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Der Marone – Jowler und Jessuron

Thomas Mayne Reid
Der Marone – Erstes Buch
Kapitel 7
Jowler und Jessuron

Fast zur selben Zeit, als das Sklavenschiff vor Anker ging, verließ ein kleines Boot die Küste. Sobald es ins Fahrwasser gekommen war, nahm es Kurs auf die Bark.

Drei Männer saßen im Boot, von denen zwei die Ruder führten. Beide waren Schwarze, nackt, mit Ausnahme der schmutzigen weißen Hosen, die ihre Beine nur wenig bedeckten, und den groben Hüten aus Palmenblättern auf den Köpfen.

Der Dritte im Nachen, denn das Boot war kaum etwas anderes, war ein weißer Mann, oder besser gesagt, war einmal ein solcher gewesen. Er saß auf den Rudertaljen mit einem Steuerreep in jeder Hand. So steuerte er das Fahrzeug, wie die in die Seite gestemmten Ellenbogen und die gelegentliche Bewegung der Arme bewiesen. Er hatte nicht die geringste Ähnlichkeit mit den Bootsleuten, weder in der Hautfarbe noch in der Kleidung, die er trug. Unbedingt würde es schwer gehalten haben, einen solchen Mann, sei es zu Lande oder zu Wasser, aufzufinden. Beim ersten Blick würde ein Fremder ihn sofort für ein Original gehalten haben, indes die, welche ihn näher kannten, nicht ziemten, ihn als einen seltsamen Sonderling zu bezeichnen.

Er schien etwa um die 60 Jahre alt zu sein, und war einmal weiß gewesen. Aber die lange Zeit, die er der Sonne ausgesetzt war, zugleich mit zahlreichen von Schmutz angefüllten Falten und Furchen in seiner Haut, hatte diese so dunkel wie ein Tabakblatt gemacht.

Seine Züge, von Natur schon eckig, waren durch das Alter so verkürzt und so schroff geworden, dass die Vorderseite seines Gesichts nur wenig Anhaltspunkte bot. Um daher sein Gesicht eigentlich zu erfassen, war es notwendig, sein Profil von der Seite zu betrachten.

So gesehen war Breite genug vorhanden, und es zeigten sich Züge von höchst merkwürdiger Bildung, vor allem eine Nase wie die Schere eines Hummer sowie ein scharf vorwärts gebogenes Kinn, mit einer tiefen Höhlung dazwischen, welche die Stelle der Lippen bezeichnete. Die Umrisse im Ganzen hatten große Ähnlichkeit mit dem Profil eines Papageis, aber noch viel mehr mit denen eines jüdischen Mannes, und das war auch wirklich sein wahrhaftes Aussehen.

Wurde der Mund zum Lächeln geöffnet, allerdings ein seltener Fall, dann konnten darin nur noch zwei Zähne entdeckt werden, die einzeln, weit voneinander stehend, zwei Schildwachen glichen, um den dunklen Eingang zu bewachen.

Diese sonderbare Gesichtsbildung wurde durch ein Paar schwarze Augen erhellt, die wie die Augen einer Fischotter schimmerten, und wirklich fortwährend schimmerten, ausgenommen, wenn ihr Eigentümer schlief, ein Zustand, in welchem er wohl nur sehr selten oder niemals angetroffen wurde.

Die natürliche Schwärze seiner Augen wurde noch durch den Gegensatz, der langen weißen Augenbrauen vergrößert, die weiter als die Hälfte um sie herumliefen und sich auf dem schmalen Nasenrücken begegneten. Auf dem Kopf war kein Haar, das heißt, es war keines sichtbar. Eine Nachtmütze von einst weiß gewesenem Baumwollstoff bedeckte die ganze Glatze und war über beide Ohren gezogen. Über der Nachtmütze war ein weißer Castorhut gestülpt, dessen kahles Äußere und gebrochene Ränder von langjährigen Diensten zeugten.

Eine große grüne Reisebrille, die auf seinem Nasenhöcker lag, schützte seine Augen vor der Sonne, obwohl sie auch möglicherweise eines anderen Zweckes wegen getragen werden mochte, nämlich um den in seinen Augen leuchtenden spitzbübischen und bemerkenswerten Ausdruck zu verbergen. Ein himmelblauer, vom langen Tragen weit gewordener Tuchrock mit metallenen Knöpfen, die, einst glänzend, eine Bronzefarbe angenommen hatten, Beinkleider von büffellederartigem Kaschmir, die von Fett glänzten sowie lange Strümpfe und glanzlose Stulpenstiefel machten die Kleidung dieses einzig merkwürdigen und sonderbaren Mannes aus. Ein großer, blauer, baumwollener Regenschirm wurde zwischen seinen Knien gehalten, da beide Hände damit beschäftigt waren, den Nachen zu steuern.

Das beschriebene Bild, oder vielleicht sollte es wohl nur Profil genannt werden, ist das des Jacob Jessuron, des Sklavenhändlers, eines Israeliten von portugiesischer Abstammung, von dem man aber jedenfalls nicht behaupten konnte, dass er ohne alle Arglist war.

Die beiden Ruderknechte waren einfach seine Sklaven.

Der kleine Nachen hatte die Küste an einem stillen, fast geheimen Winkel in einiger Entfernung von der Stadt, aber doch noch in Sichtweite, verlassen. Sein Ziel schien augenscheinlich die vor Anker gegangene Bark zu sein und bewegte sich so schnell wie möglich auf sie zu. Der Steuermann schien wirklich seine schwarzen Sklaven zur Aufbringung ihrer äußersten Kräfte anzutreiben, als wünschte er aus irgendeinem Grund, so bald wie irgend möglich an Bord der Bark zu gelangen.

Von Zeit zu Zeit konnte man ihn sich mit seinem Körper halb herumdrehen und zurr Stadt zurückblicken sehen, als ob er erwartete oder fürchtete, dass ein anderes Boot von dort kommen könne, das seinen Nachen überholen möchte.

Er schien jedoch in seinem Vorhaben vom Glück begünstigt zu sein, denn obschon sein kleiner Nachen eine ansehnliche Zeit brauchte, um von der Küste zum Schiff zu kommen, eine Entfernung von mindestens einer Meile, langte er doch an seinem Bestimmungsort an, ohne dass irgendein anderes Boot zu sehen gewesen wäre.

»Schiff, halloh!«, schrie er, als der Nachen an die Backbordseite der Bark lief.

»Ja, ja!«, erwiderte eine Stimme von oben.

»Is dasch Captin Showler, den ich höre?«

»Gott verdamm mich! Wer da?«, fragte einer auf dem Hinterdeck. Einen Augenblick später zeigte sich das bleiche Gesicht des Kapitäns Aminidab Jowler selbst auf dem Fallreep.

»Ah! Herr Jessuron! Sie sind es, wahrhaftig! Wollen sich wohl einen Überblick über meine Schwarzen verschaffen? Wohl, wohl, rasch angepackt, rasch bedient. Das ist meine Regel so! Froh, Sie zu sehen, wahrhaftig! Was machen’s?«

»Ganz gut! Ganz gut! Danke. Hoff’, Sie sind auch auf dem Damm, Captin Showler. Wie steht’s denn mit der Ladung?«

»Sehr schön, sehr schön, alter Kauz! Zog ein Hauptlos, wahrhaftig. Alle Größen, alle Farben, alle Geschlechter, gewiss! Sie können suchen und wählen, ganz nach Herzenslust, ich rechne d’rauf. Kommen’s schnell! Klettern’s herauf und schielen’s dann mal hin nach ihnen.«

Der Sklavenhändler ergriff die zu seiner Bequemlichkeit niedergelassene Strickleiter, erkletterte die Schiffsseite mit der Behändigkeit eines Affen und betrat das Deck des Sklavenschiffes.

Nach einigen Minuten, die zum Handschütteln und andere Begrüßungsformeln verwandt wurden und zum Beweis dienten, dass der Händler und der Kaufmann alte Freunde seien und zwar so treue, als es zwei Diebe nur immer sein können, setzte der alte Schlaukopf die große Brille noch etwas fester auf seinem Nasendamm und begann die Besichtigung der Ladung.

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