Ausschreibung
Sternenlicht-Anthologie

Download-Tipp
Band 6

Heftroman der Woche

Archive
Folgt uns auch auf

Pamfilius Frohmund Eulenspiegel 2

Pamfilius-Frohmund-EulenspiegelDer durch eine steinalte, boshafte, drachenhässliche Teufels-Hexe in allerlei Viecherln verzauberte und durch einen Teufels- und G’waltsrausch wieder glücklich erlöste
Pamfilius Frohmund Eulenspiegel,
Erzkalfakter und einziger Sohn des weltberühmten Till Eulenspiegels,
nebst Pamfilis ganz neue, höchst lustigen Abenteuer, lustigen Streichen und tollen Possen
Altötting, Verlag der J. Lutzenberger’schen Buchhandlung.

Eine bekehrte Bäuerin

Es war Mittagszeit und ich voll Hunger und Durst. Meine Pilgerflasche, die ich noch im Hofkeller zu Assingen mit dem besten Wein gefüllt hatte, war von mir schon unterwegs ausgetrunken worden. Als ich aus dem Wald kam, erblickte ich eine schöne weite Ebene mit Feldern, auf denen viele Bauersleute fleißig arbeiteten.

Ich bin doch recht froh, dass ich kein Bauer bin, dachte ich mir, sonst müsste ich auch auf dem Feld draußen schwitzen; ich schwitze aber viel lieber an einem Mittagstisch, der unter der Last guter Speisen fast einen Krampf an allen Gliedern bekommen möchte.

Kaum 200 Schritte von mir entfernt stand ein großes, schönes Bauernhaus, durchaus gemauert, schier einem Edelsitz gleich aussehend, mit vielen Nebengebäuden, Stallungen, Dreschtennen, Wagenremisen. Mitten in dem weiten Geflügelhof, der von Gänsen, Enten und Hühnern neben ihrem hochmütigen Gockel wimmelte, erhob sich ein Taubenkoben, und ein schöner Pfau an der Seite seines unansehnlichen Weibchens schlug ein prächtiges Rad, das im Sonnenlicht in seiner ganzen Schönheit funkelte. Herrliches Obst, ein breites Aprikosenspalier, liebäugelten mir lockend entgegen. Ich hoffte hier eine gastliche Aufnahme bei so augenfälliger Wohlhabenheit und trat getrost in die Stube.

Da saß an einer Ecke des Tisches eine hübsche Frauenperson von höchstens 24 Jahren und spann fleißig. Oberhalb ihr, auf einem Vorsprung der Mauer, mitten in einem grünen Gebüsch und von Blumen umgeben, erblickte ich die spannhohen hölzernen und bemalten Figuren von Adam und Eva, und zwischen beiden den Baum mit der Schlange.

»Gelobt sei Jesus Christus!«, sagte ich grüßend.

»In Ewigkeit! – was wollt Ihr?«

»Seid Ihr die Bäuerin?«

»Ja, die bin ich.«

»Ist Euer Bauer auf dem Feld?«

»Nein, er ist in der Stadt bei dem Gericht, um den Ankauf von weiteren sechs Tagewerken Äcker und Wiesen und einem großen Fischweiher, gleich dor’ drüben, in Richtigkeit bringen zu lassen.«

»Da wünsch’ ich Euch Glück, einen so reichen Bauern geheiratet zu haben.«

»Umgekehrt! Der Bauer hat eine reiche Bäuerin geheiratet und die bin ich. Er war Oberknecht bei meinen nun verstorbenen Eltern, deren einzige Tochter ich war, weshalb ich alles erbte, auch das bare Geld, das man in Scheffeln ausmessen musste. Ich hab’ den armen Teufel geheiratet, weil er mir gefallen hat, fleißig ist und die Landwirtschaft von Grund aus versteht.«

»Ich sehe wohl, dass Ihr ein recht gutes Herz habt.«

Ich setzte mich auf eine Bank.

»Was? Ihr seht euch nieder? Was wollt Ihr denn eigentlich?«

»Euch um einen Becher Milch und ein Stück Brot bitten, weil ich ein armer Pilger bin.«

»Warum nicht gar! So arbeitsscheues Gesindel kommt täglich dahergelaufen, um sich von mir füttern zu lassen, und um ihr Anliegen recht herzzerbrechend zu machen, stecken sie sich in solche Kutten und geben sich für fromme Pilger aus. Sie kriegen aber nichts von mir.«

»Bäuerin, habt Gott vor Augen! Wenn Ihr mit nichts geben wollt, so könnt Ihr es sagen, ohne mich zu beschimpfen. Ich bin keiner vom Gesindel in Pilgertracht.«

»Ihr seid ein verdächtiger Pilgrim, der Ihr nicht einmal einen Pilgerstab führt.«

»Meinen Pilgerstab hab’ ich in einer Kapelle aufgehängt aus Dankbarkeit für meine glückliche Heimkehr aus dem gelobten Land.«

Schweigend betrachtete ich jetzt Adam und Eva.

»Diese schönen Figuren haben gewiss etwas zu bedeuten?«, sagte ich.

»Ja, ich heiße Eva und mein Bauer heißt Adam.«

»Ah so! Nun gehabt Euch wohl, Bäuerin! Nichts für ungut! Ich will schon beten für Euch dafür, dass Ihr mich da habt ausruhen lassen. Gott sei mit Euch!«

Ich machte einen Schritt, als ob ich fortgehen wollte, und bückte mich, gleichsam wie um ein losgegangenes Schuhband festzuknüpfen.

Da ertönte eine Stimme aus dem Paradies herab, in welchem Adam und Eva standen: »Geiziges Weib! Sogleich brate dem frommen Pilger zwei Hühner, tische ihm Butter, Käse, Nudeln und Wein auf, oder alles Vieh deines Bauernhofes wird heute Nacht zur Strafe deiner Hartherzigkeit verenden!«

Ich sah von unten, dass die Bäuerin erblasste und bebte, ließ aber nicht merken, dass ich jemanden hatte sprechen hören.

»Habt Ihr nichts, gehört, Pilger?«, fragte sie.

»Nein«, antwortete ich aufstehend. »Was soll ich denn gehört haben?«

Schnell gefasst, erwiderte sie: »Ich hab’ euch zugerufen da zu bleiben, und nun will ich Euch gestehen, dass ich mich nur zum Schein geizig stellte und Euch schimpfte, um Euch zu prüfen, ob Ihr wirklich ein rechter und frommer Pilger wärt. Ihr habt diese Probe bestanden, und deshalb will ich Euch auch jetzt gut bewirten, wie Ihr es verdient. Setzt Euch auf meinen Stuhl, ich will gleich für ein gutes Mahl sorgen!«

Sie hatte wirklich geglaubt, dass nur sie die Stimme Adams vernommen habe, und wusste auf eine geschickte Weise ihr plötzlich verändertes Benehmen glaubwürdig zu machen. Kaum war sie zur Tür hinausgegangen, als ich zwei Hendl erbärmlich kreischen hörte, denen sie eben mit dem Messer die Hälse durchschnitt.

Aha!, dachte ich mir, die Bäuerin ist bekehrt und hat schon angefangen, Wort zu halten.

Gleich danach brachte sie mir Butter, Käse und Wein und bat, einstweilen mich damit zu laben. Es werde schon noch Besseres nachkommen. Wirklich hörte ich bald darauf aus der nahen Küche das Schmalz zu den Kücheln in der Pfanne prasseln. Ich ließ mir den Wein trefflich schmecken, aß vom Übrigen nur wenig, um den Hauptappetit auf die Hendl aufzusparen, und dachte mir selbstgefällig: Pamfili, du bist doch ein prächtiger Kerl und kannst dich gut und wohlfeil in der Welt fortbringen, wenn du auch gar nichts anderes gelernt hättest, als die Bauchrednerei.

Endlich brachte mir die Bäuerin die zwei gebratenen Hendl nebst einer Schüssel voll Kücheln, so viele, dass sie sechs Dreschern die Mägen zersprengt hätten.

»Aber wo denkt ihr denn hin, liebe Bäuerin?«, sagte ich, »das ist ja bei Weitem zu viel!«

»Tut nichts, frommer Pilger, was ihr nicht zwingen könnt, das nehmt Ihr mit auf den Weg. Ihr werdet es wohl brauchen, denn die freigebigen Bäuerinnen sind gar dünn gesät.«

»Jawohl, und eine solche wie Ihr ist gewiss nirgends mehr zu finden.«

Sie saß mir gegenüber. Ich hielt ein köstliches Mahl und trank nach Herzenslust, als wollte ich mir auf vier Wochen vortrinken. Flugs brachte sie immer wieder einen frischen Krug Wein, so oft der vorige auf die Neige ging, wodurch ich zuletzt auf den Gedanken geriet, dass es gar nicht übel sein würde, wenn ich ihr Bauer wäre. Auch sie schien Gefallen an meiner Jugend zu finden, und erstaunte deshalb um so mehr über meine weiten Reisen über Land und Meer, die ich ihr ausführlich erzählte, sodass ich zuletzt selbst glaubte, sie wirklich gemacht zu haben. Endlich war es denn doch Zeit aufzubrechen. Ich musste alles Unverzehrte und noch darüber in meinen Ranzen und in die inneren weiten Taschen meines Pilgergewandes einquartieren. Sogar meine leere Pilgerflasche füllte sie mir als Herzstärkung mit dem besten Wein, den sie ihrem Bauer, wenn sie mit ihm besonders zufrieden war, nur an hohen Festtagen auftischte. Vielmals dankend, mit dem Versprechen, täglich für sie zu beten, nahm ich von ihr Abschied. Sie lud mich ein, nicht an ihrem Haus vorüberzugehen, ohne bei ihr einzukehren, wenn ich wieder des Wegs komme, was ich natürlich gerne zusagte. Sie begleitete mich bis zum Feldweg hinaus, der mich wieder auf die Landstraße führen würde. Noch aus weiter Ferne winkte ich ihr mit meinem Pilgerhut zu und dachte mir: Flattere hin, du dumme Gans, dich hab’ ich tüchtig gerupft!