibt Scherz mit mir, frommer Pilger. Das solltet ihr nicht tun!«

»Ich scherze nicht, Seppi. Ich bleibe hier, bis alles abgemacht ist. Was krieg’ ich von dir, wenn ich die Wahrheit gesagt habe?«

»Die Hälfte von meinem ersparten Trinkgeld, das ich immer bei dem Pferdehandel meines Vaters von den Käufern geschenkt erhalte, und wovon ich immer die Hälfte, damit es der Vater nicht so leicht merkt, der Mutter der Stasi als Unterstützung bringe. Die Stasi selbst nimmt nie etwas von mir an.«

»Gott bewahre mich, der armen Frau etwas zu entziehen! Wann kommt denn der Vater heim?«

»Bald. Die Mutter wird auch gleich in die Küche gehen.«

»Gut. Schweige von allem, was wir miteinander gesprochen haben, sonst wird nichts daraus.«

»Ich werde gewiss kein Wort davon reden.«

»So, und jetzt bring mir einen Krug Wein und sorge dafür, dass ich etwas Gutes zu essen bekomme.«

»Wird gleich geschehen.«

»Merk auf, Seppi! Nach dem Essen werde ich meine Reise nach Jerusalem erzählen. Wenn sie zu Ende ist, sage ich: So, jetzt bin ich fertig! So wie ich dies gesagt habe, geh’ aus der Stube hinaus. Was ich dann mit deinem Vater zu reden habe, darfst du in seiner Gegenwart nicht hören, sonst würde aus der ganzen Geschichte nichts.«

»Ich werde alles tun, was Ihr wollt.«

Während des Essens unterhielt ich mich recht gut mit dem Wirt und der Wirtin, die mir kreuzbrave Leute zu sein schienen. Nach Tisch bat mich der Wirt, meine Reise nach Jerusalem zu erzählen, wofür er mich zwei Tage lang zechfrei halten wolle, ein Antrag, den ich gerne annahm. Ich erzählte darauf los, dass es eine wahre Freude war, mich lügen zu hören. Dann sagte ich: »So, jetzt bin ich fertig!«

Seppi stand auf und ging zur Tür hinaus. Ich redete mit dem Wirt noch allerlei eine Zeit lang, dann zog ich ein Pergamentblatt aus meiner Brusttasche, worin ich aufmerksam zu lesen schien. Hierauf begann ich:

»Wirt, ihr konntet mir wohl einen Aufschluss geben?«

»Recht gerne«, sagte er.

»Ist in Eurer Gegend nicht eine Einöd namens Kellsteig?«

»Ja, aber Rollsteig heißt sie.«

»Haust dort nicht eine arme Hirtenwitwe, die eine einzige Tochter hat, welche Stasi heißt?«

»Ja.«

»Sind sie ordentliche Leute?«

»Recht brave Leute, aber ganz arm.«

»Nun, das freut mich!«

»Wieso?«

»Wenn sie arm sind und doch brav, so verdienen sie das große Glück, das ihnen bevorsteht und werden es zu schätzen wissen.«

»Ein großes Glück?«

»Das will ich meinen. Eine alte, entfernte Verwandte von Stasis Großmutter, die steinreiche Witwe eines Handelsherrn in Hamburg, hat der Stasi in ihrem Testament 2000 Taler vermacht, die vom dortigen Gericht an Euer Gericht zur Verabfolgung an die Stasi übersendet werden. Da der Richter mich in einem dortigen Weinhaus traf und von mir hörte, dass ich im Begriff sei, dieses Weges zu ziehen, so schenkte er mir 12 Taler aus seiner eigenen Tasche unter der Bedingung, auf meinem Weg die Stasi zu besuchen und sie auf ihr Glück vorzubereiten. Es wird nicht viele Richter geben, die so mir nichts, dir nichts 12 Taler hergeben, von denen freilich nicht mehr viel übrig ist wegen der weiten Reise.«

»Der Richter warnte mich auch vor seinem Schreiber, einem bildschönem jungen Menschen, aber gewandt, den Weibspersonen das Maul zu machen, ein Spieler und Säufer, ein Lump hinten und vorne, der mich auf meiner Reise begleiten wollte, um, wie er geradezu sagte, die reiche Stasi für sich zu fischen. Ich erklärte ihm, dass ich in der Gegend noch acht Tage lang dringende Geschäfte habe, ihn aber dann abholen wolle. Ich aber ging schon am anderen Tag fort und ließ den Lump sitzen, bin auch fest entschlossen, die Stasi vor ihm zu warnen.«

»Was man heute tun kann, soll man nicht auf morgen verschieben, besonders wenn es sich darum handelt, braven Leuten eine große Freude zu machen. Allein ich bin heute schon zu müde, will aber morgen mit Tagesanbruch die Einöde aufsuchen. Ist sie weit von hier?«

»Fünf starke Stunden. Der Weg ist beschwerlich zum Gehen, Pferde möchten sich die Füße brechen.«

Der Wirt hatte vier Stunden dazu gelogen, für meinen Plan ein gutes Zeichen.

»Nun, ich vergönne dieses große Glück den braven Leuten herzlich gerne«, sagte der Wirt scheinbar ganz gelassen, wünschte mir guten Appetit zum Wein, ich sollte nur fleißig trinken und ging langsam zur Tür hinaus. Eine halbe Stunde später sah ich ihn durch das Küchenfenster mit seinem Seppi, beide in ihren Feiertagsröcken, hinter dem Wirtshaus in einem Einspänner fortfahren.

Da geht etwas los!, dachte ich mir, vergnügt in den Bart lachend, den ich zwar nicht hatte. Sicher hat er angebissen!

So war’s auch.

Spät abends kamen sie zurück und der Wirt sagte zu mir: »Ich muss Euch etwas Neues berichten. Wie’s nur so gehen kann! Als ich der Wirtin und dem Seppi von der Erbschaft Stasis erzählte, gestand mir der Seppi, dass er und sie schon lange ein Liebespaar seien, er sich aber nicht getraut habe, mich zu bitten, ob er sie heiraten dürfe. Da hab’ ich ihn angefahren: Du dummer Lalli, warum hast du mir denn dies nicht schon lange gesagt? Als dein guter Vater hätt’ ich dir meine Einwilligung gleich gegeben. Das muss heute noch in Ordnung gebracht werden, damit es nicht heißt, dass ich erst nach dem Eintreffen der Erbschaft Stasis meine Einwilligung gegeben habe. Wir fuhren also zu ihr hinaus und eine halbe Stunde darauf wurde bei dem Herrn Pfarrer die Verlobung gehalten. Natürlich wurde von der Erbschaft kein Wort gesprochen. Übermorgen ist bei mir der Verlobungsschmaus und in 3 Wochen das Hochzeitmahl, und zu beiden seid Ihr freundlich eingeladen.«

»Ihr habt sehr klug gehandelt, Wirt«, erwiderte ich, »und mir einen beschwerlichen Gang erspart, wofür ich Euch sehr dankbar bin. Wenn der Schreiberslump kommt, wird er sich gewaltig ärgern, dass er mit einer langen Nase abziehen muss. Eure freundlichen Einladungen kann ich aber leider nicht annehmen, da ich morgen früh fortgehen muss, um am Abend in einem Kloster einzutreffen, dessen Herr Prälat mich eingeladen hat, übermorgen bei einer Primiztafel zu erscheinen und bei dieser Gelegenheit meine Reise nach Jerusalem zum Besten zu geben.«

Der Wirt bedauerte es, dass ich an den beiden Festen nicht teilnehmen könne, und schenkte mir zehn Taler. Als ich mit Seppi unter vier Augen sprach, bedankte er sich so herzlich, dass ihm die Tränen in den Augen standen, dafür, dass ich durch einen so guten Einfall der Gründer seines größten Glücks geworden sei. Er wollte mir fünf Taler aufbringen, die ich aber mit dem Bemerken nicht annahm, dass ich der Stasi nichts entziehen wolle.

Am anderen Morgen nahm ich Abschied, von der Wirtin reichlich verproviantiert mit gebratenen Hendeln und frisch gebackenen Kücheln. Unterwegs musste ich noch oft lachen über den Wirt, der mich so schön angelogen hatte, aber durch sein Geschenk von zehn Talern auch schon dafür bestraft war.

Im Lauf meiner Erzählung werden meine freundlichen Leser erfahren, dass ich später auf meiner Reise mit Seppi noch einmal zufällig zusammengetroffen bin.