Hessische Sagen 25
Die zwei Brüder
In der alten Kirche zu Vöhl hingen zwei Schwerter, deren einem ein Stück fehlte. Dies sollen die Waffen gewesen sein, mit denen zwei Brüder oder Vetter vor Zeiten gegeneinander fochten, sodass der eine von des anderen Hand fiel, wie solches die Limburger unterm Jahr 1354 berichtet.
Der Rodensteiner ermordet sein Weib
Ein Ritter von Bodenstein, der vor vielen Hundert Jahren lebte, war ein wilder Kämpe, der wohl Schlacht und Jagd liebte, aber die Frauen nicht leiden konnte. Einst war er auf einem Turnier und streckte dort nach seiner Gewohnheit alle Ritter in den Sand. Dafür erhielt er den Preis aus der Hand eines Edelfräuleins und das war so schön, dass es ihresgleichen nicht gab und dass selbst des wilden Ritters Herz von ihr gerührt wurde und in Liebe zu ihr entbrannte. Er war nicht gewohnt, lange Umschweife zu machen, sondern gestand ihr noch am selben Tag seine Liebe. Und da er seiner Tapferkeit wegen hochberühmt und ein stattlicher, schöner Mann war, so ließ sich das Edelfräulein leicht blenden und gab ihm ihre Hand. Da war nun großer Jubel auf Rodenstein und das Tal hallte wider von nie gekanntem Leben.
Einige Zeit ging alles gut und der Ritter schien ein ganz anderer geworden zu sein. Man sah ihn kaum mehr bei Turnieren und Jagden. Da wollte es das Unglück, dass er eines Tages mit einem seiner Nachbarn in Fehde geriet. Seine ganze leidenschaftliche Rauflust erwachte in ihm und er war wieder ganz der alte wilde Kämpe. Als er wegziehen wollte, hing sich sein Weib an ihn und konnte sich nicht von ihm trennen, aber rau, wie er war, stieß er sie fluchend von sich und stürzte hinaus. Sie war jedoch gerade gesegneten Leibes und der Stoß, den er ihr gegeben, hatte sie auf die Erde geworfen. Sie gebar noch am selben Tag ein totes Kind und starb in den Wehen.
Der Ritter lag unterdessen vor der Burg seines Feindes.
Da sah er in der Nacht eine bleiche, weiße Gestalt von fern heranschweben. Sie kam näher und mit gesträubtem Haar erkannte er seine tote Frau, ihr totes Kind auf dem Arm. Sie sprach: »Du hast Weib und Kind deiner Kampflust geopfert, so verfluche ich dich, dass du kämpfend immerdar umziehest und dem Land Krieg und Frieden verkündest. Dieser Fluch ging in Erfüllung und so wurde der Ritter der Kriegsbote für das ganze Reich.
Der Reitersprung bei Hünfeld
Im Dreißigjährigen Krieg verfolgten die Schweden einen Husaren Tillys bis auf den äußersten Rand der Klippe, welche man jetzt den Reitersprung nennt. Da empfahl er sich der heiligen. Mutter und setzte mit seinem Ross hinab in die Haun, wo beide unbeschädigt ankamen und gerettet wurden. Zum Dank ließ der Reiter eine Kapelle in den Stein hauen und weihte sie der heiligen Mutter Maria.
Die Kapelle zu Eisenbach
Zwei Brüder besaßen einst das Schloss zu Eisenbach gemeinschaftlich, und zwar war es so geteilt, dass der eine über das andere Gebiet ein- und ausgehen musste. Wären beide friedliebend gewesen, so hätte das nichts zu sagen gehabt. Das waren sie aber nicht, im Gegenteil, sie bewarfen sich mit Steinen, wo sie einander nur sahen. Das wurde mit der Zeit so arg, dass der sine sich eine Ausfahrt durch die Kapelle brechen ließ, und so sah man denn das Unerhörte, dass täglich Pferde und Wagen durch den heiligen Raum fuhren. Noch heute sieht man am Tor der Kapelle die Spuren, welche die Räder in den Steinen der Schwelle hinterließen und die als bleibendes Wahrzeichen der maßlosen Feindseligkeit der beiden Brüder dastehen.
Ulrichstein und Petershain
Zwei Brüder, Ulrich und Peter, sollen die beiden Burgen erbaut haben, welche diesen Namen führen. Einer anderen Sage zufolge hatte eine vornehme Frau einen Sohn, welcher Ulrich hieß. Der bat sie oft um Geld und ging dann weg, ohne zu sagen wohin und was er tue. Endlich wollte seine Mutter wissen, was er mit all dem Geld anfange und wo er seine Zeit zubringe. Da führte er sie auf den Berg, wo er von dem Geld eine Burg baute. Als die Frau dort ankam und die vielen Steine sah, rief sie aus: »Ach Ulrich, was Stein’!« Davon erhielt die Burg ihren Namen.
Kaiser Friedrich in Rommelhausen
Als Kaiser Friedrich einmal bei Rommelhausen jagte und großen Durst hatte, reichte ihm ein Rommelhäuser einen Trunk des guten Wassers aus ihrem Brunnen in einer Scherbe. Der Kaiser labte sich an dem Trunk so sehr, dass er den Bewohnern des Ortes für ewige Zeiten Zehntfreiheit verlieh, oder wie andere sagen, ihnen den Reichswald schenkte, den sie noch besitzen.
In der Mauer des Schlosses Ortenberg sieht man das roh gearbeitete Bild eines Mannes eingemauert, welcher mit der linken Hand seinen langen Bart hält. Das ist der Kaiser Friedrich.
Vetzberg, Gleiberg, Wettenberg
Diese drei Berge in der Nähe von Gießen gehören zu den »sieben Köppeln«. Um des letzteren Gipfel zieht sich ein uralter Ringwall von dreihundert Schritten herum, in dessen Innern man noch Spuren alten Mauerwerks antrifft. Die Sage erzählt, drei Brüder hätten jeder eine Burg gebaut. Der Erste nannte die seine, welche sehr stark und fest war, eine Feste, daraus entstand der Name des Vetzbergs. Der Zweite stellte dieser Burg eine gleiche entgegen, daher der Name Gleichberg oder Gleiberg. Der Dritte endlich wettete, seine Burg müsse die beiden anderen an Festigkeit noch übertreffen, daher der Name Wettenberg. Andere sagen, drei Brüder hätten auf den drei Bergen je eine Burg gebaut. Der Besitzer des Wettenbergs sei jedoch ein schlechter Geselle gewesen, darum hätten die beiden anderen ihn angegriffen, die Burg erobert und zerstört.
Wieder andere erzählen Folgendes: Drei Brüder liebten ein Mädchen und sie versprach, als ihr die Wahl schwer wurde, ihre Hand dem, der die schönste Burg für sie baue. Als die drei Burgen fertig waren, entschied sie sich für den Wettenberg und dessen Besitzer. Erzürnt darüber zogen die beiden anderen Brüder vor die Burg und erstürmten und zerstörten dieselbe.
Der Riedesel Name
Ein Kaiser verirrte sich eines Tages auf der Jagd im Wald und kam in große Not und Gefahr seines Lebens, als ihn ein Ritter sah und den Erkannten auf den rechten Weg und zu seinem Gefolge brachte. Zum Dank dafür schenkte ihm der Kaiser so viel Land, wie der Ritter in drei Tagen auf einem Esel umreiten könne. Der Ritter saß sofort auf und des Landes war keine geringe Strecke, welches er also zum Eigentum erwarb. Von dem Ritt auf dem Esel nannte ihn der Kaiser aber Rittesel, welches später zu Riedesel wurde und gab ihm des Tieres Kopf in sein Wappenschild.
Ripfeld, Herbstein und Lanzenhain
Ein Ritter von Schalksbach hatte nur eine Tochter und keinen Sohn. Da die Tochter sehr schön und er sehr reich war, so fehlte es nicht an Bewerbern und die Wahl wurde immer schwerer. Da entschied der Ritter, ein Kampf solle herausstellen, welche unter den Bewerbern die Tapfersten seien und von diesen solle derjenige seine Tochter haben, der einen gewissen Stein, welcher in der Gegend lag, nach Schalksbach auf dem Rücken tragen können. Bald fand das Turnier statt und aus ihm gingen nach langem Kampf nur zwei als Sieger hervor. Der Erste versuchte den Stein zu heben, aber er brach unter ihm zusammen und gab den Geist auf. Der andere hob ihn auf seine Schultern und schritt rüstig mit ihm fort, bis er Schalksbach schon sah. Aber auf dem Gipfel eines Berges fühlte er seine Kräfte schwinden und sank mit dem Ausruf »O herber Stein!« tot zu Boden.
Als die Jungfrau dies hörte, beschloss sie, der Welt Valet zu sagen, weil sie ohne ihr Wollen Schuld an dem Tod der beiden Ritter war. Sie vermochte ihren Vater, von ihrem Vermögen Stiftungen zu machen und nahm den Schleier in einem Kloster. Zum Andenken an diesen schrecklichen Ausgang der Werbung baute der Ritter aber drei Schlösser. Das Erste in den Hain, wo das Lanzenstechen stattgefunden hatte, das nannte er Lanzenhain. Das Zweite an den Ort, wo der eine der beiden Sieger unter dem schweren Stein tot zu Boden gefallen war, das nannte er Ripfeld. Und das Dritte da, wo der zweite der Sieger erlegen war, das hieß er nach dessen letzten Worten Herbstein. Er selbst lebte auch nicht lange mehr, sondern starb bald vor Kummer.
Selters
In alten Zeiten stand da, wo sich jetzt die Kirche zu Selters befindet, ein Kapellchen, worin ein Mönch den Gottesdienst versah. Die Bewohner der Umgebung fanden in der Nähe der Kapelle eine Salzquelle, siedelten sich dabei an und bereiteten Salz. Wenn sie dasselbe nun in der Nachbarschaft zum Verkauf brachten, sagte man: »Da kommen die Selzer!« Davon erhielt der Ort seinen Namen.