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Die Totenhand – Teil 1

Die-TotenhandDumas-Le Prince
Die Totenhand
Fortsetzung von Der Graf von Monte Christo von Alexander Dumas
Erster Band
Kapitel 1 – Wer auf Steigen und Fallen spielt

Ob das Unglück uns trifft, ob das Schicksal uns verfolgt, was tut das? Es wird deshalb doch niemals an Menschen fehlen, die, das Lächeln auf den Lippen, die Seele von Lust erfüllt, zu uns kommen, um uns an ihren Vergnügungen teilnehmen zu lassen, solange die Not nicht offen den Zauber unseres früheren Wohlergehens vernichtet hat.

Es ist daher dieser Zauber, aber auch dieser Zauber allein, welcher die glänzende Menge, die große Welt genannt, zu uns führt, welcher macht, dass wir von derselben nicht verlassen werden, wenn sie auch weiß, dass wir unter der Last des Verhängnisses leiden. Die Baronin Danglars hatte unter diesem furchtbaren Gewicht ihr Haupt beugen müssen, denn sie war von einem harten Schlag getroffen worden. Gleichwohl versammelte sie in ihrem Hause noch immer eine glänzende Menge, und sie genoss das Vergnügen, ihre goldgeschmückten Salons als die rühmen zu hören, in denen während einiger Stunden alle die unfrommen Elegants des grünen Tisches am besten empfangen und unterhalten würden. Und nie fehlte an diesen grünen Tischen das Gold, noch der Wille zu spielen, wenn man nur nicht das Privatleben der Spieler zu ergründen strebte.

Der Stolz und der Ehrgeiz der interessanten Baronin Danglars, ihr hoher, schlanker Wuchs, ihr aristokratisch-blasses Gesicht, in welchem ein Paar schöne Augen bald funkelten, bald erloschen, je nachdem sie sich unter dem Einflusse eines süßen Gefühles erweiterten oder unter der Herrschaft des Ehrgeizes verkleinerten, ihr schneeweißer Busen, waren nicht das wenigste, was eine zahlreiche Menge in ihren Salons versammelte.

Denen, welche durch starke Eindrücke leben, missfällt nie eine Frau wie die Baronin Danglars. Ihr geringschätziges Lächeln, ihr entschlossenes und arrogantes Wesen, welches aber unterwürfig und zärtlich war, wenn sie sich besiegen ließ, ihr beredter und scharfer Blick, ihre außerordentliche Beweglichkeit, alles trug dazu bei, sie für die jungen Modeherren zu einer Löwin zu machen, obgleich sie den Frühling des Lebens bereits überschritten hatte.

Dies war der Grund der Achtung, in welcher die Baronin Danglars sich im Jahre der Gnade 1837 befand.

Es war während einer Septembernacht eben dieses Jahres. Die Säle ihres Palastes waren glänzend beleuchtet und füllten sich nach und nach mit den Personen, welche die Gesellschaften der Baronin besuchten, die von einem Platze zu dem andern flatterte, mit Eifer und Leben sprach und die Galanterien eines ganzen Schwarmes von Kavalieren anhörte.

»Jesus, was für ein melancholisches Gesicht machen Sie, Herr Beauchamp«, sagte sie zu einem Kavalier, dessen strenge Züge einen finstern Ausdruck trugen, der ohne Zweifel darauf berechnet war, irgendein geheimes Unglück ahnen zu lassen. »Man sollte wahrlich meinen, Sie wären geneigt, uns ein böses Spiel zu machen, weil Sie, wie man mir sagte, vergangene Woche verloren haben …«

»Nein, Frau Baronin, nein. Sie befinden sich im Irrtum. Ich bin es nicht gewohnt, an das zu denken, was ich im Spiel verloren habe. Noch viel weniger also bewahre ich deshalb Groll. Ich spiele nicht aus Gewinnsucht, und es ist nicht recht von Ihnen, dass Sie das Gegenteil vermuten.«

»Ei!«, entgegnete die Baronin mit ironischem Lächeln und indem sie seinen Arm ergriff. »Ihre Physiognomie flößte mir wahrlich Furcht ein … Nun erzählen Sie mir, um meine Besorgnisse zu beschwichtigen, was Sie Neues wissen … das Allerneueste.«

»Von wem verlangen Sie das, schöne Baronin? Haben Sie nicht Herrn Lucian Debray hier, der Ihnen die besten Neuigkeiten mitteilen kann?«

»Was soll das heißen, mein Herr? Lassen Sie den Herrn Minister gehen, der in seine Gedanken vertieft zu sein scheint? Gott behüte mich davor, ihn seinen Träumereien zu entreißen! Er wäre imstande, mir irgendeinen Gesetzentwurf auseinanderzusetzen, und das ist stets so langweilig!«

»Was? Wer? Der Minister?«

»Ach nein, der Gesetzentwurf?«

»Armer Debray!«, murmelte Beauchamp. »Er verdient ihre ironischen Worte nicht. Ich gestehe ihm für das Ministerium weit mehr Talent zu wie vielen anderen, die es vor ihm bekleideten.«

»So müssen Sie sprechen, mein Herr, damit man Sie in gleicher Münze bezahle, in Beziehung auf Ihr neues Amt als Generalstaatsanwalt. Nun, enden Sie nur nicht wie Ihr Vorgänger.«

»Nein, Frau Baronin«, entgegnete Beauchamp rasch und mit einem Ton, der seinen Eifer bewies, sich eben dieser Worte zu bedienen, um auf einen Boden zu gelangen, nach dem er strebte. »Ich bin fest überzeugt, dass mir nicht das Gleiche begegnen wird. Wenigstens gewiss nicht aus der gleichen Ursache! Da Sie indes einmal von dem Staatsanwalt sprechen, den ich immer gern vergessen möchte, wenn ich an einem Abend wie diesem, den Fuß in Ihre Salons setze …«

»Mein Herr!«

»Verzeihung, Frau Baronin. Es hört uns niemand. Kein Mensch ahnt, worüber wir uns unterhalten«, sagte der Beamte.

»Genug, Herr Beauchamp, genug. Ich weiß, was Sie mir sagen wollten. Das ermüdet und langweilt mich aber entsetzlich, wissen Sie das? Ich habe Sie nach Neuigkeiten gefragt, um die Besorgnis zu zerstreuen, die Ihr trübes und ernstes Gesicht bei mir erweckte. Erzählen Sie mir dergleichen, wie damals, als Sie nur noch Zeitungsredakteur waren. Das ist viel heiterer, besser angebracht und zeigt von mehr Lebensart.«

Bei diesen Worten blieb Beauchamp stehen und sah die Baronin an, als wollte er in ihrer Seele lesen.

»Ei, seht mir doch!«, sagte sie lachend und ungezwungen. »Der ehemalige Journalist weiß schon weiter nichts mehr zu sein als Beamter!«

»Nein, Frau Baronin, gegen Sie werde ich stets derselbe bleiben. Erzeigen Sie mir die Ehre, das zu glauben. Gleichwohl können die Nachrichten, die ich Ihnen mitzuteilen habe, nicht aus dem Munde eines Journalisten kommen.«

Beauchamp betonte absichtlich die letzten Worte schärfer, sodass Frau von Danglars zu zittern begann.

»Und deshalb nicht?«, fragte sie, indem sie ein unbekanntes Gefühl der Besorgnis zu unterdrücken strebte. »Haben Sie denn geschworen, mich heute Abend durch Furcht zu töten.«

»Sie können deshalb nicht aus dem Munde eines bloßen Journalisten kommen«, entgegnete Beauchamp, »weil sie eine Dame betreffen, die der Beamte außerordentlich achtet und schätzt. Das ist alles!«

Aus der Art und Weise, wie der Beamte dies sagte, aus dem Ausdruck seines Blickes, erkannte die Baronin Danglars, dass sie nicht weiter in ihn dringen dürfte. Gleichwohl wünschte sie daraus zu wissen, ob die Neuigkeit des Beamten Bezug auf sie selbst hätte. Sie drehte sich daher um, ließ seinen Arm los und sagte: »Sehr gut, mein Herr, aus demselben Grund ehre auch ich diese Dame. Bewahren Sie Ihr Geheimnis für sich.«

Frau von Danglars verlor bei diesem Spiel, denn der Beamte blieb vollkommen ruhig.

»Ah, dein Gesicht ist von Erz!«, murmelte er vor sich hin, indem er der sich Entfernenden nachblickte. Dabei legte er den Zeigefinger der rechten Hand an die Wange. »Indes«, fuhr er in seinem Selbstgespräch fort, »werde ich allein von all denen, die dich umringen, nicht durch dich getäuscht! In deiner Vergangenheit gibt es ein entsetzliches Geheimnis, das du den Augen der Welt sehr geschickt zu verbergen weißt, aber den meinen nicht. In deinem gegenwärtigen Leben liegt etwas Nichtswürdiges, Schmachvolles, das du mit höllischer Gewandtheit auf dem Boden deines Marmorherzens zu bewahren verstehst! Aber ans Werk! Schon bin ich Herr eines Geheimnisses der Vergangenheit. Arbeiten wir jetzt an der Entdeckung des Übrigen, dessen, was sich auf die Gegenwart bezieht.«

Einige Augenblicke später bemerkte Beauchamp, dass jemand hinter ihm herging, wie ein Mensch, der mit ihm zu sprechen wünschte. Er verkürzte den Schritt und ohne sich umzusehen sowie ohne bemerken zu lassen, dass er wüsste, man folge ihm, ließ er die Person an sich vorübergehen.

»Könnte ich die Ehre haben, Ihnen zwei Worte zu sagen, Herr von Beauchamp?«

»Wie, Herr Minister? Ich stehe Ihnen zu Befehl!«

»Sie müssen wissen, in welchem Grund ich Anteil an allem nehme, was sich auf unser aller Ruhe und Sicherheit bezieht«, sagte Lucian Debray, indem er mit Beauchamp einem kleinen, ganz verlassenen Zimmer zuschritt. »Da dies der Fall ist, glaube ich, dass Sie an meiner Stelle besorgt werden würden, wenn Sie das Gesicht eines Staatsanwalts unruhig und finster sehen.«

»Verzeihen Sie das dem Neuling. Ich verstehe es noch nicht, die Marmorstirn zu zeigen, die einem Beamten geziemt.«

»Sie legen meine Gedanken falsch aus, Herr von Beauchamp. Ich wollte Ihnen keineswegs einen Vorwurf machen. Ich weiß sehr wohl, dass man Beamter sein kann, ohne deshalb aufzuhören, Mensch zu sein und Gefühle zu haben wie alle anderen Menschen. Die Wahrheit ist, dass ich durch meine geheimen Kundschafter von einem gewissen Fall unterrichtet bin, auf den ich wenig Gewicht lege, den ich aber jetzt für ernster zu halten geneigt bin, da ich Ihr trübes Gesicht sehe. Ich möchte daher heute glauben, was ich gestern bezweifelte! In dieser Hypothese ist die Ehre einer Dame beteiligt, die ich achte und schätze. Aus diesem Grund nahm ich mir die Freiheit, Sie zu befragen, Herr von Beauchamp.«

»Ah, Sie wissen wohl, Herr Debray. Nun gut, ich gebe Ihnen die Versicherung, dass, wenn der Fall wahr ist …«

»Ich darf hoffen, Sie werden als Beamter handeln«, unterbrach ihn Debray, aber mit einem Ton, welcher sagen wollte: Ich hoffe, Sie werden dann als Freund handeln! »Jetzt bleibt mir noch übrig, den Namen dieser Dame mit dem der Ihren zu vergleichen, um alle meine Zweifel zu bannen. Hätten Sie wohl die Güte …?«

Bei dieser unmittelbaren Frage, die er übrigens erwartet hatte, konnte Beauchamp sich nicht enthalten, zu antworten, ohne sich der Grobheit gegen den Minister schuldig zu machen, indem er ihm zu verstehen gab, dass er seiner Verschwiegenheit nicht traue. Er näherte sich daher Debray und flüsterte ihm sehr leise ein Wort in das Ohr.

Debray wurde blass. Aber er verhehlte schnell seine Unruhe, nahm Abschied von dem Staatsanwalt und kehrte in den Salon zurück, wo die Baronin seiner mit einer Besorgnis wartete, welche deutlich in ihren Mienen zu lesen war. Der Staatsanwalt verließ das Haus der Baronin Danglars mit einem ironischen Lächeln.

Als die Gesellschaft sich entfernte, die Bankiers die Tische beiseiteschoben und ihr Gold, ihre Banknoten einsteckten, gab die Baronin verstohlen ein Zeichen an Debray und verließ dann sogleich die Salons, um sich zu ihren Zimmern zu begeben, wo Luxus und Reichtum sich mit einem vielleicht noch feineren Geschmack zeigten als in dem ganzen übrigen Gebäude.

Die Baronin öffnete eine Glastür, die zu einem Musikzimmer führte, in welchem das unerlässliche Pianino stand, und einen traurigen Blick auf das Instrument werfend, konnte sie die Worte nicht zurückhalten: »Ach, Eugenie, weshalb hast auch du mich verlassen?«

Eine Träne glitt an der bleichen Wange der stolzen Frau von Danglars herab, die eine Bewegung machte, als wollte sie einen peinlichen Gedanken verbannen, dann durch das Kabinett schritt und sich an das halb geöffnete Fenster setzte, um verstohlen auf den Hof vor dem Haus hinabzublicken.

Hier blieb sie sitzen, bis sie das Rollen der letzten sich entfernenden Equipage gehört hatte. Dann bemerkte sie den Schatten eines Mannes, der auf das Gebäude zuschritt, und mit aller Hast eilte sie nun, die Tür zu einer kleinen Seitentreppe zu öffnen. Darauf kehrte sie in ihr Zimmer zurück und nahm hier auf einem Sofa von himmelblauem Seidenstoff Platz. Lucian Debray stieg die kleine Treppe herauf, schloss die Tür derselben hinter sich und stand der Baronin gegenüber.

»Nun, Debray? Was ist es?«, fragte sie ihn mit dem Wesen der lebhaftesten Besorgnis.

Debray zog seine Handschuhe aus, legte seinen Mantel und seinen Hut auf einen Stuhl, und setzte sich dann neben die Baronin, wie ein Mensch, der auf dem vertrautesten Fuß mit ihr stand.

»Sprich doch Debray! Deine Ruhe tötet mich! Du hast gewiss von Beauchamp irgendetwas Schlimmes erfahren?«

»Alles, was ich herausbringen konnte, ohne unbescheiden zu werden, war ein einziges Wort«, antwortete Debray mit einer Ruhe, die seine Zuhörerin zur Verzweiflung zu bringen geeignet schien.

»Ha!«, rief die Baronin mit einer Bewegung des Unwillens, gepaart mit furchtbarer Angst.

»Und dieses eine Wort war der Name einer Frau – dein Name!«

»So glaubst du also, dass ich in Gefahr schwebe?«

»Wie ich dies stets geglaubt habe!«, entgegnete Lucian Debray. »Wenn bisher deine Anwesenheit in Paris nicht zur Lächerlichkeit geworden ist, so habe ich mich deshalb doch nie überreden können, dass du deine Rolle, oder richtiger gesagt, deine Maskerade, lange Zeit durchführen könntest, und jetzt glaube ich dies weniger wie jemals!«

Die Baronin stieß ein leises Lachen beleidigten Stolzes aus und antwortete: »Wenn du so geurteilt hast, so kommt das daher, weil ich vor dir nie Geheimnisse hatte wie vor aller Welt. Glaubtest du gleich ihr, der Baron Danglars reise zu seinem Vergnügen mit seiner Tochter, so würdest du dir niemals eingebildet haben, ich sei von dem Baron und von Eugenien verlassen worden.«

»Ganz gut«, entgegnete Debray. »Seit einem Jahr ist Eugenie dem Beispiel des Barons gefolgt und die Pariser Welt glaubt, beide seien auf einer Vergnügungsreise begriffen. In der Tat ist das auch ganz einfach. Aber die Zeit vergeht und wird ferner vergehen, und könnte da nicht jemand den schlechten Einfall haben, dich zu fragen, wann der Baron und Eugenie zurückkehren werden?«

Die Baronin machte eine Bewegung.

»Könnte nicht ferner«, fuhr Debray fort, »irgendein boshafter Witzbold sich die Freiheit nehmen, über die verlängerte Abwesenheit der Reisenden zu lachen? Dann würde bald ganz Paris ebenfalls lachen. Du siehst also, teure Baronin, dass es auf dieser Seite nicht gutsteht!«

»Nun, so gib mir einen Rat, Debray«, sagte jetzt die Baronin mit dem schüchternen Wesen einer Unschuld von fünfzehn Jahren und legte zugleich ihre Hände auf den Arm Debrays.

»Ich wiederhole dir, was ich dir bereits vor einem Jahr gesagt habe, als du mir den Brief deines Mannes zeigtest, in welchem er dir die Worte schrieb: »Ich verlasse Sie, wie ich Sie genommen habe, das heißt, reich und wenig ehrenwert.«

Dieser Ausdruck, der jede andere Frau zu Boden geschmettert haben würde, rief auf den Lippen der Baronin nur ein zweites Lachen beleidigten Stolzes hervor.

Lucian fuhr fort: »Ich wiederhole dir, dass Du reisen musst. Vergangenes Jahr hattest du ein Vermögen von einer Million und zweimal hunderttausend Franc, das heißt eine jährliche Rente von sechzigtausend Franc. Jetzt besitzt du zwei Millionen und viermal hunderttausend Franc oder mit anderen Worten: hundertundzwanzigtausend Livres Einkünfte. Was kümmert dich dabei Paris? Sage zu deinen Freunden, dein Mann sei in Rom oder in Civitavecchia oder in Neapel und er habe dich im Namen Eugeniens um deine Gesellschaft gebeten. Deine Freunde werden dann nicht verfehlen, diese Nachricht überall zu verbreiten und du könntest darauf nach London gehen.«

»Also willst du, dass wir uns trennen, Debray?«, fragte die Baronin, indem sie vergebens versuchte, eine widerspenstige Träne in ihr Auge zu locken. »Das wird uns sehr schwer werden!«

Lucian antwortete nicht, aber er warf ihr einen Seitenblick zu und stand auf.

»Es ist ein Jahr her, seit wir uns verbündeten«, fuhr sie dann fort, »und unsere Angelegenheiten gingen so gut. Jetzt würden sie eine noch bessere Wendung nehmen, denn da du Finanzminister geworden bist …«

»Da kommen wir auf den wesentlichen Punkt der Frage!«, unterbrach Lucian sie, indem er mit der Hand heftig auf die Lehne eines Armsessels schlug.

»Wie?«, fragte Frau von Danglars, indem sie die Augen groß aufriss und sich auf dem Diwan in die Höhe richtete, auf dem sie bisher lässig ausgestreckt gelegen hatte, die Haltung einer leidenschaftlich Liebenden annehmend, die sich gehen lässt.

»Die Journalisten der Opposition«, fuhr Debray fort, »haben die Sucht, das Privatleben der Minister aufzudecken. Nun ist aber, unter uns gesagt, und da niemand uns jetzt hört, der Hauptzweck deiner Gesellschaften das Spiel, und ich will nicht, dass irgendjemand sich einfallen lasse, zu sagen, ich zöge daraus Vorteil.«

»Und gleichwohl hast du ihn gezogen!«, bemerkte die Baronin.

»Ich will aber nicht fortfahren, es zu tun«, entgegnete Lucian fest. »Ich sage mich von deinen Interessen los, es bleibt uns das einfache Agio der Freundschaft.«

»Sehr gut, mein Herr!«, rief die Baronin, blass vor Wut und in ihrer Eigenliebe grausam verletzt; denn sie erkannte sehr wohl, was im Grunde alles in diesen Worten lag. »Sehr gut, aber ich nehme dieses Opfer nicht an! Berechnen wir uns, und dann …«

»Und dann?«, fragte er mit einem spöttischen Lachen, welches bewies, in welchem Grad er die ohnmächtige Wut der edlen Baronin verachtete.

»Sie wünschen ohne Zweifel, dass wir uns nie wiedersehen?«

Lucian steckte die Hände in die Taschen und sagte nichts; eine Antwort, die so viel sagen wollte, als: »Wie es Ihnen gefällig ist.«

»Gleichwohl verkünde ich Ihnen, dass ich diesen Winter noch in Paris bleibe.«

»Sie können nichts Besseres tun. Man hat mir gesagt, dass die Theater sehr gut sein werden. Das Repertoire ist beinahe ganz von Donizetti und Bellini.«

»Und auch von Herrn Lucian Debray«, fügte die Baronin hinzu, indem sie bedeutungsvoll lachte.

»Ich verstehe Sie nicht.«

»Ich will Ihr Debüt im Ministerium sehen.«

»Hören Sie Baronin«, sagte Lucian mit einem Ernst, der auf eine eigentümliche Weise gegen den Ton der Frau von Danglars abstach, »wer auf Steigen und Fallen gespielt hat, kann nicht ohne Widerwillen Paris verlassen und sich mit der einfachen Rolle eines ausländischen Touristen begnügen; das ist begreiflich. Das wird aber gleichwohl zur Notwendigkeit, wenn zum Unglück der Staatsanwalt von gewissen Dingen Kenntnis erlangt hat. Baronin, seien Sie klug, wie Ulysses es war, und weise wie Nestor.«

Bei diesen Worten zog Herr Lucian Debray sein Taschenbuch hervor, öffnete es, legte auf den eleganten Gueridon eine Handvoll Banknoten und setzte sich dann wieder an die Seite der Baronin, welche entsetzlich blass und aufgeregt stehen blieb.

»Zum zweiten Mal, Baronin, sage ich Ihnen, dass Associés miteinander abrechnen müssen, und ich hoffe, es wird zum letzten Mal sein. Benutzen Sie den Rat!«