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Die Trapper in Arkansas – Band 1.9

Gustave Aimard (Olivier Gloux)
Die Trapper in Arkansas Band 1
Erster Teil – Treuherz
Kapitel 5 – Die Comanchen

Treuherz und Belhumeur beobachteten die Comanchen von ihrem Versteck aus, in den dichten Zweigen der Korkeiche.

Die Indianer verließen sich auf die Wachsamkeit ihrer Vorposten. Sie waren weit entfernt, zu vermuten, dass ihre Feinde ihnen so nahe seien und ihre geringsten Bewegungen beobachteten. Sie kauerten und lagen rings um das Feuer und aßen oder tranken mit der größten Ruhe.

Die Indianer, ungefähr fünfundzwanzig an der Zahl, waren mit ihren Büffelmänteln geschmückt und auf das Mannigfaltigste und Fantastischste bemalt. Einige hatten das ganze Gesicht mit Zinnober bestrichen, andere waren ganz schwarz mit einem weißen Streifen auf jeder Wange. Sie trugen ihren Schild nebst Bogen und Pfeilen auf dem Rücken und hatten ihre Flinten neben sich Übrigens konnte man an der großen Zahl von Wolfsschwänzen, die sie an ihren Mokassins befestigt trugen, und die hinter ihnen auf der Erde schleppten, leicht erkennen, dass sie alle ausgewählte, in ihrem Stamm angesehene Krieger waren.

In einer Entfernung von einigen Schritten lehnte Adlerkopf regungslos an einem Baum. Er hatte die Arme über die Brust gekreuzt, und mit ein wenig vorgebogenem Leib schien er auf ferne, nur ihm vernehmbare Töne zu lauschen.

Adlerkopf gehörte zu den Osage und war in seiner frühesten Jugend von den Comanchen adoptiert worden, hatte aber stets die Kleidung und die Sitten seines Volkes beibehalten.

Er war ein Mann von höchstens achtundzwanzig Jahren, beinahe sechs Fuß lang, seine starken Glieder, auf denen sich kräftige Muskeln abzeichneten, verrieten ungewöhnliche Kraft.

Im Gegensatz zu seinen Gefährten trug er nur eine um die Hüfte befestigte Decke, welche den Oberkörper unbedeckt ließ. Der Ausdruck seines Gesichts war schön und edel, seine schwarzen, lebhaften, nahe beieinanderstehenden Augen, seine gebogene Nase sowie sein etwas großer Mund gaben ihm eine entfernte Ähnlichkeit mit einem Raubvogel. Sein Haar war, bis auf einen in der Mitte des Kopfes befindlichen Streifen, der an die Raupe eines Helmes erinnerte, und einer langen Skalpierflechte, welche auf den Nacken niederfiel und mit Adlerfedern durchflochten war, kurz geschnitten.

Sein Gesicht war mit vier verschiedenen Farben bemalt, Blau, Weiß, Schwarz und Rot. Die Wunden, welche er seinen Feinden beigebracht hatte, waren mit blauer Farbe auf seine nackte Brust gemalt. Mokassins aus ungegerbtem Hirschleder reichten ihm bis über die Knie, und zahllose Wolfsschwänze waren an seinen Fersen befestigt.

Glücklicherweise für die Jäger befanden sich die Indianer auf dem Kriegspfad und hatten daher keine Hunde bei sich, sonst wären sie längst gewittert worden und hätten sich dem Lager nicht nähern können, ohne entdeckt zu werden.

Trotz seiner steinernen Unbeweglichkeit blitzte das Auge des Jünglings, seine Nüstern erweiterten sich, und er erhob wie unbewusst die rechte Hand, als ob er seinen Kriegern Ruhe gebieten wollte.

»Wir sind aufgespürt worden«, murmelte Treuherz mit so leiser Stimme, dass sie sein Gefährte kaum hören konnte.

»Was ist zu tun?«, fragte Belhumeur.

»Handeln«, sagte der Trapper lakonisch.

Hierauf krochen beide schweigend von Ast zu Ast, von Baum zu Baum, ohne mit den Füßen den Boden zu berühren, bis zum entgegengesetzten Ende des Lagers, gerade zu der Stelle, wo die Pferde der Comanchen gefesselt standen und weideten.

Belhumeur stieg behutsam hinab und zerschnitt die Stricke, welche sie festbanden. Dann trieben sie die Pferde mit Peitschenhieben an, bis sie wiehernd und ausschlagend nach allen Richtungen auseinanderstoben.

Die Indianer erhoben sich in Unordnung und liefen ihren Pferden mit lautem Geschrei nach.

Nur Adlerkopf war, als ob er die Stelle, wo sie auf der Lauer lagen, geahnt hätte, gerade auf sie zugeschritten, indem er sich zugleich so gut wie möglich hinter den Bäumen, die auf seinem Weg standen, zu decken suchte.

Die Jäger wichen Schritt für Schritt zurück, indem sie die nächste Umgebung im Auge behielten, um nicht eingeschlossen zu werden.

Das Geschrei der Indianer verhallte in der Ferne, sie verfolgten hitzig ihre Pferde.

Der Häuptling sah sich allein zwei Feinden gegenüber.

Als er einen Baum erreichte, hinter dessen gewaltigem Stamm er hinreichende Sicherung zu finden glaubte, legte er, da ihm die Gelegenheit günstig schien und er es verschmähte, sich seiner Flinte zu bedienen, einen Pfeil auf seinen Bogen.

Doch wie groß auch seine Vorsicht und Geschicklichkeit war, so konnte er diese Bewegung doch nicht machen, ohne sich etwas bloßzustellen.

Treuherz legte seine Flinte an, der Schuss fiel, die Kugel pfiff, der Häuptling sprang mit einem Wutgeheul in die Höhe und fiel zu Boden.

Sein Arm war zerschmettert.

Beide Jäger standen schon neben ihm.

»Rühre dich nicht, Rothaut«, sagte Treuherz zu ihm, »rühre dich nicht, sonst stirbst du.«

Der Indianer blieb unbeweglich und scheinbar ruhig, doch musste er seinen Zorn gewaltsam bekämpfen.

»Ich hätte dich töten«, fuhr der Jäger fort, »ich habe es nicht gewollt. Es ist nun das zweite Mal, dass ich dir das Leben schenke, Häuptling, es wird auch das letzte Mal sein. Lass dich nicht wieder auf meinem Weg treffen, und besonders stiehl mir meine Biberfallen nicht wieder, oder ich schwöre dir, dass du keine Gnade wieder bei mir finden sollst.« »Adlerkopf ist ein bei seinem Stamm angesehener Häuptling«, antwortete der Indianer stolz, »er fürchtet nicht den Tod, der weiße Jäger kann ihn umbringen, er wird keine Klage von ihm hören.«

»Nein, Häuptling, ich werde dich nicht töten, mein Gott verbietet, ohne Not Menschenblut zu vergießen.«

»Ach!«, erwiderte der Indianer mit ironischem Lächeln, »ist mein Bruder Missionar geworden?«

»Nein, ich bin ein ehrlicher Trapper, ich will dich nicht umbringen.«

»Mein weißer Bruder hat Gefühle wie ein altes Weib«, erwiderte der Indianer, »Rehunutah verzeiht nicht, er rächt sich.«

»Das kannst du halten, wie du willst, Häuptling«, antwortete der Jäger und zuckte die Achseln, »ich habe nicht die Absicht, deine Natur umwandeln zu wollen, ich habe dich nur gewarnt. Lebe wohl.«

»Und möge dich der Teufel holen«, fügte Belhumeur hinzu und stieß ihn verächtlich mit dem Fuß.

Der Häuptling schien auch dieser neuen Beleidigung gegenüber gleichgültig zu bleiben, er zog die Brauen zwar zusammen, rührte sich aber nicht, verfolgte jedoch seine beiden Feinde, die, ohne sich weiter um ihn zu bekümmern, im Wald verschwanden, mit einem gehässigen Blick.

»Treuherz«, sagte Belhumeur nachdenklich, »du hast unrecht gehabt, du hättest ihn töten sollen.«

»Bah! Warum das?«, fragte der Jäger sorglos.

»Cascaras! Warum? Ganz einfach, weil dann ein Ungeziefer weniger in der Prärie gelebt hätte.«

»Es gibt derer so viele«, sagte der andere, »dass eins mehr nicht viel zu sagen hat.«

»Das ist wahr!«, antwortete Belhumeur mit Überzeugung, »wo gehen wir nun hin?«

»Caramba! Unsere Fallen suchen. Meinst du, dass ich sie im Stich lassen will?«

»Wahrhaftig! Das ist ein guter Einfall!«

Die Jäger schlugen in der Tat den Weg zum Lager ein, aber nach indianischer Art, indem sie zahllose Umwege machten, welche dazu dienen sollten, die Comanchen irrezuführen.

Nach zwanzig Minuten erreichten sie das Lager. Die Indianer waren noch nicht zurückgekehrt, konnten jedoch aller Wahrscheinlichkeit jeden Augenblick wiederkommen. Ihr ganzes Gepäck lag verstreut umher. Zwei bis drei Pferde, die keine Lust gehabt hatten, davonzulaufen, fraßen friedlich ihre Erbsenranken.

Die Jäger suchten ohne Zeitverlust ihre Biberfallen zusammen, von denen jeder fünf auflud. Danach eilten sie zu der Höhle, wo sie ihre Pferde untergebracht hatten, zurück.

Die beiden Männer schritten trotz der ziemlich schweren Last, die sie trugen, mit leichten Schritten vorwärts. Sie waren sehr zufrieden mit dem Erfolg ihres Unternehmens und lachten vorzüglich über den Streich, den sie den Indianern gespielt hatten.

Sie wanderten ziemlich lange so fort. Schon hörten sie das dumpfe Gemurmel des Baches in geringer Entfernung, als plötzlich das Wiehern eines Pferdes an ihre Ohren drang.

»Man verfolgt uns«, bemerkte Treuherz stillstehend.

»Hm!«, sagte Belhumeur, »vielleicht ist es ein Wildpferd.«

»Nein, ein wildes Pferd wiehert nicht auf solche Weise, es sind die Comanchen. Wir werden es übrigens gleich erfahren« fügte er hinzu.

Hierauf legte er sich auf die Erde, drückte das Ohr an den Boden und lauschte.

Er stand bald wieder auf.

»Ich wusste es wohl«, sagte er, »es sind die Comanchen, aber sie verfolgen keine bestimmte Fährte, sie zaudern.«

»Vielleicht hindert sie die Wunde Adlerkopfs.«

»Das ist möglich! Oh! Oh! Trauen sie sich denn zu, uns einholen zu können, wenn wir ihnen entkommen wollen?«

»Ja, wenn wir nicht beladen wären, ging es leicht genug.«

Treuherz überlegte einen Augenblick. »Komm«, sagte er, »wir haben eine halbe Stunde Vorsprung, das ist mehr als wir brauchen.«

In geringer Entfernung floss ein Bach, der Jäger betrat das Bett desselben mit seinem Begleiter, der allen seinen Bewegungen folgte.

Als sie sich in der Mitte der Strömung befanden, wickelte Treuherz die Fallen sorgfältig in ein Büffelfell, damit sie nicht von der Feuchtigkeit beschädigt könnten, und versenkte sie dann auf den Grund des Wassers. Nachdem sie dies vollbracht hatten, gingen die Jäger an das andere Ufer und legten eine falsche, ungefähr zweihundert Schritt lange Fährte an, worauf sie vorsichtig zurückkehrten, um keine Spuren zu hinterlassen, die ihre Rückkehr verraten hätten. Sie gingen in den Wald zurück, nachdem sie mit einem Wink ihre Hunde zu den Pferden zurückgeschickt hatten.

Die klugen Tiere liefen schnell davon und waren bald in der Dunkelheit verschwunden.

Der Entschluss, sich von den Hunden zu trennen, diente ihnen dazu, die Indianer irrezuführen, die nicht verfehlen würden, die, von den Jagdhunden im hohen Graf hinterlassene, leichte Spur zu verfolgen.

Als sie erst wieder im Wald waren, kletterten die Jäger auf einen Baum und bewegten sich zwischen den Baumkronen weiter fort. Dies ist eine Art zu reisen, welche in jenen Gegenden, wo es wegen der Verschlingung der Lianen und der Bäume, oft unmöglich ist, sich ohne Hilfe des Beiles einen Weg zu bahnen, weit gebräuchlicher ist, als man es in Europa glaubt.

Man kann, indem man von einem Ast zum anderen klettert, meilenweit wandern, ohne den Boden zu berühren. Auf diese Weise gingen sie ihren Feinden entgegen, deren Schritte immer näher und näher kamen und die bald unter ihnen sichtbar wurden, wie sie in indianischer Reihe marschierten, nämlich einer hinter dem anderen, dessen Spur er genau folgt.

Adlerkopf kam zuerst. Er lag wegen seiner Wunde halb auf seinem Pferd, doch war er in der Verfolgung seiner Feinde eifriger als je zuvor.

Als die Comanchen auf gleicher Höhe mit den Jägern waren, verbargen sich Letztere mit angehaltenem Atem unter dem Laub. Der geringste Umstand konnte ihre Nähe verraten.

Die Indianer zogen vorüber, ohne sie zu sehen.

Die Jäger traten ihre Reise wieder an.

»Puh!«, sagte Belhumeur nach einiger Zeit, »diesmal, glaube ich, sind wir sie los.«

»Wir wollen nur nicht zu zeitig triumphieren, sondern uns so schnell wie möglich entfernen. Diese Satane von Rothäuten sind schlau, sie werden unsere List bald durchschauen.«

»Zum Henker«, rief Belhumeur plötzlich aus, »ich habe mein Messer herunterfallen lassen, ich weiß nur nicht wo. Wenn die Schufte es finden, so sind wir verloren.«

»Sehr wahrscheinlich«, murmelte Treuherz, »um so mehr dürfen wir keine Zeit verlieren.«

Indessen fing es im Wald an, der bis jetzt ganz still gewesen war, dumpf zu dröhnen. Die Vögel flogen mit Geschrei erschrocken umher, und im Dickicht hörte man die trockenen Zweige unter dem eiligen Schritte wilder Tiere krachen.

»Was geht denn da vor?«, fragte Treuherz innehaltend und sah sich besorgt um, »der Wald ist wie vom Schwindel erfasst.«

Die beiden Jäger schwangen sich auf den Gipfel des Baumes, auf welchem sie sich befanden, und welcher zufällig einer der höchsten im Wald war.

Kaum eine Meile von dem Ort, wo sie waren, entfernt, flammte eine ungeheure Glut am Himmel auf, welche mit jedem Augenblick stieg und sich ihnen rasch näherte.

»Tod und Teufel«, rief Belhumeur aus, »die Comanchen haben die Prärie in Brand gesteckt.«

»Ja, und dieses Mal, glaube ich, dass wir, wie du sagtest, verloren sind«, antwortete Treuherz kaltblütig.

»Was ist zu tun?«, fragte der Kanadier, »in wenigen Augenblicken werden wir eingeschlossen sein.«

Treuherz dachte ernsthaft nach. Nach einigen Sekunden hob er den Kopf, ein triumphierendes Lächeln umspielte seine Lippen. »Sie haben uns noch nicht«, sagte er. »Folge mir, Bruder, ich will meine Mutter wiedersehen«, fügte er leise hinzu.