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Schwäbische Sagen 3

Schwäbische-Sagen

Die weißen Fräulein in Walddorf

Eine mündliche Überlieferung aus Walddorf

In dem Flecken Walddorf, der zwischen Tübingen und Nürtingen liegt, erschienen eines Winters in einem Haus zwei kleine weiße Fräulein. Diese besuchten die »Lichtkarz« (Spinnstube) und spannen mit den übrigen Mädchen um die Wette, setzten sich aber immer in die Ecke auf eine kleine Bank, redeten nicht ein einziges Wort und verließen regelmäßig die Spinnstube mit dem Schlag zehn Uhr. Man nannte sie auch »Erdweible« und sagt, sie seien eigentlich aus dem Unterland, vom Heuchelberg hergekommen und hätten nachts für die Menschen gearbeitet, namentlich immer das Brot gebacken.

In die Spinnstube kam zuweilen nur ein Fräulein allein, dann wieder beide miteinander, und das ging so fort bis gegen den Frühling hin. Da waren einmal eines Abends beide Fräulein wieder beisammen da und spannen, als man plötzlich vor der Tür eine unbekannte Stimme hörte, welche rief: »O weh, o weh, der Heuchelberg brennt!«

Da antwortete das eine Fräulein: »O weh, o weh, meine armen Kinder!«

Und wie der Wind waren sie fort und sind seitdem nie wieder gekommen.


Das unterirdische Fräulein

Eine mündliche Überlieferung aus Eybach

Es wollten einmal mehrere Burschen auf eine Höhe bei Eybach steigen. Da gesellte sich zu ihnen auch ein ganz armer Knabe und wollte mit. Die Burschen aber wiesen ihn zurück, es sei denn, dass er oben auf der Anhöhe in die Höhle schlupfen wolle, in welcher unterirdische Männer wohnen sollten. Der Knabe verstand sich endlich dazu. Und als sie nun bei der Höhle ankamen, banden sie alle Tücher, die sie hatten, zusammen und ließen den Knaben an diesem Seil hinab.

Wie der Knabe drunten sich umsah, so war dort ein Fräulein, ein Hund und mehrere kleine Männlein.

Das Fräulein aber hub an und sprach zu dem Knaben: »Weil deine Armut dich hierher geführt hat, so nimm dir, da von dem, so viel du willst!« Und bei diesen Worten zeigte sie ihm einen Haufen Spreu, von der steckte der Knabe so viel ein, als seine Taschen fassen konnten.

Nicht lange danach zogen ihn seine Kameraden wieder herauf. Da war plötzlich die Spreu in schweres, blankes Gold verwandelt. Als dies die anderen sahen und erfuhren, wie er es bekommen hatte, da rief einer, der ein reicher Geizhals war: »Jetzt lasst mich auch hinab! Potz tausend, ich will einen ganzen Sack voll mitbringen!« Und sogleich wurde er von seinen Kameraden in die Höhle hinabgelassen. Als sie aber später ihn wieder heraufzuziehen meinten, so hing an dem Seil statt seiner ein Geißfuß, und den Burschen selbst hat kein Mensch wieder zu Gesicht bekommen.


Die drei Nonnen bei Frickenhausen

Eine mündliche Überlieferung aus Frickenhausen

Bei Frickenhausen im Neuffener Tal ist ein Platz, der sogenannte »Kai« (Gehäu), und danach heißt auch ein Brunnen der Kai-Brunnen. Bei diesem hörte man früher drei schneeweiße Frauen, die man »Nonnen« nannte, oftmals singen. Auch sah man sie wohl in den Weinbergen umhergehen, besonders die eine, die sich nicht selten allein zeigte. Kam aber ein Mensch auf sie zu, so flohen sie immer in den Wald. Ganz regelmäßig erschienen sie am weißen Sonntag.


Ursprung von Frickenhausen

Eine mündliche Überlieferung aus Frickenhausen

In Frickenhausen hat sich zuerst ein Mann, der »Frick« hieß, einen Hof angelegt und ein Haus gebaut. Allmählich bauten sich bei dem Haus des Frick mehrere an, und so ist das jetzige Dorf zwischen Neuffen und Nürtingen entstanden.

Auf der Kirche zu Frickenhausen soll sich der erste Storch in der ganzen Umgegend niedergelassen und sein Nest gemacht haben, woher die Frickenhäuser noch immer den Beinamen »die Storche« führen.


Die Sibylle auf Teck

Sibylle war die Mutter der drei Brüder auf Wielandstein und vielleicht die beste und frömmste Frau, die je auf Erden gelebt hat. Sie hatte ihre Wohnung in einer tiefen Höhle auf Teck, die noch immer das Sibyllenloch heißt. Hier hat sie mancherlei geweissagt, was das Volk im Gedächtnis behalten hat. Namentlich soll sie gesagt haben: Die Welt werde nicht eher untergehen, als bis »die zwölf Sibyllen« wiederkämen. Ferner soll am Rhein, in der Gegend von Köln ein Krieg ausbrechen, der furchtbarer sein wird, als je ein Krieg zuvor gewesen war. Zuerst werden die Deutschen unterliegen, denn auch der Türke wird hier gegen uns streiten. Da werden die Männer im Land so selten werden, dass sieben Weiber um einen Krüppel, den sie alle gern zum Ehemann haben möchten, sich schlagen werden. Während dieses großen Kriegs wird es aber »drei Stund um Teck herum« sicher sein.

Endlich wird der Deutsche dennoch siegen, denn Sibylle hat geweissagt: »Zu Köln am Rhein soll des Türken sein Untergang sein.«


2.

Die drei Brüder auf Wielandstein machten der Sibylle vielen Kummer. Als sie sich trennten, baute sich der eine in ihrer unmittelbaren Nähe auf dem Teckberg an, und man glaubt, dass das württembergische Königshaus eigentlich von diesem ersten Herrn (Herzog) von Teck abstamme. Der andere baute nicht weit davon den Diepoldstein (Diepoldsburg), von dem noch mächtige Mauern zu sehen sind. Die Burg soll eine Fallbrücke gehabt haben, durch die man sich völlig abschließen konnte, und so führte hier der erste Inhaber derselben ein arges Räuberleben. Er bestahl besonders gern seine Brüder auf Wielandstein und Teck sowie auch seine eigene Mutter, von welcher er den Beinamen der »Rauber« erhielt. Dieser Name ist seiner Burg bis auf den heutigen Tag verblieben. Man nennt sie Rauber oder das Rauberschloss.

Aus Spott und Hass gegen seine Brüder nahm er auch alle solche Leute in sein festes Schloss, die das Leben verwirkt hatten und die vor seinen Brüdern geflohen waren.

Um den Verfolgungen leichter zu entgehen, ließ er seinem Reitpferd die Hufeisen verkehrt auflegen und täuschte dadurch oftmals seine Feinde.

Aus Gram über die Feindschaft ihrer Kinder hat Sibylle endlich das Land verlassen. Aber niemand weiß, wohin sie gezogen ist.

Indes alljährlich, wenn die Frucht zu reifen beginnt, kann man noch eine Stunde weit bis über die Lauter hinaus bei Dettingen die Richtung ihres Wagens, mit dem sie durch die Luft fahren konnte, verfolgen. Man sieht alsdann im Feld eine breite Wagenspur und unterscheidet ganz deutlich die Tritte von zwei Pferden, so wie die Sprünge des Hundes, der neben dem Wagen hergelaufen, als Sibylle weggezogen. Alle Stellen, über welche der Wagen und die Füße der Tiere damals hingegangen sind, die bleiben vierzehn Tage länger grün und haben auch später bei der Reife ein anderes Gelb. Sie sind mehr braun; die Frucht jedoch von diesen Stellen ist vortrefflich. Diese Wagenspur heißt allgemein »Sibyllenfahrt.«

Sie geht in gerader Richtung zuerst, vom Sibyllenloch aus, den steilen Teckberg hinab, dann wieder in die Höhe über den Kahlenberg, dicht unter dem »Mockel« hin (so heißt ein Fels, der auf dem Hohbohl oder Haubohl, dem höchsten Punkt des Kahlenbergs, steht); weiter über den Götzenbrühl, den Dettinger Teich hinunter durch die Lauter und die Weinberge, und verschwindet dann im Reigelwald. Das Laub der Bäume und Weinberge, über die sie hingefahren, bleibt ebenfalls brauner als das übrige Laub. Man hat wohl gemeint, die Sibyllenfahrt rühre von dem Erdreich her. Allein der Boden ist ganz derselbe, als der der übrigen Felder, weshalb es eine andere Bewandtnis damit haben muss.


3.

In der Höhle der Sibylle liegt noch ein großer Schatz in einem Koffer oder in einer Truhe und wird von einem schwarzen Pudel gehütet. Indes wurde eine Familie aus Bissingen plötzlich reich und niemand wusste, wie das zugegangen. Deshalb vermutet man, dass diese Familie den Schatz im Sibyllenloch gehoben habe.


4.

Auf der Teck, in der Nähe des Sibyllenloches, tanzen die Hexen, besonders in den Adventsnächten.

Auch der Schimmelreiter, der seinen Kopf unter dem Arm trägt, ist auf der Teck schon gesehen worden.


5.

Eine mündliche Überlieferung aus Owen (Auen)

Die Höhle der Sibylle muss sich zwei Stunden weit bis Gutenberg hingezogen haben, denn eine Ente, die man einmal hineinsetzte, kam bei Gutenberg wieder zum Vorschein. Außerdem soll ein künstlicher unterirdischer Gang von der Teck bis in die Stadtpfarrei von Owen führen.


6.

Eine mündliche Überlieferung aus Beuren

Als Sibylle mit ihrem Luftwagen das Land verlassen wollte, soll sie bei Beuren, unweit von Owen, auf einem Platz, der noch heute »Sibyllenkappel« heißt, sie niedergelassen haben. Die Wiesen, welche um diesen Platz herum liegen, sind von jeher gänzlich steuerfrei gewesen, was man eben der Sibylle zu verdanken hat. Man sagt aber, Sibylle habe Gott gleich werden wollen, habe deshalb fortziehen müssen und sei auf eine unbekannte Art ums Leben gekommen.


Die weiße Frau bei Gießen

Eine mündliche Überlieferung aus Tettnang

In der Nähe des Schlosses Gießen, das in dem gleichnamigen Weiler, nicht weit von Tettnang liegt, zeigte sich sonst oftmals den Knechten, wenn sie auf dem Feld ackerten, eine wunderschöne, weiße Frau, brachte ihnen Brot und allerlei Gutes zu essen, und reichte ihnen außerdem dazu silberne Messer und Gabeln. Sie war sehr freundlich und die Knechte unterhielten sich gern mit ihr. Einst jedoch stahl ihr der eine Knecht ein silbernes Messer. Seitdem ist sie nicht wieder gekommen.