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Captain Concho – Band 55

Bill Murphy
Captain Concho – Der Rebell aus Texas
Band 55
»Deserteur« Concho

Western, Heftroman, Bastei, Köln, 66 Seiten, 1,70 €, Neuauflage, Titelbild von Ertugrul Edirne / Becker-Illustrators

Extra: Die Schlacht um Vicksburg: Die gegnerischen Armeen und ihre Befehlshaber, Teil 6

Kurzinhalt:
Die Schlacht um Vicksburg tobt seit Monaten, denn die Rebellen setzen der Übermacht der Union verbissenen Widerstand entgegen. Besonders die schweren Geschütze hoch oben am Rand der Felsklippen des Mississippi lehren die Yankees das Fürchten. Deshalb treiben die Blauröcke in einer geheimen Aktion am Fuß der Klippen lange Stollen in den Fels, um diese mit Tonnen von Sprengstoff zu füllen und die gesamte Steilwand in die Luft zu jagen. Nur einem Überläufer der Rebellen kann es noch gelingen, diese Todesminen zu erreichen. Achtundvierzig Stunden vor der Sprengung kommt tatsächlich ein Deserteur bis an die Stollen heran. Der »Deserteur« Sam Concho …

Leseprobe:

Captain Concho duckte sich und nahm den Revolver in die Faust. Vor dem kleinen Gebäude hockten schon Lieutenant Benson, Sergeant Forscreek und Corporal Finnewacker, die Karabiner schussbereit. Forscreek hielt außerdem eine von ihm selbst fabrizierte Handgranate parat.

Die Männer waren im heiß umkämpften Vicksburg. Mitten in der Festung! Und in diesem Haus befand sich ein feindliches Agenten- und Spionagenest.

Das war einwandfrei festgestellt worden. Captain Concho hatte den Befehl erhalten, dieses Nest auszuheben und die Spione und Agenten festzunehmen.

Er war dringend darauf hingewiesen worden, dass General Pemberton, der Kommandeur der Festung, alle Yankees lebend haben wollte.

Concho hatte mit seinen Männern das Haus umstellt, und er war sicher, dass keiner von den Spionen und Agenten würde entkommen können.

Doch ob er sie alle lebend fasste?

Die Yankees wussten, was ihnen blühte, wenn sie entdeckt und gefangen genommen wurden. Auf beiden Seiten wurde in solchen Fällen auf die gleiche Weise verfahren. Spione und Agenten wurden erschossen. Meist auf der Stelle. Folglich würden diese Männer kämpfen.

General Pemberton hatte mit den Yankees tatsächlich nichts anderes im Sinn, Er kochte vor Zorn, denn er konnte das Munitionslager verlegen, wohin er wollte – immer wieder nahmen es die feindlichen Batterien schon nach kurzer Zeit unter Feuer.

Da konnte nu Verrat im Spiel sein. Und das war nun Gewissheit.

In diesem Gebäude saßen die Leute, welche nachts mit Lichtsignalen dem Feind Informationen gaben, die den eingeschlossenen dreißigtausend Konföderierten von Mal zu Mal gefährlicher wurden.

Sergeant Major Dandry signalisierte Bereitschaft.

Captain Concho bestätigte sein Signal mit Handzeichen und lief geduckt unter dem Fenster entlang zur Tür.

Benson und Finnewacker drehten die Karabiner herum.

»Vorwärts!«, befahl Concho.

Der lange Lieutenant und Corporal Finnewacker schnellten hoch, waren mit zwei Schritten an der Tür und schlugen sie ein.

Sergeant Forscreek ruckte empor, die Blitz- und Nebelhandgranate abgezogen und wurfbereit.

Als Benson und Finnewacker die Tür aufstießen, warf er die Konservendose über ihre Köpfe hinweg in das Gebäude hinein.

Der lange Lieutenant, Finnewacker und Forscreek duckten sich und schlossen die Augen. Captain Concho stellte sich mit dem Rücken an die Wand und hielt die Hand vor das Gesicht.

Trotzdem wurde es allen grell vor den Augen, als die Handgranate explodierte. Das Haus erzitterte. Türen und Scheiben flogen aus den Rahmen. Rauch schoss ins Freie.

Concho stürmte als Erster hinein. Die drei Männer folgten ihm.

Da war schon rund um das Gebäude Karabinerfeuer zu vernehmen. Auch im Haus fielen Schüsse.

»Ergebt euch!«, rief Concho mit tönender Stimme. »Das Haus ist umstellt!«

Doch die Spione kämpften. Sie versuchten, sich den Weg durch die zertrümmerten Fenster freizuschießen. Als sie einsahen, dass dies nicht gelingen konnte, kamen sie aus den Zimmern gestürzt, Gewehre und Revolver in den Fäusten.

»Ergebt euch!«, rief der Captain abermals.

Die Waffen blitzten und krachten. Revolver hämmerten, und Gewehre dröhnten, dass den Männern die Ohren schmerzten. Der Qualm, der das ganze Haus erfüllte, ließ sie husten und niesen.

Concho ließ sich auf die Knie sinken und feuerte mit dem Revolver auf eine der Gestalten. Er wusste, dass er den Mann tödlich treffen würde, drückte aber trotzdem ab, um nicht von ihm erschossen zu werden.

Das Projektil warf den Kerl in den Raum zurück. Captain Concho schwang sich hoch und stürzte ihm nach, sprang über ihn hinweg und prallte mit einem anderen zusammen.

Er schlug mit dem Colt nach ihm, bekam aber die Faust des Mannes vor die Brust und prallte gegen die Wand. Der Kerl riss den Revolver hoch. Abermals musste der Captain feuern.

Der Mann brach auf der Stelle zusammen und blieb vor ihm liegen. Kein Schuss fiel mehr. Gestalten stürmten durch die Räume. Sergeant Major Dandry war mit den Männern durch die Fenster eingedrungen.

»Ben!«, rief Captain Concho.

Da betrat der Lange schon das Zimmer und blickte auf die beiden Spione am Boden.

»Verfluchter Mist, Sam!«, schimpfte er. »Sie sind alle tot! Nicht einer hat sich ergeben.«

Captain Concho starrte ihn an. Auch Benson kannte den Befehl.

»Mensch! Die haben alle den Tod gesucht«, stieß Benson hervor. »Hättest du dich an ihrer Stelle anders verhalten? Lieber im Kampf fallen, als aufgehängt oder erschossen zu werden.«

Trampelnde Tritte näherten sich.

Molden und Hines hatten einen Yankee überwältigen können und schoben ihn vor sich her.

»Na, Gott sei Dank, wenigstens einer!«, meinte Benson.

Er wollte noch mehr sagen, verstummte aber, als er in dem Gefangenen eine Frau erkannte. Eine junge Frau. Benson und Captain Concho schätzten sie auf zwanzig Jahre.

»Wir haben sie aus dem Keller geholt!«, meldete Corporal Dusty.

Sam Concho sah dem Girl in die Augen, die vor Schreck und Entsetzen geweitet waren. Todesfurcht prägte die hübschen Züge. Sie hatte schwarzes, langes Haar und hellblaue Augen.

»Sind noch mehr von denen da unten?«, fragte Benson.

Forscreek und Finnewacker führten einen zweiten Gefangenen heran. Einen Mann, wie Captain Concho erleichtert feststellte. General Pemberton hatte Concho schon wissen lassen, dass seine Leute auch das Peloton stellen sollten, wenn die Spione erschossen wurden. Pemberton selbst wollte sie zuvor vernehmen.

Es handelte sich um einen Mann von vierzig Jahren mit einem sympathischen Gesicht. Captain Concho vermutete, dass er Offizier war.

Schweigend stand der Yankee da. Es hatte keinen Sinn, zu protestieren oder gar zu leugnen. Sie hatten sich der Festnahme mit Waffengewalt widersetzt. Das war deutlich genug gewesen.

Benson ließ die beiden mit dem Gesicht an die Wand treten und befahl ihnen, die Hände im Nacken zu falten. Er durchsuchte sie selbst nach Waffen und gab dann Molden und Dusty den Befehl, sie zu bewachen.

»Kommt!«, rief er Finnewacker und Forscreek zu. »Durchsuchen wir die Bude gründlich.«

Sergeant Major Dandry und Polak kamen die Treppe herunter. Polak trug einen Signalspiegel.

»Unter dem Dach vor einer nach Osten gerichteten Gaube haben wir ihn gefunden!«, meldete der Sergeant Major.

Captain Concho nickte. »Hier abstellen und weitersuchen.«

Sie fanden einen weiteren Signalspiegel, Waffen, mehrere Kisten Sprengstoff und Lebensmittelvorräte. Acht Männer und zwei Frauen hatten sich in dem Gebäude aufgehalten. Eine Frau war tot. Sie hatte wie die Männer auf die Soldaten gefeuert. Polak war der Unglücksrabe.

Tränen traten ihm in die Augen, als die Frau hinausgetragen wurde. »Sie hat auf mich und Hines geschossen«, sagte er krächzend. »Ich habe erst gesehen, dass es sich um eine Frau handelte, als sie auf dem Boden lag.«

Captain Concho legte ihm die Hand auf die Schulter. »Streichen Sie das aus Ihrem Gedächtnis, Corporal. Sie haben auch das Recht zurückzuschießen, wenn eine Frau auf Sie anlegt. Außerdem sind alle diese Leute hier entschlossen gewesen, sich erschießen zulassen.«

Sieben Personen lagen dann draußen vor der Tür. Eine Frau und sechs Männer.

Zwei der Spione hatte er wenigstens festnehmen können.

Er klopfte dem Mann auf den Rücken. »Sind Sie bereit, hier eine Aussage zu machen und mir die Namen der Toten zu nennen?«

»Nein!«

»Sie?«, wandte er sich an das Girl.

Sie zögerte eine Weile, bis sie den Blick des Mannes an ihrer Seite spürte. Dann schüttelte sie den Kopf.

Wem von seinen Männern sollte er zumuten, sie zu erschießen? Das würde er selbst erledigen müssen, dachte Concho bekümmert.

»Sergeant Major!«

Dandry kam zu ihm und nahm Haltung an.

»Nehmen Sie die Männer, und bringen Sie die beiden Spione zur Kommandantur. Übergeben Sie sie dem Wachoffizier dort, und lassen Sie sich die Übergabe schriftlich bestätigen.«

»Zu Befehl, Sir!«

Captain Concho ging zu Benson hinüber, der die Signalspiegel betrachtete.

»Raffinierte Konstruktion«, meinte der lange Lieutenant. »Ich möchte wissen, wie weit die Dinger reichen.«

»Denkst du daran, die Yankees reinzulegen wie damals in Mobile?1

Captain Concho verschränkte die Hände auf dem Rücken und lächelte.

Der Lange richtete sich auf und griente. »Wenn die beiden mitspielen würden? Wir kennen ja den Code nicht.«

Concho wiegte den Kopf. »So sehen die mir nicht aus.«

»Bevor sie sich an die Wand stellen lassen! Mach ihnen doch das Angebot.«

»Das kann nur Pemberton entscheiden.«

»Ist ja auch nur eine Idee gewesen.« Sergeant Major Dandry kam und meldete sich ab.

»Dass Sie mir mit den Spionen dort auch ankommen!«, schnarrte Benson warnend.

Dandry griente. »Wir sind wachsam wie Fleischerhunde!«

»Ab durch die Mitte!«, befahl Captain Concho.

»Zu Befehl, Sir!« Der Sergeant Major schlug die Sporen zusammen, salutierte und machte kehrt.

Die Offiziere wandten sich wieder den Signalspiegeln zu.

»Ich sehe nicht viel Sinn darin, Blindekuh damit zu spielen. Die Yankees werden kaum Informationen in die Festung geben. Die wollen welche haben«, meinte Concho, das verängstigte Gesicht dieses bildhübschen Girls vor den Augen.

»Kann man es wissen?« Benson griente. »Die teilen denen hier bestimmt mit, wenn sie zum Angriff auf uns antreten. Damit die hier in Deckung gehen können.«

»Komm, ich werde es Pemberton vorschlagen«, sagte Captain Concho.

Sie verließen das Haus, in dem die Luft immer noch nach Rauch und Schwefel schmeckte.

Aber das war ein Geruch, der über der ganzen Stadt hing. Die Rauchschwaden, die das brennende Vicksburg einhüllten, verdunkelten die Sonne. Tag und Nacht dröhnten die Kanonen. Auf beiden Seiten. Das berstende Krachen der Einschläge und das Dröhnen der Abschüsse der eigenen Kanonen erfüllten die Luft.

Die Stadt glich einer Ruinenlandschaft.

Die Straße erinnerte an einen Sturzacker. Da reihte sich Granattrichter an Granattrichter. Teilweise waren die Löcher mit Wasser oder Schlamm gefüllt.

Captain Concho und Benson umgingen die Trichter.

Es dauerte eine halbe Stunde, bis sie General Pembertons Hauptquartier, erreichten, das in einem ehemaligen großen Hotel untergebracht war.

Auch dieses Gebäude war eine Ruine, notdürftig ausgebessert.

Zu Weihnachten hatten Kanonenboote der Yankees vom Mississippi her über die Steilufer hinweg diesen Stadtteil unter Feuer genommen. So alt waren die Verwüstungen schon. Inzwischen war fast Sommer. Wochenlang schon hatte sich keine Yankeegranate mehr hierherverirrt.

General Pemberton war von Geburt her ein Yankee. Obwohl an seiner Loyalität nicht zu zweifeln war, gingen in der Festung die wildesten Gerüchte um.

Die Yankees verschonten angeblich das Hauptquartier, um Pemberton dazu zu bewegen, die Festung zu übergeben.

Aber das waren Gerüchte. Latrinenparolen. Nichts weiter. Doch war es ein Wunder? Die Not in der eingeschlossenen Stadt war groß. Die Bevölkerung war evakuiert worden. Doch nicht alle Einwohner hatten Vicksburg verlassen, und diese Menschen litten entsetzlichen Hunger. Auf dem Wochenmarkt wurden Ratten, Schlangen und geröstete Grillen feilgeboten, kaum Gemüse oder Obst.

Auch die Soldaten hungerten. Es gab nur eine einzige Mahlzeit am Tag, und das Brot aus der Feldbäckerei war eine Pampe aus Sand, Sägemehl und

Maisschrot. Längst gab es in Vicksburg keine Hunde und Katzen mehr. Von Pferden und Rindern gar nicht erst zu reden.

Das Schlimmste für die Truppen war der Munitionsmangel. Jeder Tag war ein Kampftag und verschlang Tonnen von Granaten und Patronen.

Quartiermeister, Nachschuboffiziere und Furiere hatten vor Wochen schon errechnet, dass die Festung allenfalls noch Tage zu halten war. Doch welches Wunder, die Festung hielt sich noch immer und kämpfte.

Alle Angriffe der Yankees waren bisher blutig zurückgeschlagen worden.

Es war die Moral der Truppe und der Einwohner, die sich über alle Mängel und Widrigkeiten hinwegsetzte und sie ausharren ließ.

(wb)

Show 1 footnote

  1. siehe Captain Concho 44-46