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Frederick Marryat – Die Sendung – Kapitel 6

Kapitän Frederick Marryat
Die Sendung
Umschlagzeichnung nach Originalentwürfen von Professor Honegger
Neue deutsche Ausgabe. Magdeburger Verlagsanstalt. 1915
Kapitel 6

Am nächsten Mittag wurde uns die Annäherung des Xhosakönigs durch lautes Geschrei tanzender Männer angekündigt. Diese waren eine Art Herolde, die bei jedem Zeremonienbesuch vor ihrem Herrn einhergingen. Dann kam eine Abteilung von Kriegern, die mit Assagaie und Schilden bewaffnet war, und hinter ihnen kam Hinza, der von fünfzig Häuptlingen begleitet wurde. Sie waren alle nackt und mit Fett und rotem Ocker beschmiert. Als sie vor dem Missionshaus anlangten, setzten sie sich zu beiden Seiten des Xhosakönigs nieder, der von allen, namentlich aber von dem gemeinen Volk mit größter Ehrfurcht behandelt wurde. Jeder, der zufällig vorbeikam, gab zu Ehren des Königs eine sogenannte Begrüßung ab, die übrigens seine Majestät augenscheinlich keiner Anerkennung wert zu achten geruhte.

Unsere Reisenden begaben sich, von dem Missionar begleitet, in den Kreis und begrüßten den König. Mr. S. gab über den Zweck ihrer Reise Auskunft und berührte ihren Wunsch, dass es einigen königlichen Kriegern gestattet werden möchte, sie auf ihrer Expedition zu begleiten. Nach dieser Rede wurden einige Pfund farbiger Glasperlen, eine Rolle Tabak, zwei Pfund Schnupftabak und einige Ellen Scharlachtuch als Geschenk vor seiner Majestät Füßen niedergelegt. Als diese Gegenstände ausgebreitet waren, nickte Hinza mit dem Kopf und wandte sich dann an seine Räte, mit denen er längere Zeit flüsterte. Hierauf erklärte er, dass die fremden Männer ohne Furcht durch sein Land ziehen sollten, denn seine Krieger würden sie auch so weit begleiten, wie sie es wünschten.

»Aber«, fügte er hinzu, »wissen die Fremden auch, dass in dem Land jenseits Unruhen sind?«

Mr. S. antwortete bejahend und Hinza erwiderte: »Es ist gut, wenn Gefahren vorhanden sind. So werden sie meine Krieger darauf aufmerksam machen und im Notfall selbst für sie fechten. Ist ihr Feind zu stark, so müssen die weißen Männer zurückgehen.«

Hinza befahl sodann einigen Räten, die Geschenke in Verwahrung zu nehmen und fragte S., wie viel Krieger sie haben möchten und wann sie aufbrechen wollten. Die Antwort lautete, dass fünfzig Krieger ausreichen dürften und es ihnen lieb wäre, wenn sie schon am nächsten Morgen ihre Reise fortsetzen könnten.

»Es ist gut«, entgegnete Hinza, »fünfzig Krieger sind genug, meine Leute essen viel – sie sollen bereit sein.«

Die Beratung löste sich auf, und der König entfernte sich mit seinem Gefolge, nachdem er sich zuvor von unseren Reisenden verabschiedet hatte. Gegen Abend wurde ihnen als Gegengeschenk eine alte Kuh geschickt, welche von den Khoikhoi geschlachtet und bald verzehrt war. Jetzt wurden die Vorbereitungen zum Aufbruch getroffen.

Am nächsten Morgen, bei Tagesanbruch, fanden sich die Xhosakrieger mit ihren Schilden ein. Es waren lauter große, schlanke Jünglinge, im Alter von 20 – 25 Jahren. Alexander bat Mr. S., ihnen zu sagen, dass sie ein Geschenk vor ihrer Entlassung erhalten sollten, wenn sie sich gut führten und treue Dienste leisteten. Dieses Versprechen wurde mit größter Freude aufgenommen. Die Ochsen wurden bereits eingespannt und unsere Reisenden bestiegen, nachdem sie sich vom würdigen Missionar verabschiedet hatten, ihre Pferde, um ihre Expedition fortzusetzen. Den ganzen Tag über folgten sie dem Ufer des Kae-Flusses, der abwechselnd zwischen Tälern und waldigen Bergen dahinglitt. Als die Sonne glutrot hinter einem Berg unterging, hatten sie eine waldige Anhöhe erreicht und schauten auf den Fluss nieder. Der Anführer der Xhosa, der wie seine Leute den Schild an der Seite des Wagens aufgehängt hatte, stand, den Assagai in der Hand, an der Seite unserer Abenteurer und machte sie auf zwei oder drei große dunkle Massen aufmerksam, die auf dem jenseitigen Ufer sichtbar waren.

»Was ist das und was sagt er?«

»Flusspferde«, versetzte der Dolmetscher.

»Wir müssen sofort Jagd auf sie machen«, entgegnete darauf der Major.

»Versteht sich. Sagt ihnen, dass wir halten wollen, und womöglich eines dieser Tiere schießen«, sagte Wilmot zum Dolmetscher.

Die Xhosa waren augenblicklich in Bewegung. Sie liefen zum Flussufer hinunter, schwammen hinüber und blieben ruhig, bis unsere Reisende das Signal gaben. Die Tiere lagen gleich Schweinen an einer Flusswendung auf einer Schlammbank, die einen ganz, die anderen nur teilweise aus dem Wasser ragend. Zwei lagen etwas abseits von den anderen. Auf diese krochen die Xhosa zu, bis sie ihnen in dem hohen Schilf auf einige Schritte nahe gekommen waren. Henderson und Wilmot stiegen mit einigen Khoikhoi zu einer Stelle des Flussufers nieder, die sich dem Lager der Tiere gegenüber befand. Als sie nur noch hundert Schritte entfernt waren, legten sie an und gaben Feuer. Auf den Knall sprangen die Ungeheuer von ihren Schlammbetten auf. Drei oder vier stürzten in das tiefe Wasser, die anderen aber, welche noch halb schliefen, blieben einige Sekunden stehen, als wüssten sie nicht, was sie tun sollten. Zwei davon waren augenscheinlich, als sie ins Wasser eilten, verwundet, denn sie blieben nicht unten, sondern hoben sich, wie im großen Schmerz, schnell an die Oberfläche. Man sah deutlich, dass es ihnen daran gelegen war, aus dem Wasser zu kommen. Sie machten auch den Versuch. Da sie sich aber vor den Leuten am Ufer fürchteten, so stürzten sie wieder hinein. Auf den ersten Knall der Gewehre wurden die zwei, welche abseits gelegen hatten, von den verborgenen Xhosa mit ihren Assagaie durchbohrt, die sie mit ins Wasser nahmen. Sie erhoben sich gleichfalls und zappelten wie die Übrigen. Sobald aber ihre Köpfe über der Oberfläche erschienen, krachte gegen sie die nie verfehlende Büchse des Majors, bis sie vom Blutverlust aufgerieben, tot an der Oberfläche schwammen.

Die Xhosa warteten, bis die Tiere einige Hundert Schritte stromabwärts geführt waren, weil sie im Wasser von der übrigen Herde angegriffen zu werden fürchteten. Dann aber schwammen sie danach hin und holten die Beute ans Ufer. Sie war ein großer und willkommener Proviantzuwachs der Leute, aber diejenigen, welche zu der Karawane gehörten, waren nicht die Einzigen, die davon Vorteil zogen.

Alle Xhosa der benachbarten Dörfer eilten zu dem Fluss und nahmen große Massen Fleisch für sich mit. Es war jedoch mehr als genug für alle da, sodass auch die Wölfe bedacht blieben, nachdem die Menschen genommen hatten, was ihnen zusagte. Noch ehe man die Tiere zerlegt hatte, war es schon spät geworden und die Reisenden beschlossen, an Ort und Stelle zu übernachten. Große Feuer wurden angezündet und die Khoikhoi und Xhosa, alle bunt durcheinander, waren emsig mit Rösten, Sieden und Braten beschäftigt. Das Verzehren des Fleisches ging ebenso schnell wie das Kochen. Ersteres geschah mit einer wahren Fressgier, denn die Wilden hatten sich vollgepfropft, als sie sich zum Schlafen niederlegten. Wilmot hatte jedem außerdem eine Ration Tabak verabreicht, was das Wohlbehagen der Leute noch mehr erhöhte.

»Der Braten schmeckt nicht übel«, meinte der Major, als sie beim Nachtessen saßen.

»Etwa so wie Rindfleisch«, erwiderte Swinton. »Was treibt denn Omrah jetzt? Gewiss sinnt er wieder auf Unfug. Letzteres Sonntagabend, als sie in der Mission waren, hat er einige Khoikhoi an der Nase herumgeführt. Bremen teilte es mir mit und wollte vor Lachen sterben, als er es erzählte. Wie Ihr wisst, gibt es in dieser Gegend eine Vogelart, die man den Honigvogel nennt. Sie erinnern sich wohl, denn ich zeigte ein Exemplar, das ich ausgestopft habe. Der Honigvogel ist ein großer Freund von Honig und nährt sich davon, wann er kann. Da jedoch die Bienen ihre Stöcke in den Stämmen alter morscher Bäume haben, und das Loch sehr klein ist, kann der Vogel unmöglich ohne Beistand zu dem Leckerbissen kommen. Sein Instinkt lehrt ihn nun, Menschenhilfe aufzubieten, was durch ein eigentümliches schnarrendes Geschrei geschieht, durch welches er anzeigt, dass er einen Bienenschwarm gefunden hat. Die Eingeborenen wissen dies genau und folgen dem Vogel, sobald sie ihn unter dem eigentümlichen Geschrei in der Nähe fliegen sehen. Das Tier führt nun den Zug an und lässt sich hin und wieder auf einen Ast nieder, um den Menschen in die Lage zu versetzen, ihrer zu folgen, bis er endlich an dem Baum anlangt, wo er hin- und herflattert, ohne irgendein Geräusch zu machen.«

»Wie merkwürdig!«

»Unser kleiner Buschmann weiß dies ebenso gut wie die Khoikhoi. Als er hörte, dass sie ausziehen wollten, um Honig zu suchen, ging er vor ihnen in den Wald, versteckte sich dort und ahmte das Geschrei des Vogels so täuschend nach, dass die Khoikhoi ihm stundenlang folgten, obgleich sie sich wunderten, dass der Vogel sie in solche Entfernung führte. Bei Sonnenuntergang hatte er sie an dieselbe Stelle zurückgebracht, von wo sie ausgegangen waren. Nun zeigte er sich etwa hundert Schritte vor ihnen tanzend, wie Begum, sodass sie glaubten, es sei nicht der Knabe, sondern der Affe. Er erreichte die Karawane wieder und erzählte es im Vertrauen Swaneveld, der seine Sprache redete, und dieser teilte es Bremen mit.«

»Großartig«, sagte der Major, »verlasst Euch drauf, er führt bereits wieder etwas im Schilde.«

»Der Junge hat gute Anlagen zum Zeichnen«, bemerkte Alexander.

»Gewiss, ich habe ihm kürzlich einen Bleistift und ein Blättchen Papier gegeben, auf welches er alle Vögel so gut zeichnete, dass ich sie gleich erkennen konnte. Fast alle Buschmänner besitzen diese Eigenschaft und schmücken ihre Höhlen mit Tierzeichnungen aller Art, die merkwürdig sind. Bei den Buschmännern ist der Nachahmungstrieb sehr stark entwickelt, und nur daraus erklärt sich ihr Zeichentalent, wie auch Omrahs merkwürdige Nachahmungsgabe. Ich schlage jetzt vor, nach unseren Wagen zurückzukehren. Außer uns scheint alles zu schlafen.«

Dies war jedoch nicht der Fall. Kaum hatten wir eine halbe Stunde geschlafen, als wir durch ein lautes Geschrei geweckt wurden. Man griff zu den Gewehren und sprang aus dem Wagen, ohne sich lange mit dem Ankleiden aufzuhalten. Die Khoikhoi und Xhosa hatten sich so vollgegessen, dass der Lärm nur wenig weckte. Einige drehten sich nur auf die andere Seite, ohne aufzustehen – Bremen ausgenommen, der sich aufmachte und mit dem Gewehr in der Hand in die Richtung der Hilferufe eilte. Unsere Reisenden folgten ihm und trafen bald den Gegenstand ihres Suchens – den großen Adam. Als sie beim Licht des noch glimmenden Feuers seinen Zustand bemerkten, konnten sie sich eines schallenden Gelächters nicht enthalten. Zweifellos hatte man es wieder mit dem Werk des kleinen Omrah zu tun. Der große Adam hatte den Schwank nicht vergessen, der ihm von dem Knaben gespielt worden war, und ihm mehr als einmal, wenn er ihn erwischen konnte, tüchtige Ohrfeigen gegeben. Jetzt lag der lange Kerl auf dem Boden und wurde von zwei Hunden fortgezerrt. Omrah hatte einige Knochen der Flusspferde, an denen noch etwas Fleisch haftete, gesammelt und sie dem langen Adam, der schlafend dalag, an die großen Zehen gebunden. Als alles schlief, ließ er zwei große Hunde los, welche mit den anderen unter den Wagen angebunden waren und nicht überfüttert wurden, damit diese um so wachsamer blieben. Die Hunde waren hungrig auf die großen Knochen geraten, die sie ergriffen und fortschleppten, um ihre Mahlzeit ungestört halten zu können. Bei diesem Versuch schleppten sie auch den großen Adam mit weg, der vor lauter Angst, von Hyänen oder Wölfen gefressen zu werden, laut um Hilfe schrie. Bremen durchschnitt die Riemen, und die Hunde liefen mit ihrem Fraß davon. Adam half sich mühsam wieder auf die Beine, ohne aber in seinem Schrecken den Schwank zu begreifen, der ihm gespielt worden war. Nachdem sich unsere Reisenden tüchtig ausgelacht hatten, zogen sie sich zu ihrer Schlafstelle zurück. Der Major traf Omrah und Begum wie gewöhnlich in ihren Wagenecken. Ersterer tat, als schliefe er, während Begum sich über die ungewohnte Störung sehr merkwürdig benahm.

Am anderen Morgen nahmen sie bei Tagesanbruch ihre Reise wieder auf. Der große Adam marschierte mit verdrießlichem und kläglichem Gesicht umher. Omrah und Begum saßen auf dem Magazinplan und waren ganz aus dem Bereich der Khoikhoi. Bremen hatte seinen Kameraden den Vorgang mitgeteilt, und alles lachte den großen Adam aus, der im Stillen dem kleinen Omrah Rache schwur.

Die Ebene wurde schön und fruchtbar und überall ließen sich Xhosadörfer sehen. Außer dem Besuch der Xhosa, welche sich sehr zutraulich benahmen, als sie unsere Karawane von Kriegern des Königs begleitet sahen und fast täglich ein Stück Vieh zur Beköstigung der Leute zuführten, fiel vier Tage lang nichts vor. Am fünften Tag erreichte die Expedition den St. Johannesfluss, der die Grenze des Hinzaischen Gebietes bildete. Aber die jenseits wohnenden Volksstämme, die die Herrschaft Hinzas nicht anerkannt hatten, respektierten die große Streitmacht der Karawane und waren über die kleinen Geschenke an Rauch- und Schnupftabak, die man ihnen machte, sehr erfreut.

Die Frauen brachten stets Milch in Körben, die von so dichtem Gewebe waren, dass diese jede Flüssigkeit hielten. Unsere Reisenden gingen durch die Furt des Johannesflusses und hatten das Glück dabei, ein Flusspferd zu erlegen, das ihnen für den Proviant sehr zustattenkam. Nur Major Henderson war mit dem Jagdglück nicht recht zufrieden und zog des Nachts allein aus, was ihm beinahe teuer zustehen gekommen wäre. Er hielt sich in einem Weg, von wo er ein weibliches Flusspferd angeschossen hatte, versteckt und wartete beim hellen Mondschein auf das Wiederauftauchen des verwundeten Tieres, als das männliche Tier, welches gerade am Fluss fraß, den Schrei seiner Gefährtin vernahm und den Pfad herunterraste.

Zum Glück für den Major war das Flusspferd durch seine Schwere in eine solche Geschwindigkeit geraten, dass es weder nach rechts noch nach links abbiegen konnte. So schoss es auf Schrittweite an Henderson vorbei, durch das Zerren an dem Gebüsch und Unterholz denselben niederwerfend. Der Major stand mehr erschreckt als verletzt wieder auf, hatte aber jedenfalls für diese Nacht genug gejagt, denn er schulterte sein Gewehr und ging nach dem Wagen zurück, dem Himmel für sein glückliches Entkommen dankend.

Am anderen Morgen gingen Swaneveld und Bremen zum Flussufer hinunter und entdeckten das tote Flusspferd, welches sie ans Ufer schleppten. Danach kehrten sie zum Wagen zurück und schickten die Xhosa ab, um das Tier zu zerlegen. Ehe übrigens Letztere an Ort und Stelle ankamen, fanden sie, dass die Arbeit schon durch die Eingeborenen besorgt worden und für sie nichts übrig gelassen war, als die Knochen des Tieres. So wird es übrigens im Xhosaland für billig gehalten. Jeder verhilft sich, wenn ein Elefant oder ein anderes großes Tier erlegt wurde, zu beliebig viel Fleisch, gleichviel ob er sich bei der Jagd beteiligt hatte oder nicht. Die Anzahl der Elefantenpfade, auf welche sie trafen, zeigte ihnen jetzt, dass sie von diesen Tieren umgeben waren, und die Xhosa des Landes sagten, dass große Herden ganz in der Nähe seien.

Der Major machte daher den Vorschlag zu einer großartigen Elefantenjagd, bei welcher nicht nur die Xhosa der Karawane, sondern auch die Landesangehörigen mitwirken sollten. Der Antrag wurde von allen, namentlich von den Eingeborenen mit Freuden aufgenommen, denn sie waren entzückt, bei einer derartigen Gelegenheit durch die Gewehre der weißen Männer unterstützt zu werden. Der nächste Tag wurde für die Jagd anberaumt. Dem Rat der Eingeborenen gemäß zog die Karawane etwa eine Stunde weiter nach Osten hinab an den Rand eines sehr dichten Waldes, wo den Berichten zufolge die Elefanten zu finden waren.

Sie erreichten die Stelle gegen Abend, und alle beschäftigte sich nun mit Vorbereitungen für den folgenden Tag. Die Khoikhoi, welche derartige Jagden schon mitgemacht hatten, erzählten den Uneingeweihten lange Geschichten darüber. Besonders sprach der große Adam viel von seiner Kühnheit und Gewandtheit. Man zündete die Nacht über ungewöhnlich große Feuer an, weil man fürchtete, die Elefanten könnten in das Lager brechen. Die ganze Nacht durch ließ sich ihr Geschrei vom Wald her vernehmen. Hin und wieder bewies das Krachen zerbrochener Zweige, dass sich die Tiere ganz in der Nähe der Karawane befanden. Begum, welche die Gefahr besonders lebhaft fühlte, kroch zu Major Henderson ins Bett und war nicht herauszubringen, obschon er mehrere Male versuchte, sie fortzujagen. Trotz des fortgesetzten Lärmes blieb übrigens die Karawane unbelästigt.

Am folgenden Morgen mit Tagesanbruch wimmelte es im Lager von Xhosa, welche warteten, bis unsere Reisenden für die Jagd bereit waren. Es wurde ein hastiges Frühstück eingenommen, und dem Rat der Xhosa zufolge stiegen unsere Abenteurer nicht auf ihre Pferde, sondern brachen zu Fuß auf, da die Elefanten, wie die Eingeborenen versicherten, sich auf der anderen Seite des Berges befanden. Sie stiegen auf einem Elefantenpfad hinauf und erreichten in weniger als einer halben Stunde die Anhöhe, von der aus ein großartiges und prachtvolles Panorama sich vor ihnen auftat. Im Tal unten war der Grund teils frei, teils durch Baumgruppen abgeteilt, und die ganze Fläche mit Elefanten bedeckt. Es mochten wohl nicht weniger als neunhundert sein, die man mit einem Blick überschauen konnte.

Jede Anhöhe, jeder grüne Hügel war mit Gruppen von sechs oder sieben Tieren besetzt – die gewaltigen Körper der einen teilweise von den Bäumen bedeckt, deren Zweige sie abfraßen, während andere in der offenen Ebene umhermarschierten und in ihren Rüsseln lange Baumäste trugen, mit welchen sie die Fliegen abwehrten. Die ungeheuren Fleischmassen und ein entsprechender Baumwuchs gaben hier ein Bild der Natur in ihrem großartigsten Maßstab.

Unsere Abenteurer musterten das Feld einige Minuten und wandten sich sodann an den Xhosahaufen, der sich hinter ihnen gesammelt hatte. Die Anführer der Xhosa erteilten ihre Weisungen, und Abteilungen von Eingeborenen bewegten sich stumm nach allen Richtungen hin, indem sie zugleich auch die Hunde, welche sie in zahlreichen Rudeln mitgebracht hatten, vom Bellen abhielten. Unsere Reisenden hatten auf dem Berg, wo sie standen, den Wind von der Herde her, und da die Eingeborenen willens waren, die Tiere auf sie zuzutreiben, so nahmen sowohl die Xhosakrieger als auch die Khoikhoi ihre Stellung auf der Anhöhe, um die Elefanten empfangen zu können.

Es verfloss ungefähr eine Stunde. Einige der eingeborenen Xhosa, welche die Talseite westlich von den Elefanten erreicht hatten, gaben ihre Signale. Von verschiedenen hohen Punkten ans brüllten sie mit Stentorlungen. Ihr Geschrei wurde von den übrigen Xhosa auf jeder Seite des Tals beantwortet, sodass sich die Elefanten von allen Seiten, mit Ausnahme derjenigen, auf welcher der Berg anstieg, umringt fanden. Als die Xhosa näher kamen, wurde ihr Geschrei, das von den Felsen widerhallte und in das sich auch das wilde Geheul der Hunde mischte, wahrhaft furchtbar. Die erschreckten Elefanten flüchteten sich zuerst nach der einen Seite des Tals, zogen sich aber vor dem Lärm, der bei ihrer Annäherung erhoben wurde, hastig nach der anderen zurück. Dabei schüttelten sie ihre langen Ohren und trompeteten laut, während sie mit erhobenen Rüsseln hin- und hertrabten.

Als sie endlich fanden, dass ihnen kein anderer Ausweg zur Flucht belassen war, begann die ganze Herde unter dem Krachen der Äste und dem Niederrollen loser Steine den Hügel hinanzusteigen. Auch erhöhten sie durch ihr eigenes furchtbares Geschrei das Getöse, das schon vorläufig durch das Tal tobte. Bei ihrem Herankommen traten sie alles vor sich nieder und richteten in ihrer Wut eine so furchtbare Verwüstung an, dass der Wald sich vor ihnen zu beugen schien, während zugleich große Massen losen Gesteins donnernd ins Tal herabrollten und große Staubwolken aufwühlten.

»Das ist furchtbar großartig«, flüsterte Alexander dem Major zu.

»Ein sehr erhebender Anblick, den ich um keinen Preis missen möchte. Doch da kommen sie. Seht, wie jener hohe Baum von dem Gewicht der ganzen Masse niedergedrückt wird.«

»Jener Große dort ist der Anführer«, sagte Swinton. »Wir wollen insgesamt auf ihn Feuer geben – welch ein Ungeheuer.«

»Habt Acht?«, rief der Major, der zu gleicher Zeit seine Büchse abfeuerte. Unmittelbar darauf krachten die Gewehre Alexanders und Swintons.

»Er liegt! Jetzt hurtig und geschwind wieder geladen! Omrah, gib mir die andere Büchse.«

»Habt Acht! Habt Acht!«, rief es nun von allen Seiten, denn der Fall des Führerelefanten und die Musketensalven der Khoikhoi hatten die Herde so eingeschüchtert, dass sie sich zu trennen begann und die Tiere zu zwei und drei, oder auch einzeln nach allen Richtungen auseinandergingen. Das Geschrei und das Krachen der Zweige in der Nähe wurden nun ganz betäubend und die Gefahr steigerte sich in entsprechendem Grade. Der Major hatte eben seine Büchse angelegt, als das dichte Blätterwerk neben ihm sich wie durch Zauberei auftat und in einer Entfernung von nur vier Schritten der Kopf eines großen weiblichen Elefanten sichtbar wurde.

Zum Glück war der Major ein Mann von großer Besonnenheit. Seine Büchse streckte das Tier sogleich nieder, aber es lag ihm so nah, dass er aus dem Bereich des Rüssels springen musste, da der Elefant noch nicht völlig tot war. Ein anderes kleines Tier war demselben auf dem Fuße gefolgt, sodass es über den Körper stolperte. Es wurde von Alexander erlegt, als es sich eben wieder aufraffen wollte.

»Zurück, Ihr Herren, oder es ist um Euch geschehen«, rief Bremen, der auf sie zueilte. »Hierher – die ganze Herde kommt gerade auf Euch zu.«

Sie eilten, was sie konnten, dem Khoikhoi nach, der sie zu einem hohlen Felsen brachte. Hier waren sie sicher, da die Elefanten nicht heranklettern konnten. Unsere Abenteurer waren kaum auf dem Felsen angelangt, als die dicht ineinander gekeilte Masse unter schrecklichem Geschrei und in eine Staubwolke gehüllt herankam. Viele waren verwundet und wankten. Wie nun ein Tier zurückblieb, sprangen die Xhosa, nackt und ihre Assagaie in den Händen, mit größter Behändigkeit dicht von hinten heran, durchbohrten es mit ihren Assagaie oder hieben ihm mit ihren scharf schneidenden Waffen die Kniekehlen ab, indem sie dabei in ihrer eigenen Sprache riefen: »Großer Mann, bring uns nicht um. Tritt nicht auf uns, mächtiger Häuptling!« Eine seltsame Bitte um Gnade an diejenigen, denen sie keine erwiesen. Da es fast unmöglich war, zu feuern, ohne Gefahr zu laufen, auch einen Xhosa zu treffen, begnügten sich unsere Abenteurer mit Zuschauen, bis die ganze Herde vorbeigezogen und im Wald unten verschwunden war.

»Sie haben die Richtung zu unseren Wagen eingeschlagen«, sagte Swinton.

»Ja, Sir«, versetzte der Khoikhoi Bremen, »aber wir müssen sie jetzt ziehen lassen. Sie sind nunmehr in einer Weise durch das Gehölz zerstreut, dass es höchst gefährlich sein würde, etwas mit ihnen zu versuchen.«

Sie blieben noch einige Minuten, bis sämtliche Elefanten und Xhosa verschwunden waren. Dann gingen sie vorsichtig zu der Stelle zurück, von wo aus sie zum ersten Mal Feuer gegeben hatten und das ganze Tal zu überblicken war. Nirgends war mehr ein Elefant zu sehen – nichts als die Verheerungen, welche die Herde an den Bäumen angerichtet hatte. Viele davon waren trotz ihrer Größe durch die ungeheure Kraft dieser Tiere in den Grund getreten worden. Sie begaben sich sodann zu dem Platz, wo der große Elefant durch Major Hendersons Büchse gefallen war.

Die Kugel war unter dem Auge eingedrungen. Das Ungeheuer musste nach Bremens Berechnung sechzehn Fuß hoch gewesen sein und hatte zwei sehr schöne Stoßzähne. Während sie noch um das tote Tier standen, kehrten die bewaffneten Khoikhoi von ihrer Verfolgung zurück und gaben an, dass sieben Elefanten erlegt worden sind, andere aber so schwer verwundet seien, dass sie nicht mit dem Leben davonkommen könnten. Sie gingen nun ans Werk, um die Zähne des Tieres auszubrechen, und waren noch damit beschäftigt, als ein Khoikhoi gelaufen kam und die Meldung brachte, dass die Elefantenherde auf dem Rückzug durch das Lager gekommen sei und dort viel Schaden angerichtet habe. Ein männlicher Elefant habe Major Hendersons Wagen angegriffen und seine Hauer durch die Seite desselben gestoßen. Dadurch sei eines der Branntweinfässer angebohrt worden, welches nun, obwohl nicht sehr schnell, auslaufe. Der Wagen müsse daher abgeladen und das Fass herausgeschafft werden, um den übrigen Branntwein zu retten.

Mehrere Khoikhoi eilten augenblicklich mit ihm zurück, um beim Abladen des Wagens zu helfen. Allmählich verschwand das ganze Khoikhoigefolge, Bremen und Swaneveld ausgenommen, welche mit dem Ausbrechen der Zähne beschäftigt waren. Auch Omrah blieb zurück. Er saß auf der Leiche des Tieres, ahmte das Trompeten und die Bewegungen des Elefanten nach und spielte außerdem allerlei Possen. Bald danach kam eine Xhosaabteilung herauf und begann den Elefanten zu zerlegen. Jetzt entfernten sich auch unsere Reisenden, um im Lager nachzusehen, welchen Schaden die Elefanten angerichtet hatten. Auf dem Rückweg machten sie hin und wieder halt, um die übrigen gefallenen Tiere zu betrachten, und brauchten deshalb wohl eine Stunde, bis sie im Lager anlangten. Hier aber fanden sie, dass die Khoikhoi mit dem Abladen des Wagens noch gar nicht begonnen, sondern nur Kübel untergestellt hatten, um den auslaufenden Branntwein aufzufangen. Auch hatten sie sich diesem so reichlich zunutze gemacht, dass einige taumelnd umherwankten, die übrigen aber in einem Zustand besinnungsloser Trunkenheit da lagen.

»Dachte ich mir’s doch, sie seien gar zu diensteifrig, als ich sie so behänd zum Beistand zurückeilen sah«, bemerkte der Major. »Wir hätten da eine saubere Geschichte, wenn wir in Feindes Land wären und kein Geleit von Xhosa bei uns hätten.«

»Jawohl«, versetzte Alexander, indem er die Zuber umwarf, dass der Branntwein auf den Boden floss, sehr zum Leidwesen der Khoikhoi, welche noch nicht ganz besinnungslos waren. »Wir wollen übrigens das Fass vollends auslaufen lassen und dafür Sorge tragen, dass sie nichts mehr bekommen.«

Da die Xhosa mit dm erlegten Elefanten beschäftigt und die meisten Khoikhoi betrunken waren, so konnte man natürlich vor dem anderen Morgen an keinen Aufbruch denken. Überhaupt waren die Ochsen und Pferde durch das Einbrechen der Elefanten in die Karawane nach allen Richtungen zerstreut worden, und das Sammeln derselben nahm einige Zeit in Anspruch. Unsere Reisenden gaben daher den Gedanken an ein alsbaldiges Weiterziehen auf, griffen nach ihren Gewehren und gingen zu derjenigen Stelle des Waldes, wo die meisten Elefanten gefallen waren. Sie kamen an dreien vorbei, an denen die Xhosa fleißig arbeiteten, und gelangten endlich zu einem Vierten, bei dem sich ihnen ein Anblick darbot, der ihre Teilnahme in hohem Grade erregte. Das gefallene Tier war ein ausgewachsenes Weibchen, und dicht daneben befand sich ein Elefantenkalb, ungefähr viereinhalb Fuß hoch, das an der Seite seiner toten Mutter stand.

Das arme Tier lief wieder und wieder unter unverkennbaren Schmerzäußerungen um das tote Tier herum, quiekste traurig und versuchte vergeblich, es mit seinem kleinen Rüssel aufzuheben. Als unsere Reisenden herankamen, rannte es auf sie zu, schlang sein Rüsselchen um ihre Beine und zeigte sich ganz entzückt, weil es doch jemanden gefunden hatte. Auf den benachbarten Bäumen saß eine Anzahl von Geiern, die nur darauf warteten, die Überreste zu verzehren, sobald die Jäger ihre Messer versucht hätten, denn ihre Schnäbel konnten die zähe Haut nicht zerreißen. Unsere Abenteurer blieben mehr als eine Stunde an der Stelle und sahen den Bewegungen und dem Spiel des jungen Elefanten zu, welcher unterschiedliche Versuche machte, die hingestreckte Mutter auf seine Possen aufmerksam zu machen. Als er übrigens fand, dass alle seine Anstrengungen fruchtlos waren, folgte er aus freien Stücken unseren Reisenden zu der Karawane und blieb dort. Wahrscheinlich staunte er ebenfalls nicht wenig, als er die Khoikhoi so besinnungslos wie seine Mutter umherliegen sah.

Es wird hier am Ort sein, zu bemerken, dass das kleine Tier nur einige Tage lebte, weil es ihm an der nötigen Nahrung fehlte.