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One shot for Sloan – Teil 2

One shot for Sloan – Eine Kugel für Sloan
Teil 2

Die Sonne stand tief im Westen, als die Reiter ihre Pferde auf dem schmalen Hügelrücken zügelten. Ihre Silhouetten hoben sich drohend gegen den blutroten Abendhimmel ab. Zwei von ihnen hatten ein Gewehr quer vor sich im Sattel liegen, die anderen die Hände um die Griffe ihrer Revolver gelegt. Aus kalten Augen starrten sie in das Tal zu der kleinen Farm aus hellen Adobelehmbauten herunter. Eine feine Rauchsäule stieg aus dem Kamin auf.

Ihr Besitzer, ein untersetzter, rothaariger Ire, stand am Hauklotz auf dem Hof und hackte Holz. Er blickte auf, als er hinter sich das Schnauben und Stampfen der Tiere vernahm. Im Licht der untergehenden Sonne sahen die Reiter aus wie reitende Teufel. Er schlug die Axt in den Klotz, griff mit der Rechten nach dem Gewehr, das daran lehnte, und rannte. In diesem Augenblick kam seine Frau Sarah aus dem Haus. Ängstlich blickte sie auf die Reiter, die in einer großen, rötlich schimmernden Staubwolke direkt auf sie zu preschten.

Angus fuchtelte mit dem Gewehr. »Geh ins Haus zurück!«, schrie er seiner Frau zu.

Das Trommeln der Pferdehufe dröhnte wie der Donner eines sich rasch nähernden Gewitters. Unvermittelt hatte er das Gefühl, als stampfe ein allumfassendes, todbringendes Etwas direkt auf ihn zu. Etwas, das ihn und seine Familie vernichten würde.

Sarah starrte ihren Mann fassungslos an.

Angus hetzte wie ein Kastenteufel über den Hof. »Ins Haus!«, rief er verzweifelt. Er wagte nicht, sich nach den Reitern umzusehen. Er hatte den hölzernen Vorbau seines Hauses fast erreicht, als die ersten Schüsse krachten. Mehrere Kugeln schlugen in den Rahmen der Eingangstür und rissen fingerlange Holzsplitter heraus. Er hechtete auf die Veranda, schrammte mit den Knien über den rauen Boden, rollte sich herum und gab einen Schuss ab, der hoch über den Reitern hinwegfegte. Donnernd rollten die Detonationen durch das kleine Tal. Einen Atemzug später streifte ihn etwas glühend Heißes am Arm. Angus schrie auf und ließ das Gewehr fallen. Es war, als ob seine ganze rechte Seite in Flammen stand. Er wälzte sich keuchend auf die Seite, sah das Blut, das sein Hemd von der Schulter bis zum Ellbogen durchtränkte, und richtete sich fluchend auf, als die Reiter heran waren. Sie hielten ihre Pferde nur wenige Schritte vor ihm an und bildeten einen Halbkreis. Die sechs Reiter waren hagere Männer mit harten Gesichtern und dunklen Augen, die so kalt und gefühllos waren wie die Mündungen ihrer Waffen. Ihre Kleidung war abgetragen und schäbig, von Schweiß durchtränkt und mit einer Staubschicht überzogen. Alles in allem wirkten sie eher wie Satteltramps als Cowboys. Das einzig Gepflegte an ihnen waren ihre Waffen.

»Ihr verdammten Schweine«, knurrte Angus McCormick und presste seine Linke auf die Schusswunde. »Dafür bringe ich euch hinter Gitter.«

»Für einen armseligen Schollenbrecher reißt du dein Maul ziemlich weit auf«, entgegnete einer der Reiter. Er schien der Anführer zu sein. Er war groß und mager, mit pechschwarzem Haar und heimtückisch funkelnden dunklen Augen. Seine Nase war durch mehrere Brüche schief zusammengewachsen und beim Sprechen entblößte er ein lückenhaftes Gebiss mit gelblich verfärbten Zähnen. Er hielt eine schwere Winchester in den Händen, als wäre sie ein Spazierstock. Die kreisrunde Mündung zielte dabei genau auf McCormicks Bauch.

»Ich bin Frank Bannister, mein Boss schickt mich. Anscheinend hast du immer noch nicht kapiert, dass du hier unerwünscht bist. Also pack deine Sachen und verschwinde. Oder willst du, dass deiner Familie etwas zustößt?«

Angus zuckte zusammen und warf einen Blick zum Haus. Die Tür stand weit offen, aber es war niemand zu sehen. Sarah war bei den Kindern. Sie würde versuchen, die beiden Jungs zu beschützen, so gut es ging, doch gegen diese Bande hatte sie keine Chance.

»Das ist mein Land«, erwiderte Angus heiser. Die Wunde brannte und allmählich fühlte sich sein Arm taub an. Blut tropfte von seinem Ärmel und wurde von den ungehobelten Verandabrettern aufgesogen.

Bannister schüttelte den Kopf und lachte hässlich. »Das behauptest du, aber Mister Morgan ist anderer Meinung.«

»Verschwindet«, sagte der Farmer mit unverhohlener Wut.

Bannister zuckte bedauernd mit den Schultern. »Du hast es immer noch nicht kapiert.« Er lachte erneut, als er sich im Sattel umdrehte und den anderen zunickte. »Okay Jungs, gebt es ihm. Dieser verfluchte Schollenbrecher soll merken, dass wir in diesem Land das Kommando haben.«

Die Reiter hinter ihm sprangen johlend aus den Sätteln. McCormick reagierte, noch bevor die Männer begriffen, was passierte. Trotz seiner Verwundung ließ er die Fäuste fliegen. Fäuste, die gestählt waren durch die Arbeit auf der Farm, durch Pflügen, Mähen, Hämmern und Graben. Sein erster Schlag traf den vordersten Angreifer und schleuderte ihn zu Boden. Der nächste Schlag klatschte mitten in ein knochiges, von Pockennarben entstelltes Gesicht. Der Mann krümmte sich und taumelte zurück. Aber dann waren die anderen heran und schlugen auf ihn ein. Angus wehrte sich verzweifelt. Doch die Übermacht war zu groß. Sie schlugen ihn in den Leib und an den Kopf. Sie prügelten ihn zu Boden und traten mit ihren sporenbesetzten schweren Reitstiefeln nach ihm. Ins Gesicht und immer wieder an den Kopf. Als sie schließlich von ihm abließen, war der Farmer über und über mit Blut verschmiert und erinnerte kaum noch an ein menschliches Wesen.

Lachend schwangen sich die Männer in die Sättel. Bannister zügelte sein Pferd dicht vor McCormick und blickte auf den Leblosen.

»Mrs. McCormick«, rief er. »Morgen Mittag machen wir die Farm dem Erdboden gleich.«

 

***

 

Sloan sattelte sein Pferd. »Beobachten Sie alle Menschen so genau?«, fragte er Owens, der an einem Balken lehnte, an einem Strohhalm kaute und jede Bewegung Sloans verfolgte.

»Ich weiß von vornherein, wen das kalt lässt oder wer nervös wird. Die Nervösen haben was zu verbergen. Sie sind ruhig.«

»Ihrer Meinung nach hab ich nichts zu verbergen?«

»Doch.«

»So? Dann erzählen Sie mal, Väterchen.«

Der Stallmann deutete auf Sloans rechten Arm. »Ich gehe jede Wette ein, dass es nicht viele Männer mit dieser Tätowierung gibt.«

Sloan schielte auf sein hochgekrempeltes Hemd. Er war ein verdammter Idiot. Wie konnte ihm nur ein so dummer Fehler unterlaufen? »Eine Tätowierung besagt gar nichts.« Sloan zuckte mit den Schultern.

»Ich kann nur wenige Wörter schreiben, bin alt, doch nicht senil. Erkannte nicht alle Zeichen, vielleicht nur ein Zufall.« Owens zuckte ebenfalls mit der Schulter und drehte sich um.

»He, was meinen Sie mit Zufall?«

»Jetzt sind Sie neugierig.« Der Alte griente und sah zu, wie Sloan die Hemdsärmel herunterstreifte.

Sloan kümmerte sich nicht weiter um ihn und zäumte sein Pferd auf.

»Es gibt noch jemanden, der die gleiche Tätowierung hat.«

»Sie sagten doch, sie hätten nicht alle Zeichen gesehen.«

»Hab ich auch nicht«, erwiderte Owens. »Haben Sie eine alte Verletzung am Bein?«

Sloan tätschelte dem Braunen den Hals. »Manchmal ist es besser, nicht zu viele Fragen zu stellen und sich in keine fremden Angelegenheiten zu mischen.«

»Manchmal ist es gut, wenn man jemanden hat, der einem den Rücken frei hält. Gegen eine Kugel aus dem Hinterhalt ist der stärkste Mann machtlos.« Leiser sagte er: »Coleman wusste, dass der Mann, der dieselbe Tätowierung wie Sie trägt, keine Verletzung am Bein hat. Haben Sie Narben an einem Bein?«

Der Alte, dessen graues Haar noch so füllig war wie das eines jungen Mannes, wusste einiges. Sloans Gefühl sagte ihm, dass er ihm trauen konnte. Er wollte niemanden ins Vertrauen ziehen, doch vielleicht war es gut, einen Verbündeten in der Stadt zu haben, der die Einwohner kannte. Er führte sein Pferd aus der Box.

»Ich habe eine Narbe am Bein«, murmelte er, als er an Owens vorbei ging.

 

Er ritt aus der Stadt und wollte sich in seiner Eigenschaft als Sheriff mit dem umliegenden Land vertraut machen. Er gelangte zu einer Hochebene, hinter der die Chisos Mountains in den Himmel ragten. Unter der warmen Sonne von Texas lag das Chisos Plateau wie ein schlafender Riese. Eine Staubwolke zerfaserte in der klaren Morgenluft, als er sein Pferd auf der Hochfläche inmitten von Dornenbüschen und Wacholderbüschen zügelte. Er pfiff unwillkürlich durch die Zähne. Von hier aus bot sich ihm ein atemberaubender Anblick. Die schroffen Felshänge, die das Land von Norden und Osten einschlossen, waren übersät mit immergrünen Büschen, Wacholderbäumen und Kakteen. Die wellige Ebene im Westen war von Bodenfalten und Senken durchzogen und überall gab es Wildblumen, die in vielfältigen Farben blühten, und dichtstehendes Grama- und Büffelgras. Der von Westen her wehende Wind hielt die Vegetation ständig in Bewegung und schuf so die Illusion von Wellen, die sich in einem Ozean aus Gras und weiten Hügelketten bewegten. Das silberne Band, das in der Sonne glitzerte und sich wie eine Schlange durch das Tal schlängelte, musste der Glensow River sein. Nicht weit von hier, im Süden, bildete der Rio Grande die Grenze zu Mexiko. So wie die beiden Bussarde, die am Himmel ihre Kreise mit weit ausgebreiteten Schwingen zogen, so begannen auch Sloans Gedanken zu kreisen. Dutzende von Erinnerungen stürmten auf ihn ein, auch solche, die er bereits vergessen wähnte. Wieder einmal fragte er sich, ob sein Leben in anderen Bahnen verlaufen wäre, wenn er bei seinen Eltern aufgewachsen wäre. Ein Gefühl, das ihn beherrschte, seitdem ihn die Indianer geraubt hatten. Damals, als er gerade einmal acht Jahre alt gewesen war …

 

Unzählige Menschen aus dem Osten, angelockt von den Versprechungen der Landverteilungsbeamten, überspülten einer Flutwelle gleich das wilde und, wie sie dachten, unbesiedelte Land. Die Aussicht auf fruchtbaren Boden und eine gute Zukunft ließ die Menschen ihre Furcht vor den unbekannten Weiten des Westens überwinden und in Scharen über die Plains ziehen. Seine Eltern waren auch dabei. Wochenlang hatte sich ihr Wagentreck nach Westen gewälzt. Was ihm anfangs noch als großes Abenteuer erschien, entpuppte sich schon bald als täglicher Kampf um das nackte Überleben. Zerbrochene Wagenachsen, verendete Zugtiere und Grabhügel, unter denen Männer, Frauen und Kinder wieder zu Erde wurden, säumten ihren Weg. Der Westen ließ Sloan nicht viel Zeit, erwachsen zu werden.

Undeutlich erinnerte er sich an den Tag, als über den Hügeln am Horizont eine lange Reihe gefiederter Lanzen zu sehen war, die sich im Wind wie die Äste eines jungen Baumes hin und her wiegten. Kurz darauf tauchte ein Pulk berittener Krieger auf. Untersetzte, muskulös wirkende Männer mit langen, schwarzen Haaren und nacktem Oberkörper, die fürchterliches Geschrei ausstießen. Sie saßen auf den Rücken ihrer Pferde, als wären sie angewachsen. Comanchen.

Der Boden erzitterte unter den Hufen ihrer halbwilden Pferde, als sie im gestreckten Galopp heranritten. Scheußliche Bemalungen glänzten auf den breiten Gesichtern, Federschmuck flatterte im Wind, Skalptrophäen baumelten vom Zaumzeug der drahtigen Ponys.

Sloan erinnerte sich nicht mehr direkt daran, doch er wusste, dass er damals noch Wochen danach Albträume hatte, in denen ihn die Schreie der Frauen und Kinder verfolgten.

Peitschen knallten, und während einige wie verrückt auf die Gespanne eindroschen, schossen die anderen auf die Indianer. Pulverdampf schwebte in stinkenden Schwaden über dem Treck, der inzwischen in einem Höllentempo über das Land donnerte. Auch wenn es unmöglich war, aus den schwankenden Wagen heraus gezielte Schüsse abzugeben, waren nach der ersten Salve doch vereinzelt reiterlose Pferde in den dichten Reihen der Angreifer zu erkennen. Dennoch holten die Comanchen auf. Pfeile zischten ins Innere der Wagen.

Sloan griff an die Narbe an der linken Schläfe.

Ein Pfeil hatte ihn gestreift. Daraufhin stürzte er aus dem Wagen und verlor das Bewusstsein.

Als er wieder zu sich kam, saß er auf einem Pony der Indianer, eingehüllt in eine stinkende Wolke aus Staub, Pferd, Schweiß und ranzigem Fett. Sehr lange waren sie unterwegs, bis sie in ein Indianerdorf gelangten. Mehrere weiße Kinder und Frauen hatten die Comanchen geraubt. Die Gefangenen durften sich nicht miteinander unterhalten. Die erste Zeit war sehr hart gewesen, besonders für die Frauen. Die Behandlung oblag immer dem jeweiligen Besitzer. Mit den Jahren verblasste die Welt, in die er hineingeboren worden war, er vergaß seine Eltern, seine Sprache, seinen Namen und wurde zum Indianer. Er lernte, dass Indianer ebenso wie Weiße liebten und lachten, doch gnadenlos zu ihren Feinden waren.

Neun Jahre später, bei einem Überfall der Soldaten auf sein Lager, erkannte ein Soldat in dem blonden, blauäugigen Krieger einen Weißen. Wieder einmal wurde er gezwungen, sein gewohntes Leben aufzugeben.

Hufschlag riss ihn aus seinen Gedanken. Ein einzelner Reiter, der eine feine Staubwolke hinter sich herzog. Neugierig brachte Sloan sein Pferd an den Rand der Hochebene und beobachtete. Es war eine Frau auf einer Grullastute, die direkt auf die Quelle zuritt, die eingebettet zwischen den Büschen am Fuß des Plateaus lag. Sloan saß ab, schlang die Zügel um einen sonnenverbrannten Busch und schlich neugierig nach unten. Einen Steinwurf von der Quelle entfernt blieb er für einen Augenblick hinter dem Felsen stehen. Sie trug einen langen, dunklen, geteilten Reitrock, eine helle Leinenbluse und eine ärmellose Lederweste darüber. Ein breitkrempiger Hut mit einem bunt bestickten Hutband bedeckte ihren Kopf.

Sie stieg neben der Quelle vom Pferd und band die Zügel um einen der Büsche. Mit einer anmutigen Bewegung nahm sie ihren Hut ab und schüttelte ihre dunkle Haarpracht. Sloan wollte sich bemerkbar machen, als weiterer Hufschlag erklang.

Dieser Reiter schien es besonders eilig zu haben. Als er sein Pferd inmitten von einem Staubschleier wenige Schritte vor der Frau zügelte, legte sich Sloans Hand instinktiv auf den zerschrammten Griff seines Revolvers. Der Neuankömmling war ein großer, schwergewichtiger Bursche mit einem breitflächigen Gesicht und weizenblondem Haar.

»Es wird Zeit, dass wir reden«, sagte er auf eine grobe Art.

»Ich wüsste nicht über was.«

In der Stille des Morgens klangen die Stimmen deutlich bis zu Sloan.

Die Miene des Mannes verhärtete sich. Er glitt aus dem Sattel und baute sich breitbeinig vor ihr auf.

»Du verdammte Schlampe«, stieß er gepresst hervor. »Weißt genau, was ich meine.«

»Nein, das weiß ich nicht.« Ihre Stimme klang nicht mehr so fest wie zuvor.

Er ergriff sie am Arm und zog sie an seine Brust, packte ihre Handgelenke, drehte sie auf ihren Rücken und hielt sie mit einer Hand. Mit dem anderen Arm hielt er sie fest umschlungen.

»Lass mich los, du Mistkerl.«

Rücksichtslos presste er seinen Mund auf ihre Lippen. Ihre Versuche, ihn zu treten, waren aussichtslos. Sie besaß nicht viel Handlungsfreiraum.

Sloan sprang mit dem Revolver in der Hand aus seiner Deckung hervor.

»Lass sie los!«

Der Kerl reagierte schnell, stieß die Frau von sich und griff zum Revolver. Doch in Anbetracht der auf ihn gerichteten Waffe hielt er mitten in der Bewegung inne. Wie eine Raubtierklaue schwebte seine Hand nahe dem Halfter.

»Die Lady hat dir deutlich zu verstehen gegeben, was sie von deinem Annäherungsversuch hält«, knurrte Sloan.

»Scher dich zum Teufel.« Er blickte auf Sloans Stern. »Du bist nicht Coleman.«

»Sieht nicht danach aus«, antwortete Sloan. »Was soll das hier?«

»Familienangelegenheit, geht niemanden was an«, brummte der Blonde.

»Sloan Harding, Sheriff von Chadron.«

»Was ist mit Coleman?«

»Den haben wir begraben.« Sloan meinte, ein kurzes Aufleuchten in den Augen des anderen zu sehen, aber er konnte sich auch täuschen. »Alles in Ordnung, Miss?«, fragte er die Frau.

»Danke, Sheriff.«

Sloan zog die Augenbrauen hoch. Das hatte vorhin ganz anders ausgesehen.

»Mischen Sie sich nicht in Familienangelegenheiten«, zischte der Mann, saß auf und ritt ohne ein weiteres Wort weg.

»Sie haben sich einen Feind gemacht, Sheriff.«

Sloan zuckte mit den Schultern. »Und wie nennt sich mein neuer Feind?«

»Jed Morgan, der Erbe der Double W im Circle Ranch.«

Nun hatte er Gelegenheit, sie genau zu betrachten. Sie war zu schön, um alleine herumzureiten, war Sloans Gedanke. Ihr sonnengebräuntes, schmales Gesicht war fast ein wenig zu kantig, doch ihm gefiel diese rassige Schönheit, wie er es nannte. Auffällig waren ihre dunklen Augen und ihr schwarzes Haar, das wie die Federn eines Raben in der Sonne glänzte und in sanften Wellen weit über die Schultern floss. Er suchte vergebens nach dem hochmütigen Blick, der vielen schönen Frauen eigen war.

»Darf ich Sie nach Hause begleiten?«

»Danke, das ist nicht nötig. Ich bin Victoria Morgan.« Sie setzte ihren Hut auf. »Nicht weit von hier beginnt das Ranchgelände.«

Er half ihr in den Sattel. Sie konnte nur die Ehefrau des Blonden sein. Für Sloan war es das Armutszeugnis eines Mannes, sich an einer Frau zu vergreifen. Im Normalfall taten das Männer, die sich gegen Ihresgleichen nicht wehren konnten, da sie schwach und feige waren.

Sie nickte ihm zu und ritt an.

Sloan setzte seinen Erkundungsritt fort. Bald kam er zu einem Holzbogen, der mit einem Büffelschädel geschmückt war und das Brandzeichen der W im Circle Ranch zeigte, ein W im Kreis. Weiter vorne schlängelte sich ein schmaler Bach durch die Landschaft, den Weiden und Sträucher säumten.