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Nicholas Bennett – Dunkler Fluss

Nicholas Bennett – Dunkler Fluss

Dunkler Fluss ist ein seltsamer Roman, welcher in der fiktiven Stadt Measton, in der Region Cotswold liegend, angesiedelt ist. Er konzentriert sich auf die dunklen Ereignisse eines Flusses, der durch die Stadt fließt. Dieses Buch ist ein Mysterium der Geheimnisse, die der Fluss enthält, und der übernatürlichen Ereignisse, die den Einheimischen widerfahren.

Es scheint einfach zu sein, mit seinem Hund an irgendeinem Fluss spazieren zu gehen, in den Tag hineinzuträumen und dabei seinen Blick auf das dahinfließende Gewässer zu richten. Doch dieser Roman hat es in sich. Nichts scheint so, wie es die Oberfläche des Flusses einem erscheinen lässt. Es gibt jede Menge Düsterkeit in dieser Story, und das Mysterium beginnt sich sehr langsam zu entfalten. Nach und nach bewegt sich der Plot, welcher zu Beginn wie ein normaler Krimi auf den Leser wirkt, zu etwas Gruseligem, dann wieder zu etwas Paranormalen bis hin zu einem Albtraum grauenhaften Ausmaßes.

Dunkler Fluss ist ein Roman, der die eigene Fantasie anregt, wo die Fluten die nassen Gräber der im Laufe vieler Jahre Ertrunkenen im Verborgenen halten und mit sich führt, der einem von einer möglichen geheimen Welt jenseits des Flusses träumen lässt.

Ich wünsche Ihnen eine spannende und gruselige Reise durch die Finsternis des Lebens rund um den Fluss.

Das Buch

Nicholas Bennett
Dunkler Fluss
Thriller, Perfect Paperback, Luzifer Verlag, Drensteinfurt, August 2015, 500 Seiten, 14,95 Euro, ISBN 9783958350366, Cover: Michael Potrafke, Übersetzung: Andreas Schiffmann
Kurzinhalt:
Der Fluss vergisst nicht … Ein Leben wird gerettet, ein anderes verflucht. David Weaver wird von Träumen und Geistern heimgesucht, als der Fluss ihn ruft, wie er es bereits früher getan hat … im August 1976, dem heißesten Sommer aller Zeiten. Die dunkle Historie einer ländlichen Kleinstadt Englands liegt verborgen in den finsteren Katakomben mittelalterlicher Ruinen. Eine Energie aus altertümlicher Zeit schlummert dort und wartet darauf, sich an den Bedürfnissen der Menschen, Böses zu tun, zu laben. Dunkler Fluss ist ein Roman über die düstere Psychologie eines beschaulichen kleinen Ortes, den scheinbar selten ein Wässerchen trübt. Die älteren Bewohner jedoch wissen es besser. Sie kennen die heimtückische Unterströmung, die dem Leben am Fluss Meas zu eigen ist …

Über den Autor Nicholas Bennett

Geboren und aufgewachsen in Evesham, Worcestershire.

Nicholas Bennett verließ die Region in seinen frühen Zwanzigern, um zu Ruhm und Reichtum als Sänger in einer Rock ‘n’ Roll Band zu gelangen. Da dies nicht wie geplant klappte, wurde er Erzieher von Teenagern, eine Verantwortung, die ihm einige schlaflose Nächte bereitete, aber trotz allem eine gute Sache ist, wie er erzählte.

Sein Fernweh begann, als Nicholas Brighton verließ, die Rockbands Blur und Oasis sich einen erbitterten Kampf lieferten und er auf die frühen Vierziger zusteuerte. Seine Familie und er lebten und arbeiteten in Ägypten, Frankreich und Thailand, wohnen nun glücklich in Suffolk. Die Familie hat ein ungeschriebenes Gesetz, welches die gemeinsame Nutzung von Fotos von weit entfernten exotischen Orten verbietet, um nicht erneut in ein Fernweh zu verfallen, auch wenn einmal die Füße jucken sollten.

Nicholas Bennett war schon immer ein Schriftsteller verschiedener Genres. Es gab in seinem Leben nie eine Zeit, in welcher er nicht etwas zu schreiben hatte, egal, was der Grund dafür war. Poetry, Songtexte, Kurzgeschichten und gelegentliche lange Arbeiten. The River Dark ist der erste Roman, den er veröffentlichen konnte. Nun hat er eine Phase erreicht, mit dem Schreiben nicht mehr aufzuhören. Es ist ihm eine Freude, und er hofft, dies noch lange tun zu können.

Nicholas Bennett ist zurück in Blighty, lehrt und schreibt, schreibt und lehrt, spielt mit den Kindern, geht mit dem Hund spazieren. Mittlerweile ist er in den Mittvierzigern und expandiert.


Leseprobe

Teil 1
Die Brücke

Es ist die Unterströmung, verstehen Sie?

Prolog
-1 –

August 1976, Measton

Es war der heißeste Tag aller Zeiten. Das wusste jeder. Davey dachte das Gleiche, während er zum schmalen Schattenstreifen an der Mauer trabte. Es war auch viel zu heiß zum Laufen, doch er legte sich trotzdem ins Zeug, um mit Grant Moran, diesem üblen Typen, schrittzuhalten.

Davey wusste, dass er einen Fehler machte.
Einen schweren Fehler.

Er hatte die unsichtbare Linie am Ende seiner Straße bereits weit hinter sich gelassen – eine Grenze, die nie und nimmer überquert werden durfte, egal wer behauptete, es gehe schon in Ordnung. Und nicht nur das: Er war außerdem hinter dem allerschlimmsten Jungen überhaupt her.

Grant Moran!

Er fand das alles nicht gerecht. Nur weil Grants Daddy als böser Mann galt, meinte jeder
automatisch, der Junge müsse genauso sein. Wie der Vater, so der Sohn hatte seine Mama zu Carol, ihrer Nachbarin von nebenan, gesagt. Denn Grants Daddy war ein Krimineller. Er klaute aus den Häusern anderer Leute Dinge, wie ein Einbrecher aus Der Sechs-Millionen-Dollar-Mann und saß deshalb andauernd im Gefängnis, sodass Grant ihn nie zu Gesicht bekam, nicht einmal an seinem Geburtstag oder zu Weihnachten. Daveys Daddy war ebenfalls fort und würde ihn weder zu Weihnachten noch an seinem Geburtstag oder überhaupt irgendwann sehen. Er saß aber nicht im Gefängnis, sondern war im Himmel. Grant gab vor, es sei ihm egal, ob er seinen Daddy treffen könnte oder nicht, aber dann wurde er wütend und warf
Steine auf die Gewächshäuser im Garten des alten Mr. Andrews. So etwas tat Grant ständig. Dies war das Problem und der Grund dafür, dass sich Davey in der Hitze abmühte und seine kurzen Beine im gleißenden Licht der Sonne am frühen Nachmittag vor Anstrengung zitterten. Andererseits hatte Grant stets die besten Ideen.

»Komm schon, das wird bestimmt lustig!« Grant kehrte wieder diese ganz spezielle Art hervor, die darauf hindeutete, dass gleich das Fenster von jemandem dran glauben musste. Er grinste breit. Einschüchternd, lustig und frech zugleich.

»Ich darf nicht«, erwiderte Davey. »Meine Mama hat gesagt …«

Grant verhöhnte ihn auf übertriebene Art und Weise: »Hilfe, Mama hat gesagt, Mama hat gesagt! Ich mach mir in die Windel, wenn ich auf die Straße gehe.«

Davey boxte gegen Grants Schulter. Er trug nicht einmal eine Windel, er war schließlich schon fünf.

Grant tanzte vergnügt um ihn herum. »Mama hat gesagt, Mama hat gesagt, Mama hat gesagt …«

Zehn Minuten später schleppte sich Davey auf dem schmalsten aller Schattenstreifen weiter und bemühte sich vergeblich, Grant nicht aus den Augen zu verlieren, während immer mehr Übelkeit und Panik in ihm aufstiegen. Er hätte am liebsten
losgeheult. Nie zuvor war er so weit weg von zu Hause gewesen, ohne dass ihn seine Mutter an der Hand hielt, und das geschah sowieso nur, wenn er in die Vorschule ging.

Wir wagen ein Abenteuer, redete er sich tapfer ein und unterdrückte seine Tränen. Dann setzte er zum vollen Sprint an, trotz der Warnung seiner Mama, in dieser Hitze nicht zu rennen. Er wollte sich schließlich nicht verirren, und Grant preschte
voran, ohne auch nur einmal stehen zu bleiben oder sich nach ihm umzudrehen – kein einziges Mal. Die Häuser hier sahen nicht vertraut für ihn aus; er hatte sie noch nie zuvor gesehen. Er fand, sie waren schmutzig, und er wusste, dass seiner Mama die kaputten Fahrräder in den Vorgärten, die voller Unkraut waren, oder die Tore, die offenstanden, weil die Riegel abgebrochen waren, nicht gefallen würden. Er lief weiter, wich Hundehaufen aus und sprang auf dem glühend heißen Asphalt über verblasste Kreidekästchen zum Hüpfspielen.

Grant bog in eine Gasse am Ende der Straße ein. Als Davey diese erreichte, war der Junge nur noch ein winziger Punkt in der Ferne, also legte er noch einmal einen Zahn zu. Er flog nun förmlich an Zäunen vorbei, von denen die Farbe abblätterte, und setzte die Füße geschickt zwischen rote Ziegel, die aus dem Boden hervorragten. Er war jetzt Steve Austin, der erste bionische Mensch der Welt. Die
Titelmelodie erklang in seinem Kopf, gemeinsam mit Lee Majors’ Stimme: »Schleudersitz funktioniert nicht, sie schmiert ab, sie schmiert ab!«

Er schien nun ein wenig zu Grant aufgeschlossen zu haben.
»Warte auf mich!«

Wir haben die Möglichkeit, den ersten bionischen Menschen zu erschaffen.

Grant wartete im Schatten einer Ulme auf ihn. Er hatte sein Tunichtgut-Grinsen für Davey aufgesetzt und wies mit einer Kopfbewegung auf das weite Feld vor ihnen. An dem unbefestigten Weg, der am Rand dieser Einöde verlief, stand ein verwittertes, von Hand bemaltes Schild.

»Ross«, las Davey, während er wieder zu Atem kam. »Was sollen wir denn auf Ross’ Land?«

Grant zeigte erneut alle seine Zähne und antwortete: »Wirst schon sehen.«

Sie liefen auf die lange, flache Wiese, die sich bis zum River Meas erstreckte, wobei das Gras bis an Daveys Schultern reichte. Sich einen Weg zu bahnen, war allerdings leicht, weil Generationen von Kindern dauerhafte Breschen in die Wildnis geschlagen hatten … zum Angeln gehen, spielen, oder wenn sie sich Höhlen bauen wollten. Ebenso wie Teenager, die auf der Suche nach einem abgeschiedenen Ort gewesen waren, um sich mit Zigaretten und Sex in die Erwachsenenwelt zu stürzen. Davey machte den Eingang zu einem Versteck aus, wo das Gras und Gestrüpp am dichtesten waren, während vom Regen ausgebleichtes Bonbonpapier das Alter derjenigen preisgab, die es zuletzt besetzt hatten. Dieser Fleck war ausschließlich Kindern vorbehalten. Die beiden hielten sich nun in Richtung Fluss. Irgendwann rutschte Davey aus und knickte schmerzhaft mit einem Fuß um. Er setzte sich auf
die durch die Sonne aufgesprungene Erde, rieb sich den Knöchel und versuchte seine Tränen zurückzuhalten. Grants Schatten fiel plötzlich auf ihn.

»Vielleicht solltest du besser heimgehen, Baby Davey. Du bist noch zu klein hierfür – und du bist ein Schlappschwanz.«

Davey blinzelte ihn von unten an.
Schlappschwanz? Grant war acht Jahre alt. Er kannte ein paar wirklich gute Kraftausdrücke.

»Nichts passiert«, behauptete Davey und zog die Nase hoch.

Er gewann langsam den Eindruck, dass die Luft hier anders roch. Nach Kacka. Der Fluss war nicht mehr weit weg, das wusste er, und er spürte ein Zwicken im Bauch; so wie immer, wenn er vorsätzlich etwas Ungezogenes oder Verbotenes tat. Wieder hörte er die Stimme seiner Mutter: Geh niemals allein zum Fluss!

Leider fühlte er sich hypnotisch zur Strömung des Wassers hingezogen. Mittlerweile konnte er genauso wenig umkehren, wie Fliegen von Hundedreck fernbleiben würden. Der Fluss war riesig; er war aufregend – das Sprungbrett in ein Meer verwegener Fantasien. In ihm schwammen fette Fische, und es lagen bestimmt versunkene Schiffswracks darin … und tote Menschen, davon war er überzeugt. Duncan Harris hatte ihm das einmal erzählt. Vier Jungen sind im Fluss ertrinkt, hatte er ihm verstohlen zugeflüstert, damit Mrs. Newton es nicht hörte. Keiner hat sie je gefindet. Davey hastete weiter durch das hohe Gras.

Dann tat sich das Gewässer vor ihnen auf, das Ufer mit Müll und anderem Unrat übersät, dessen sich die Leute im Laufe der Jahre entledigt hatten, alles von Kühlschränken über Sessel und Tüten mit leeren Limonadenflaschen – Grant untersuchte diese und verkündete, er werde sie zu Dix’ Kiosk bringen, um das Pfandgeld dafür einzusacken. Bis hin zu aufgeweichten Pappkartons voller Zeitschriften mit Bildern von nackten Frauen auf den Titelseiten; auch Letztere besah sich Grant, allerdings ohne etwas dazu zu sagen. Sie schlugen sich nun durch den Abfall von Measton, wie es nur kleine Jungs können, witterten dabei Schätze und erwärmten sich für unbrauchbare, weggeworfene Überbleibsel aus den Leben fremder Leute.

Auf ihrem Weg zur Brücke unterbrachen sie sich wiederholt mit Rufen wie Sieh dir das an und einer Runde Steinewerfen, die zwanzig Minuten dauerte. Grant gewann natürlich, denn Davey würde seinen Rekord von acht Sprüngen niemals brechen können. Er schmollte eine Weile, während ihm Grant versicherte, dass er keinen Fünfjährigen kenne, der es nur annähernd so gut könne wie Davey. Daraufhin schleuderte er noch einen Stein über das Wasser, der es ein, zwei, drei, vier und
schließlich sogar fünf Mal schaffte. Seine bisherige Bestleistung.

In diesem Augenblick war Davey so glücklich wie noch nie zuvor, außer vielleicht an Weihnachten.

Veröffentlichung der Leseprobe mit freundlicher Genehmigung des Verlages

Quellen:

(wb)