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Pamfilius Frohmund Eulenspiegel 1

Pamfilius-Frohmund-EulenspiegelDer durch eine steinalte, boshafte, drachenhässliche Teufels-Hexe in allerlei Viecherln verzauberte und durch einen Teufels- und G’waltsrausch wieder glücklich erlöste
Pamfilius Frohmund Eulenspiegel,
Erzkalfakter und einziger Sohn des weltberühmten Till Eulenspiegels,
nebst Pamfilis ganz neue, höchst lustigen Abenteuer, lustigen Streichen und tollen Possen
Altötting, Verlag der J. Lutzenberger’schen Buchhandlung.

Sichtbare Räuber und unsichtbare Jäger

Die herzogliche Residenzstadt Assingen, in welcher ich am Hof ein so vergnügtes Leben geführt hatte, wie der Vogel im Hanfsamen, verließ ich im Grunde doch mit schwerem Herzen, obgleich der Gedanke mich tröstete, dass ich jetzt zu meiner lieben Mutter heimkehren könne, die sich durch meine großen Geldsendungen gewiss in den besten Umständen befand, daher ich hoffen durfte, künftig ein sorgloses Leben führen zu können, mit so wenig Arbeit wie nur immer möglich, und noch lieber mit gar keiner Arbeit.

Da nur wenig Geld in meinem Beutel war, und ich recht wohlfeil zu reisen wünschte, so zog ich eine Stunde außerhalb der Stadt in einem Wald mein Pilgerkleid an, weil ich wusste, dass ich als Pilger bei allen Bäuerinnen die beste Aufnahme ohne Bezahlung finden würde. Im Kloster Gottsgnad hatte ich viele abenteuerliche Reisebeschreibungen von Pilgern gelesen, die zu dem heiligen Grab gewallfahrt waren, und mir alles so gut gemerkt, dass ich eine solche Reise so genau erzählen konnte, als ob ich sie wirklich selbst erlebt hätte. Ich ging wieder eine Stunde weit fort, wurde müde, denn es war ein heißer Tag, und setzte mich auf den Rest eines abgesägten Baumes im Schatten eines Buchenwaldes mit der Aussicht auf die Landstraße.

Hier geriet ich auf den dummen Gedanken, nicht nach Hause zu meiner Mutter zu gehen, sondern mich noch länger in der Welt umzusehen, um doch nicht weniger Stückeln auszuführen, wie mein verstorbener Vater, der weltberühmte Till Eulenspiegel. Diesen Entschluss hätte ich nicht fassen sollen, der mir späterhin noch großes Unglück verursachte, wie meine freundlichen Leser aus dem Verlauf meiner Erzählung ersehen werden. Ich hatte schon so viel erlebt und durchgemacht, dass ich mich wahrhaftig nicht schämen durfte, ein würdiger Sohn meines Vaters zu sein. Aber so geht’s auf der Welt! Wenn es dem Esel zu wohl ist, so springt er aufs Eis und bricht sich ein Bein.

Indem ich so in Gedanken auf die Landstraße hinaussah, erblickte ich zwei junge, verdächtige Burschen, die des Wegs kamen und immer lauernd rechts und links schauten. Rechts und links war ein Wald, und zwischen diesen beiden Waldstücken ging die Straße durch. Jeder der beiden Burschen trug einen tüchtigen Prügel in der Hand. Plötzlich blieben sie stehen, hielten die Hände wie Schirme über ihre Augen, um von der Sonne nicht geblendet zu werden, und schauten scharf in die Richtung, wo ich saß. Dann nickten sie einander mit den Köpfen zu, gleichsam zur beiderseitigen Bestätigung, dass dort jemand sitze. Sie kamen schnell herbei.

Der Größere von ihnen rief mir zu: »Gib gutwillig her, was du hast, verkleideter Spitzbub, oder wir schlagen dich tot!«

»Ich bin kein verkleideter Spitzbub«, antwortete ich, »sondern ein armer, frommer Pilger.«

»Ein sauberer Pilger, der nicht einmal einen Pilgerstab hat!«

Leider war dies der Fall. Da ich die Residenzstadt nicht im Pilgergewand verlassen hatte, konnte ich ja schicklicherweise keinen Pilgerstab in der Hand tragen. Schon damals beschloss ich, mir in der nächsten Stadt einen Pilgerstab aus ganz kleinen Stücken machen zu lassen, die ich in den Ranzen stecken und nach Belieben anschrauben könne, wenn ich gerade Lust bekommen sollte, als Pilger zu wandern. Ich habe dies auch bei der nächsten schicklichen Gelegenheit getan.

»Der Pilgerstab ist mir gestohlen worden«, erwiderte ich, »als ich im Wald vor Müdigkeit eingeschlafen war. Dann hab’ ich mir diesen Stecken abgeschnitten.«

»Larifari! Also hast du wenigstens ein Messer. Her damit! Das Übrige werden wir dann schon finden.«

Ich neigte den Kopf und steckte meine rechte Hand in die Brusttasche meiner Pilgerkutte, als wollte ich das verlangte Messer ausliefern, als in kurzer Entfernung ein Ruf zu hören war.

»Mir nach, Jäger, mir nach! Dort sind die Spitzbuben, die wir suchen, und auch ihr Kamerad, als Pilger verkleidet! Schießt nur alle drei gleich nieder!«

Zum Schein sprang ich von meinem Sitz auf, als ob auch ich in Gefahr sei. Die beiden Spitzbuben aber rannten wie gehetzte Hirsche über die Landstraße in den anderen Wald hinein. Ich freute mich über meine Lebensrettung, die ich meiner Kunst als gewandter Bauchredner zu verdanken hatte. Denn die beiden Spitzbuben würden mich gewiss totgeschlagen haben, um mich dann desto bequemer ausplündern zu können. Ich eilte durch den Wald in einer Richtung fort, die dem Weg zu meiner Heimat gerade entgegengesetzt war, in die weite Welt hinaus, seltsamen Erlebnissen und zuletzt einem furchtbaren Schicksal entgegen, ohne auch nur die geringste Ahnung davon zu haben.