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One shot for Sloan – Teil 3

One shot for Sloan – Eine Kugel für Sloan
Teil 3

Als Sloan in die Stadt kam, stand eine Menschenmenge vor dem Sheriffs Office.

Die Frau, die wild gestikulierend auf Josh einredete, hatte ihre besten Jahre hinter sich. Das harte Leben der Siedlerfrauen forderte ihren Tribut. Die tägliche Mühsal auf ihren kleinen Farmen, um einigermaßen über die Runden zu kommen, Naturkatastrophen, die die Ernten vernichteten, und die vielen Kinder, die sie zur Welt brachten, machten aus hübschen, gesunden Mädchen sehr früh abgerackerte Frauen mit harten Gesichtszügen. Die Frau war sicher noch keine dreißig, aber ihr Gesicht wirkte weit älter. Sie mochte einmal hübsch gewesen sein, jetzt war von ihrer Schönheit nicht mehr viel zu erkennen.

»Sheriff, ich verlange, dass Sie die Mörder meines Mannes bestrafen.« Sie zeigte auf den Toten, der neben dem Wagen auf dem Boden lag. Sein Gesicht sah aus, als wäre es unter Pferdehufe geraten.

»Was ist geschehen?«, fragte Sloan.

»Heziah Morgan hatte nie etwas dagegen, dass wir am Rande seiner Grenze siedeln, doch sein Sohn ist ein Scheusal. Seitdem der Rancher tot ist, hat uns sein Sohn bedroht und meinen Mann zusammenschlagen lassen. Gestern Abend kamen seine Cowboys wieder auf unsere Farm. Sie schossen auf ihn und prügelten ihn zu Tode.« Sie sah in die Runde. »Ich möchte die Mörder hängen sehen«, rief sie mit schriller Stimme. Manche der Umstehenden murmelten zustimmend. Ihre beiden Kinder verfolgten vom Wagen aus die Szene. Die beiden Jungen, der kleinere mochte ungefähr vier Jahre sein, der ältere zehn, warfen scheue Blicke auf ihren toten Vater.

»Madam, ich werde tun, was in meiner Macht steht, doch ich kann Ihnen jetzt schon sagen, dass die Chancen schlecht stehen. Sie werden sich mit gegenseitigen Zeugenaussagen schützen«, erklärte Sloan ruhig.

»Sie sind nicht besser als diese verdammten Mörder, ihr alle seid nicht besser.« Ihre Stimme überschlug sich fast.

Sloan verstand sie nur zu gut. Es war ein altes, bekanntes Spiel. Die kleinen Farmer, die den Ranchern lästig waren, wurden bedroht, verprügelt und vertrieben. Sie mussten froh sein, wenn ihnen ihr Leben blieb. Die Macht des Stärkeren zählte.

Nachdem er den Totengräber verständigt hatte, ging er mit Josh in sein Office.

»Erzähl mal ein wenig über die Gegebenheiten hier im Land.«

Josh rieb sich mit Daumen und Zeigefinger das Kinn. »Den alten Morgan hat jeder gemocht. Schade um ihn.« Er rieb sich weiter, als wolle er seinen Dreitagebart auf diese Art entfernen.

»Ist das alles, was du zu erzählen hast?«

»Ungeduld ist der erste Schritt ins Grab«, antwortete Josh ungerührt.

»Solltest du ein Problem mit mir haben, so steht es dir frei, deinen Job hier aufzugeben«, erwiderte Sloan ebenso ungerührt.

Josh riss die Augen auf. Daumen und Zeigefinger blieben am Kinn, als seien sie festgewachsen. »Nein, nein«, murmelte er. »Ist schon an die zwanzig Jahre her, als Morgan hier ankam und sich niederließ. Seine Frau starb kurz nach der Ankunft. Er schuf sich ein Reich, ohne herrschsüchtig zu sein. Ließ auch die Kleinen neben sich leben. Sein Sprössling ist das Gegenteil. Er will das gesamte Gebiet für sich.«

Ausschweifend waren Joshs Erzählungen nicht. Das konnte ihm jeder Einwohner berichten. Aus dem Mann wurde er nicht ganz schlau. »Wie sieht’s mit Gold aus?«

»Vereinzelt wird Gold gefunden, doch in den Chisos Mountains ist das Vorkommen nicht so hoch wie anderswo. Seit vor einigen Jahren Erz gefunden wurde, ist auch die Stadt gewachsen. Jeder hofft auf den großen Boom, der sich bislang nicht eingestellt hat.«

Wirklich viel Neues erfuhr er von Josh nicht.

Er stieß fast mit dem Mayor zusammen, als er das Office verließ.

»Was werden Sie gegen Morgan unternehmen, Sheriff?«

»Ich werde mir anhören, was er zu sagen hat. Dann sehen wir weiter.«

»Die Witwe war bei mir und hat sich beschwert, dass gegen Verbrecher nichts unternommen wird. Reiten Sie zur Ranch?«

Winstons Frage fand Sloan überflüssig. »Wie starb Heziah Morgan?«, fragte er statt einer Antwort.

»Auf dem Heimweg zu seiner Ranch.«

»War er hier in der Stadt?«

Winston überlegte einen Augenblick. »Ja, warum fragen Sie?«

»Berufskrankheit. Sie wissen sicher, woran er starb.«

»An einer Kugel.« Winstons Antworten waren so mager wie die von Noseworthy.

»Wann kam sein Sohn hier an?«

Winstons Kinnlade fiel einen Deut nach unten. Die Frage irritierte ihn anscheinend. Er entfernte einen Fusel von seinem Jackenärmel, bevor er antwortete. »Kann mich nicht genau erinnern.«

Sloan wünschte ihm einen schönen Tag und verließ ihn. Er machte seine gewohnten Runden und hatte das Gefühl, als warte die Stadt auf irgendetwas. Auf das große Gewitter nach den vorangegangenen Ereignissen. Viele warteten auf die großen Gold- oder Erzfunde, die Menschenmassen anziehen und die Stadt erblühen lassen würde. Andere wollten einfach nur ein beschauliches Leben führen, denn sie wussten, dass mit solchen Funden Verbrechen Einzug hielten.

Am darauffolgenden Tag ritt er zur Morgan Ranch. Heziah Morgan hatte sich den schönsten Flecken Erde in der Gegend gewählt, um sein Reich aufzubauen. Nahe den Chisos Mountains war das Land grün, hervorragend geeignet für Rinderzucht. Weiter südlich wurde das Gras spärlicher, in manchen Gebieten wüstenähnlich mit dürren Büschen und Kakteen. Auf dem Weg, den er ritt, sah er in der Ferne eine Menge Rinder, Cowboys begegnete er nicht. Als er den zweiten Torbogen mit einem Büffelschädel passierte, kam die Ranch in Sichtweite. Die Gebäude waren stabil gebaut. Auf dem Dach eines Baus stand eine Wache.

Eine Staubfahne stob vor Sloans Pferd hoch. »Das ist weit genug«, rief der Mann vom Dach. Der Schuss war unmissverständlich. Aus dem oberen Stockwerk erschien Victorias Gesicht im offenen Fenster, aus dem Haus trat ein Mann. Sloan erkannte in ihm den ungehobelten Kerl vom Fluss.

»Gus, lass den Unsinn. Siehst du nicht seinen Stern? Der ehrenwerte Gesetzeshüter aus Chadron gibt uns die Ehre seines Besuchs.« Aus jedem Wort sprachen Arroganz und Beleidigung.

»Jed Morgan?«

»So wahr ich hier stehe.« Der Blonde grinste ihn unverschämt an. Er forderte Sloan nicht auf, vom Pferd zu steigen. Alleine dies war eine Beleidigung. Das ungeschriebene Gesetz der Gastfreundschaft des Westens besagte, dass jeder Reiter zum Absteigen aufgefordert wurde, und sei es nur, um sein Pferd zu tränken.

»Einige Ihrer Männer werden beschuldigt, einen Mann ermordet zu haben.«

Morgan grinste hämisch. »Wer klagt meine Männer an?«

»Ihre Cowboys haben eine Farmerfamilie bedroht, den Mann angeschossen und zu Tode geprügelt.«

»Das waren sicher nicht meine Männer.« Sein Gesichtsausdruck wurde drohend. »Und jetzt verschwinden Sie von meinem Land!«

Sloan wendete sein Pferd und ritt an. Er hatte nichts anderes erwartet, wollte lediglich die Lage der Ranch erkunden.

 

»Lebten Sie schon hier, als Heziah Morgan hier ankam?«, fragte er Owens, während er sein Pferd versorgte.

»Ja klar. Lebe schon eine Ewigkeit hier.«

»Erzählen Sie mal, ohne dass ich Ihnen jedes Wort aus der Nase ziehen muss.«

Der Alte stieß ein glucksendes Lachen aus und schob seinen Strohhalm von einer Backe in die andere. »Ist schon an die zwanzig Jahre her, als Morgan mit seiner Frau hier ankam. Sie starb bald darauf.«

Das hatte Sloan bereits von Noseworthy erfahren.

»Er war ein harter aber sehr gerechter Mann. Gewährte sogar den kleinen Siedlern Kredite, ohne sie auszuhungern. Die Menschen schätzten ihn.« Owens lehnte sich an einen Balken und kaute an seinem Halm. »Irgendwann heiratete er eine Witwe, deren Mann hier starb, als sie auf der Durchreise waren. Sie brachte eine halbwüchsige Tochter mit. Nach dem Tod seiner zweiten Frau vor wenigen Jahren begann er, nach seinem Sohn zu forschen, der bei einem Indianerüberfall verschwand. Von Zeit zu Zeit inserierte er in verschiedenen Zeitungen der großen Städte.«

»Ich begegnete Victoria Morgan. Ist es die Tochter oder Ehefrau des Erben?«, fragte Sloan.

»Das ist die Tochter von Morgans zweiter Frau.« Owens grinste. »Verehrer hatten es nicht leicht. Die mussten zuerst am alten Morgan vorbei, der gut auf sein Täubchen aufgepasst hat. Soweit ich weiß, hat sie sich bislang für keinen ihrer Bewunderer erwärmen können. Doch alles weiß ein alter Mann wie ich auch nicht.« Sein schelmisches Grinsen wurde breiter, verschwand aber beim nächsten Satz. »Ist noch nicht lange her, als sein verloren gegangener Sprössling auftauchte. Und jetzt ist Morgan tot.« Die letzten Worte dehnte er unnötig lange. »Vor zehn Tagen haben wir ihn begraben. Eine Kugel in den Rücken.« Owens beobachtete die Reaktion auf seine Erzählung, doch Sloans Mienenspiel blieb ausdruckslos. Er bedankte sich und verließ den Stall.

 

In seinem Hotelzimmer legte er sich aufs Ohr und schlief bald darauf ein. In vielen Jahren hatte er sich darauf trainiert, bei jedem kleinsten Geräusch zu erwachen.

Nach einem späten Abendessen ging er seine Runden durch die Stadt, während Noseworthy im Office Stellung hielt. Weit nach Mitternacht, nachdem die Saloons schlossen und sich niemand mehr auf der Straße befand, blieb er im Schatten der Häuser stehen und beobachtete die Stadt. Als alles ruhig blieb, glitt er in den Mietstall. Die Box seines Pferdes war gut gewählt, die letzte am Hinterausgang. Er zündete die Lampe an und drehte sie auf ein winziges Flämmchen herunter. Er sattelte und zäumte so leise auf, dass kein Geräusch nach draußen drang, und führte sein Pferd durch das rückwärtige Tor. Dort musste er an Owens Hütte vorbei, die nicht mehr als ein Verschlag war, gerade große genug zum Schlafen und Kochen für ihn und seinen Neffen. Ungesehen schlich er aus der Stadt. Er vermied es zu reiten, denn in der Nacht war Hufgetrappel weit zu hören. Er wählte einen geschützten Platz, von dem aus er den Weg gut beobachten konnte. An einen Erfolg in der ersten Nacht glaubte er nicht, doch er wollte nichts unversucht lassen. Deshalb erstaunten ihn die Geräusche. Der Reiter, der aus der Stadt ritt, kümmerte sich nicht um den Lärm, den er verursachte. Schemenhaft sah Sloan den Reiter, den er in der Nacht nicht erkennen konnte. In sicherem Abstand folgte er ihm. Zu gerne hätte er festgestellt, ob sein Verdacht begründet war. Als er dem Gebiet der Morgan Ranch näher kam und die Weide frei einsehbar wurde, blieb er zurück. Es war zu gefährlich. Er hielt sich in Deckung. Keine Stunde darauf erklang wieder Hufschlag, dieses Mal aus der Richtung, in der die Ranch lag. An der Haltung glaubte er zu erkennen, dass es sich um denselben Reiter wie zuvor handelte. Er ritt direkt nach Chadron. Sloan ließ sich Zeit und folgte in sicherem Abstand. Als er sicher war, dass sich der Reiter zur Nachtruhe begeben hatte, führte er sein Pferd über die Rückseite zum Mietstall. Er besah sich die Pferde. Die Flanken eines Braunen in einer der vorderen Boxen waren feucht.

»Ziemlich viel los heute Nacht«, murmelte Owens.

»Schlafen Sie nicht?«

»In meinem Alter braucht man nicht mehr so viel Schlaf. Ich kann Ihnen sagen, wem das Pferd gehört, das Ihr Interesse geweckt hat«, flüsterte Owens.

»Bin ganz Ohr«, gab Sloan ebenso leise zurück. Die Antwort überraschte ihn nicht sonderlich, sie bestätigte seinen Verdacht. Langsam fügten sich die Teile in ein Ganzes.

 

Von seinem Hotelfenster aus beobachtete er Victoria Morgan, die mit dem Wagen in die Stadt fuhr und vor dem Laden hielt. Er ließ sich Zeit, denn Frauen brauchten für gewöhnlich sehr lange zum Einkaufen. Sie war doch schneller, als er angenommen hatte. Als er sein Pferd sattelte, fuhr sie bereits aus der Stadt. Er holte sie rasch ein.

»Miss Morgan«, grüßte er und tippte an die Hutkrempe.

»Sheriff, halten Sie nach dem Rechten Ausschau?« Heute trug sie einen dunkelblauen Rock mit heller Bluse, darüber eine braune Jacke. Der breitkrempige braune Hut zauberte Schatten auf ihr Gesicht.

»Ich würde Sie gerne etwas über Heziah Morgan fragen.«

»Er wurde erschossen«, antwortete sie gerade so laut, dass er es unter dem Rattern der Wagenräder vernehmen konnte.

»Erzählen Sie mir von ihm«, forderte er sie auf.

Sie spannte die Zügel und zog die Bremse an. Sloan lenkte sein Pferd nah an den Wagen.

»Er war ein wunderbarer Mann. Ich war immer seine Tochter, auch dann, als meine Mutter starb. Sein einziger Wunsch war es, seinen Sohn zu finden.« Sie blickte in die Ferne. »Oft erzählte er von dem Treck, als sie von Indianern überfallen worden waren und sein Sohn entführt wurde. Er lebte für den Tag, an dem er ihn in die Arme schließen würde. Aber er ließ mich nie spüren, dass ich nicht sein eigenes Kind war.«

»Schließlich hat er seinen Sohn doch gefunden«, ergänzte Sloan.

Ein gequältes Lächeln legte sich auf ihre Lippen.

»Miss Morgan, ich möchte den Mord an Heziah Morgan aufklären, doch das kann ich nicht ohne fremde Hilfe.«

Sie sah ihm direkt ins Gesicht. »Vor einigen Wochen kam ein Mann auf die Ranch. Er zeigte Vater eine Zeitungsannonce und eine Tätowierung auf seinem Arm. Die erste Freude über den verloren geglaubten Sohn war groß, doch sie kamen nicht gut miteinander aus. Sie stritten sich oft über banale Dinge. Vater war ein herzensguter Mensch, doch nicht vertrauensselig. Er fragte seinen angeblichen Sohn über verschiedene Dinge und irgendwann bekam er die Gewissheit, dass es nicht sein Sohn sein konnte. Es gab so viele Ungereimtheiten in seinen Erzählungen. Natürlich erinnert sich ein Erwachsener oft an keine Einzelheiten aus seiner frühen Kindheit, doch Narben, die man sich zugezogen hatte, die verschwinden nicht. Vater ritt in die Stadt, um sich mit seinem Freund Sheriff Coleman zu beraten. Auf dem Weg nach Hause wurde er ermordet.« Sie kämpfte sichtlich mit den Tränen. »Nach Vaters Tod wollte ich nach eventuellen Notizen suchen, denn er hat stets alles niedergeschrieben, doch seither ist sein Arbeitszimmer verschlossen.« Ihr Blick bekam einen sentimentalen Ausdruck. »Ich werde das Land verlassen.«

Sloan meinte, einen Anflug von Angst in ihrer Stimme zu hören. »Was meinen Sie damit, Sie verlassen das Land?«

»Mein Onkel, Rodriguez Montoja, besitzt nahe der Grenze eine Hazienda. Meine Großmutter war Mexikanerin. Ich bin sicher, er wird mich aufnehmen. Meine Mutter musste ihm versprechen, dass sie sich an ihn wendet, falls sie mal in Not wäre.«

Nun wusste Sloan, woher ihre zarte Bräune stammte. Nicht nur von der Sonne. Er war sich sicher, dass sie am ganzen Körper diesen zarten Bronzeton hatte. Er hütete sich, sich weiteren Gedanken in diese Richtung hinzugeben.

Victoria blickte ihn mit einem wehmütigen Lächeln an. »Es war dumm von mir, anzunehmen, ich kann etwas herausfinden, was Vater zu Lebzeiten nicht schaffte.«

»Es gibt immer einen Weg, Miss Morgan.« Er schwankte, ihr die ganze Wahrheit zu sagen, als er eine Staubwolke in der Ferne wahrnahm.

»Ich bin sicher, das sind seine Banditen. Vielleicht suchen sie mich.« Sie starrte auf die Wolke, die sich in stetem Tempo näherte. »In diesem Tal war es immer friedlich, bis er plötzlich auftauchte. Seit Vaters Tod feinden mich einige Leute an, doch ich habe mit den Veränderungen im Land nichts zu tun.« Ihre Stimme bekam einen traurigen und melancholischen Klang.

Die Staubwolke kam näher, wurde größer und spuckte drei Reiter aus.

»Der mittlere ist Frank Bannister, der neue Vormann der Ranch«, erklärte Victoria leise.

Alle drei hatten verschlagene, hinterlistige Gesichter. Der Gefährlichste war der Vormann. Die Männer maßen Sloan mit einem langen Blick. Seine rechte Hand lag lässig auf dem Oberschenkel, während er mit der linken die Zügel hielt.

»Jed schickt uns. Er macht sich Sorgen.« Der Hagere mit der schiefen Nase scherte sich wenig um Höflichkeit Victoria gegenüber.

»Ist nicht nötig. Ihr seht ja, dass es mir gut geht.«

»Wir begleiten Sie zur Ranch.«

»Nein.«

»Wir tun, was der Boss befiehlt.« Frank Bannister grinste dreckig.

»Jungs, ihr habt doch gehört, dass eure Begleitung nicht erwünscht ist.« Sloans Stimme war leise, fast freundlich. Wer ihn gut kannte, wusste, dass er besonders gefährlich war, wenn er auf diese Art redete. »Auf einer Rinderranch gibt es sicher andere Arbeit, als sinnlos in der Gegend herumzureiten.«

Das Gesicht des Hageren verfinsterte sich zusehends, seine Backenknochen knirschten. Wut sprang förmlich aus seinen Augen. Er beugte sich einen Deut im Sattel nach vorne. Sloans Sinne waren aufs Äußerste gespannt. Er machte sich Sorgen um Victoria. Wenn es zu einem Schusswechsel kam, würde sie von Kugeln getroffen werden. Das dachte wahrscheinlich auch Bannister. »Wir sehen uns noch«, knirschte er. Seinen Zorn ließ er sein Pferd spüren, das er hart an die Zügel nahm und wendete. Seine beiden Kumpane folgten ihm wortlos.

Sloan fing Victorias Blick auf, und da wurde ihm klar, dass er sie wollte. So wie sie stellte er sich seine Frau vor.

»Sie sind auf der Ranch nicht mehr sicher. Ich begleite Sie in die Stadt.«

»Aber …«

»Kein aber. Wenden Sie den Wagen und auf dem Weg erklären Sie mir, wie ich in das Arbeitszimmer Ihres Vaters gelange.«

»Was?« Ihre Stimme war nicht weniger erschrocken, als ihr Gesichtsausdruck es war. »Sie werden Sie töten.«

»Dazu müssen sie mich erwischen.«