Captain Concho – Band 66
Bill Murphy
Captain Concho – Der Rebell aus Texas
Band 66
Und wieder in Mexikos Hölle
Western, Heftroman, Bastei, Köln, 66 Seiten, 1,70 €, Neuauflage, Titelbild von Ertugrul Edirne / Becker-Illustrators
Kurzinhalt:
Ein Treck des Grauens durchzieht eine hitzeflirrende, tödliche Einöde. Erbarmungslos treiben Bandoleros ihre zu Tode erschöpften Gefangenen voran. Menschenleben bedeuten diesen mexikanischen Outlaws nichts. Erst recht nicht, wenn es sich um Gringos handelt – wie Captain Concho und Tom Mallison, der Yankeecolonel. Sollte einer von ihnen diesen mörderischen Marsch nicht durchhalten, wird er gnadenlos der Gluthölle der mexikanischen Wüste ausgeliefert. Aber auch in Mexiko tobt ein furchtbarer Bürgerkrieg. Es ist eine Ironie des Schicksals, dass Concho und Mallison nur eine einzige Chance bleibt, dieser Todeskolonne zu entkommen: wenn sie zwischen die tödlichen Fronten der Krieg führenden Gegner geraten …
Leseprobe:
Die Sonne brannte vom Himmel. Es war so heiß, dass ein Mann in Schweiß geriet, ohne sich zu bewegen. Nirgendwo gab es auch nur einen Fetzen Schatten. Die Luft tanzte und zitterte im Umkreis von einer Viertelmeile. Sie gaukelte grüne Wiesen und Wälder und Seen mit kristallklarem Wasser vor, wo es in Wahrheit nichts anderes gab als Sand und Steine und Glut.
Das Klima setzte den Bandoleros genauso zu wie den zwanzig Gefangenen, die sie durch diese unwirtliche, dem Menschen feindlich gesinnte Einöde trieben.
Bei den Gefangenen handelte es sich um Texaner und Mexikaner. Unter ihnen befanden sich Captain Concho und Colonel Mallison, der Conchos Jugendfreund war, im Gegensatz zum Captain jedoch der Armee der Nordstaaten angehörte.
Die Bandoleros hatten ihren Gefangenen die Hände auf den Rücken gebunden und jedem eine Schlinge um den Hals gelegt, an welcher sie die Männer wie Vieh führten.
Und wenn die mexikanischen Outlaws auch unter der Hitze iii dieser wasserlosen Weite litten – sie hatten ausreichend zu trinken und zu essen, und vor allem waren sie beritten.
Captain Concho und Colonel Mallison wussten, dass sie sich in Mexiko befanden. Sie wussten jedoch nicht, in welcher Gegend.
Die Männer stapften in Fünferreihen völlig apathisch durch die glutheiße Einöde. Vor ihnen ritten die zwanzig Bandoleros, von denen die letzten vier jene Lassos ans Sattelhorn gebunden hatten, deren Enden die Gefangenen um den Hals trugen.
Ihnen folgten weitere fünf der grausamen Banditen, die unter anderem mit Peitschen bewaffnet waren, mit denen sie die total erschöpften und halb verdursteten Männer vorantrieben.
Immer wieder krachten die Peitschen, und die Gefangenen duckten sich, wandten die Gesichter ab, um »nur« auf dem Rücken getroffen zu werden.
Neben Captain Concho wankte ein alter Mexikaner daher, der nicht mehr die Kraft besaß, den Peitschenhieben auszuweichen. Er war schon mehrmals mitten im Gesicht getroffen worden. Die Augen geschlossen, das Antlitz von den Peitschenhieben gezeichnet, stapfte er torkelnd durch die flirrende Hitze.
Concho hätte ihn gestützt. Aber er vermochte ja nicht, wie alle anderen auch, die Arme zu bewegen.
Der Mexikaner fiel zurück. Das Lasso, dessen Schlinge er um den Hals trug, straffte sich.
»Hombre!«, raunte Concho. »Mach nicht schlapp! Bleib auf den Beinen!«
Der Mann öffnete die Augen und sah den Captain an. Ein ausdrucksloser Blick. Dann schloss der Mexikaner die Augen wieder und – blieb ganz einfach stehen, bis das Lasso ihn zu Boden riss. Die Gefangenen hinter ihm wichen aus und taumelten links und rechts von ihm weiter.
Ein Bandolero trabte heran und schlug mit der Peitsche zu. »Steh auf! Los, aufstehen!«
»Ihr bringt ihn doch um!«, rief Concho wütend. »Ihr werdet ihn erwürgen! Siehst du das nicht, verdammt noch mal?«
Ein Peitschenhieb, dem der Captain nur mit Mühe und Not entging, war die Antwort. Drei andere Gefangene wurden getroffen, die nicht mehr die Kraft hatten, dem Schlag auszuweichen, und die Concho nun mit bösen Blicken bedachten. Denn seinetwegen hatte der Bastard von Bandolero ja die Peitsche geschwungen.
Der Hundesohn wollte noch einmal zuschlagen, weil er Concho nicht getroffen hatte, überlegte es sich dann aber anders und galoppierte nach vorn.
Die Kolonne hielt. Breitbeinig standen die Gefangenen da und blickten zu Boden oder einfach vor sich hin, ohne dabei etwas zu sehen. Dazu waren sie alle viel zu erschöpft und ausgelaugt. Hitze und Durst lähmten nicht nur ihre Kräfte, sondern auch ihre Gedanken.
Der Bandolero kam mit zwei Kumpanen zurückgeritten. Sie hielten und saßen ab, schoben die Gefangenen, die ihnen im Weg standen, zur Seite und traten dem bewusstlosen Mexikaner fluchend in die Rippen..
»Hoch mit dir! Aufstehen! Los, auf die Beine!«, riefen die Dreckskerle.
Captain Concho deutete mit einer müden Kopfbewegung auf den Wasserschlauch, der vom Sattel eines der Pferde hing. »Gebt ihm zu trinken! Sonst wird er krepieren.«
»Callate la boca – Halt die Schnauze!«, herrschte ihn einer der Bandoleros an.
Sie stellten den Bewusstlosen auf die Füße. Doch er klappte sofort wieder zusammen.
Erst jetzt trat einer der Banditen an das Pferd und holte den Wasserschlauch. Er war aus Ziegenleder gefertigt und mit einem Hahn versehen.
Sofort kam Bewegung in die Gefangenen. Alle wandten sich dem Bandolero zu und starrten gierig auf das kühle Nass. Auch Captain Concho.
Zuerst aber tranken die drei Bandoleros, ehe sich einer von ihnen über den Bewusstlosen neigte und ihm den Wasserstrahl ins Gesicht plätschern ließ.
»Wasser!«, stöhnten mehrere Gefangene. »Gebt uns Wasser!«
»Schnauze! Ruhe!«, riefen die Bandoleros.
Der Outlaw drehte den Hahn zu. Ein anderer kniete nieder und schlug dem Bewusstlosen ins Gesicht. Der Mann reagierte nicht. Da stand der Bandolero auf und kappte das Lasso mit der Machete.
»Weiter!«, rief er.
»Der arme Kerl hat keine Chance!«, stieß Colonel Mallison wütend hervor, als sie weiterstapften.
Sie alle hatten die gleichen Strapazen zu ertragen. Doch Captain Concho bedauerte den Jugendfreund, der auch noch darunter zu leiden hatte, dass seine Frau und seine Schwester sich in der Gewalt der Bandoleros befanden und er nicht wusste, was aus ihnen geworden war.
Gemeinsam hatten sie Shreveport verlassen, nachdem Colonel Mallison erfahren hatte, dass Deserteure seine Frau und seine Schwester gekidnappt hatten. Captain Concho hatte dazu den Jugendfreund sogar aus dem Kriegsgefangenenlager geholt, auf eigene Kappe und Verantwortung, versteht sich. Sie hatten die Deserteure auch eingeholt und die Frauen befreien können. Doch dann waren die Bandoleros gekommen …
Jennifer, Colonel Mallisons Frau, und Kathy, seine achtzehnjährige Schwester, die sich so sehr in Concho verliebt hatte, mussten vielleicht ein ähnlich hartes Schicksal ertragen, wie die beiden Männer. Diese Ungewissheit war das Schlimmste. Für Colonel Mallison war es regelrecht zur Qual geworden, dass er nicht wusste, wohin El Salteador, der Anführer der Bandoleros, die Frauen gebracht hatte.
El Salteador befand sich ja nicht bei dieser Kolonne. Diese Bandolerohorde führte ein gewisser Somo Castello. Ein finsterer, brutaler Typ, der Colonel Mallison die Faust ins Gesicht geschlagen hatte, als dieser ihn um Auskunft über den Verbleib seiner Frau und seiner Schwester bat.
Unentwegt zogen die mexikanischen Banditen mit den Gefangenen weiter.
El Salteador, der Jefe, hatte behauptet, mit seinen sechzig Bandoleros für Benito Juarez zu kämpfen, der sich in Nordmexiko gegen den neuen Kaiser erhoben hatte.
Also herrschte auch in Mexiko Krieg. Bürgerkrieg!
Captain Concho war es daher ein Rätsel, dass die Bandoleros diese zwanzig gefangenen Männer durch die Wüste trieben und dabei selbst enorme Strapazen auf sich nahmen. Was hatte das zu bedeuten? Hatten die Bandoleros die Absicht, sie als Rekruten in die Armee des Benito Juarez zu stecken?
Doch das war nur ein flüchtiger Gedanke. Der Captain dachte vor allem daran, wie er seine Freiheit wiedererlangen konnte.
Seine Soldaten waren weit, weit fort in Shreveport. Die Abteilung war unter Lieutenant Bensons Führung in der von den Konföderierten gehaltenen Stadt zurückgeblieben. Und da saßen die, Männer und warteten nun.
Flucht! Das war der Gedanke, der Concho beherrschte.
Doch bislang hatte es keine Möglichkeit dazu gegeben. Weder in der Nacht noch während der Mahlzeiten wurden ihnen die Fesseln abgenommen. Die Bandoleros warfen jedem ihrer Gefangenen einen Maisfladen hin, den diese wie hungrige Tiere verzehrten. Anschließend ging einer der Banditen mit einem Wasserschlauch durch die Reihen.
»Pararse!«, tönte es unvermittelt. »Stehenbleiben!«
Pararse – das klang in den Ohren der gepeinigten Männer wie ein Erlösungswort.
Sie hatten unwegsames und unübersichtliches Terrain erreicht. Die Bandoleros formierten sich zur Doppelreihe und peitschten die Pferde über eine Felsbarriere hinweg. Eines der Tiere stürzte und begrub seinen Reiter unter sich. Wild schlegelte der Vierbeiner mit den Hufen, wieherte röhrend und wälzte sich auf dem Körper es Mannes herum, schnellte hoch und blieb mit zitternden Läufen stehen. Aufgeregt warf es den Kopf auf und nieder und mahlte auf der Gebisskette.
Vier Bandoleros stiegen ab und umringten den verunglückten Compaliero, dem auch das Interesse der anderen Banditen galt. Der Mann war tot. Die vier Kerle packten ihn und trugen ihn zur Seite. Dann blieben sie für einige Augenblicke ratlos an einem Felsen stehen, hoben den Leichnam ihres Kumpans schließlich hinauf und stießen ihn zur anderen Seite hinunter. Als wäre nichts geschehen, stapften die vier Outlaws zu ihren Pferden und saßen auf.
Sofort ging es weiter.
»Adelante – vorwärts!«, riefen die Bandoleros den Gefangenen zu.
Die Männer schritten müde los, drängten sich an der Felsleiste zusammen.
Da knallte es plötzlich! Bababam – tacktack!
Die Bandoleros stoppten und sahen sich auf den tänzelnden Pferden gehetzt um.
Felsbrocken und Staub platzten von einem großen Quader.
Tom Mallison stieß Captain Concho an und wies mit einer Kopfbewegung auf die Felsenkette zu ihrer Linken.
Aber Concho hatte das Blinken von Helmen und Brustpanzern schon wahrgenommen. Unter diesen Brustpanzern trugen die beiden Gestalten da oben rote Jacketts, die mit goldenen Biesen und Epauletten verziert waren.
»Eine Gatling!«, stieß Mallison hervor. »Kaiserliche, Sam!«
Einer der Männer dort oben, vermutlich ein Offizier, reckte sich und hob die Hand. »Ergebt euch! Tötet euren Anführer und ergebt euch, oder ihr werdet alle sterben!«, rief er mit geilender Stimme.
Für die Bandoleros gab es in diesem schluchtartigen Terrain kein Entkommen. Die vier Kerle hinter den Gefangenen warfen die Pferde um die Hand und wollten zurückjagen. Nur noch die eigene Haut war ihnen wichtig.
(wb)