Robert der Teufel – Kapitel 9
Auf der Rückseite des Beinhauses auf dem Kirchhof lauerte Robert der Teufel mit seiner Rotte, ohne die leiseste Ahnung von dem, was in der Residenz vorgefallen war, seitdem er sie verlassen hatte. Von dort aus sah er den festlichen Einzug der Herzogin Eleonore in das Nonnenkloster, welches nur der Kirchhof von ihm trennte und das Abladen und Hineinbringen von Geldfässchen, Kisten und Schränken.
»Wär’s nicht viel bequemer«, sagte Robert, »sie hätten alle diese Sachen lieber gleich in unser Paradies gebracht, um uns alle weitere Mühe zu ersparen.«
»Die neue Äbtissin auch?«, erwiderte Lucia neckend.
»Ich hätte sie schon nachträglich geholt.«
»Wir wollen ihr die ganze Frömmigkeit schon bald austreiben«, äußerte Atalie, »ist sie erst einmal im Paradies.«
»Wann geht’s denn los?«, fragte Manfred, »mit deinem Alten, dann mit dem hergelaufenen Pfaffen, und dem heuchlerischen Ritter?«
»Morgen, ganz gewiss morgen, so wahr der Teufel lebt!«, antwortete Robert.
Unter verruchten Gesprächen, neuen Raub- und Mordplänen verging die Zeit. Sie tranken Wein aus den hohlen Totenschädeln und warfen sie in den Kirchhof hinaus, so oft sie leer waren, um wieder andere zu füllen und dadurch mehr Raum im Beinhaus zu gewinnen.
Gegen 11 Uhr nachts sahen sie die Klosterkirche hell erleuchtet von innen, hörten Orgeltöne und weibliche Stimmen singen.
»Wird’s bald zu Ende gehen?«, rief Robert und streckte seine rechte Faust drohend gegen die Klosterkirche aus. »Der Wein will auch nicht weniger werden! He da, ihr Schlafhauben in den Gräbern unten! Erwacht! Steht auf und trinkt und tut uns Bescheid!«
Und alsogleich taten sich mehrere Gräber auf und die Totengerippe klapperten heran, und streckten die Knochenarme nach den Totenschädeln aus, die ihnen
Robert mit Wein gefüllt höhnisch lachend kredenzte. »Stoßt an auf mein Wohl, ihr klappernden Windhunde! Und sie stießen an und tranken, und der Wein züngelte wie glühende Schlangen zwischen ihren blanken Rippen hinunter, und sie tanzten um das Beinhaus herum. Inzwischen schritten drohend vorüber die blutigen Gestalten Agathes und ihrer Zofe, Allands und der vier erdrosselten »guten, wackeren Leute mit weit abgerissenen, blutrünstigen Augen und rotbraunen Gesichtern, und alle, alle von ihm und seinen Spießgesellen Ermordeten. Robert schleuderte ihnen leere Totenschädel entgegen. Alle verschwanden und nun erschien der Satan selbst in seiner schrecklichsten Höllengestalt und rief mit einer Stimme, für die es keine Schilderung gibt.
»Robert, mein Sohn, dein nächstes Verbrechen wird dein letztes sein! In der Hölle sehen wir uns wieder!«
Furchtlos lachte er dem Satan vor seinem Verschwinden ins Gesicht. Als aber dann seine im Kerker geköpfte Amme bis auf zwei Schritte zu ihm trippelte, ihren eigenen Kopf unter ihrem Arm, und dieser Kopf mit stieren, glasigen Augen ihn anglotzte und der verzerrte Mund aufschnappte und die dumpfen Worte stöhnte »Robert, mein Sohn, dein nächstes Verbrechen wird dein letztes sein! In der Hölle sehen wir uns wieder!«, da erschrak Robert der Teufel, nicht aus Furcht, sondern weil er ahnte, dass alles verraten, und die Amme, seine Mutter, was sie ihm schon längst anvertraut hatte, nun wohl schon enthauptet sei.
Mit dem Schlag der Mitternacht war alles vorüber, kein Licht mehr in der Klosterkirche.
»Fort jetzt!«, befahl Robert, bewacht alle Ausgänge der Kirche und des Klosters. Wenn ich mit Herzogin zurückkomme, plündert ihr das Kloster, und schleppt alles in das Paradies. Ich halte uns auch dort nicht lange mehr für sicher, und wir werden mit unseren Schätzen bald das Land verlassen.«
Mit einem Dietrichei schloss er eine Hinterpforte auf und begegnete einer Nonne.
»Wo ist die Äbtissin Eleonore?«, fragte er.
»In der Kirche!«
Robert rannte durch die Sakristei in die Kirche. Aber da war keine Kirche mehr, sondern eine große Felsengrotte, in deren Mitte ein eiserner Sarg stand, aus dem Flammen aufloderten, umgaukelt von scheußlichen Gespenstern.
»Wozu dieses Gaukelspiel? Für wen ist dieser Sarg bestimmt?«, fragte Robert, indem er mit seinem blitzenden Schwert drohte.
Da tauchte aus dem Schwefelpfuhl des Sarges das blutende Haupt seiner geköpften Mutter und Amme empor. Der verzerrte Mund schnappte wieder auf und stöhnte die dumpfen Worte: »Für dich, mein Sohn! Denn du hast dein letztes Verbrechen begangen, den gewaltsamen Einbruch in das Klosters!«
Und der gräuliche Kopf fiel wieder zischend in den Flammen sprühenden Sarg zurück.
Robert der Teufel rannte wie rasend durch das nun offene Tor hinaus zu seinen Gefährten. Er sah niemand. Sie waren alle schon von der Leibwache des Königs Boso gefangen, mit welcher Florestan, auf Wunsch der Herzogin Elenore, das ganze Kloster umzingelt hatte. Die Leibwächter wichen entsetzt vor dem anstürmenden Robert zurück. Denn dicht hinter ihm trabten und schnoben zwei furchtbare höllische Fanghunde, die er vergebens mit den Streichen seines Schwertes abzuwehren versuchte, aus welchem die Zauberkraft unbesiegbaren Widerstandes mit der Hinrichtung seiner Hexenmutter gewichen war. Immer kämpfend floh er wie ein gehetztes Wild dahin, erreichte atemlos die Galgenstätte, wo er erschöpft zu Boden stürzte und von den beiden höllischen Fanghunden zerrissen wurde, die mit seiner verdammten Seele hinunterfuhren in das Qualenreich des Teufels. Auf demselben Platz wurden acht Tage später alle seine Mordgesellen samt den Dirnen in einem einzigen Haufen zusammengebunden, auf einem Scheiterhaufen verbrannt und ihre Asche unter dem Galgen verscharrt. Auf der Stätte des verschütteten Paradieses aber zur Sühne unerhörter Gräueltaten ein Karthäuserkloster erbaut.
***
Der König und die Königin von Burgund zogen mit ihrem wiedergefundenen viel geliebten Sohn und dem gottseligen Patriarchen zum König von Provence, wo die Vermählung der Liebenden mit größter Pracht gefeiert wurde. Aus dieser höchst glücklichen Ehe entsprossen vier Söhne und zwei Töchter, und der zweitgeborene Sohn empfing nach dem Tod des Vaters seiner Mutter Irmengard die Königskrone von Provence. Der Patriarch besuchte öfters die beiden Königshöfe, an denen er auch endlich seine letzten Tage verlebte.
Ende
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