Bernd Köstering – Falkensturz
Alfred Sival, ehemaliger Besitzer der Sival GmbH, einer großen Firma mit 200 Angestellten, die hohes Ansehen in Offenbach und Umgebung erreicht hatte, ist 70 Jahre alt und lebt allein in einer Villa in Offenbach. Er erhält seit Monaten mit der Post Todesanzeigen, auf denen sein eigener Name steht.
Am 1. Mai, nach drei Monaten Pause, kommt schließlich eine Anzeige bei ihm an, auf der erstmals sein Todesdatum vermerkt ist, nämlich Sonntag, der 14. Mai. Wegen der langen Pause und der damit verbundenen Hoffnung auf ein Ende der Drohungen trifft ihn dieser Brief umso härter.
Er fragt sich, wie so oft zuvor, ob er jemandem Unrecht getan oder jemanden beleidigt oder missachtet hat, aber ihm fällt keine Tat ein, die ein solch barbarisches Verhalten seines Peinigers rechtfertigt. So bekommt er, wie nach jedem der Briefe, stechende Magenschmerzen. Soll er die Polizei um Hilfe bitten?
Nein! Der Hass auf diese Institution ist größer als sein Hilfebedürfnis. Er befestigt die Todesanzeige mit dem vermeintlichen Datum seines Todes an der Kühlschranktür und verkriecht sich zunächst in seinem Bett und dann auf seiner Couch.
Als schließlich am 3. Mai sein Nachbar, Herr Schuldt, der einen Hund ohne Fell hat – welcher in der nachfolgenden Geschichte noch eine wichtige Rolle spielt – an der Tür klingelt, öffnet Alfred Sival nicht. Er steigt stattdessen in seinen Keller hinab und schließt die Tür hinter sich. Sein Leben in den kommenden Tagen spielt sich vor allem im Keller ab. Er schläft kaum noch, kann nichts mehr essen und ernährt sich quasi von seinen Whisky-Vorräten, die sich dort unten befinden. Er will unter keinen Umständen jemandem begegnen.
Eines Abends hört er im Keller Geräusche, die von oben aus seiner Wohnung zu ihm dringen. Er bewaffnet sich mit einem schweren Hammer und steigt die Kellertreppe hinauf. Oben ist niemand. Nur einige Tageszeitungen liegen im Flur, die wohl sein Nachbar durch ein gekipptes Fenster geworfen hat, weil sein Briefkasten überquillt. Als Sivals Blick auf eine Titelseite fällt, ist er plötzlich völlig fertig. Unter der Überschrift »Tod in Offenbach« ist sein eigenes Bild abgedruckt.
Er taumelt wieder in den Keller hinab. In der Mitte der Treppe erbricht er sich, rutscht aus und stürzt. Mit einer Platzwunde am Kopf und stark schmerzendem Arm bleibt er am Fuß der Treppe liegen. Anstatt den Versuch zu wagen, Hilfe zu holen, bleibt er in einem eigentümlichen Dämmerzustand liegen und ergibt sich in sein Schicksal.
Als er gefunden und ins Krankenhaus gebracht wird, offenbart er sich dem ehemaligen Journalisten Herbert Falke, der mit seiner Enkelin Franziska Kleinkriminelle jagt. Falke übernimmt schließlich auch diesen Fall, obwohl er ihm eine Nummer zu groß erscheint. Er verlangt aber von Franziska, sich völlig herauszuhalten. Kann er Alfred Sivals Tod verhindern?
Mit Falkensturz legt Bernd Köstering den nächsten Literaturkrimi vor, der sich im Anschluss an die dreiteilige Serie um Goethe und seine Werke diesmal mit Dürrenmatts Der Richter und sein Henker beschäftigt.
Der vierte Kriminalroman des Autors soll – so ist es mit dem Verlag abgesprochen – der Auftakt zu einer Reihe mit den Hobbyermittlern Herbert und Franziska Falke sein, die in Offenbach und Umgebung spielt, wo der Autor selbst heute lebt.
In dem vorliegenden Roman bleibt Bernd Köstering seiner alten Linie treu, nicht so viel Blut zu vergießen. Zudem handelt es sich wieder um Privatermittler, die in diesem Fall die wesentlichen Zusammenhänge aufdecken, während die eigentlichen Profiermittler der Polizei von deren Ergebnissen profitieren. Allerdings sind die Profis am Ende dann doch eine Hilfe.
Dem Autor gelingt es, wie man zu sagen pflegt, locker flockig zu erzählen und einige witzige Pointen zu setzen. Seine Figuren, allen voran Franziska, ihre Freunde, ihr Vater und der für sie immens wichtige Opa, sind alle sehr menschlich und mit ihren kleinen Fehlern nahezu liebevoll beschrieben. Besonders hervorzuheben ist bei all diesen Akteuren der Viringo Berti, ein peruanischer Nackthund ohne Fell, der sich von Herbert Falke mit Gulaschsuppe bestechen lässt und eine wichtige Rolle bei seinen Ermittlungen spielt. Die Textpassagen mit ihm sind sehr lebendig geschrieben.
Der Kriminalfall ist sehr logisch beschrieben, und der Leser kann nachvollziehen, warum sich die Dinge so entwickeln, wie sie es tun. Dennoch erscheint mir der psychologische Hintergrund des Krimis, die Psyche des Täters und der übrigen Charaktere, wichtiger zu sein als die eigentlichen Ermittlungen, sodass die Menschenkenntnis am Ende doch den Ausschlag gibt, dass der Fall gelöst wird und nicht noch mehr Dramatisches passiert.
Fazit:
Der Autor legt eine flüssige Geschichte mit interessanten Charakteren vor, die in puncto Witz und Psychologie nichts zu wünschen übrig lässt. Die neue Serie um die Privatermittler der Familie Falke startet locker flockig und macht dem Leser Lust auf mehr davon. Die Beschreibung der psychischen Verfassung des Täters ist dabei ein Highlight, aber auch die psychologischen Skizzen der übrigen Akteure sind sehr gut getroffen. Man merkt dem Text eine gewisse Liebe des Autors zu seinen Mitmenschen an. Insbesondere bei Franziska, der Enkelin des Ermittlers Herbert Falke, möchte man fragen, ob Bernd Köstering hier eine oder gar mehrere der Frauen aus seiner Familie beschreibt. Gewidmet ist das Buch seiner Mutter, die er sich in ihrer Jugend so vorstellt wie Franziska.
Ich möchte dieses Buch dem Krimifreund empfehlen, der gerne psychologisch durchdachte und weniger blutrünstige Krimis liest. Man darf gespannt sein, wie die Falke-Serie weitergeht.
Bernd Köstering wurde 1954 in Weimar geboren und kam 1959 in die Bundesrepublik. Er ist verheiratet, hat zwei erwachsene Töchter und eine Enkeltochter und lebt nach Stationen in Gießen und Frankfurt seit zwanzig Jahren in Offenbach am Main. Beruflich ist er als Ingenieur für Medizintechnik engagiert und verfasste eine Reihe von Fachartikeln und Fachbuchbeiträgen in diesem Bereich.
Nach seiner Krimi-Trilogie um Goethe und den Goetheexperten Hendrik Wilmut erschien in diesem Jahr mit Falkensturz der erste Krimi um die Privatermittler Herbert und Franziska Falke.
Quellen:
- Bernd Köstering, Falkensturz – Ein Literaturkrimi, Gmeiner-Verlag GmbH, Meßkirch, 1. Auflage 2014.
- www.gmeiner-verlag.de
- www.Literaturkrimi.de
Bilder:
- Cover des Romans. Mit freundlicher Genehmigung des Autors.
- Foto des Autors. Ebenfalls mit freundlicher Genehmigung des Autors.
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