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Slatermans Westernkurier 01/2015

Commodore Perry Owens, der Gunman, den die Welt vergaß

Auf ein Wort, Stranger,

Gunman ist nicht gleich Gunman.

Die Geschichtsschreibung des Wilden Westens unterscheidet sehr sorgfältig zwischen zwei Arten von Männern, die ihre Revolver sozusagen als Hauptbeschäftigung betrachteten.

Da ist zum einen der Gunman, der schoss, um obskure persönliche Bedürfnisse zu befriedigen, entweder aus Rache, Vergeltung, reiner Mordlust oder Geltungssucht. Dazu gehörten Männer wie Frank Pistol Pete Eaton, Gregorio Cortez und Harry Tracy, ebenso Killer wie King Fisher oder Ben Thompson, genauso wie vom Ehrgeiz zerfressene Gesetzesbeamte wie John Selman, Wyatt Earp oder Wild Bill Hickok. Auch Banditen wie die Daltons, die James-Brüder oder Bill Doolin passen in diese Kategorie. Sie alle verkörpern den Revolvermann im üblen Sinne, den Gunman.

Auf der anderen Seite stand der Revolverkämpfer, der Gunfighter, jener Typhus Mann, der für das Schießen und Töten kein eigensüchtiges Motiv hatte, sondern sich für Recht und Gesetz einsetzte oder nach dem ungeschriebenen Ehrenkodex des Westens handelte. Hierzu zählen Sternträger wie Chris Madsen, Bud Ledbetter oder Heck Thomas, genauso wie Ira Aten und Jack Hayes. Auch die oft geschmähten Desperados Billy the Kid und John Wesley Hardin waren Gunfighter, ebenso der Weidedetektiv John Poe oder die Rebellenbrüder Marlow.

Commodore Perry Owens hingegen lässt sich nirgends einordnen, er gehörte zu beiden Seiten. Er war also weder gut, noch böse, und vielleicht ist gerade dieser Umstand, dass er sich weder als Gunman noch als Gunfighter so richtig herausstellen konnte, der Grund dafür, dass er in Vergessenheit geriet.

Die Bösen wie Wild Bill oder die Guten wie der Texasranger Hayes sind noch heute in aller Munde, Owens, der immerhin auch mehr als ein Dutzend Männer tötete, in einem Duell gegen vier Verbrecher sogar als Sieger hervorging, aber nicht.

Commodore Perry Owens wurde am 29. Juli 1852 im Hawkins County in Tennessee auf der Farm seiner Eltern geboren und nicht, wie immer wieder fälschlicherweise behauptet wird, am 10. September.

Er wuchs in die Zeit des Bürgerkrieges hinein, was für seine Familie, sie waren Migranten und Anhänger des Nordens, große Probleme mit sich brachte.

Anno 1865 wurde der Druck so groß, dass die Familie mit Sack und Pack in den Bundesstaat Indiana, nach Liberty Township, übersiedelte.

Perry, zu diesem Zeitpunkt gerade einmal 13 Jahre alt, riss kurz nach der Ankunft von Zuhause aus und kehrte nie wieder zurück.

Die folgenden 18 Jahre zog er immer weiter gen Westen, von Oklahoma aus bis nach New Mexiko und verdingte sich dabei seinen Lebensunterhalt als Stallbursche, Ranchhelfer, Pferdetreiber und Cowboy. Dabei kam er aber auch mit einigen, nennen wir es üblen Charakter, in Berührung und wurde, wie er später einmal in einem Interview offen zugab, in Dinge wie Viehdiebstahl, Whiskyschmuggel und verbotene Geschäfte mit Indianern verwickelt. Allerdings nie so ernsthaft, dass er in die Gesetzlosigkeit abdriftete.

Im Frühjahr 1881 kam er als Pferdetreiber einer Postkutschenlinie nach Arizona.

Geprägt von den zurückliegenden harten Jahren des Umherwanderns war aus ihm ein erfahrener Mann geworden, der mit der Waffe umzugehen verstand und der sich auch durchsetzen konnte.

James Houck und A. Hennings, zwei Rancher aus der Umgebung von Navajo Spring, erkannten das Potential des jungen Mannes und stellten ihn als eine Art Weidedetektiv an.

Die Rancher hatten unter den Navajo zu leiden, deren Hauptbeschäftigung darin bestand, ihnen Pferde zu stehlen und diese gewinnbringend zu verkaufen.

Owens setzte sich auf die Fährte der Pferdediebe, tötete zwei von ihnen und erwarb sich unter den Navajos schon bald den Kriegsnamen Iron Man.

Als die Diebstähle nicht weniger wurden, begann Perry Owens eine Art Einmannkrieg gegen die Viehdiebe aus dem Navajoland. Er lies sein Haar, als Zeichen der Herausforderung gegenüber den Indianern, fast bis zu den Hüften wachsen und verfolgte sie mit gnadenloser Härte. Im September 1883 erschoss er in der Nähe der Houck Ranch einen Navajo, der als besonders wagemutiger Pferdedieb bekannt war. Danach hörten die Diebstähle abrupt auf.

 

***

 

Inzwischen war Perry Owens Reputation so groß, dass man ihn aufforderte, sich für das Amt des Sheriffs im Apache County zu bewerben.

Am 4. April 1886 gewann Commodore Perry Owens die Wahl haushoch und ging sofort mit Entschiedenheit daran, unter den Wegelagerern und Verbrechern des Countys aufzuräumen.

Doch je mehr Erfolge er in der Verbrechensbekämpfung hatte, umso stärker trat seine dunkle Seite zutage. Owens begann unmäßig zu spielen und zu trinken und sich zum Entsetzen seiner Gönner mit zwielichtigen Elementen anzufreunden.

Unter anderem auch mit einem Mann namens Andy Blevans, der in mehreren Nachbarcountys wegen verschiedener Delikte, unter anderem auch Mord, gesucht wurde.

Ein Umstand, den Owens nicht zu stören schien.

Erst als Blevans so dumm war, in seinem Bezirk ein Pferd zu stehlen, ließ der Commodore ihm die Warnung zukommen, sich nicht mehr blicken zu lassen.

Blevans, von seinen Revolverkünsten überzeugt, dachte nicht daran, sich an die Warnung zu halten. Nachdem er im Rahmen einer Familienfehde im Pleasant Valley zwei Männer erschossen hatte, ritt er nach Holbrook im Apache County, um seine Mutter zu besuchen.

Als Owens mit der Absicht, Blevans zu verhaften, zum Haus seiner Mutter kam, warteten vier Männer auf ihn. Die Brüder John, Andy und Sam sowie dessen Schwager Mose Roberts.

Was folgte, war ein Revolverduell, das sogar Hollywoodfilme zu diesem Thema in den Schatten stellte.

»Was willst du hier?«, wollte John Blevans wissen.

»Euch«, erwiderte Owens.

»Ich habe hier ein paar Haftbefehle.«

»Ich seh sie mir später an«, winkte Blevans ab und ging ins Haus zurück.

»Ich warte nicht, los, kommt mit!«

Daraufhin eröffnete Andy Blevans das Feuer.

Die Kugel verfehlte Owens jedoch, Blevans hatte zu überhastet geschossen. Der Sheriff zog ebenfalls die Waffe, blieb im Gegensatz zu Andy aber kaltblütig, nahm sich Zeit zum Zielen und tötete Blevans mit dem ersten Schuss. Inzwischen hatte sich John Blevans wieder umgedreht und schoss ebenfalls viel zu überhastet auf Owens. Er traf ihn nicht, dafür aber das Pferd seines Bruders Andy. Commodore Perry streckte ihn mit einem Steckschuss in die Schulter nieder. Jetzt kam Moses Roberts aus dem Haus gelaufen, aber Owens war wieder schneller. Sein Schuss war tödlich, genauso wie sein nächster, der Sam Blevans direkt ins Herz traf, als der Sechzehnjährige versuchte, den Sheriff mit der Waffe seines Bruders Andy zu erschießen. Das Ganze dauerte nicht einmal sechzig Sekunden, dann hatte Owens drei Männer getötet und einen schwer verletzt.

John Blevans wurde übrigens danach vom Gericht zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt.

Die Kaltblütigkeit, mit der Owens vorgegangen war, brachte ihm nur einen kurzzeitigen Ruhm ein. Die Einwohnerschaft des Countys, in dem die Blevans trotz allem einen guten Ruf besaßen, erlaubte ihm 1888 keine zweite Amtszeit.

Owens arbeitete danach als Sicherheitsagent der Atlantic & Pacific Railroad, kurzzeitig als Sheriff und dann als Wells Fargo Express Agent.

Danach ließ er sich als Geschäftsmann in Seligman, Arizona, nieder und eröffnete in der Stadt einen Generalstore und einen Saloon. 1902, im Alter von fünfzig Jahren, heiratete er die zu diesem Zeitpunkt knapp 23-jährige Elizabeth Jane Barrett.

Die Ehe blieb kinderlos, aber das Geschäft florierte und Owens verdiente ein Vermögen, bis ihn das Prohibitionsgesetz und der berüchtigte Alkoholausschankverbot innerhalb von wenigen Monaten ruinierte.

Owens, der selber im Laufe der Jahre zum Alkoholiker geworden war, wurde durch den plötzlichen Schnapsentzug immer kranker. Hinzu kam noch eine Geschlechtskrankheit, die Folge seines ausschweifenden Lebens vor der Hochzeit und das Wissen um den Niedergang seiner Geschäfte. Er verlor jeglichen Lebensmut und starb am 28. Mai 1919. Seiner Frau, die erst einundzwanzig Jahre später in San Diego, Kalifornien, verstarb, hinterließ er von seinem stattlichen Vermögen nur noch einen Bruchteil von nicht einmal 10 000 Dollar.

Vielleicht ist es sein unspektakuläres Abtreten von dieser Welt, vielleicht auch der Umstand, dass er trotz seiner erfolgreichen Jahre als Vertreter des Gesetzes keine Lobby besaß. Er verlor einmal eine Sheriffwahl wegen 50 Stimmen, weil er sich dagegen sträubte, sich zu den Republikanern zu bekennen, Commodore Perry Owens ging immer seinen eigenen Weg, vielleicht war es aber auch seine Alkoholsucht.

Niemand weiß es, trotzdem scheint es tatsächlich so, das ihn die Geschichte des Wilden Westens vergessen hat.

Wann immer eine Aufzählung der berühmtesten Gunmen oder Gunfighter erscheint, wann immer über spektakuläre Revolverduelle berichtet wird, Perry Owens Name ist nie dabei.

Deshalb dieser Artikel.

Euer Slaterman

Quellen: