Celtic Guardians 2
Gunter Arentzen
Celtic Guardians Folge 2
Unermessliche Gier
Timetraveller-Spinn-off
Dieser Roman schließt an die Ereignisse an, die in Die Schatzjägerin – Tempus Edax Rerum beschrieben werden.
Prolog
Überraschung
Festung St. George, 22.12.2012
I
Jaqueline sah die vereinzelten Lichter der Festung unter sich, während sie in einer nachtschwarzen Montur in die Tiefe jagte. Ein Atemgerät spendete ihr Sauerstoff, der spezielle Stoff sowie die Klimafäden in ihrer Schutzkleidung glichen die eisige Kälte aus.
Noch zehn Sekunden …
Im Display ihres Headsets sah sie nicht nur die Höhe fallen, sondern auch ihre Navigation, einen künstlichen Horizont und die Uhrzeit.
Der Computer berechnete permanent ihren Flug. Der Countdown lief, seit sie in 17.000 Fuß aus dem Flugzeug gesprungen war, und war zweimal korrigiert worden. Sie befand sich nun in der Endphase des freien Falls.
Arm-und Beinflügel ausklappen, Winkel auf 45 Grad korrigieren!
Jaqueline riss Arme und Beine auseinander, damit die Flügel aus ihren Taschen schlüpften. Kaum entfalteten sie sich, als ihr Sturz in einen kontrollierten Flug überging.
Mit dem Oberkörper korrigierte sie ihre Flugwinkel und hielt ihn stabil bei 45°. Sofort erschienen Steuerzeichen auf dem Screen. Sie musste ein wenig nach links ziehen, den Winkel auf 40° senken und sich auf eine Landung im Zielgebiet vorbereiten.
Sie befolgte die Anweisungen exakt und wurde zwei Minuten und elf Sekunden später mit einer butterweichen Landung im Zielgebiet belohnt.
Kaum berührten ihre Füße den Boden, als sie auch schon auslief, dann aber die Flügel in die Taschen schob, eine Black Mamba Pistole samt aufgeschraubtem Schalldämpfer und einigen Extras aus dem Holster zog und sich an die Wand presste, um auf ihre beiden Partnerinnen zu warten.
Laut virtueller Sicht, die ihr das Headset zur Verfügung stellte, landeten diese in fünf, vier, drei, zwei, eins …
Zwei dunkle Schatten jagten heran, vorsichtige Schritte erklangen, dann war Team Celtae vollzählig am Boden und bereit für den Einsatz.
II
Die Nacht war wolkenverhangen. Ein Vorteil für das, was Jaqueline und ihr Team nun planten.
Sie waren Teil der Operation Nightly Breach, eine Übung, an der Agenten westlicher Geheimdienste teilnahmen. Sowohl die USA als auch Großbritannien, Australien, Israel und Frankreich hatten je zwei Top-Agenten geschickt, um ihr Bestes zu geben.
Koordiniert wurde die Übung im Operations-Center des MI6 in Vauxhall Cross.
Ziel war es, in die Server des militärisch gut bewachten Forts einzudringen, die Daten zu stehlen und zu verschwinden; das alles in möglichst kurzer Zeit und ohne eigene Verluste. Die Opfer auf der Gegenseite waren irrelevant.
Für die Truppen des Forts galt es, diesen Datenverlust mit allen Mitteln zu verhindern, die Agenten auszuschalten und ihrerseits die Zahl der Verluste so gering wie möglich zu halten.
Was die Agenten, die an diesem Einsatz teilnahmen, nicht wussten, war, dass die Leitung des Manövers Jaqueline engagiert hatte, um ihrerseits an die Daten zu gelangen. Sie und ihr Team sollten zudem jeden anderen in diesem Fort als Feind ansehen, also auch die Agenten.
Beobachtet wurde das Manöver von Chefs der beteiligten Dienste sowie dem Initiator des Manövers; Peter Salasky, einem engen Berater des amerikanischen Präsidenten im Bereich der Aufklärung und Problemlösung.
Jaqueline, die auch weiterhin ihren Helm trug, schaute sich vorsichtig um. Der Plan war so oft besprochen worden, dass sie sich nun im Zielgebiet weder mit Janice Becker noch mit Frozen Heart unterhalten musste.
Jeder von ihnen wusste, was er zu tun hatte.
Statt den Weg hinab ins Herz der Anlage zu nehmen, liefen sie nahezu geräuschlos zu einer Antenne, die auf dem höchsten Punkt des Forts in den Himmel ragte.
Laut Dennis Porter, ihrem Operator, musste es möglich sein, den dort vorhandenen Service-Zugang zu nutzen, um an die Daten zu gelangen.
Das hatte den Vorteil, dass sie sich weder durch eine Horde schießwütiger Wachen kämpfen noch mit den Kollegen um die Daten balgen mussten.
Sie erreichten die Antenne und gingen in Position. Frozen Heart ließ hierzu ein Scharfschützengewehr von der Schulter gleiten, kauerte sich hinter eine Brüstung und hielt den einzigen Weg im Blick, der hier hinaufführte.
Janice hingegen assistierte Jaqueline.
Diese nutzte ein kleines Allzweck-Werkzeug, um die Klappe von dem Servicezugang zu lösen. Zwei Schrauben mussten hierfür geöffnet und eine kleine, metallene Platte entfernt werden.
Kaum war dies geschehen, koppelte Jay-Be ihren iX per USB-Kabel mit dem Port. »Dennis, du kannst übernehmen!«
»Software zum Infiltrieren ist … Ich werde verrückt!«, wisperte ihr Operator, der in einem kleinen Hotelzimmer saß und die Aktion per Notebook verfolgte.
»Was?«, fragte Jaqueline alarmiert.
»Der Zugang ist offen! Kein Passwort, keine Firewall – absolut nichts!« Er lachte leise. »Ich habe das relevante Verzeichnis gefunden. Dump der Daten läuft!«
Der Vorgang dauerte drei Minuten. Die drei Frauen kamen sich vor, als sei dies ein kleiner Ausflug zur Sommerfrische. Der Absprung, eigentlich der Beginn einer gewagten Operation, war bisher noch das Aufregendste gewesen.
»Fertig, ihr könnt verschwinden!«, sagte Dennis. Dann lachte er triumphal. »Damit dürften wir die Kollegen geschlagen haben!«
»Scorpion?«, hörte Jaqueline eine Stimme im Headset, noch bevor sie ihrem Operator zustimmen konnte. »Wir hier oben sind uns einig – ich möchte, dass ihr unsere Jungs ausschaltet! Mal sehen, ob ihr dies ebenso höllisch effizient erledigt!«
»Copy!«, sagte Jaqueline nur. Peter, du Schwanz! Dir gefällt nicht, dass wir schon nach Hause gehen können!
Sie schüttelte kurz den Kopf und dachte nach, während sie die Blicke ihrer beiden Begleiterinnen auf sich spürte.
Bisher sind keine Schüsse gefallen. Die Agenten werden Schalldämpfer benutzten, die Wachen haben jedoch M16. Wir würden sie hören! »Dennis, haben unsere Kollegen einen Hack im Sicherheitssystem?«
»Yepp. Ich hab ihn gesehen, als ich mich umschaute.«
»Nutzt er uns?«
»Nicht, solange ihr dort oben bleibt!«
»Dann hol ihn raus!«
»Roger!«
Sie hörten leises Tippen. »Ist raus!«
Die Worte gingen unter, denn eine Sirene meldete Gefahr, Scheinwerfer flammten auf.
Schüsse fielen; wütendes M16-Sperrfeuer, wieder und wieder.
»Ich habe die Frequenz der Kollegen gefunden und entschlüsselt. Wollt ihr hören, was sie sagen?«, fragte Dennis und sie hörten regelrecht, dass er grinste.
»Drei Mann Down!«, hörten sie die gestresste Stimme eines Mannes.
»Vier!«, korrigierte ihn ein anderer. »Wieso hat unser … Was? Jemand anderes ist im System?«
»Wir müssen zum Server, koste es, was es wolle!«
»Das wird nicht so einfach! Wir kommen kaum durch!«
»Dennis, kannst du den Serverraum dichtmachen?«, fragte Janice, die sich bisher still verhalten hatte.
»Du meinst, das Sicherheitssystem für den Serverraum aktivieren? Sicher!«
»Dann tue es!«
Wieder hörten sie Tippen.
Dann fluchte einer ihrer Kollegen. »Wir sterben wie die Fliegen und nun ist der Serverraum dicht!«
Sekundenlang herrschte Stille. »Abbruch!«, befahl schließlich eine tiefe, sonore Stimme. Jaqueline erkannte den Mann, Luther Washington, CIA-Agent und Experte für Infiltration. »Wir nehmen das Boot am Stand! Los!«
Sie hörten die Schüsse. Sie verlagerten sich nun auf die gegenüberliegende Seite der Festung.
Jaqueline, Janice und Frozen Heart eilten zu einer Brüstung, nutzten ihre Headsets und sahen, dass drei Mann ein Boot zum Wasser zogen. Alle anderen waren offenbar ausgeschaltet.
»Triffst du von hier aus?«, wisperte Jaqueline.
»Und ich dachte schon, ich sei umsonst mitgekommen!« Die einstige Auftragskillerin und ehemaliges Mitglied einer IRA-Splittergruppe legte an.
Jaqueline und Janice sahen, dass sie die Ruhe selbst wurde, einatmete, die Luft anhielt und abdrückte.
Drei rasche Schüsse, drei Treffer.
»Wer zur Hölle ist das?«, rief Luther Washington. Durch den Zoom der Headsets sahen sie, dass er sich frustriert umschaute. »Wir sind alle down, verflucht!«
»Gute Arbeit, Scorpion! Geht nach Hause!«
Peter Salasky schaltete ab, noch bevor Jaqueline etwas erwidern konnte.
»Das also war es!«, sagte Janice laut.
»Pst!«, wisperte Jaqueline sofort. »Er sagte nicht, dass die Übung beendet sei! Eine Falle …!«
»Bastard!«, entfuhr es Janice.
»So ist es, wenn man mit den großen Jungs spielt. Du wolltest dabei sein«, sagte Jaqueline sanft.
»Ich genieße es. Ein Bastard ist er dennoch!«
»Natürlich! Das muss man auch sein, wenn man den Präsidenten berät. Also schön, wir verschwinden!«
Sie stellten sich auf die Brüstung und programmierten den Kurs zu jenem Schiff, das sie am Ende des Jobs aufnehmen sollte.
Anschließend stießen sie sich ab und jagten durch die Nacht, tiefer und tiefer, über das Wasser und hin zu dem britischen Flugzeugträger, der in tiefster Finsternis lag und auf sie wartete.
In der Festung feierten die Wachen derweil einen verfrühten Sieg!
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