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Die Gefangene der Goldräuber – Teil 7

Jennifer hockte in einer Ecke der Hütte. Nach dem ersten Schuss war Barrera aus dem Bett gesprungen und nur mit Hose und Stiefel aus der Tür geschlüpft.

Die Tür wurde aufgerissen, während draußen der Kampf weiterging. Paco sprang herein. »Los, komm her du kleine Hure«, verlangte er, drückte sich an die Wand und schaute durch das winzige Fenster. »Ich habe eine Geisel und töte die Frau, wenn ihr nicht verschwindet«, rief er.

Hinter ihm trat Barrera ein. Er blickte zu Jennifer und winkte sie zu sich. In seinen Augen konnte sie weder Hass noch Zorn oder Angst erkennen. Er blutete aus einer Wunde an der linken Seite.

»Sie ist ein gutes Faustpfand. Die Schweine werden es nicht wagen, sie in Gefahr zu bringen.« Paco grinste hämisch.

»Geh zu deinen Leuten, Muchacha.« Barreras weiche Stimme erstaunte Jennifer.

Paco fluchte auf Spanisch. »Sie ist unser einziger Trumpf. Die weißen Gringos werden es nicht wagen, auf eine der ihren zu schießen. Du kannst sie nicht gehen lassen.«

Barrera grinste Paco mitleidig an. »Compadre, ein Mann sollte wissen, wann es zu Ende ist. Sie geht.«

Jennifers Blick schweifte zwischen Barrera und Paco hin und her. Barreras Wunde blutete stark und durchtränkte seine Hose, sein Atem ging stoßweise. Paco schnappte Jennifer am Arm, als sie langsam zur Tür ging. Seinen vermeintlich einzigen Trumpf wollte er nicht so ohne Weiteres gehen lassen. Durch die Wucht, als er sie zu sich zog, stolperte sie. Den Augenblick, in dem Paco abgelenkt war, nutzte Barrera, um zu schießen. Er traf ihn mitten in die Brust. In Pacos Gesicht lag Erstaunen. Er öffnete den Mund, um etwas zu sagen, doch nur Röcheln entfloh seiner Kehle. Der Versuch, seine Waffe zu heben, misslang. Er klappte zusammen und fiel vornüber zu Boden.

»Man sollte immer auf seinen Jefe hören, Compadre«, murmelte Barrera.

Mit einem Seufzer hauchte Paco sein Leben aus. Jennifer blickte Barrera entgegen, der zu ihr an die Tür kam. Sie verspürte keine Angst. Nicht, wenn sie in seine Augen sah. Vielleicht war er vor langer Zeit einmal ein guter Mensch gewesen und hatte dann das Leben eines Banditen gewählt. Für sie brachte er so etwas wie Gefühle auf, soweit es ihm möglich war. Es war dumm, so zu denken, und sie wusste es. Er war ein Mörder und hatte viele Menschen ins Unglück gestürzt.

»Bring dich in Sicherheit, guapa, meine Hübsche, und pass auf dich auf.« Die linke Hand hielt er auf die Wunde gepresst, mit der rechten steckte er seinen Revolver in den Hosenbund, ergriff ihren Nacken und zog sie zu sich. Sein Kuss war stürmisch, denn für ihn gab es keinen neuen Morgen. Sie erwiderte den Kuss, denn sie empfand so etwas wie Mitleid mit ihm, so töricht es auch schien. Er wuschelte durch ihr Haar und schob sie sanft zur Tür.

»Nicht schießen, die Frau kommt raus«, rief er laut.

Bevor sie die Tür öffnete, drehte sie sich noch einmal zu ihm um. Noch nie in ihrem Leben war sie einem Mann wie ihm begegnet. Langsam zog sie die Tür auf und ging hinaus. Die Luft war erfüllt von Pulverdampf und Staub. Sie registrierte einige Tote. Einige Banditen standen mit erhobenen Händen, einer wälzte sich stöhnend am Boden. Der Kampf war vorbei. Unschlüssig blieb sie stehen.

»Miss Tucker, schnell, hierher«, rief ein Mann, der hinter einem Baum in Deckung stand.

Er kannte ihren Namen. Das bedeutete, dass es Gesetzeshüter waren, denn wer sollte sonst wissen, dass sie entführt worden war. Nach einem kurzen Blick zu Barreras Hütte, er beobachtete sie sicher vom Fenster aus, ging sie auf den Mann hinter dem Baum zu. Der Schuss und der brennende Schmerz in ihrer rechten Schulter waren eins. Stöhnend drehte sie sich halb um die Achse und sank zu Boden. Aus den Augenwinkeln gewahrte sie eine Bewegung bei Barreras Hütte. Barrera stand in der offenen Tür und feuerte auf Maria, die in ihrem Hass auf Jennifer geschossen hatte. Seine Kugel hatte Maria erwischt, die verletzt am Boden lag. Ein letztes Zucken durchlief ihren Körper, dann lag sie still, die Waffe unter ihrem Körper begraben. Barrera gelang es nicht mehr, in Deckung zu gehen, mehrere Schüsse streckten ihn nieder.

Bewaffnete Männer traten hinter den Bäumen hervor. Während ein Verletzter die Banditen in Schach hielt, durchsuchten zwei die Hütten, einer befreite die Gefangenen und einer sicherte die Umgebung. Ein hochgewachsener Mann trat die Tür von Pacos Hütte auf. Jennifer hörte Carmen schreien. Gleich darauf zerrte der Mann Carmen heraus.

»Sie gehört nicht zu ihnen«, flüsterte Jennifer. In dem Mann, der sich bei ihr niederkniete, erkannte sie Benbow. »Sie spricht nur Spanisch.«

»Wittlif, lass sie los!«, fauchte Benbow.

Der Mann ließ von Carmen ab, behielt sie aber im Auge.

»Darf ich mir Ihre Wunde ansehen?«, fragte er sanft.

Jennifer nickte nur. Der Schmerz trieb ihr Tränen in die Augen. An der Wunde schnitt er ihre Bluse auf.

»Ist nicht so schlimm, wie es sich anfühlt, Miss Tucker. Ein Streifschuss. Die Kugel hat ein wenig Fleisch mitgerissen, deshalb schmerzte es so höllisch.«

Wäre sie alleine gewesen, hätte sie geheult vor Schmerz, so begnügte sie sich damit, die Zähne tapfer aufeinanderzubeißen.

 

Notdürftig verscharrten sie die Leichen im harten Boden und häuften Steine darüber. Den Rest des Tages und die Nacht lagerten sie. Zwei der Gefangenen waren durch verirrte Kugeln getötet, einer verletzt worden. Ein angeschossener Bandit verstarb während der Nacht.

Im nächsten Morgengrauen machten sie sich auf den Weg nach Denver. Black Hawk lag näher, doch Matt wollte nach Denver, um für Jennifer so schnell wie möglich alles zu regeln. Die Wittlifs sprachen sich ebenso für Denver aus, denn die hohe Kopfgeldprämie konnte der Sheriff dort besser auszahlen. Die befreiten Männer verabschiedeten sich, um nach Black Hawk zurückzukehren.

Die drei überlebenden Banditen führten sie gut verschnürt mit, ebenso Barreras Leiche.

Matt wich nicht von Jennifers Seite, die, seit er sie verbunden hatte, kein einziges Wort gesprochen hatte. Gerne hätte er ihr Leiden abgenommen, denn der Ritt war eine Tortur für sie. Sie legten ein scharfes Tempo vor, um so schnell wie möglich die Stadt zu erreichen. Spät nachts erreichten sie Denver. Matt trommelte den Arzt aus dem Bett, der Jennifer und Dyson versorgte, während die anderen Wittlifs und Cole die Banditen zum Sheriff brachten.

 

Trotz weniger Stunden Schlaf fühle sich Cole gut erholt, als er am nächsten Morgen sein Pferd aus dem Mietstall holte. Vor dem Hotel traf er auf Jennifer und Matt.

»Ich habe mich noch nicht bei Ihnen allen bedankt. Sie halten mich sicher für undankbar und unhöflich.«

Cole stieg vom Pferd. »Keineswegs, Miss Tucker. Wie geht es Ihnen?«

»Dank Ihnen geht es mir gut. «

»Wir sind auf dem Weg zu Smith. Kommst du mit, Cole?« Matt blickte ihn fragend an.

Jennifer schüttelte den Kopf. »Das ist nicht notwendig, denn ich habe die Mine verkauft.«

»Das wissen wir. Wir wissen auch, dass Sie es nicht freiwillig taten. Lassen Sie mich nur machen.«

Sie wollte nicht, doch Matt fasste sie sachte am Arm und zog sie mit sich. Cole schmunzelte und folgte den beiden, neugierig darauf, was Matt vorhatte.

Smith wuchtete seine massige Gestalt aus dem Stuhl, als er Jennifer erblickte. »Miss Tucker, womit kann ich Ihnen erneut helfen? Und mit Ihnen rede ich später, Benbow«, bellte er.

Matt grinste jungenhaft. »Erledigen wir das doch gleich.« Er rückte für Jennifer einen Besucherstuhl zurecht und setzte sich, nachdem sie Platz genommen hatte. Cole kam sich fehl am Platz vor. Er war ja nur aus reiner Neugierde mitgegangen.

»Benbow, treiben Sie es nicht auf die Spitze.«

»Es geht um die Akte Tucker/Roseford. Miss Tucker, waren Sie mit Mr. Roseford im Registerbüro?«

Jennifer schüttelte den Kopf.

Cole verkniff sich ein Grinsen. Matt spielte ein Spiel.

»Mit dem Vertrag ist doch alles in Ordnung, oder?«

»Glauben Sie, ich mache das zum ersten Mal? Stehlen Sie nicht meine Zeit, Benbow, und verschwinden Sie.« Er holte tief Luft. »Verzeihen Sie, Miss Tucker.«

»Roseford denkt, es könnte Ihnen ein Formfehler unterlaufen sein.«

»Mir«, Smith schnappte nach Luft, »unterlaufen keine Fehler.« Er trat zum Schrank, riss eine Tür auf und entnahm ein Papier. Damit wedelte er.

»Ist das der einzige Vertrag?«

»Natürlich hat Mr. Roseford eine Ausfertigung.«

»Natürlich.«

Es pochte an der Tür, darauf trat Dyson Wittlif ein. Smith erinnerte sich daran, dass es sich um einen U.S. Marshal handelte, und wurde eine Spur freundlicher. »Wenn Sie sich einen Moment gedulden möchten?«

Die Aufmerksamkeit, die Smith Wittlif zukommen ließ, nutzte Matt, indem er ihm das Dokument aus der Hand riss und schnell überflog.

»Benbow!«

Matt zerriss das Papier und steckte die Fetzen in seine Jacke.

Smith sprang von seinem Stuhl, so schnell, wie es seine Masse erlaubte, und schnappte mehrmals nach Luft, bevor er seine Sprache wiederfand. »Marshal, Marshal …«, japste er.

»Miss Tucker hat ihre Mine nie verkauft. Sie ist die rechtmäßige Besitzerin, denn Roseford ist tot«, erklärte Matt.

»Benbow!« Smith schüttelte ungläubig den Kopf. »Sie machen sich strafbar. Sie sind gefeuert«, sagte er eine Spur lauter. »Marshal, verhaften Sie diesen Mann.« Er wischte sich mit einem blütenweißen Tuch den Schweiß von der Stirn.

Wittlif kümmerte sich nicht um ihn. »Der Staat kann immer Männer wie dich brauchen«, sagte er zu Cole.

»Marshal«, rief Smith aufgebracht und stützte sich mit beiden Händen auf den Tisch. Es sah recht witzig aus, wie er da so nach vorne auf die Tischplatte gebeugt stand, in der Erwartung, sein Gehilfe würde verhaftet. Noch einmal tupfte er sich mit dem Tuch den Schweiß von der Stirn.

»Ja?«, fragte Dyson. »Es gibt keinen Grund, ihn zu verhaften.«

»Sie haben doch gesehen …«

»Nein, ich habe nichts gesehen.«

Mit einem ächzenden Laut sank Smith auf seinen Stuhl, während Coles Grinsen breiter wurde. Dyson hatte entweder doch menschliche Züge oder er mischte sich grundsätzlich nicht in anderer Leute Angelegenheiten.

»Gold bringt sehr viel Unglück«, sagte Jennifer plötzlich.

»Ich habe Ihren Vater gekannt, Miss Tucker. Er wollte vieles gutmachen, doch er kam nicht mehr dazu, es persönlich zu tun.« Mehr gab es für Cole nicht zu sagen. Es war ihre Entscheidung.

»Wem gehören die beiden Satteltaschen?«, fragte sie. Bis auf Smith wusste jeder, welche Taschen sie meinte.

»Die gehören Ihnen«, antwortete Benbow. »Oder seid ihr anderer Meinung?«

Cole und Dyson verneinten.

Jennifer lächelte traurig. »Ich habe Ihnen so viel zu verdanken. Teilen Sie sich die eine Tasche, mit der anderen werde ich mir ein neues Leben aufbauen.«

»Ich mache Ihnen einen Vorschlag, Miss Tucker.« Matt lächelte sie ermutigend an. »Wir lassen Ihre Mine«, wobei er das Wort Ihre sehr betonte, »von einer Minengesellschaft untersuchen. Das sind Leute, die die notwendigen Geräte haben und sich auskennen.«

Eine Weile blickte Jennifer ihn nachdenklich an. »Ich gründe selbst eine Minengesellschaft. Tucker Mining Company.«

Vier Augenpaare blickten sie staunend an.

»Wollen Sie meine Teilhaber sein? Wir können alles Notwendige auf der Stelle regeln. Nicht wahr, Mr. Smith?«

Smith fasste sich schnell. Sein Geschäftssinn war geweckt. »Es freut mich außerordentlich, mit Ihnen Geschäfte zu machen, Miss Tucker.«

»Yee-haw«, rief Matt und gebrauchte den Ausruf der Cowboys. »Übrigens, Mr. Smith, Sie können mich nicht entlassen, denn ich habe bereits gekündigt.«

 

Joseph Tucker war nicht umsonst einen schweren Tod gestorben.

ENDE


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