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Robert der Teufel – Kapitel 8

Enthüllung eines entsetzlichen Geheimnisses

Die schöne und fromme Tochter des Herzogs von Bretagne, Eleonore, war mit einem großen Gefolge in Arles angekommen, um von ihrem Oheim, König Boso von Burgund, und von ihrer Muhme, der Königin, Abschied zu nehmen, weil sie die Welt verlassen, und als Äbtissin in das Kloster der Klarissinnen treten wollte, welches eine halbe Stunde von Arles dicht am Ende eines großen Kirchhofes stand. Sie brachte reiche Schätze mit, die heilige Clara in Lebensgröße, von gediegenem Silber, so auch die zwölf Apostel, zur Ausschmückung der Klosterkirche, und die kostbarsten Edelsteine, welche sie zur würdigen Verzierung der Monstranzen und der Leiber von Heiligen bestimmte, die in Glasschränken auf den Seitenaltären den Andächtigen zur Verehrung ausgestellt waren.

Robert erfuhr dies, erzählte es seinen Raub- und Mordgenossen und verabredete mit ihnen einen nächtlichen Überfall und die vollständige Plünderung des Klosters, sobald jene Schäbe sich innerhalb der Mauern desselben befinden würden.

»Im Falle eines Widerstandes«, fügte er hinzu, »haut nieder, was euch in den Weg kommt, besonders die alten Nonnen, deren abscheuliches Kreischen uns verraten könnte. Die jungen und hübschen Nonnen schleppen wir in unser Paradies, die fromme Äbtissin Eleonore aber erkläre ich ausdrücklich für meinen Anteil. Vergesst aber ja nicht, das Werk mit der nötigen Vorsicht zu beginnen, sofort die Glockenseile durchzuschneiden, damit nicht Sturm geläutet werden kann! Macht euch bereit, meiner Aufforderung augenblicklich Folge zu leisten. Wir werden im Beinhaus des Kirchhofes den rechten Augenblick erwarten. Lasst ein großes Fass vom allerbesten und feurigsten Wein hinbringen. Die Totenköpfe wollen wir als Becher benutzen.«

Nach diesen im Paradies gesprochenen, frevelhaften Worten begab er sich wieder in die Residenz und ging sogleich in das Gemach seiner Amme, die mit dem Mischen einer Flüssigkeit beschäftig war.

»Gut, dass du kommst«, sagte sie mit einer besorgten Miene.

»Warum?«

»Ich sah heute zwei unheimliche Fremde als Gäste in die Residenz reiten, einen Ritter und den Patriarchen von Jerusalem.«

»Was tut’s zur Sache?«

»Sehr viel. Ich begegnete beiden auf der Treppe. Vor dem Ritter erschrak ich und bei dem Anblick des Patriarchen erfasste mich ein Beben, dass ich ohnmächtig zu werden fürchtete, denn ich las in seinem Blick eine Heiligkeit, gegen die meine Zauberkraft nichts vermag. Er blieb stehen, schaute mich schweigend aufmerksam an und sprach: »Bist du nicht die Amme des gnädigsten Prinzen Robert?«

»Ja«, antwortete ich, und beide gingen weiter die Treppe hinauf.«

»Warum sagtest du nicht Nein?«

»Weil zwei Hofherren als Begleiter hinter ihnen standen.«

»Was ist zu tun?«

»Du weißt es selbst am Besten, wie man die Leute unschädlich macht.«

»Ich werde beide in dieser Nacht im Schlaf ermorden.«

»Dies genügt nicht. Es macht ein zu großes Aufsehen und erschwert eine Entschuldigung. Durch meine Zauberkunst erfuhr ich, dass du die künftige Krone und zugleich das Leben verlieren wirst.«

»Wie kann ich dies verhindern?«

»Schütte diese Flüssigkeit in den Trinkbecher des Königs, bevor er ihm heute bei der Abendmahlzeit gereicht wird. Es ist nur ein starker Schlaftrunk, der das Erwachen für immer verhindert. In der Nacht ermorde beide. Ich selbst führe dich an ihr Lager. Mit Tagesanbruch mach Lärm, der König sei tot, vergiftet von den beiden Fremden, die du auf ihrer Flucht verfolgt und getötet hast. Ihre Leichen legen wir auf die Treppe.«

»Aber man wird Blutspuren in ihren Betten finden.«

»Sei unbesorgt! Wer kann Rechenschaft von dir verlangen, wenn du König bist?«

»Du hast recht.«

Beide verabredeten den ganzen Mordplan.

Der Patriarch und Florestan wurden dem König, der Königin und dem Prinzen Robert vorgestellt und fanden die huldvollste Aufnahme. Der Patriarch ließ Robert nicht aus den Augen, sodass dieser froh war, als er sich wieder entfernen konnte. Der Patriarch blieb allein bei dem König.

»Allergnädigster König!«, begann er, »ich bin zu Euch gekommen, um eine heilige Pflicht zu erfüllen. Ich muss euch ein schreckliches Geheimnis enthüllen.«

»Sprecht, frommer Patriarch! Gott wird mir Kraft verleihen, es zu vernehmen.«

»Ich lebte einst als Einsiedler in einer Felsenhöhle Eures nahen großen Waldes. In einer mondhellen Nacht hörte ich ein Geräusch in der Nähe meiner Höhle schaute durch einen Seitenspalt hinaus und erblickte, mit dem Gesicht gegen mich ge- wendet ein Weib. Ich konnte dieses Gesicht deutlich erkennen und mir einprägen. Es grub mit einem kleinen Spaten ein tiefes Grab, nahm dann aus einem Körbchen ein lebendiges Kind, denn es schrie in den Händen der Frauensperson, als diese es in die Grube werfen und so lebendig begraben wollte.«

»Entsetzlich!«, rief der König aus, »was tatet Ihr?«

»Ich riss einen Ast aus dem in meiner Höhle aufgeschichteten Holz und sprang hinaus. Sie ließ das Kind auf den Moosboden fallen und rannte davon. Es war ein holdes Knäblein, das mich freundlich anlächelte, ungeachtet meines langen Bartes. Noch in derselben Nacht trug ich es zu recht christlichen Rittersleuten, wo es in allen ritterlichen Übungen und in aller Frömmigkeit erzogen wurde. Dieser Knabe ist ein frommer und tapferer Ritter geworden.«

»Wo ist er nun?«

»An Eurem Hofe, Florestan, der Ritter vom Heiligen Grab, mein Begleiter.«

»Ich schätze mich glücklich, ihn bei mir zu haben.«

»Wohl dürft Ihr Euch glücklich schätzen, er ist der künftige Eidam des Königs von Provence und wird am nächsten Sonntag mit der wunderschönen und engelfrommen Prinzessin Irmengard getraut.«

»Also Florestan ist der Glückliche, der meinem Sohn Robert zuvorkam.«

»Ja, Gott sei Dank!«

»Was sollen diese Worte«, fragte der König mit ernster Miene.

»Euch auf mein Geheimnis vorbereiten. Ich sah beim König von Provence das Bildnis Eures Sohnes, dessen Augen nur mit Teufelskunst gemalt werden konnten.«

Der König ließ sogleich den Hofmaler kommen, zeigte ihm das Bildnis des Prinzen Robert und fragte: »Wer hat die Augen dieses Bildnisses gemalt?«

»Verzeiht, ich war nicht imstande, sie zu treffen! Die Amme des Prinzen erbot sich dazu, und hat sie gemalt.«

»Gut! Fort mit Euch!«

»Ich habe die Amme auf der Schlosstreppe gesehen«, fuhr der Patriarch fort, »und wiedererkannt als diejenige, welche das Knäblein im Wald lebendig begraben wollte. Die Augen des Bildnisses überzeugten mich, dass Robert von Geburt kein Mensch, sondern ein Halbteufel ist, erzeugt von einem Teufel mit einer Hexe, und diese Hexe ist – die Amme, damit die Mutter Roberts, die ihn statt Eures wirklichen Sohnes in die königliche Wiege legte, und diesen ermorden wollte. Tröstet euch aber, denn der Himmel hat Euch durch mich, sein unwürdigstes Werkzeug, Euren wirklichen Sohn wieder geschenkt – Florestan ist Euer Sohn!«

Von Schrecken und Freude ergriffen, sank der König in seinen Stuhl zurück und faltete seine Hände zum Gebet.

»Lasst sogleich Robert und seine Amme verhaften und beide in getrennten Kerkern sorgsam bewachen. Die gerichtliche Untersuchung wird die volle Wahrheit meiner Aussage bestätigen.«

Zu dieser doppelten Verhaftung erteilte der König dem Befehlshaber seiner Leibwache einen geheimen Auftrag, den er jedoch nur zur Hälfte vollziehen konnte. Die überraschte Amme fiel in seine Gewalt. Robert aber, welcher zufällig erfahren hatte, dass die Herzogin Eleonore noch an diesem Tag mit all ihren Schätzen in das Kloster ziehen werde, wollte den reichen Fang sich nicht entgehen lassen und den beabsichtigten dreifachen Mord lieber auf einen anderen Tag verschieben. Er war also augenblicklich in das Paradies geeilt, um von da aus in dunkler Nacht zur Plünderung des Klosters auf den Kirchhof mit seiner ganzen Bande sich zu begeben.

Um den Qualen der Folter zu entgehen, und gegen das Besprechen, nur geköpft, aber nicht verbrannt zu werden, legte endlich nach langem Zögern die Amme ein vollständiges Geständnis aller ihrer Missetaten ab, sodass an der Wahrheit dessen, was der Patriarch dem Könige gesagt hatte, nicht im Geringsten mehr konnte gezweifelt werden. Die Königin war voll Entzücken über das Wiederfinden ihres wirklichen Sohnes und dennoch bekümmert über Roberts Schicksal.