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Westernkurier 05/2014

Seminola

Auf ein Wort, Stranger,

wann immer das Wort Indianerstämme fällt, denkt man sofort an Apachen, Comanchen, Sioux oder Cheyenne. Seminolen hat kaum jemand auf der Rechnung, weder Film, Fernsehen noch die Literatur, was eigentlich verwunderlich ist.

Kein anderes Volk der Native Americans hat sich länger und erfolgreicher gegen die Indianerpolitik der Vereinigten Staaten zur Wehr gesetzt als die Seminolen, die sich selber als Ikaniuksalgi »Menschen der Halbinsel« bezeichnen.

Alleine der zweite der drei Seminolenkriege dauerte sieben Jahre, verschlang damals über 20 Millionen Dollar und kostete fast 2000 Soldaten und Zivilisten das Leben.

Bis heute existiert zwischen den verbliebenen Seminolen Floridas und der amerikanischen Regierung noch kein Friedensvertrag.

Den US-Militärs stehen immer noch die Haare zu Berge, wenn sie nur an die Seminolen denken, schließlich können sich diese Indianer damit rühmen, dass sie als einziger Stamm nie offiziell von den Weißen besiegt wurden. Um diesen in der amerikanischen Geschichte einzigartigen Umstand verstehen zu können, müssen wir das Rad der Zeit bis zu den Anfängen dieses Volkes ins frühe 18. Jahrhundert zurückdrehen.

Ursprünglich waren die Seminolen eine Stammesgruppe der Creek, die aus den Gebieten der heutigen Bundesstaaten Mississippi, Alabama und Georgia nach Florida einwanderten. Die einzelnen Clans, Alachua, Chiaha, Sawokli, Tegesta und Ocone – es gab noch über ein halbes Dutzend andere, aber diese waren die bedeutendsten – siedelten um 1710 in der Nähe von Milledgeville im heutigen Baldwin, County Georgia. Nach Differenzen mit den Creeks emigrierten sie nach Florida, das damals noch unter spanischer Flagge stand.

Die Creeks nannten sie »Entlaufene«, die Spanier »Cimarron«, was »wilde Menschen« oder »Flüchtlinge« bedeutet.

Ihr erster Oberhäuptling wurde Cowkeeper, ein Anführer der Alachua. Nach seinem Tod 1783 wurde King Payne, ebenfalls ein Alachua, Häuptling. Unter seiner Herrschaft begannen die ersten Schwierigkeiten mit den amerikanischen Siedlern.

Deren Siedlungen und Plantagen reichten inzwischen bis weit nach Spanisch Florida hinein und viele ihrer schwarzen Sklaven machten sich diesen Umstand zunutze und flohen zu den Indianern. Dort betrachtete man sie nicht als Leibeigene, sie konnten ein freies Leben führen und es kam im Laufe der Zeit sogar zu Eheschließungen. Die Nachkommen wurden in den Stamm aufgenommen und aus ihnen entstand die Volksgruppe der sogenannten schwarzen Seminolen.

Immer wieder drangen Sklavenjäger aus Georgia in das Land der Seminolen ein, um die entlaufenen Sklaven mit Gewalt zurückzuführen. Dieser Umstand führte schließlich dazu, dass sich die Seminolen beim Ausbruch des Britisch-Amerikanischen Krieges von 1812 aufseiten der Briten schlugen. Unterstützt wurden sie dabei vom spanischen Gouverneur von Florida, da Spanien und England zu dieser Zeit ebenfalls Verbündete waren.

Es folgte eine Invasion der Miliz von Georgia, in deren Verlauf King Payne am 28. September 1812 tödlich verwundet wurde. Sein Nachfolger wurde sein jüngerer Bruder Bolek, der mit dem Stamm in ein weiter westlich gelegenes Dorf am Suwannee-Fluss umsiedelte.

Trotzdem verschärften sich die Konflikte zwischen den Amerikanern und den Seminolen immer weiter und mündeten schließlich in dem ersten Seminolenkrieg, der von 1814 bis 1818 andauerte.

Im März 1813 marschierte der amerikanische General Andrew Jackson mit dreißigtausend Soldaten von Georgia aus nach Florida ein, obwohl das Land immer noch unter spanischer Herrschaft stand. Offiziell sollte er entlaufene Sklaven einfangen, marodierende Indianer mit Waffengewalt niederzwingen und die amerikanischen Siedler schützen.

Inoffiziell aber diente der Feldzug dazu, sich Florida einzuverleiben – Washington hatte schon lange ein Auge auf den Sonnenstaat geworfen.

Der geballten Militärmacht Jacksons hatten weder Seminolen noch Spanier etwas entgegenzusetzen. Jackson ließ Dörfer und Felder niederbrennen, die Bewohner wie Vieh abschlachten und schwarze Sklaven in Ketten legen. Er nahm ungeachtet der diplomatischen Proteste der Spanier mitten in Florida Fort Marks und die Ortschaft Penascola ein und zerstörte entlang des Suwannee-Flusses mehrere Seminolendörfer.

Die Indianer waren geschlagen und Spanien trat daraufhin1821 seine Floridakolonie an die Vereinigten Staaten ab.

Was folgte, war eine Einwanderungswelle weißer Amerikaner nach Florida.

Die Seminolen wurden 1823 unter ihrem Häuptling Micanopy, er war der Nachfolger des 1821 verstorbenen Bolek, gezwungen, den Vertrag von Moultrie Creek zu unterzeichnen, durch den ihnen von all ihren Gebieten nur noch ein Reservat im mittleren und eines im südlichen Inland Floridas übrig bleiben sollte. Doch die Flut der weißen Eindringlinge nahm nicht ab und so sollten die Seminolen schließlich dem Vertrag von Paynes Landing zustimmen, der nichts anderes bedeutete, als dass sie sämtliche Stammesgebiete in Florida der amerikanischen Regierung abtraten und ins Indianerterritorium nach Oklahoma übersiedelten.

Die Indianer weigerten sich und unter der Führung von Micanopy und Osceola kam es zu den ersten bewaffneten Auseinandersetzungen.

Indirekt waren dabei fast 200.000 Soldaten beteiligt, davon 40.000 direkt mit den Kampfhandlungen. Alle bestens ausgerüstet und mit modernsten Waffen gegen ein paar Hundert mit Pfeil und Bogen bewaffnete Indianer.

Es war also nur eine Frage der Zeit, bis diese aufmüpfigen Wilden zur Räson gebracht waren, so dachte man jedenfalls in Armeekreisen und in Washington.

Aber weit gefehlt!

Der Krieg begann am 28. Dezember 1835 mit einem wahren Donnerschlag.

Zwischen den Siedlungen Tampa und Ocala wurde eine 108 Mann starke Kompanie unter Major Francis Dade von den aufgebrachten Seminolen überfallen und niedergemacht. Nur drei der Soldaten kamen mit dem Leben davon, wobei einer von ihnen Tage später an seinen Wunden verstarb. Die Einnahme des Leuchtturms von Key Biscane und die Schlachten von Wahoo Swamp, Jupiter Inlet und Lake Okeechobee wurden zu weiteren Namen vernichtender Niederlagen der US-Army.

Die Armee wurde derart demoralisiert, dass die Soldaten zu Hunderten desertierten. Das Desaster wäre vollkommen gewesen, hätte die Armeeführung nicht Major General Thomas Jessup zum Oberkommandierenden dieses Krieges ernannt.

Er änderte die Kriegstaktik und schickte statt großen Einheiten, die von den Seminolen im unwegsamen Sumpfgelände der Everglades regelmäßig aufgerieben wurden, unzählige kleine Trupps in das Stammesgebiet der Indianer, die hauptsächlich Proviant und Nachschublager vernichteten.

Im Januar 1837 wendete sich das Kriegsglück von den Seminolen endgültig ab.

Jessup gelang es unter einem Vorwand, Osceola in Fort Marion festzusetzen, wo dieser geraume Zeit später an Malaria verstarb.

Die Regierung stellte über 50.000 Dollar zur Verfügung, um die Häuptlinge zu bestechen.

Im August 1842 wurde der zweite Seminolenkrieg offiziell für beendet erklärt.

1843 schließlich gab es in Florida keine dreihundert freie Seminolen mehr. Alle anderen hatte man mit Gewalt, Versprechungen und Schmiergeldern dazu bewogen, nach Oklahoma überzusiedeln.

Die Armee, die den Konflikt inzwischen als beendet ansah, zog sich größtenteils wieder aus Florida zurück. Das Kriegsministerium stellte dafür zwei Kompanien Freiwilligenmiliz auf, welche die Indianer unter Kontrolle halten und zur Übersiedlung nach Oklahoma überreden sollten.

Ein Umstand, den der jetzige Häuptling Billy Bowleg vehement ablehnte.

Seine Person war es auch, die, wenn auch indirekt, schließlich zum dritten Seminolenkrieg führte. Eben diese Milizen drangen in sein leeres Dorf ein und stahlen Lebensmittel. Bowleg und seine Krieger kehrten jedoch überraschend zurück, stellten die Diebe und erschossen im Laufe des nachfolgenden Feuergefechts vier Amerikaner.

Was folgte, war ein jahrelanger Guerillakrieg, der das ganze Land mit Blut und Tod überzog. Die Seminolen töteten am 6. Januar 1856 zwei weitere Weiße in der Nähe des Miami-Rivers, als diese Palmfarn-Stängel sammelten. Eine andere Seminolengruppe tötete in der Nähe von Fort Denaud fünf Holzfäller und einen weiteren südlich von Tampa. Am 31. März überfielen Seminolen die Plantage von Dr. Joseph Braden und erbeuteten 7 Sklaven und drei Maultiere.

Diese Liste ließe sich unendlich fortführen.

Alleine bis zum September 1856 starben fast dreißig Menschen auf beiden Seiten.

Erst als im März 1858 Bowleg und seine Getreuen zustimmten, für 500 Dollar pro Mann und 100 Dollar je Frau ins Indianerterritorium überzusiedeln, erklärte Colonel Loomis am 8. Mai desselben Jahres den Krieg endgültig für beendet.

Dennoch waren die Seminolen nicht besiegt.

Sam Jones und Häuptling Chipcos Männer lebten immer noch als freie Indianer in Florida.

Wie groß der Respekt vor dieser Handvoll Indianer immer noch war, bezeugt die Bitte des Staates Florida, der diese Seminolen 1862 darum bat, sich im amerikanischen Bürgerkrieg neutral zu verhalten.

Heute leben wieder 2000 Seminolen in Florida.

Freie Indianer in einem freien Land.

Sie waren 1979 der erste Stamm, der in seinem Reservat das Glücksspiel als Einnahmequelle etablierte. 2006 kauften die Florida-Seminolen für etwa 730 Millionen Euro die britische Restaurantkette Hard Rock Cafe inklusive der unter diesem Namen betriebenen Hotels, Kasinos und Konzerthallen.

Sollte der geneigte Leser irgendwann einmal die Gelegenheit erhalten, im Ah-tah-thi-ki Museum ihre Kultur zu betrachten und dort ein paar handgefertigte Souvenirs zu erstehen, so ist ihm ein Sho-na-bish, ein Danke gewiss.

In diesem Sinne

Euer Slaterman

Quellen:

  • Thomas Jeier, Das große Buch der Indianer, erschienen bei Ueberreuter 2008
  • Seminole Tribe of Florida, Homepage des Seminolenstammes von Florida
  • Joachim Hack, Das große Buch der Indianer, 2002 Edition Lempertz Bonn
  • www.wilder-westen-web.de

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