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Rübezahl – Wie Rübezahl zu seinem Namen kam

Rübezahl
Der Berggeist des Riesengebirges
Sagen und Schwänke neu erzählt nach R. Münchgesang
Wie Rübezahl zu seinem Namen kam

Lange Zeit blieb nun Rübezahl still für sich, denn er hatte die Lust verloren, sich mit den Menschenkindern näher einzulassen. Nur von Weitem sah er ihnen neugierig zu.

Eines Tages lag er in seinem Garten, dem wildesten Teile des Gebirges, in dem er niemand duldete. Einem Felsblock ähnlich lag er still da, schlief und träumte. Schon öfters hatte er bemerkt, dass ein Schwarm munterer Mädchen seiner Behausung nahe kam. Bei heiterem Wetter spielten und tändelten sie im Walde. Sobald sich aber die Sonne hinter den Bergen verlor, sprangen die jungen Menschenkinder wieder hinunter ins Tal. Zuerst hatte Rübezahl nur wenig darauf geachtet. An diesem Tage aber kam dieselbe Gesellschaft keck in seine Nähe, und er sah nun auch, wer seine Ruhe störte. Witgar, König Otwins Tochter, liebte es, mit ihren Gespielinnen in den Bergen herumzustreifen, um diese kennenzulernen und allerhand Kurzweil zu treiben. Gerade heute entdeckte dies frohe Völkchen einen Ort, den es früher nicht vermutet hatte. Ein Bach rauschte in munteren Kaskaden herab und bildete zwischen schützenden Felsen ein klares Wasserbecken, ehe er ungestüm seinen Weg in die Tiefe weiter verfolgte. Rings um das Becken wuchsen die schönsten Gebirgsblumen und kräftiges Gras.

Jauchzend nahmen die Mädchen von dem lieblichen Orte Besitz, schickten sich gar bald an, in dem Becken zu baden, bespritzten sich gegenseitig mit Wasser und trieben auch sonst allerhand Mutwillen.

Der Berggeist ließ sich diese Störung ruhig gefallen und sah dem Spiel der übermütigen Kinder freundlich zu. Mit Entzücken ruhten seine Augen vor allem auf der blühenden Königstochter. Sogleich erfasste ihn eine leidenschaftliche Zuneigung zu der schönen Prinzessin, und er nahm sich vor, sie in sein Reich zu entführen. Heute fand er aber keine passende Gelegenheit, seinen Plan auszuführen. Er ließ daher die Mädchen ruhig austollen und nach Hause ziehen, nachdem sie der Spielerei überdrüssig waren.

Witgar und ihren Gespielinnen hatte es indes so gut an jener freundlichen Stelle gefallen, dass sie in den nächsten Tagen wieder hinaufzogen. Doch kannten sie den Platz gar nicht mehr wieder, denn alles war verändert. Statt der rohen Felsen erblickten sie kunstreich hergestellte Wände aus rosenfarbigem Marmor, die sich tempelartig in der Höhe zusammenschlossen, statt des Rasens herrliche Sofas mit verschnörkelten goldenen Lehnen, und das Becken der Quelle war zierlich ausgelegt. Ein leichter Dampf strömte aus dem klaren, perlenden Wasser, zum Zeichen, dass sich einer jener geschätzten warmen Brunnen gebildet hatte.

Einen herrlicheren, kostbareren Badeort hatte Witgar noch nicht gesehen, und als sie aus dem ersten Staunen heraus war, entschloss sie sich, in dem Becken zu baden, ohne lange darüber nachzugrübeln, woher diese bestreikende Veränderung gekommen war und wie sie zu erklären sei.

Frohlockend stieg sie in das flache Gewässer. Aber kaum hatte ihr zierlicher Fuß den Silbersand berührt, da verschwand sie vor den Augen der bestürzten Begleiterinnen, als ob sie eine unter-irdische Kraft blitzschnell in die Tiefe gerissen hätte. Das Wasser rauschte auf, beruhigte sich aber sogleich wieder, und das trügerische Wasserbecken zeigte sich harmlos wie vorher. Bilidrut, die Lieblingsgespielin der Prinzessin, stürzte sich nun rasch entschlossen in das Gewässer, um von der Herrin das Kleid oder das Haar zu erfassen oder, wenn es sein müsste, mit ihr zu sterben. Allein das Wasser erwies sich jetzt als seicht, keine Öffnung war zu entdecken, die in die Tiefe führte, ein kleines Kind hätte es ohne Gefahr durchwaten können.

Da blieb den Mädchen nichts weiter übrig, als das Unglück zu beklagen und so rasch wie möglich bergab zu stürmen, um König Otwin die Trauerkunde zu melden. Der erschrockene Vater ritt nun zwar mit bewaffneter Begleitung sofort ins Gebirge und ließ sich genau die Stelle angeben, wo seine Tochter verschwunden war. Aber da war kein Marmortempel mit Thronsesseln von märchenhafter Pracht zu finden, sondern wie früher lehnten sich kahle Felsen aneinander, und der Bach sprühte herab und füllte das Becken zwischen Gras und blühenden Waldblumen wie sonst, und wie heute noch. Von der Tochter war aber nichts, nicht eine Haarschleife oder ein Schuhband zu erblicken. Unverrichteter Sache zog der bekümmerte Vater wieder heim.

Als sich Prinzessin Witgar von ihrem Schrecken erholt hatte, fand sie sich in einem feenhaften Palast wieder. Wie ärmlich kam ihr da das Haus ihres Vaters vor gegenüber dieser Flucht köstlichster Säle, von denen der eine den anderen an niegesehener, unbegreiflicher Pracht zu überbieten schien. Wo in der Welt gab es wohl Riesensäulen, die aus faustdicken, wunderbar geschliffenen kostbaren Steinen zusammengesetzt waren? Wer, und mochte er auch noch so reich sein, baute auf Erden wohl einen Saal, der aus einem einzigen, von Kristall durchbrochenen Onyx oder Smaragd oder Rubin bestanden hätte? Welcher noch so kunstsinnige Diener eines Königs richtete wohl einen Lustgarten wie diesen her, mit Riesenblumen, gegen die ihre irdischen Schwestern wie kärgliche Hungerpflänzchen erschienen, mit majestätischen Bäumen, die in voller Kraft Jahrtausenden getrotzt zu haben schienen? Welche Künstlerhand mochte diese duftigen Kleider aus Gold- und Silberbrokat mit dem unbeschreiblichen Schmuck der Perlen, Spitzen und Edelsteine gewirkt haben, die offenbar für die Prinzessin bestimmt waren? Wer rüstete wohl ein so verlockendes Mahl auf reizendem Goldgeschirr in dem bilderreichen Speisesaal?

Wohin Witgar auch blickte, überall sah sie nur Herrliches. Sie konnte berühren, was sie wollte, genießen, was sie wollte, alles war schön, bezaubernd schön. Nur eines war merkwürdig: In dem ganzen weiten Palast war keine lebende Seele. Im Lustgarten summte keine Biene, gaukelte kein Schmetterling, zwitscherte kein Vogel, kein Gärtner machte sich mit Schere und Gießkanne zu schaffen. Keine Dienerin näherte sich mit tiefem Knicks und fragte halblaut nach Befehlen. Im ganzen Palast war es still, totenstill.

Nachdem sich die Prinzessin alles angesehen hatte, aß sie von der so verschwenderisch gedeckten Tafel so viel sie vermochte und legte sich dann in einem seidenen Bett zur Ruhe.

Am anderen Morgen fand sie ein wunderschönes Bad gerichtet und einen anmutig gedeckten Frühstückstisch, aber wieder konnte sie niemand erblicken, dem sie für die vielen Aufmerksamkeiten hätte danken können.

Als sie dann aber in dem Palaste spazieren ging und sich das Wunderbare und Geheimnisvolle desselben zu erklären bemühte, da stand plötzlich vor ihr ein stattlicher Herr, wie ein Prinz anzusehen, der ihr eine sehr zierliche Verbeugung machte und sie in wohlgesetzten Worten anredete.

»Ich bin der Herr dieses Gebirges«, sagte er, »und mir gehört alles, was Ihr hier seht. Mein sind außerdem die Schätze der Erde mit ihren verborgenen Kräften, und viele kluge und geschickte Diener. Ich will nun Euer Diener sein, erhabenste Prinzessin, wenn Ihr Euch als meine Gemahlin betrachten wollt. Gern gebe ich Euch Zeit, Euch das zu überlegen, und erwarte inzwischen Eure Befehle.«

Nun war es heraus. Dieser stattliche Prinz war der Berggeist, von dem sie ja schon so manches gehört hatte. Er und kein anderer hatte sie geraubt, und sie war in all der Pracht seine Gefangene. Da galt es, gute Miene zum bösen Spiel zu machen. Also dankte sie, gleichfalls in zierlicher Rede, für die Ehre der neuen Bekanntschaft und die gute Aufnahme im Palast, lobte die gute Ausstattung der herrlichen Räume und den vortrefflichen Geschmack des Besitzers. Der Geist machte sie darauf noch auf dies und jenes aufmerksam und war so artig, sich zu empfehlen, als er merkte, dass Witgar gern allein sein wollte.

Die Prinzessin wandelte nun noch einmal durch alle Räume und blieb bewundernd vor manchem Gemälde, mancher Bildsäule stehen, aber schließlich wurde sie der Pracht müde und fing an, sich zu langweilen. Da eilte der Geist, den sie jederzeit rufen konnte, dienstbeflissen herbei und fragte unterwürfig nach ihren Wünschen.

»Ich bin so allein und langweile mich sehr«, sagte sie mit Tränen in den Augen, »ich möchte meine Gespielinnen haben.«

»Da soll gleich geholfen werden«, erwiderte der Geist, verschwand und kam bald darauf mit einem Korb voll Rüben und einem Stab zurück.

»Holde Prinzessin«, sagte er, »Ihr braucht nur eine Rübe mit diesem Stab zu berühren und dabei den Namen desjenigen auszusprechen, den Ihr zu Eurer Kurzweil herbeiwünscht, dann geht Euer Wunsch in Erfüllung.«

Dieses Spiel kam der Prinzessin recht lustig vor. Sie berührte gleich die erste beste Rübe mit dem Zauberstab und rief: »Bilidrut!« Das war der Name ihres Lieblings unter den Mädchen des Hofes. Sogleich stand die Gerufene lächelnd vor ihr, Nach diesem guten Erfolg machte die Prinzessin weitere Versuche und zauberte sich nach und nach ihren ganzen Hofstaat herbei. Nun hatte sie, was sie wollte, und konnte mit ihren Altersgenossinnen herumschwärmen, jubeln und spielen.

Allein diese Freude hatte ihre Grenze. Nach einigen Wochen beobachtete sie, dass ihre Freundinnen sichtlich verfielen, abmagerten, träge und hässlich wurden. Eines Morgens erschrak sie besonders heftig. Bilidrut, ihr Liebling, kroch mühsam mit welken Wangen und halb erloschenem Blick daher, und auch die anderen Mädchen waren Jammerbilder geworden, traurige Schatten früherer Schönheit und Gesundheit, ohne Kraft, Mut und Lebensfreude. Entrüstet rief sie den Berggeist, dem sie über den Zustand ihres Gefolges bittere Vorwürfe machte.

»Verzeihung, edle Herrin«, antwortete der Geist, »aber Eure Klagen finden ihre natürliche Erklärung. Eure Dienerinnen waren und sind nichts anderes als Rüben und teilen mit ihnen das Schicksal der Pflanzen, sie welken und vergehen. Berührt sie mit Eurem Stab, und Ihr macht sie wieder zu dem, was sie wirklich sind.«

Die Prinzessin machte den Versuch, und ein Haufen welker Rüben lag vor ihr. »Dann schafft mir andere Rüben!«, befahl sie.

Sogleich ging der Geist, kam aber nach einiger Zeit verlegen wieder und gestand, dass sämtliche Rüben in der Welt nicht anders aussähen als diese, und dass nur Greisinnen und hilflose Sieche und Kranke erscheinen würden, wenn mit ihnen das Spiel mit dem Zauberstab wiederholt würde. »Aber ich weiß Rat«, fuhr er fort. »Ich werde ein großes Feld herrichten und mit Rüben besäen, und dann, wenn diese reif sind, mögt Ihr nach Herzenslust zaubern. Bis dahin müsst Ihr freilich einige Geduld haben.«

Es verging eine geraume Zeit voller Langeweile, bis die Prinzessin wieder Gesellschaft bekam, und das machte ihr das Leben im Palast des Bergherrn schier unerträglich. Manchmal wurde ihr angst und bange in der Einsamkeit. Da rauschte es wohl in den Büschen, hinter den Sesseln, an der Decke, unter den Teppichen. Sah sie genau hin, so erblickte sie Gnome, die Diener des Berggeistes, hässliche, aber flinke Zwerge, die sie mit dummen Glotzaugen anstarrten und dann blitzschnell verschwanden. Der Herr leistete ihr häufig Gesellschaft und unterhielt sie über alles Mögliche. Für gewöhnlich sah er recht jugendlich und freundlich aus, aber manchmal erschien er ihr steinalt, hart und wild.

Da regte sich in ihr immer mehr der heiße Wunsch, zu den ihren zurückkehren zu dürfen. Sie hatte einen Bräutigam, das war der junge Herzog von Ratibor, dessen Gattin sie werden wollte.

Witgar aber wusste nur zu genau, dass der Berggeist sie niemals freiwillig entlassen würde, und kam daher auf den Einfall, den Alten zu überlisten und dann zu flüchten. Das war jedoch leichter gesagt als ausgeführt. Sie hoffte die kommende Rübenernte zu ihrem Zweck benutzen zu können und grübelte hin und her, wie sie es anfangen müsse, um den Hüter ihres goldenen Käfigs hinters Licht zu führen. Die Rüben reiften endlich, und der Berggeist beeilte sich, der Prinzessin einen Korb voll davon zu bringen. Da zauberte sie dann frisch drauflos, und eins der ersten Geschöpfe, das sie erstehen ließ, war ein Bienchen. Das Tierchen war recht gelehrig und folgsam, sodass ihm die Prinzessin einen Auftrag geben konnte.

»Fliege hin, mein liebes Tierchen«, sprach sie, »bis du zu dem Herzog von Ratibor kommst, und summe ihm ins Ohr, dass Witgar noch lebt und von dem Herrn des Gebirges gefangen gehalten wird.«

Das Immchen lernte den Spruch und flog getreulich davon. Aber kaum hatte es sich in die Lüfte erhoben, so kam eine Schwalbe geflogen und schnappte ohne Scheu den emsigen Boten weg.

Witgar ließ sich indes die Mühe nicht verdrießen, ein anderes Tierchen für ihren Zweck abzurichten. Sie wählte diesmal eine Grille, der sie ein Sprüchlein lehrte.

»Lieber Grashüpfer«, sprach sie zu dem Boten, »beeile dich, zum Herzog von Ratibor zu kommen, und zirpe ihm ins Ohr, dass Witgar noch lebt und darauf wartet, aus der Gefangenschaft des Berggeistes erlöst zu werden.«

Die Grille hatte nun wohl den besten Willen, diesen Auftrag auszurichten, aber kaum war sie einige Schritte weit hinweggehüpft, als ein schwarzer Storch kam und sie rücksichtslos verzehrte. Die Prinzessin seufzte und machte nun einen Versuch mit einer Elster. Der Vogel nahm die Lehre sehr gut an und sagte seinen Spruch her, ohne anzustoßen. Schließlich galt es nur noch, die rechten Worte an den richtigen Mann zu bringen. Die Elster flog davon und wiederholte unterwegs fleißig ihre Botschaft. Als sie sich aber einmal auf einen Baum setzte, um die Richtung zu ermitteln, die sie einschlagen musste, schoss ein schwarzer Marder wie ein Blitz auf sie zu. Sie musste ein paar Federn lassen, konnte sich aber retten. Bald danach machte ein schwarzer Geier auf sie Jagd. Wieder kostete es ein paar Federn, doch rettete sie sich mit Mühe und Not. Arg zerzaust kam sie in die Gegend von Ratibor. Herzog Hartmut war seit dem Verschwinden Witgars sehr traurig geworden. Täglich ging er in den frischen grünen Wald und klagte den Bäumen sein Leid. So lag er einmal unter einer mächtigen Eiche, als er nahe über sich menschliche Reden vernahm. »Herzog Ratibor, deine Braut lebt noch und lässt dich grüßen. Sie ist gefangen im Haus des Berggeistes und will von dir erlöst werden.«

Hei, welch ein Ton! Froh sprang der Prinz auf und suchte den Überbringer der beseligenden Botschaft. Aber nur eine arme Elster konnte er erblicken.

»Sage mir mehr, mein gutes Tierchen! Sage mir, du kluger Vogel, wo und wie und wann!« Zu viel darf man aber von einer Elster nicht verlangen. Der geflügelte Bote plapperte seine Weisheit noch einmal herunter und noch öfters, aber mehr wusste er nicht. Doch der Jüngling war auch durch das wenige beglückt, und hoffnungsvoll ging er heim, um zu überlegen, was zu tun sei. Inzwischen wurde aber auch der Berggeist ungeduldig und verlangte von seiner Gefangenen, dass sie sich nun endlich entscheiden solle, ja, er setzte ihr eine Frist. Es wäre nun Zeit, Abschied von törichten Hoffnungen zu nehmen, sie müsse ihm jetzt ganz angehören. Da wusste Witgar in ihrer Not gar nicht, wie sie sich retten sollte, und, um ihn zu entfernen und zu beschäftigen, gab sie ihm auf, die Rüben auf dem Felde zu zählen. Sie wollte wissen, wie viele Wünsche sie noch damit befriedigen könne. Sogleich machte sich der Geist an die Arbeit, obschon das sehr zeitraubend und schwierig war, denn die Rüben standen nicht zierlich in Reihen wie Soldaten, sondern bald dichter, bald dünner. Während sich der Geist nun so gewissenhaft abmühte, legte Witgar ihre eigenen Kleider an, die sie getragen hatte, als sie geraubt worden war. Dann nahm sie eine Rübe und verwandelte sie in ein feuriges Roß. Das bestieg sie und jagte darauf aus dem Zaubergarten heraus, den Wohnungen der Menschen zu.

Der Berggeist hatte indes seine Aufgabe gelöst und eilte, der Prinzessin das Ergebnis zu überbringen. 26 542 Rüben standen draußen, nicht mehr und nicht weniger, dreimal waren sie gezählt worden. Als nun der Geist der Prinzessin den Erfolg seiner Mühen mitteilen wollte, merkte er gar bald, dass das Vögelchen ausgeflogen war. Da erfasste ihn heller Zorn, er warf die Gestalt ab, die er Witgar zuliebe angenommen hatte, und mit schrecklichem Gesicht schwang er sich auf, um seinen gesamten Besitz übersehen zu können. Richtig, da sprengte sie dahin, die ihn keck überlisten wollte. Schon war sie der Grenze nahe, und von drüben kam ihr jemand entgegen, natürlich jener Herzog von Ratibor, auf den immer ihre Gedanken gerichtet waren. Aber sie sollte ihren Willen nicht haben.

Wütend schüttelte er einige Wolken durcheinander, nahm einen Blitz heraus und schleuderte ihn der Prinzessin nach, gerade, als diese die Grenze berührte. Witgar stürzte nun zwar, aber nicht, weil der Strahl sie getroffen – denn der zerschmetterte nur einen Baum in der Nähe -, sondern weil ihr stolzes Roß sich wieder in das verwandelte, was es gewesen war, in eine Rübe. Der junge Herzog kam gerade recht, seine Braut in die Arme zu schließen, und froh kehrte die Gerettete zu den ihren zurück.

Als der Berggeist sah, dass ihm seine Rache fehlgeschlagen war, ließ er seinen Zorn an dem Palast aus, den er zertrümmerte und in die Tiefe versenkte. Er selbst begab sich in sein unterirdisches Reich und ließ sich lange nicht mehr unter den Menschen sehen.

Unter diesen sprach es sich aber bald herum, dass er von einem klugen Mädchen genasführt worden war, und man nannte ihn zur Erinnerung hieran spottend den Rübenzähler. Und daraus ist im Laufe der Zeit »Rübezahl« geworden.