Die Trapper in Arkansas – Band 2.6
Gustave Aimard (Olivier Gloux)
Die Trapper in Arkansas Band 2
Erster Teil – Treuherz
Kapitel 15 – Die Biber
Das junge Mädchen bog die Zweige der Weiden zurück, beugte den Kopf vor und sah hin.
Die Biber hatten durch ihren Fleiß nicht nur den Lauf des Flusses, sondern auch aller Bäche, die sich in ihn ergossen, gehemmt und dadurch das benachbarte Erdreich in einen großen Sumpf verwandelt.
Ein einziger Biber arbeitete an der Hauptschleuse. Aber bald erschienen fünf andere, die Stücken Holz, Schlamm und Gestrüpp herbeischleppten. Hierauf wandten sie sich alle einem Teil des Dammes zu, der, wie das junge Mädchen bemerkte, der Ausbesserung bedurfte. Sie legten ihre Last auf den beschädigten Teil und tauchten ins Wasser, aber nur um augenblicklich wieder an der Oberfläche zu erscheinen.
Jeder von ihnen war mit einer Masse Schlamm beladen, dessen sie sich als Mörtel bedienten, um die Stücken Holz und das Gestrüpp zu verbinden und zu befestigen. Sie kamen wieder mit Holz und Schlamm; kurz, diese Maurerarbeit wurde so lange fortgesetzt, bis die Lücke verschwunden war.
Als alles in Ordnung war, gönnten sich die betriebsamen Tiere einen Augenblick der Erholung, jagten sich im Teiche tauchten unter oder spielten auf der Oberfläche, wobei sie schallend mit den Schwänzen auf das Wasser schlugen.
Donna Luz betrachtete das merkwürdige Schauspiel mit immer wachsendem Interesse. Sie hätte den sonderbaren Tieren den ganzen Tag zusehen können.
Indessen sich die Ersteren auf diese Weise unterhielten, erschienen noch zwei Mitglieder der Gemeinde. Sie betrachteten die Spiele ihrer Gefährten eine Zeit lang sehr ernsthaft, ohne Miene zu machen, daran teilzunehmen. Dann krochen sie am Ufer hinauf, unweit der Stelle, wo der Trapper und das junge Mädchen auf der Lauer lagen, setzten sich auf die Hinterpfoten, stützten die Vorderpfoten auf eine junge Tanne und fingen an die Rinde derselben abzunagen. Zuweilen trennten sie ein Stückchen los, welches sie, immer sitzend, zwischen den Pfoten hielten. Sie nagten daran mit Gebärden und Bewegungen, die denen der Affen, wenn sie eine Nuss schälen, ziemlich ähnlich waren.
Die Biber hatten unverkennbar die Absicht, den Baum durchzunagen, und arbeiteten sehr eifrig daran. Es war eine junge Tanne, die an der Stelle, wo sie diese angegriffen hatten, ungefähr achtzehn Zoll im Durchmesser hatte. Sie war kerzengerade und ziemlich hoch. Es würde ihnen unzweifelhaft in kurzer Zeit gelungen sein, sie zu fällen, aber der General, den die lange Abwesenheit seiner Nichte beunruhigte, entschloss sich, sie aufzusuchen. Die Biber von den Tritten der Pferde erschreckt, tauchten unter und waren plötzlich verschwunden.
Der General machte seiner Nichte über ihre lange Abwesenheit leichte Vorwürfe. Doch das junge Mädchen achtete in ihrem Entzücken über das, was sie gesehen hatte, nicht darauf und nahm sich vor, später noch einmal ungesehen Zeuge von den Arbeiten der Biber zu sein.
Die kleine Gesellschaft schlug unter der Führung des Trappers den Weg zum Rancho ein, in welchem er ihnen Schutz gegen die glühenden Strahlen der, in der Mitte ihrer Bahn stehenden Sonne, angeboten hatte.
Donna Luz, deren Neugierde durch das interessante Schauspiel, welches sie gehabt hatte, in hohem Grade geweckt worden war, entschädigte sich für die unzeitige Unterbrechung ihres Onkels dadurch, dass sie sich von dem Schwarzen Hirsch die Sitten der Biber und die Art, wie sie gejagt werden, ausführlich erzählen ließ.
Der Trapper liebte es, wie alle Menschen, die einsam leben, wenn sich eine Gelegenheit dazu fand, sich für das Schweigen, zu welchem er fast fortwährend gezwungen wurde, zu entschädigen, und ließ sich nicht lange bitten.
»Ja! Ja! Señorita«, sagte er, »die Rothäute sagen, dass der Biber ein Mensch sei, der nicht rede, und Sie haben recht. Er ist klug, vorsichtig, tapfer, betriebsam und sparsam. Daher macht sich vor Beginn des Winters die ganze Familie ans Werk, um Vorräte einzusammeln; alt und jung, alles arbeitet.
Oft machen sie weite Reisen, um eine Lieblingsrinde aufzufinden. Zuweilen fällen sie ziemlich starke Bäume und brechen die Äste los, deren Rinde mehr nach ihrem Geschmack ist. Sie zerteilen sie in Stücke von ungefähr drei Fuß Länge, tragen sie zum Wasser und lassen sie zu ihrem Bau treiben, wo sie aufgespeichert werden. Ihre Wohnungen sind reinlich und bequem. Nach beendeter Mahlzeit werden die Stücken Holz, von denen sie die Rinde abgenagt haben, jenseits der Schleuse in die Strömung des Baches geworfen. Niemals gestatten sie einem fremden Biber, sich bei ihnen niederzulassen, und oft kämpfen sie mit großer Erbitterung für die Freiheit ihres Besitztums.«
»Das ist höchst merkwürdig«, sagte das junge Mädchen.
»Ja, das ist aber noch lange nicht alles«, fuhr der Trapper fort. »Im Frühjahr, welches die Zeit ist, wo sie sich haaren, lässt das Männchen das Weibchen zu Hause und macht, wie ein vornehmer Herr, eine Vergnügungsreise, wobei es sich oft weit entfernt, in den klaren Gewässern, die er findet, spielt, und an das Ufer klettert, um die zarten Zweige der jungen Pappeln oder Weiden zu benagen. Wenn aber der Sommer kommt, gibt er das Junggesellenleben auf und kehrt, eingedenk seiner Pflichten als Familienvater, zu seiner Gefährtin und seiner neuen Nachkommenschaft zurück, die er mit sich nimmt, um Vorräte für den Winter einzusammeln.«
»Man muss gestehen«, bemerkte der General, »dass es eines der merkwürdigsten Tiere der Schöpfung ist.«
»Ja«, bekräftigte Donna Luz, »und ich begreife nicht, wie man sich entschließen kann, es wie ein schädliches Tier hartnäckig zu verfolgen.«
»Das ist einmal nicht anders, Señorita«, antwortete der Trapper mit philosophischer Ruhe, »alle Tiere sind zum Besten des Menschen beschaffen und ganz besonders, dessen Fell so kostbar ist.«
»Das ist wahr«, sagte der General. »Aber«, setzte er hinzu, »wie jagen sie ihn denn? Es sind nicht alle Biber so zutraulich, wie diese. Viele verstecken ihren Bau sehr sorgfältig.«
»Ja«, antwortete der Schwarze Hirsch, »aber die Übung hat dem erfahrenen Trapper einen so sicheren Blick verliehen, dass er an dem leisesten Zeichen die Spur eines Bibers entdeckt. Und wenn der Bau durch dichtes Gebüsch und überhängende Weiden auch noch so sehr versteckt wird, so kann er doch nur selten nicht genau die Zahl der Bewohner erraten. Er legt dann seine Falle, stellt sie am Ufer ein oder zwei bis drei Zoll unter der Oberfläche des Wassers auf und befestigt sie mit einer Kette an einen mit Gewalt in den Sand oder Schlamm eingeschlagenen Pfahl. Dann wird ein kleiner Zweig geschält und in die Medizin, die wir die Lockspeise nennen, derer wir uns bedienen, getaucht. Dieser Zweig wird so angebracht, dass er drei bis vier Zoll aus dem Wasser ragt, während das Ende desselben in der Öffnung der Falle befestigt ist. Der Biber, der einen äußerst feinen Geruch besitzt, wird durch die Lockspeise bald angezogen. Sobald er die Schnauze ausstreckt, um ihn zu fassen, fängt sich sein Bein in der Falle. Erschrocken taucht er unter. Die an seinem Bein befindliche Falle widersteht allen seinen Anstrengungen, er kämpft noch einige Zeit, bis er endlich erschöpft unter das Wasser sinkt und ersäuft. Auf diese Weise, Señorita, werden die Biber gewöhnlich gefangen. Aber auf felsigem Grund, wo es unmöglich ist, einen Pfahl zu befestigen, um die Falle zu halten, müssen wir oft lange suchen, weit schwimmen, um die gefangenen Biber zu finden. Es kommt auch vor, dass, wenn mehrere Glieder einer Familie gefangen worden sind, die anderen misstrauisch werden. So schlau wir es dann auch anfangen, ist es doch unmöglich, sie mit der Lockspeise heranzuziehen. Sie nähern sich den Fallen vorsichtig, schlagen die Feder mit einem Stock ab und stürzen die Fallen sogar um, schlagen sie unter ihre Wehr und vergraben sie im Schlamm.«
»Was tun Sie dann?«, fragte das junge Mädchen.
»Dann«, antwortete der Schwarze Hirsch, »können wir nur das eine tun, unsere Fallen auf den Rücken laden, bekennen, dass uns die Biber besiegt haben und weitergehen, um weniger Erfahrene zu suchen. Aber da ist mein Rancho.«
In diesem Augenblick gelaugten die Reisenden zu einer elenden Hütte, die aus ineinander geflochtenen Zweigen gemacht war und kaum Schutz gegen die Strahlen der Sonne bot. Sie glich, was die Nachlässigkeit anbetraf, denen aller anderen Trapper in den Prärien, welche diejenigen Menschen sind, die sich am Wenigsten um die Bequemlichkeiten des Lebens kümmern.
Aber sie wurde, wie sie eben war, von dem Schwarzen Hirsch den Fremden auf das Freundlichste angeboten.
Vor der Tür kauerte ein zweiter Trapper und war damit beschäftigt, das Stück Bisonbuckel, welches der Schwarze Hirsch seinen Gästen angeboten hatte, am Feuer zu überwachen.
Dieser Mann, dessen Kleidung der des Schwarzen Hirsches in allen Stücken vollkommen gleich war, mochte ungefähr vierzig Jahre alt sein. Aber zahllose Beschwerden und Entbehrungen seines mühseligen Berufs hatten ein verworrenes Netz über sein Gesicht gezogen, das ihn viel älter erscheinen ließ.
Es gibt in der Tat auf der Welt kein gefährlicheres, mühseligeres und weniger einträgliches Gewerbe als das eines Trappers. Die armen Menschen werden oft teils durch die Indianer, teils durch die Jäger, um ihre sauer erworbenen Gewinn gebracht, skalpiert und umgebracht, ohne dass sich jemand darum bekümmert, was aus ihnen geworden ist.
»Nehmen Sie Platz, Señorita und Ihr, meine Herren«, sagte der Schwarze Hirsch artig, »so klein meine Hütte auch ist, bietet sie doch Raum genug für alle.«
Die Reisenden nahmen das Anerbieten freudig an, stiegen ab und lagen bald behaglich auf dem von trockenen Blättern, Bären-, Bison- und Hirschfellen bereiteten Lager ausgestreckt.
Die Mahlzeit, eine echte Jägermahlzeit, wurde durch einige Becher eines vortrefflichen Mezcals gewürzt, den der General auf seinen Streifzügen stets bei sich führte und den die Trapper nach Verdienst würdigten.
Während Donna Luz, der Führer und die Lanceros eine kurze Siesta hielten, um das Abnehmen der Hitze abzuwarten, bat der General den Schwarzen Hirsch, ihm zu folgen und verließ die Hütte mit ihm.
Als sie sich in genügender Entfernung befanden, setzte sich der General am Fuß eines Ebenholzbaumes nieder und bat seinen Führer, diesem Beispiel zu folgen, was dieser auch augenblicklich tat.
Nach einer kurzen Pause ergriff der General das Wort.
»Mein Freund«, sagte er, »erlaubt mir zuvor, Euch für Eure Gastfreundschaft zu danken. Und nun ich diese Pflicht erfüllt habe, möchte ich Euch einige Fragen vorlegen.«
»Caballeros«, antwortete der Trapper ausweichend, »Ihr wisst, was die Rothäute sagen: Rauche nach jedem Satz deine Kalumet, um deine Worte wohl abzuwägen.«
»Ihr sprecht wie ein verständiger Mann, aber beruhigt Euch, es ist keineswegs meine Absicht, Euch über Euer Gewerbe oder über sonst etwas, was Euch persönlich betrifft, auszufragen.«
»Wenn ich Euch antworten kann, Caballeros, seid versichert, dass ich es ohne Zaudern tun werde.«
»Ich danke Euch, mein Freund, das habe ich von Euch erwartet. Seit wie langer Zeit lebt Ihr in der Prärie?«
»Schon seit zehn Jahren, Señor, und Gott gebe, dass ich noch einmal so lange in derselben lebe.«
»Das Leben hier gefällt Euch also?«
»Mehr als ich sagen kann. Man muss es, wie ich, beinahe als Kind begonnen, alle Mühen, Entbehrungen und Zufälle desselben überstanden haben, um den entzückenden Reiz, den es hat, die himmlischen Freuden, die es bietet, und die unbekannte Wollust, in die es uns versetzt, zu begreifen. Ja, Caballeros, die schönste und größte Stadt des alten Europa ist sehr klein, – sehr schmutzig und ärmlich gegen die Wildnis. Euer eingezwängtes, geregeltes und gezwungenes Lieben ist sehr armselig gegen das unsere. Nur hier atmet man die Luft mit vollen Zügen, nur hier lebt und denkt man. Die Zivilisation drückt den Menschen beinahe auf gleiche Stufe mit dem Tier herunter und lässt ihm keinen anderen Instinkt als den, der ihm zur Erreichung seiner kleinlichen Interessen nötig ist. Indessen in der Prärie, mitten in der Wildnis, im Angesicht Gottes sich seine Gedanken erweitern, seine Seele erhebt und er wirklich zu dem wird, wozu ihn der Schöpfer bestimmt hat, zum Herrscher der Schöpfung.«
Der Trapper hatte sich, indem er so sprach, sozusagen, verwandelt, seine Züge trugen einen begeisterten Ausdruck, seine Augen schossen Blitze und seine Bewegungen hatten den Adel, den ihnen die Begeisterung verleiht.
Der General seufzte tief. Eine flüchtige Träne floss in seinen grauen Bart.
»Es ist wahr«, sagte er traurig, »dieses Leben hat einen eigentümlichen Reiz, für den, der es genossen hat, und fesselt ihn mit unauflöslichen Banden. Wo wart Ihr zuletzt, ehe Ihr in die Prärien kamt?«
»Ich kam von Quebec, Señor, ich bin ein Kanadier.«
»Aha!«
Hier entstand eine Pause.
Der General unterbrach sie zuerst.
»Befinden sich nicht auch Mexikaner unter Euren Gefährten?«, sagte er.
»Mehrere.«
»Ich wünschte etwas Näheres von denselben zu hören.«
»Ein Einziger könnte Ihnen Näheres mitteilen und er ist augenblicklich nicht hier.«
»Wie heißt er?«
»Treuherz.«
»Treuherz«, wiederholte der General, »wenn ich nicht irre, so kenne ich den Mann.«
»Wirklich?«
»Ach, mein Gott, wie unangenehm!.«
»Vielleicht wird es leichter sein, ihn zu treffen, als Ihr denkt, wenn Euch wirklich daran liegt, ihn zu sehen.«
»Es liegt mir unendlich viel daran.«
»Dann beruhigt Euch, Ihr werdet ihn bald sehen.«
»Wieso?«
»Nun, ganz einfach, Treuherz stellt seine Fallen neben mir auf. Ich überwache sie jetzt, aber er muss bald wiederkommen.«
»Das gebe Gott!«, sagte der General bewegt.
»Sobald er wiederkommt, werde ich Euch davon benachrichtigen, wenn Ihr bis dahin nicht Euer Lager verlassen habt.«
»Ihr wisst, wo meine Gesellschaft lagert?«
»Wir wissen alles in der Wildnis«, sagte der Trapper lächelnd.
»Ich nehme Euch das Versprechen ab.«
»Ihr habt mein Wort, Herr.«
»Ich danke Euch.«
In diesem Augenblick trat Donna Luz aus der Hütte. Der General gab dem Schwarzen Hirsch ein Zeichen des Schweigens und eilte zu ihr.
Die Reisenden stiegen wieder zu Pferde und schlugen, nachdem sie den Trappern für ihre herzliche Gastfreundschaft gedankt hatten, den Rückweg zum Lager ein.