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Das Harzmärchenbuch von August Ey Teil 2

Sagen und Märchen aus dem Oberharz
Gesammelt und herausgegeben von August Ey im Jahre 1862

Der Hund

Es waren einmal zwei Brüder, der eine, ein Advokat, war reich, geizig, verschmitzt und schlecht, er betrog die Leute, wo er nur konnte. Der andere, ein Schäfer, war arm, ehrlich und fromm. Der Arme ermahnte oft den Reichen und sagte: »Lass doch ab von deinem Lebenswandel und denke daran, dass du einmal sterben und Gott von allem Rechenschaft geben musst, was du getan hast.«

Der Reiche aber lachte und spottete darüber und sprach: »Ach geh’ mit deinen Reden. Ich will mit deinem Gott schon fertig werden. Ich habe schon viele Prozesse geführt und bin immer gut durchgekommen. Diesen Prozess, der mir da noch bevorsteht, will ich auch wohl gewinnen«, und was des überklugen und stolzen Geschwätzes noch mehr war. Es kam aber die Zeit, dass der Reiche starb. Als er nun begraben war, saß der Schäfer des Abends einmal bei seiner Herde und dachte darüber nach, wie es seinem verstorbenen Bruder wohl gegangen sein möchte, ob er jetzt glücklich und selig oder verdammt wäre. In Gedanken vertieft, wurde er einen großen schwarzen Hund gewahr, der an der Grenze der Wiese herauf auf ihn zukam. Nach einigen Minuten stand das Tier kopfhängend und demütig vor dem Hirten und sah den Dasitzenden an.

Der Schäfer wunderte sich über das sonderbare Benehmen des Tieres und sprach, ohne eine Antwort zu erwarten: »Wo kommst du denn her, was willst du?«

Der Hund aber antwortete: »Ach Bruder, hätt’ ich dir doch gefolgt! Als ich vor Gottes Thron kam, war mein Urteil schon bestimmt, war der Fluch über mich schon ausgesprochen, und nun kann ich nicht eher selig werden, bis das Geld, um welches ich die Leute betrog, was ich unrecht erworben habe, wieder an seine rechtmäßigen Herren gekommen ist.«

Hierauf gab der Hund, der, beidäugig bemerkt, der verstorbene Advokat war, seinem Bruder die Namen derer an, welche er um das Geld betrogen hatte, und sagte ferner, dass der ganze Schatz in seinem Garten unter dem großen Kirschbaum verborgen läge, und bat den Hirten, das Geld an die rechtmäßigen Herren zurückzugeben. Der Schäfer erfüllte treu die Wünsche seines verstorbenen Bruders und verteilte das übrig gebliebene Geld, zu welchem sich keine Herren gefunden hatten, unter die Armen. Darauf hatte sich der Hund nicht wieder sehen lassen.