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Westernkurier 10/2009

Knie nieder, wenn die Himmelslotsen kommen

Auf ein Wort Stranger,
knie nieder, wenn die Himmelslotsen kommen.

Wieder einmal behandeln wir in unserer Westerkolumne ein nicht gerade alltägliches Thema. Diesmal geht es um eine Gruppe von Männern, die im Genre dieser Art von Unterhaltungsliteratur kaum erwähnt werden, die aber dennoch im wirklichen Wilden Westen sehr präsent waren und eine nicht unerhebliche Rolle spielten.

Die Rede ist hier von einer besonderen Sorte der Diener Gottes.

Sky Pilot, übersetzt Himmelslotse, war der Cowboyausdruck für diese sogenannten Satteltaschenpriester oder Prediger, die von Ranch zu Ranch und von Town zu Town über Land ritten oder mit ihrem Kirchenwagen umherfuhren und den Leuten dabei nicht selten die elementarsten Grundsätze des Christentums wie einen nassen Scheuerlappen um die Ohren schlugen.

Diese Kirchenwagen waren meist schwarz angestrichen und trugen weiße Kreuzzeichen auf ihren Wänden, oder aber es waren Planwagen mit weißen Segeltuchplanen mit schwarzen darauf gemalten Kreuzzeichen.

Eines aber hatten ihre Besitzer alle gemeinsam.

Es waren allesamt harte Männer, bis an die Zähne bewaffnet und nicht gerade zimperlich, wenn es galt, das Wort Gottes unter die Leute zu bringen.

Sie hielten ihre Gottesdienste nicht nur in der freien Natur ab, sondern auch in den Saloons der Rinderstädte, wo dann einfach die nackten Frauenbilder oder Schnapsregale mit Teppichen oder Decken während des Gottesdienstes abgedeckt wurden. Manchmal fand das Ganze auch im Mietstall oder in der Eingangshalle des örtlichen Puffs statt, man war zu dieser Zeit in der Hinsicht sehr flexibel.

Nach ihren stellenweise sehr drastischen Predigten verheirateten diese Priester dann Paare, tauften Neugeborene, gaben den Sterbenden die Sakramente und wetterten ständig gegen die Sünde.

Danach verkauften sie heilige Amulette, Ablassheiligenbilder und segneten alles, was gesegnet werden wollte oder sollte. Angefangen vom Brunnen, dem Vieh oder der neu errichteten Scheune.

Das Ganze allerdings nur gegen ein gewisses Entgelt.

Männern, denen das nicht besonders gefiel, hieben sie auch schon mal die Köpfe zusammen, und auch sonst konnte man förmlich die Hölle riechen, wenn sie predigten.

Einige der bekanntesten Vertreter dieser Zunft wollen wir hier nun etwas detaillierter vorstellen, damit sich der geneigte Leser ein genaueres Bild über diese Männer machen kann.

Ross Phares berichtete in seinem Buch »Bible in Pocket, Gun in Hand« über einen Priester mit dem Namen William Brownlow. »Eigentlich ist er ja ein verdammt netter Kerl, würde er seine Predigten nicht ständig mit folgenden Worten beginnen: Meine geliebten Zuhörer, ich werde erst über Dinge sprechen, die Sie alle kennen, dann über Dinge, die ich kenne und Sie nicht, und drittens werde ich über Dinge sprechen, die keiner von uns kennt.«

Ein weiterer dieser ungewöhnlichen Diener Gottes war ein Satteltaschenpriester aus Tascosa. Über ihn berichtete Bezirksstaatsanwalt Temple Houston am 25. 7. 1881 in einem Brief an Rechtsanwalt Peter Longley in San Antonio Texas Folgendes: »Joseph H. McQuistion ist ein Gottesmann, der den Himmel auf den Schultern trägt und keinen Schritt macht, ohne nicht die Hölle unter seinen Stiefelsohlen zu haben. Er trinkt Whisky wie Wasser, schießt wie ein Gunman, kämpft wie ein Comanche und predigt, dass einem die Ohren dröhnen. Wie ich jetzt erst erfahren habe, wurde er unlängst auf seinem einsamen Ritt nach Fort Elliott während eines Sturms von Wölfen angefallen. Als er dabei bemerkte, dass er vergessen hatte, Reservemunition für seinen Colt einzustecken, nahm er kurzerhand sein Beil aus der Satteltasche und schlug damit auf die Wölfe ein. Als er das Fort erreicht hatte, so erzählten die Soldaten, sah er aus wie der Leibhaftige. Dennoch war er frohen Mutes, sang und hatte sechzehn Wolfsohren an seinem Gürtel hängen.«

Ebenfalls ein berühmter Vertreter dieser Zunft war William Wesley van Orsdel, genannt Bruder Van. Wo immer der junge Reverend auftauchte, mit wohlklingender Baritonstimme »Diamonds in the Rough« schmetterte und danach seine Predigten hielt, ließen ihn die Grenzer hochleben. Er war in ganz Montana für seine Sangeskünste bekannt, die ihm sogar einmal das Leben retteten.

Um seinen dunklen Gehrock und die schwarz gestreifte Hose zu schonen, vertauschte er diese eines Tages bis zum Eintreffen in der nächsten Stadt mit der üblichen Cowboykleidung. Plötzlich tauchte eine Gruppe wütender Männer auf, riss ihn vom Pferd und schleppte ihn zum nächsten Baum, um ihm eine Schlinge um den Hals zu legen. Als er erfuhr, dass er ein berüchtigter Viehdieb sein sollte, protestierte er zwar gegen diese Behandlung und beteuerte, nichts anderes als ein Priester zu sein. Aber alles reden half ihm nichts, da er ja normale Kleidung trug.

Da besann sich einer der Männer, Bruder Van einmal singen gehört zu haben. Er gab ihm eine Chance, indem er »Diamonds in the Rough« singen sollte.

Bruder Van sang, die Schlinge bereits um den Hals, so schön und laut wie noch nie in seinem Leben. Als er fertig war, sagte der Mann: »Allright, Jungs, das ist tatsächlich Bruder Van. Es gibt keinen in Amerika, der so singen kann.«

Von diesem Tage an vertauschte Bruder Van nie wieder seine schwarze Kluft gegen eine andere.

Der letzte hier erwähnte Diener Gottes ist zugleich auch wohl die tragischste Figur unter diesen bemerkenswerten Männern. Man nannte ihn Praying John und er war bereits zu Lebzeiten eine Legende in der Kansas-Prärie.

Er war mit seiner Frau und einem Planwagen unterwegs gen Westen, als er von Comanchen überfallen wurde. Drei Tage und drei Nächte verteidigten sie sich gegen die angreifenden Indianer, bis John nur noch eine Handvoll Patronen besaß. Seine Frau beschwor ihn, sie nicht lebend in die Hände der Indianer fallen zu lassen, und so erschoss er sie, als die Comanchen erneut angriffen.

Danach steckte er sich den Lauf der Waffe in den Mund und krümmte bereits den Finger um den Abzughahn, als die Indianer plötzlich verschwanden, weil ein Trupp US-Kavallerie auftauchte. John Horrigan war zwar gerettet, aber von diesem Tage an redete er sich ein, den Tod seiner Frau verschuldet zu haben.

Von diesem Zeitpunkt an zog er zu Fuß durch die Prärie und kniete jeden Morgen, jeden Mittag, jeden Nachmittag und jeden Abend nieder, gerade wo er sich befand, fing zu beten an und bat den Herrgott um Verzeihung für seine Tat.

Mit den Jahren wurde der betende John zu so etwas wie eine Institution. Die Treiberherden machten einen Bogen um ihn, die Cowboys, die sonst jedermann verspotteten, ritten still vorüber und selbst die umherstreifenden Indianerhorden krümmten dem Büßer nie ein Haar.

Mehr als 18 Jahre lang sah man den Praying John im Land umherziehen. Sobald es Zeit war, nahm er seinen zerbeulten Hut vom Kopf, kniete nieder, faltete die Hände und betete. Viele Jahreszeiten, Stürme, Wind und Wetter gingen über seine gebeugten Schultern hinweg und färbten sein Haar schlohweiß. Dann fand man ihn eines Tages neben einem Schienenstrang, den Hut daneben, die Hände gefaltet. Selbst die wilden Tiere hatten ihn unberührt gelassen, sein Weg war zu Ende.

Damit ist zwar die Aufzählung dieser Himmelslotsen noch lange nicht abgeschlossen, schließlich gab es da noch Männer wie Jack Potter, ein Excowboy, Exspieler und danach ein Priester, welcher vor seinen Predigten stets einen Ausrufer durch die Stadt schickte, oder den Cowboypriester Pony-Bill und viele weitere, namenlose Diener Gottes. Dennoch hoffe ich mit dieser kleinen Exkursion zum Thema Pfarrer im Wilden Westen gezeigt zu haben, dass dieser erst durch solche Menschen zur Legende wurde. Nicht durch jene Superhelden, wie es uns Hollywood oder andere Säulen der Unterhaltungsindustrie weismachen wollen.

In diesem Sinne,

Euer Slaterman

Quellennachweis: