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Die Trapper in Arkansas – Band 2.7

Die-Trapper-in-Arkansas-Band-2Gustave Aimard (Olivier Gloux)
Die Trapper in Arkansas Band 2
Erster Teil – Treuherz

Kapitel 16 – Verrat

Die Rückreise war traurig, der General hatte sich in Folge seiner Unterhaltung mit dem Trapper in ein tiefes Nachdenken versenkt. Donna Luz dachte an die Warnung, die an sie ergangen war. Der Führer, dem die Unterredungen des Schwarzen Hirsches mit dem General und dem jungen Mädchen aufgefallen waren, hatte eine geheime Ahnung, dass er sich in Acht zu nehmen habe. Nur die beiden Lanceros ritten gleichgültig vorwärts, denn sie wussten von dem Drama, das in ihrer Nähe spielte, nichts und dachten nur an die Ruhe, welche ihrer nach ihrer Rückkehr im Lager harrte.

Schwätzer warf beständig ängstliche Blicke um sich und schien im Dickicht, durch welches die kleine Gesellschaft schweigend ritt, um nach Verbündeten zu suchen.

Der Tag neigte sich zu Ende, die Sonne war im Begriff unterzugehen und schon fingen die verborgenen Bewohner des Waldes an, von Zeit zu Zeit ein dumpfes Geheul zu erheben.

»Sind wir noch weit vom Lager?«, fragte der General plötzlich.

»Nein«, antwortete der Führer, »kaum eine Stunde.«

»Dann wollen wir eilen, ich möchte nicht, dass uns die Nacht im Wald überrascht.«

Die Gesellschaft setzte ihre Pferde in scharfen Trab und erreichte nach kaum einer halben Stunde die Schanzen des Lagers.

Der Captain Aguilar und der Doktor empfingen die Reisenden bei ihrer Ankunft.

Die Abendmahlzeit war fertig und harrte ihrer schon lange.

Man setzte sich zu Tisch.

Aber die Traurigkeit, die den General und seine Nichte seit einigen Stunden befallen hatte, schien eher zu- als abzunehmen. Die Mahlzeit wurde deshalb eilig und schweigend verzehrt. Als sie beendet war, trennte man sich, um sich nach der Anstrengung des Tages angeblich der Ruhe zu überlassen, in Wirklichkeit aber, um über die Ereignisse des Tages nachzudenken.

Der Führer seinerseits fühlte sich ebenso wenig behaglich. Ein Weiser sagt, dass ein schlechtes Gewissen die trübseligste Gesellschaft sei, die man des Nachts haben könne. Schwätzer hatte das allerschlechteste Gewissen und daher keine Lust zu schlafen. Er ging im Lager hin und her und suchte in seinem, vielleicht auch von Gewissensbissen gequälten Geist vergebens nach einem Mittel, um sich aus der Verlegenheit, in der er sich befand, zu ziehen. Umsonst strengte er seinen Scharfsinn an, es wollte ihm nichts einfallen, was seine Befürchtungen beseitigt hätte.

Die Nacht war inzwischen vollständig hereingebrochen, der Mond war verschwunden und über dem schweigsamen Lager ruhte dichte Finsternis.

Alle Welt schlief oder schien zu schlafen, der Führer allein, der die erste Wache übernommen hatte, saß schlaflos auf einem Ballen. Er hatte die Arme über der Brust gekreuzt, starrte vor sich hin und verlor sich mehr und mehr in düstere Gedanken.

Plötzlich legte sich eine Hand auf seine Schulter und eine Stimme flüsterte nur ein Wort in sein Ohr: »Kennedy!«

Der Führer warf mit der Geistesgegenwart und der unerschütterlichen Ruhe, die den Indianer und Mestizen niemals verlassen, einen forschenden Blick um sich, um sich zu vergewissern, dass er auch ganz allein sei. Dann erfasste er die Hand, die noch auf seiner Schulter ruhte, und zog den Mann, der ihn angeredet hatte und der ihm ohne Widerstand folgte, mit sich fort in einen entlegenen Winkel, wo er sicher zu sein glaubte, dass ihn niemand belausche.

In dem Augenblick, wo die beiden Männer an dem Zelt vorübergingen, öffnete sich der Vorhang leise und ein Schatten folgte ihnen schweigend nach.

Als sie sich unter den Ballen versteckt hatten und nahe genüg beieinander waren, um sich mit leiser Stimme unterhalten zu können, flüsterte der Führer: »Gott sei Dank! Ich habe deinen Besuch mit Ungeduld erwartet, Kennedy.«

»Wusstest du denn, dass ich kommen würde?«, antwortete dieser misstrauisch.

»Nein, aber ich hoffte es.«

»Gibt es etwas Neues?«

»Ja. Sehr viel.«

»Sprich, schnell.«

»Das will ich. Alles ist verloren.«

»Wie? Was soll das heißen?«

»Was ich sage, der General ist heute von mir geführt, nach …«

»Ich weiß es, ich habe Euch gesehen.«

»Verwünscht, warum hast du uns nicht angegriffen?«

»Wir waren nur zwei.«

»Ich wäre der Dritte gewesen, der Kampf war ganz gleich, da der General nur zwei Lanceros bei sich hatte.«

»Das ist wahr, daran habe ich nicht gedacht.«

»Das war unrecht. Jetzt wäre alles vorbei, indes wahrscheinlich alles verloren ist.«

»Wie soll?«

»Nun, Caraï! Das ist doch klar, der General und seine Nichte haben mit dem Schlaukopf, dem Schwarzen Hirsch, ein Langes und Breites geschwatzt. Du weißt, dass er mich schon lange kennt, er wird ihnen sicher empfohlen haben, mir zu misstrauen.«

»Warum hast du sie auch zum Biberteich geführt?«

»Konnte ich wissen, dass wir dem verwünschten Trapper begegnen würden?«

»Bei unserem Handwerk muss man an alles denken.«

»Du hast recht, ich habe einen Fehler begangen! Nun ist die Sache übrigens nicht zu ändern, denn ich habe eine Ahnung, dass der Schwarze Hirsch den General vollständig über mich aufgeklärt hat.«

»Hm! Das ist allerdings wahrscheinlich. Was ist da zu tun?«

»Handeln, und zwar so schnell wie möglich, ehe sie Zeit haben, sich vorzusehen.«

»Das ist mir ganz recht, das weißt du.«

»Ja. Wo ist der Captain? Ist er zurück?«

»Er ist heute Abend gekommen. Unsere Männer sind alle, wir sind unser vierzig, in der Höhle versteckt.«

»Bravo! Warum seid ihr nicht gleich alle gekommen, warum nur Du allein. Sieh, welche gute Gelegenheit ihr hattet. Sie schlafen wie Murmeltiere. Wir hätten uns ihrer in weniger als zehn Minuten bemächtigt.«

»Du hast recht, doch kann man nicht alles bedenken. Übrigens war die Sache auch nicht so mit dem Captain verabredet worden.«

»Das ist richtig. Warum bist du denn gekommen?«

»Um dir zu melden, dass wir bereit sind und nur auf ein Zeichen von dir warten, um zu handeln.«

»Nun, was sollen wir tun? Gib mir einen Rat.«

»Was Teufel willst du denn, dass ich dir rate? Kann ich denn wissen, was hier vorgeht? Wie kann ich dir also sagen, was du tun sollst?«

Der Führer sann einen Augenblick nach, dann erhob er den Kopf und betrachtete den Himmel aufmerksam.

»Hm!«, sagte er, »es ist erst zwei Uhr morgens.«

»Ja.«

»Du kehrst zu der Höhle zurück.«

»Gleich?«

»Ja.«

»Gut. Weiter?«

»Du wirst dem Captain sagen, dass ich ihm das junge Mädchen noch diese Nacht ausliefern will, wenn es ihm recht ist.«

»Hm! Das scheint mir doch schwierig.«

»Du bist ein Dummkopf.«

»Das ist möglich, doch begreife ich nicht, wie.«

»Warte nur. Das Lager wird folgendermaßen bewacht: Während des Tages wachen die Soldaten an den Schanzen. Da sie aber an das Leben in der Prärie nicht gewöhnt sind und ihre Hilfe des Nachts mehr schaden als nützen wurde, so haben die anderen Führer und ich die Wache und die Soldaten ruhen.«

»Das ist sehr schlau«, sagte Kennedy lachend.

»Nicht wahr?«, sagte Schwätzer. »Also, ihr steigt zu Pferde, wenn ihr am Fuß des Hügels angekommen seid, so sollen sechs der Unternehmendsten sich mit mir vereinen. Mit ihrer Hilfe übernehme ich es, die Soldaten und selbst den General, während sie schlafen, wie die Katzen zu knebeln.«

»Wahrhaftig, der Einfall ist gut.«

»Findest du?«

»Bei Gott! Ja.«

»Gut. Sind unsere Burschen erst gut gebunden, so pfeife ich und dann kommt der Captain mit den Übrigen. Dann mag er sehen, wie er mit dem jungen Mädchen fertig wird. Das geht mich nichts mehr an. Wie gefällt dir das?«

»Vorzüglich.«

»Auf diese Weise vermeiden wir das Blutvergießen und die Schläge, an denen mir ohnedem nicht viel liegt, wenn ich sie vermeiden kann.«

»Du bist klug.«

»Meiner Treu! Freund, wenn man Geschäfte wie dieses macht, die, wenn sie gelingen, großen Gewinn abwerfen, so muss man sich immer so einrichten, dass man sich so sicher stellt wie möglich.«

»Das ist ganz gut spekuliert. Dein Einfall gefällt mir übrigens unendlich und ich will ihn unverzüglich ausführen. Aber erst wollen wir uns auch ganz genau verständigen, um keine Irrungen zu begehen, die immer etwas unangenehm sind.«

»Sehr wohl.«

»Wenn der Captain, wie ich glaube, deinen Plan gut und unfehlbar findet, so werde ich, sobald wir am Fuß des Hügels sind, mit fünf entschlossenen Burschen heraufsteigen und die ich mir selbst sorgfältig aussuche. Von welcher Seite soll ich in das Lager eindringen?«

»Zum Teufel, da wo du hereingekommen bist. Das wirst du doch wissen.«

»Und du, wo wirst du sein?«

»Am Eingang selbst, bereit, euch zu helfen.«

»Gut. Nun ist alles abgemacht. Du hast mir weiter nichts zu sagen?«

»Nichts.«

»So will ich gehen.«

»Ja, je eher, je besser.«

»Du hast immer recht. Führe mich bis zu der Stelle, wo ich herausgehen soll. Es ist so finster, dass, wenn ich allein gehe, ich imstande bin, mich zu verlaufen und gegen einen schlafenden Soldaten zu rennen, und das würde nicht in unseren Kram passen.«

»Gib mir die Hand.«

»Hier ist sie.«

Die zwei Männer standen auf und schickten sich an, sich zu der Stelle zu begeben, wo der Bote des Captains herausgehen sollte. Aber im selben Augenblick stellte sich ein Schatten zwischen sie.

Eine feste Stimme sagte: »Ihr seid Verräter und sollt sterben.«

Die Männer blieben trotz ihrer Selbstbeherrschung einen Augenblick starr vor Schrecken.

Die Person, welche eben geredet, schoss, ohne ihnen Zeit zu lassen, wieder zu sich zu kommen, zwei Pistolen auf sie ab.

Die Elenden schrien laut auf. Der eine fiel, der andere sprang wie eine Tigerkatze fort, kletterte an den Befestigungen in die Höhe und verschwand, ehe ihm eine zweite Kugel nachgesendet werden konnte.

Bei dem Knall der beiden Schüsse und dem von den Räubern angestoßenen Geschrei waren alle im Lager aus dem Schlaf aufgeschreckt. Jeder rannte zu den Schanzen.

Der General und der Captain Aguilar kamen an dem Ort, wo die eben beschriebene Szene spielte, zuerst au.

Sie fanden Donna Luz, die zwei noch rauchende Pistolen in den Händen hielt, indessen sich zu ihren Füßen ein Mann in den letzten Zuckungen des Todeskampfes wand.

»Was soll das bedeuten, liebe Nichte? Um Gotteswillen, was ist vorgefallen? Bist du verwundet?«, fragte der General voll Schrecken.

»Beruhige dich, Onkel, ich bin nicht verwundet«, antwortete das junge Mädchen. »Ich habe nur einen Verräter bestraft. Die beiden Schurken verschworen sich in der Dunkelheit gegen unsere Sicherheit. Der eine ist entkommen, aber der da scheint sehr krank zu sein.«

Der General bog sich hastig über den Sterbenden. Beim Schein der Fackel, die er in der Hand trug, erkannte er Kennedy, jenen Führer, von welchem Schwätzer behauptet hatte, dass er bei dem Präriebrand umgekommen sei.

»Oho«, sagte er, »was soll das heißen?«

»Das heißt«, antwortete das junge Mädchen, »dass, wenn Gott mir nicht beigestanden hätte, lieber Onkel, so würden wir noch in dieser Nacht von einer in der Nähe lauernden Räuberbande überfallen worden sein.«

»So lasst uns keine Zeit verlieren.«

Und mit dem Beistand des Captains Aguilar beeilte sich der General, alles für den Fall eines Angriffes zu einem kräftigen Widerstand vorzubereiten.

Schwätzer war entkommen, aber eine starke Blutspur zeigte, dass er schwer verwundet sein müsse. Wenn es hell gewesen wäre, so würde man versucht haben, ihn zu verfolgen. Es wäre vielleicht gelungen, ihn einzuholen, aber in der tiefsten Dunkelheit, und da man nicht wusste, ob nicht Feinde in der Nähe im Hinterhalt lauerten, wollte der General seinen Soldaten nicht erlauben, sich aus dem Lager zu wagen. Er zog es vor, dem Elenden diese letzte Rettung zu gönnen.

Was Kennedy betraf, so war er tot.

Als die erste Aufregung vorüber war, fühlte Donna Luz, die der Gedanke an die Gefahr nicht mehr aufrechterhielt, dass sie ein Weib sei. Ihre Kräfte verließe n sie, ihre Augen trübten sich, ein krampfhaftes Zittern erschütterte ihren ganzen Körper. Sie sank zusammen und wäre gefallen, wenn sie der Doktor nicht in seinen Armen aufgefangen hätte.

Er trug sie halb ohnmächtig in das Zelt und wandte alle Mittel an, die ihr Zustand forderte.

Das junge Mädchen kam allmählich wieder zu sich, ihre Ruhe kehrte wieder und ihre Gedanken fingen an sich zu ordnen.

Sie erinnerte sich der Worte, die ihr der Schwarze Hirsch erst am selben Tag gesagt hatte. Sie glaubte, dass der Augenblick, ihn an die Erfüllung seines Versprechens zu erinnern, gekommen sei, und gab dem Doktor ein Zeichen, näher z treten.

»Lieber Doktor«, sagte sie mit sanfter Stimme, »wollen Sie mir einen großen Gefallen tun?«

»Verfügen Sie über mich, Señorita.«

»Kennen Sie einen Trapper, welcher der Schwarze Hirsch heißt?«

»Ja, seine Hütte ist nicht weit von hier, in der Nähe eines Biberteiches.«

»Ganz recht, lieber Doktor. Sobald es hell sein wird, sollen Sie ihn in meinem Namen aufsuchen.«

»Warum das, Señorita?«

»Ich bitte Sie darum!«, sagte sie im schmeichelnden Ton.

»Nun! Dann seien Sie ganz ruhig, ich werde gehen«, sagte er.

»Ich danke Ihnen.«

»Was soll ich ihm sagen?«

»Sie werden ihm über die Ereignisse dieser Nacht Bericht abstatten.«

»Das werde ich tun!«

»Dann werden Sie hinzufügen: Jetzt geben Sie recht acht und merken Sie sich die Worte recht genau.«

»Ich höre mit beiden Ohren, ich werde sie in meinem Gedächtnis einprägen.«

»Schwarzer Hirsch, die Stunde schlägt! Sie haben mich recht verstanden, nicht wahr?« »Vollkommen, Señorita.«

»Sie schwören mir, dass Sie tun wollen, worum ich Sie bitte?«

»Ich schwöre es«, sagte er mit ernster Stimme, »bei Sonnenaufgang werde ich gehen, den Trapper aufzusuchen. Ich werde ihm erzählen, was diese Nacht vorgefallen ist, und hinzufügen: Schwarzer Hirsch, die Stande schlägt! Ist das alles, was Sie von mir verlangen?«

»Ja, alles, mein guter Doktor.«

»Nun, so überlassen Sie sich furchtlos der Ruhe, Señorita. Ich schwöre Ihnen bei meiner Ehre, dass es geschehen soll.«

»Ich danke Ihnen«, flüsterte das junge Mädchen mit einem sanften Lächeln und drückte ihm die Hand. Dann sank sie, von den furchtbaren Erschütterungen der Nacht erschöpft, auf ihr Lager zurück und fiel bald in einen sanften, stärkenden Schlaf.

Beim Abbruch des Tages verließ der würdige Gelehrte trotz der Vorstellungen des Generals, der vergeblich versuchte, ihn durch die Schilderung der Gefahren, welchen er sich leichtsinnigerweise aussetzte, zurückzuhalten, worüber er nur den Kopf schüttelte und ohne einen Grund dafür anzugeben, auf seinem Vorhaben bestand, das Lager und trabte rasch den Hügel hinab.

Als er den Wald erreicht hatte, gab er seinem Pferd die Sporen und jagte im Galopp zu der Hütte des Schwarzen Hirsches.