Dunkle Phantastik
Am 5. Juli 2014 stand das Wiesbadener Lesecafé ganz im Zeichen der Dunklen Phantastik, hatten doch die Veranstalterinnen des literarischen Cafés, Juliane Seidel und Tanja Meurer wie auch Verleger Torsten Low zu einer Sonderlesung geladen, bei der sich fünf Autorinnen und Autoren, die im Verlag Torsten Low publizieren, mit ihren Kurzgeschichten präsentierten und Torsten selbst aus weiteren Werken seines Verlagsprogrammes las.
Mit 22 Personen war das Café gut gefüllt und so ging es um 19:15 Uhr, nach einer Einleitung von Tom Daut, musikalisch hymnenhaft unterlegt, los mit Heike Schrapper und ihrer Kurzgeschichte Gotteskrieger, entnommen der Anthologie Krieger, die Heike in voller Länge zu Gehör brachte. Die Geschichte ist in der Kategorie Beste Kurzgeschichte für den Deutschen Phantastik Preis 2014 nominiert und setzt sich kritisch und dennoch mit einem Augenzwinkern mit religiösem Fanatismus auseinander.
Tom Daut las seine Geschichte Das Schwert der Ehre, auch in der Krieger-Anthologie enthalten, ebenfalls komplett und begeisterte durch seine lebhafte Vortragsweise. Tom würzte seine Lesung mit allerlei musikalischen Einschüben, die in der Summe – und somit auch die Lesung an sich – allerdings etwas zu lang gerieten und somit die Geduld so manchen Gastes doch arg auf die Probe stellten.
Was ist Ehre? Der Tod auf dem Schlachtfeld? Tom Daut verhehlt in seinem geschilderten Schlachtenszenario nicht die schmutzige Seite des Krieges, übt Kritik an überholten Traditionen und zeigt auch die Kehrseite des Sieges.
Krieger ist übrigens in der Kategorie Beste Anthologie ebenfalls für den Deutschen Phantastik Preis nominiert.
Nun stand die erste Pause an, in der man das vollständige Programm des Verlages Torsten Low in Augenschein nehmen, in die mitgebrachten Bücher reinlesen und diese natürlich auch käuflich erwerben und sich teilweise signieren lassen konnte.
Nach dieser kurzen Unterbrechung übernahm Torsten selbst das Zepter und las einen Auszug aus Cecille Ravencrafts Der Zirkel der dunklen Hexen, der Fortsetzung von Im Zentrum der Spirale. Die aus Bielefeld stammende Autorin, die ihr Pseudonym von Alice Cooper persönlich erhalten habe, beschäftigt sich in ihren Romanen mit Kannibalismus und Schwarzer Magie. In Band 2 geht es um nichts Geringeres als die Befreiung Satans aus der Hölle.
Stefanie Mühlsteph, die im August 2011 schon einmal zu Gast im Lesecafé war, stellte ihr Jugendbuch Blutschwur – Die Söhne des Drachen vor, ein Roman, der dem Genre der Urban Fantasy zuzuordnen ist. Geschichtsstudentin Cathrin, die in London lebt, wird hineingezogen in den seit Jahrhunderten andauernden Krieg zwischen den unsterblichen Kresniks, die das Licht symbolisieren und den Kudlaks, blutrünstige Wesen, die für die Dunkelheit stehen und doch ist das Schicksal beider Rassen eng miteinander verknüpft. Die Autorin wie auch Verleger Low betonten, dass es sich bei Blutschwur nicht um eine der populären romantischen Vampirgeschichten handele und der erste Eindruck hier täusche. Speziell Torsten stellte die guten Seiten des Romans explizit heraus wie das authentische Lokalkolorit – Stefanie hatte für ihre Recherche auch eine Woche in London verbracht – und den gut ausgearbeiteten historischen Hintergrund der Kresniks und Kudlaks, Faktoren, die seine verlegerische Entscheidung der Publikation von Blutschwur positiv beeinflusst hätten.
Nach einer weiteren Pause las Torsten dann die Kurzgeschichte Die Schokolade des Herrn Bost von Autor J. C. Prüfer und erschienen in der Anthologie Metamorphosen, in der sich die dort versammelten Autoren auf die Spuren H. P. Lovecrafts begeben. Zur Einstimmung wurden kleine Süßigkeiten verteilt und das Ganze mit Musik garniert.
Zum Abschluss dieses abwechslungsreichen Leseabends brachten Vanessa Kaiser & Thomas Lohwasser einen Appetizer aus ihrem gemeinsamen Werk mit dem passenden Titel Der letzte Gast, eine Geschichte, die demnächst in der Anthologie Dunkle Stunden erscheinen wird, deren Herausgeber die beiden ebenfalls sind. Vanessa las mit kräftiger und packender Stimme die unheimliche Mär von einem Unbekannten, der nachts Einlass in eine Herberge begehrt.
Gerne hätte Torsten selbst noch eine weitere Kurzgeschichte vorgetragen, aber aufgrund der vorgerückten Stunde, es war inzwischen 22:30 Uhr, musste dieser Beitrag aus Die andere Geschichte Vol. 2 leider entfallen.
Der zur Verfügung stehende Zeitrahmen war sowieso schon eng gesteckt, sodass es dieses Mal zu keinen Fragerunden mit den jeweiligen Autoren nach ihren Lesungen kam, man aber durchaus in den Pausen die Gelegenheit beim Schopf packen konnte, um das ein oder andere Gespräch zu führen.
Nach Halloween und Homonale war die Dunkle Phantastik nunmehr die dritte Sonderveranstaltung im Wiesbadener Lesecafé, die gleich mit einem ganzen Kontingent an Autorinnen und Autoren aufwarten konnte.
Mein Dank für diesen unterhaltsamen und interessanten Leseabend geht an die Organisatorinnen, den Verleger Torsten Low und seine Mitstreiter, die Coffeebar Anderswo und natürlich alle Gäste, die auch weitere Anfahrtswege nicht gescheut haben, um die dunklen Facetten der Phantastik zu genießen.
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Das Copyright des Fotos mit allen Autorinnen/Autoren liegt bei Juliane Seidel, die dieses Bild freundlicherweise zur Verfügung gestellt hat.
(stb)