Ausschreibung
Sternenlicht-Anthologie

Download-Tipp
Band 6

Heftroman der Woche

Archive
Folgt uns auch auf

Westernkurier 06/2009 – Jubiläumsausgabe

Print Olive, der »Menschenbrenner« von Nebraska

Es sind nicht nur die abenteuerlichen Ereignisse, die die Faszination der Pionierzeit Amerikas bis heute ausmachen, es sind vor allem die Menschen, die diese Zeit prägten. Unabhängige Charaktere, die von der Freiheit und Weite des Landes beeinflusst wurden und die Grenzen gesellschaftlicher Konventionen abstreiften.

In einer Zeit und in einem Land, in dem die tägliche Realität für lange Zeit nicht von staatlichen Verordnungen diktiert wurde, weil Behörden unerreichbar weit entfernt waren, bestimmten sie die Maßstäbe des Zusammenlebens.

Die wilden Frontier-Regionen waren das Land der Starken, die erst an ihre Grenzen stießen, als die Pioniergemeinschaften um sie herum stark genug geworden waren, um sich des Faustrechts und seiner Vertreter zu entledigen und Platz für humanere Regeln des Zusammenlebens zu schaffen, Regeln, die das Gemeinwohl zunehmend über den Eigennutz stellten.

In der Geschichte der Westbesiedlung der Vereinigten Staaten finden sich erstaunlich viele besonders ausgeprägte und originelle, gleichermaßen anziehende wie abstoßende Gestalten, die Teil der großen amerikanischen Pionierlegende geworden sind. Der Bogen ist weit gespannt: von Wyatt Earp über Wild Bill Hickok, von Ben Thompson bis Charles Goodnight, von Jesse James bis Clay Allison. In diese Galerie der Namen, die schon damals sowohl Faszination als auch Angst und Abscheu erzeugte, gehört auch der Rancher Isom Prentice »Print« Olive, der als »Menschenbrenner von Nebraska« in die Annalen des amerikanischen Westens eingegangen ist.

Lange Zeit galt er Chronisten als eine Symbolfigur für die Gewalt der Frontier. »Schon zu Lebzeiten ein kontroverser Charakter« (H. E. Chrisman, 1962), stellt er sich in all seiner Gewalttätigkeit, aber auch mit seiner geballten Vitalität und zielstrebigen Energie im Guten wie im Bösen als Repräsentant der vielschichtigen, von Individualismus und Egoismus gekennzeichneten Gesellschaft der Pioniere dar. Seine Lebensgeschichte sollte daher nicht dazu dienen, das Klischeedenken und pauschale Urteile über die Menschen der Pionierzeit zu verstärken.

Isom Prentice »Print« Olive wurde 1840 als eines von sieben Kindern einer bettelarmen Siedlerfamilie in Missouri geboren. Als 1843 die junge Republik Texas in den Staaten der amerikanischen Union mit kostenlosem Siedlungsland um Kolonisten warb, zogen die Olives nach Texas und ließen sich im Herzen des Landes, im Williamson County, am Rande eines kargen Brushgebiets nieder.

Sie bauten einen Handelsposten, legten Felder an und entwickelten schließlich eine eigenwillige Methode für den Aufbau einer Rinderzucht: In der benachbarten Dornbuschwildnis lebten verwilderte Longhorn-Rinder, die in der Vergangenheit von anderen Farmen entlaufen waren und sich in dem dichten Buschland kräftig vermehrt hatten.

Die hageren Rinder mit den enormen Hornpaaren waren nicht mit Hausrindern zu vergleichen. Sie waren zäh, aggressiv und gefährlich. Dennoch drangen die Olives in das Dornbuschland ein, spürten die halbwilden Tiere auf, fingen sie ein, schleppten sie auf ihre Weiden, brändeten und domestizierten sie.

Mit der Zeit bauten sie auf diese Weise eine stattliche Herde auf. Bereits als halbes Kind begleitete Print Olive seine Brüder bei der Jagd auf Longhorns.

Als 1861 der Amerikanische Bürgerkrieg begann, umfasste die Zucht der Olives mehrere Tausend Tiere. Print verließ die elterliche Ranch und meldete sich im August 1861 freiwillig zur konföderierten Armee. Als Mitglied der H-Kompanie der 2. Texas Infanterie gehörte er zur Besatzung der Festung Vicksburg, deren Kommandant, General Pemberton, am 4. Juli 1863 vor General U. S. Grant kapitulierte. Olive ging in Unions-Gefangenschaft, leistete wenig später einen Eid, nicht mehr gegen die USA zu kämpfen, und wurde auf Ehrenwort entlassen.

In der Hafenstadt Galveston erlebte er zutiefst enttäuscht den Zusammenbruch der Südstaatenkonföderation und kehrte 1865 nach Hause zurück.

Der Fünfundzwanzigjährige war ein typischer »Rebell«: Stolz, trotz der Niederlage, eigenwillig, hochfahrend, jähzornig, selbstbewußt. Körperlich entsprach er nicht im geringsten dem Klischee des „Westerners“; er war von relativ kleiner, eher schmächtiger Statur, aber sein Blick drückte eine innere Kraft und Entschlossenheit aus, die größere Männer zum Schweigen brachte.

Er trug zwei Pocket of Navy-Colts – Revolver in der Größe des Modell Pocket 1849 im großen Kaliber .36 – in umgearbeiteten CSA-Armee-Holstern und war fest entschlossen, sich in der für den Süden schwierigen Nachkriegszeit mit Rekonstruktion, Militärverwaltungen und Sondersteuern nicht zu beugen.

Zunehmend fiel ihm die Führung der Familien-Ranch zu. Mit unerschöpflicher Tatkraft gelang es ihm, die Ranch durch die wirtschaftlich bedrückenden Monate nach dem Krieg zu bringen. Gnadenlos ging er gegen wirkliche oder vermeintliche Viehdiebe vor. Im September 1865 stellte er einen jungen Cowboy namens Rob Murday, dem er vorwarf, sein Vieh gestohlen zu haben, und schoss ihn kurzerhand nieder. Wie sich später herausstellte, war Murday unschuldig, er hatte die Rinder von einem anderen Mann gekauft. Jetzt zeigte sich Olives zwiespältiger Charakter: Er ließ Murday auf seiner Ranch gesundpflegen und stellte ihn als Viehtreiber ein.

Als das Distriktgericht ihn am 17. Januar 1866 wegen der Schießerei anklagen wollte, verweigerte Murday die Aussage, und Olive konnte als freier Mann gehen. Ähnlich ging ein weiteres Verfahren aus, das gegen Olive wegen eines Schußwechsels mit einem betrunkenen Cowboy namens Walker angestrengt wurde.

Die offensichtliche Hilflosigkeit der Gerichte bestätigte Olive in seiner Einstellung, daß es nach wie vor sein gutes Recht war, seine Probleme selbst auf die alte Art mit Faust und Colt zu regeln. Zu den von den Nordstaaten eingesetzten Besatzungsbehörden hatte er ohnehin kein Vertrauen. Das Rinderland von Texas war voll von ehemaligen Kriegsdeserteuren, arbeitslosen früheren Sklaven, Banditen, die die konfuse Situation der Nachkriegszeit ausnutzten, und skrupellosen Kriegsgewinnlern.

Print Olive hielt unbeeindruckt dagegen und verschaffte sich an der Spitze einer Mannschaft von 15 oder 20 Cowboys, mit denen er nach wie vor verwilderte Longhorns aus der Dornbuschwildnis holte, Respekt. Der engste Vertraute des einstigen Südstaaten-Soldaten war dabei der riesige schwarze Cowboy James »Nigger Jim« Kelly, der Olive stets bis an die Zähne bewaffnet zur Seite stand.

Am 4. Februar 1866 heiratete Print Olive Louisa Reno. Aus der Ehe gingen 5 Kinder hervor, von denen der letzte Sohn, Al Olive, erst 1960 starb.

Langsam ging es auch wirtschaftlich wieder aufwärts: Die Rinderpreise in Texas blieben noch für Jahre auf einem Tiefstand, aber Olive trieb im Frühjahr 1869 zusammen mit »Nigger Jim« und einer knochenharten Mannschaft eine Herde von 800 Longhorns quer durch Oklahoma und Kansas bis nach Fort Kearny, Nebraska. Hier verkaufte er sie für den phantastischen Preis von 15.000 Dollar. Dabei erregte das dünnbesiedelte Nebraska mit seinen wogenden Prärien seine Aufmerksamkeit. Hier schien es noch freie Entfaltungsmöglichkeiten zu geben, unbelästigt von korrupten Besatzungsbehörden und Viehdieben, die ihm in Texas das Leben schwer machten. Der Gedanke an Nebraska ließ ihn auch nach seiner Rückkehr nach Texas nicht mehr los.

1870 geriet er in eine Schießerei mit einem Viehdieb namens Dave Fream. Olive wurde verwundet, Fream wurde getötet. Ein Gerichtsverfahren wurde wegen der eindeutigen Notwehrsituation niedergeschlagen. Dennoch trugen Vorfälle wie dieser dazu bei, dass Print Olive bei Freund und Feind nicht nur respektvolle, sondern auch furchtsame Gefühle auslöste. Er gewann den Ruf eines Mannes, der keinem Konflikt aus dem Weg ging und in jeder Situation seinen Willen mit allen Mitteln durchzusetzen versuchte.

Häufig war er mit seinen Cowboys in den Saloons und Spielhallen des Williamson County anzutreffen. Hier hatte er den Ruf eines starken Trinkers und eines leidenschaftlichen Poker-Spielers, aber er war auch als ungemein geschickter Geschäftsmann bekannt: 1872 gehörte Print Olive zu den reichsten und größten Ranchern von Texas.

Am 19. Juli 1872 erregte er in der Presse des Landes Aufsehen, als er in Ellsworth, Kansas, für eine Rinderherde, die er durch Oklahoma herauf getrieben hatte, einen Spitzenpreis von 71.000 Dollar erzielte. Die Kaufkraft des Dollars war in jenen Jahren zwischen fünfundzwanzig- und dreißigmal so hoch wie heute. Olive hatte, gemessen an der Zeit und den wirtschaftlichen Verhältnissen, ein Vermögen eingenommen.

Nur einen Tag später, am 20, Juli, geriet die Olive-Crew in einem Saloon in Ellsworth in Streit mit den Cowboys der Kennedy-Ranch aus Corpus Christi. Jim Kennedy zog seinen Revolver schneller und traf Print Olive mit drei Schüssen, bevor »Nigger Jim« ihn mit einem Schuss in die Hüfte niederstreckte und Print Olive damit das Leben rettete. Es vergingen Wochen, bis Olive wieder in den Sattel steigen konnte.

Sein Erfolg als Rinderzüchter blieb ihm treu. Zugleich aber wurde er in Texas zunehmend wegen seines Reichtums und seines selbstherrlichen Lebensstils angefeindet. Mehr und mehr Heimstättensiedler drangen in das ehemalige Ranchland ein. Für Männer wie Olive, die die texanische Grassteppe einst als ihre uneingeschränkte Domäne angesehen hatten, wurde die Luft dünner, zumal er – wie viele andere Großrancher auch – die Siedler als Viehdiebe verdächtigte.

1875 nahm die Zahl der Rinderdiebstähle in Texas in der Tat dramatisch zu. Die Rancher schlugen hart zurück. Die Olive-Brüder wurden mehrfach vor dem County-Gericht des versuchten Mordes angeklagt, ohne dass es zu Verurteilungen kam. Selbstbewusst verkündete Print Olive gegenüber einem Journalisten: »Es gibt keine Geschworenenjury im Williamson County, die einen Rinderzüchter für die Tötung jener verurteilt, die versuchen, sein Vieh zu rauben.«

Der »Austin Statesman« schrieb am 1. September 1876: »In diesem Jahr sind mehr Männer im Zusammenhang mit Viehdiebstählen in Texas umgekommen als im Krieg getötet wurden … Ein Gentleman aus Circleville sagte, dass im Williamson County letztes Jahr 21Männer getötet wurden.«

Einige davon gingen auf das Konto der Olive-Familie, auch wenn die Taten in einigen Fällen nicht eindeutig nachgewiesen werden konnten. Schon 1875 hatten Print und Jay Olive drei Rinderdiebe niedergeschossen. Im Frühjahr 1876 wurden die Leichen der beiden Siedler Turk Turner und James Crow mit Kopfschüssen und in frische Rinderhäute eingenäht im Weideland gefunden. Die Häute trugen das Brandzeichen der Olive-Ranch – die beiden waren anscheinend beim Diebstahl überrascht worden.

Wenig später erschoss Robert Olive einen Mann namens Lawson Kelly. Die Folge war ein regelrechter Weidekrieg zwischen den Olives und ihren Nachbarn.

Am 1. August 1876 griffen 20 Männer unter Führung des steckbrieflich gesuchten Cal Nutt, bekannt als die »Yegua-Gang« und als Viehdiebe berüchtigt, die Olive-Ranch an und setzten sie in Brand. Print Olive und mehrere Cowboys wurden verwundet, der 33jährige Jay Olive wurde getötet.

Print Olive hatte mehrere der Angreifer erkannt und schlug gnadenlos zurück: Binnen weniger Wochen wurden drei Nutt-Männer von Olive-Cowboys getötet. Cal Nutt setzte einen bezahlten Killer auf Print Olive an – der Mann wurde jedoch von dem Rancher selbst niedergestreckt.

Im Dezember 1876 spürte Robert Olive Cal Nut in Austin auf und schoss ihm drei Kugeln in den Leib. Alle Gerichtsverfahren, die daraufhin gegen die Olives folgten, wurden niedergeschlagen.

Nach Nebraska

Gleichwohl war Print Olive das Leben in Texas verleidet. Noch immer träumte er von den freien Ebenen Nebraskas. Er entschied sich, Texas zu verlassen. Was nun folgte, war ein Unternehmen, das einzigartig in der Pioniergeschichte war und genügt hätte, Print Olive einen Platz in den Annalen des amerikanischen Westens zu sichern: Mit seiner gesamten Viehzucht siedelte er nach Nebraska über. 15.000 Rinder und eine riesige Pferdeherde bildeten die Spitze, ein langer Planwagentreck mit sämtlicher beweglicher Habe der Familie folgte. Durch Staub und Regen, Sturm und Hitze bewegte sich dieser einmalige Zug durch Texas, durch Oklahoma, quer durch Kansas, bis nach Nebraska. Hier, im Custer County, wollte Print Olive ein zweites Rinderreich bauen. Er träumte von einem Land, in dem er frei war von allen äußeren Bedrohungen, in dem sein Wort Gesetz war. Eine Art Fürstentum, wie es sich in der frühen Pionierzeit einige große Rinderzüchter geschaffen hatten.

Eine irreale Vision; denn das Heimstättengesetz zur Förderung kleiner Landbesitzer hatte das freie Leben auf den Prärien längst beendet. Überall im Westen siedelten zunehmend kleine Farmer, teilten die von Olive verächtlich als »Schollenbrecher« bezeichneten Heimstätter das Land unter sich auf. Sie veränderten die Frontier-Gesellschaft nachhaltig; die Tage der Selbstjustiz und des Faustrechts gingen zu Ende.

Wie andere Männer seiner Art hatte auch Print Olive diese Tatsache nicht begriffen. Der furchterregende Ruf, der ihm vorauseilte, trug dazu bei, dass Nebraska ihn nicht mit offenen Armen empfing. Aber Olive hatte noch nie auf die Gefühle anderer Rücksicht genommen.

Die neue Olive-Ranch entstand 40 Meilen nördlich vom Platte-Fluss an den Gabeln des Dismal Rivers. Es dauerte nicht lange, da wurden die Olives von den Problemen, die sie in Texas hatten zurücklassen wollen, eingeholt: Diebstähle zehrten am Viehbestand. Im August 1878 zündeten Rustler die Olive-Weiden nordwestlich des Ranch-Hauptquartiers am South Loup an. Print Olive reiste mehrfach nach Cheyenne, Wyoming, dem Sitz der Viehzüchtervereinigung, um Hilfe gegen die Viehdiebe zu erhalten. Am Ende war er überzeugt, dass er, wie in Texas, auf sich allein gestellt war und es in seiner eigenen Verantwortung lag, etwas gegen die Bedrohung seines Eigentums zu unternehmen.

Im November 1878 entdeckte Robert Olive, der von einem Besuch in Texas nach Nebraska zurückkehrte, im Corral eines Viehhändlers in Kearny 70 Olive-Rinder. Der Kaufvertrag, den der Händler vorweisen konnte, trug die gefälschte Unterschrift Print Olives. Die Rinder waren von einem Siedler namens Ami Ketchum verkauft worden.

Diese Entdeckung löste eine dramatische Entwicklung aus.

Da Print Olive sich auf einer Geschäftsreise befand, kontaktierte Robert Olive den County Sheriff David Anderson. Anderson war ein Mann der Viehzüchter, er erklärte sich sofort zur Hilfe bereit. Er ernannte Robert zum Deputy und beauftragte ihn, ein Aufgebot zusammenzustellen und Ami Ketchum festzunehmen.

Robert Olive vereidigte mehrere Olive-Cowboys und Freunde als Gehilfen und umzingelte am 27. November 1878 die Ketchum-Farm.

Ketchum befand sich mit seinem Freund Luther Mitchell im Haus. Es besteht kein Zweifel daran, dass beide Männer das Vieh tatsächlich gestohlen hatten. Sie waren keine harmlosen Farmer und alles andere als gesetzestreue Bürger. Sie eröffneten sofort das Feuer.

Robert Olive wurde getötet, weitere Mitglieder des Aufgebots verletzt. Ketchum und Mitchell flüchteten, wurden aber wenig später in Loup City festgenommen. Der dortige Bezirksrichter ordnete ihre Überstellung ins Custer County an, um sie anzuklagen.

Print Olive war inzwischen heimgekehrt und hatte mit Entsetzen vom Tod seines Bruders erfahren. Er dachte nicht daran, sich Gerechtigkeit durch irgendwelche Behörden zuteilen zu lassen. Blind vor Zorn war er entschlossen, selbst die Bestrafung der Mörder seines Bruders zu übernehmen. Mit County Sheriff Anderson war er sich darüber rasch einig.

Olive hatte schon vor der Festnahme von Ketchum und Mitchell 700 Dollar Belohnung auf die Mörder seines Bruders ausgeschrieben. Er war bereit, diese Summe den beiden Deputy Sheriffs Gillian und Du Fran zu zahlen, wenn sie Ketchum und Mitchell bei der Überführung ins County Jail an ihn übergeben würden.

So geschah es: Print Olive stoppte am 13. Dezember mit mehreren Cowboys den Gefangenentransport und übernahm die beiden Mörder. Beide ergaben sich mit stoischer Ruhe in ihr Schicksal. Auf die Frage, warum sie Bob Olive erschossen hatten, antworteten sie nicht. Print Olive verlor schließlich die Geduld und schoss Mitchell eine Kugel in den Rücken. Dann wurden die beiden Männer an einem Baum aufgehängt.

Bis zu diesem Zeitpunkt ist der Hergang der Selbstjustiz unumstritten. Danach geschah allerdings etwas, was noch heute Gegenstand von Spekulationen ist: Wenig später wurden die Leichen von Ketchum und Mitchell in verbranntem, grauenhaft entstelltem Zustand aufgefunden. Die Körper waren mit Alkohol oder Petroleum übergossen und angezündet worden.

Print Olive behauptete stets, die Tat sei erst begangen worden, nachdem er bereits mit seinen Leuten abgezogen war. Diese Ansicht wurde auch von zahlreichen Zeitgenossen vertreten.

Die Zeitung »Custer County Chief« nannte die Namen der beiden Olive-Cowboys Baldwin und Green als Täter. Olive habe beiden den Auftrag gegeben, die Leichen zu begraben. Sie waren allerdings zu dem Entschluß gelangt, dass es ratsam sei, die Spuren des Lynchmordes zu verwischen. Sie hatten zuvor kräftig dem Alkohol zugesprochen und die Toten kurzerhand in Brand gesteckt.

Für die Öffentlichkeit stand jedoch sehr schnell fest, dass Print Olive, der nie zimperlich im Umgang mit seinen Gegnern gewesen war, die grauenvolle Tat begangen haben mußte.

Unter den Heimstättensiedlern Nebraskas erhob sich ein Proteststurm gegen den selbstherrlichen Rancher. Nach den Viehdiebstählen Ketchums und Mitchells und ihrem Mord an Robert Olive fragte niemand mehr. Gegen Print Olive und seine Männer wurde Anklage erhoben. Das Gericht stand unter starkem öffentlichem Druck. Erst recht, nachdem am 30. Januar 1879 ein Bericht im »Nebraska State Journal« über das Foto erschien, das von den Toten angefertigt worden waren:

»Beim Anblick des Fotos, das die beiden Toten auf Brettern liegend zeigt, kann einem übel werden. Bei einer der Leichen sind beide Arme abgebrannt, der Körper ist bis zum unteren Teil des Leibes verkohlt. Die andere Leiche scheint nicht so stark verbrannt zu sein, obwohl die Kleidung völlig vernichtet ist, nur die Stiefel sind noch vorhanden.«

Der Prozess war zweifellos politisch beeinflusst: Olive hatte als Südstaatler in einem von Kleinsiedlern und Republikanern beherrschten Gebiet kaum eine Chance auf ein faires Verfahren. Und er hatte durch sein Verhalten in den zurückliegenden Jahren dafür gesorgt, daß viele der Neusiedler in Nebraska solche selbstherrlichen Weidebarone einfach loswerden wollten.

Am 17. April 1879 wurden er und sein Cowboy Frederick Fisher wegen Totschlags zu lebenslänglichem Zuchthaus verurteilt. Der Gouverneur musste Truppen aufbieten, um das Gericht und die Angeklagten vor einem Lynchmob zu schützen. In Ketten wurde Olive ins Staatsgefängnis überführt.

Aber Olive gab nicht auf. Er engagierte die besten Anwälte, erreichte eine Wiederaufnahme des Verfahrens und war am 14. Dezember 1880 wieder frei. Im »Nebraska State Journal« vom folgenden Tag hieß es:

»WIEDER FREI!

Das öffentliche Auftreten von I. P. Olive und Fisher, die vor etwa einem Jahr wegen Mordes an Mitchell und Ketchum zu lebenslanger Haft verurteilt worden waren, erregte gestern erhebliches Aufsehen. Olive, der in der Halle des Commercial Hotel erschien, wirkte wie ein gutsituierter Farmer, noch etwas blass von seiner Haftzeit aber ansonsten anscheinend bei guter Gesundheit.«

Am 17. Dezember fand im Custer County ein neuer Prozess statt. Mit einem Freispruch in der Tasche ritt Olive zurück auf seine Ranch.

Aber nichts war mehr so wie vorher: Fast sein ganzes Vermögen war durch den Prozess aufgezehrt worden. Trotz des Freispruchs war Print Olive im gesamten Nordwesten als »Menschenbrenner von Nebraska« verfemt.

Olive verkaufte seine Ranch für 60.000 Dollar – weit unter Wert – und verließ Nebraska im Oktober 1882. In Kansas begann er ein neues Leben als Viehhändler und Makler. Bald gründete er mit bescheidenen Mitteln eine neue Viehzucht.

Seine wirtschaftliche Situation besserte sich rasch. 1884 beteiligte er sich am Aufbau eines Viehhandelszentrums an der Colorado-Kansas-Grenze unter dem Namen Trail City. Er gründete hier einen Mietstall und einen Saloon. Schon 1883 war er wieder in das Direktorium der »Western Central Kansas Stockmen’s Association« (der Viehzüchtervereinigung des westlichen und zentralen Kansas) gewählt worden. Aber auch im dunklen Anzug des Geschäftsmannes war Olive der alte Pionierrancher geblieben, der es gewöhnt war, nach eigenem Gesetz zu leben.

Harry Chrisman beschrieb in seinem Buch »The Ladder of River« eine Episode, die Olives Auftreten charakterisierte. Olive hatte nach Rückkehr von einer Geschäftsreise festgestellt, daß eine Fläche mit Baumbestand auf seiner Ranch von Nachbarn abgeholzt worden war – in den baumarmen Plains ein Diebstahl nicht unbeträchtlichen Ausmaßes. Olive wusste genau, daß Heimstättensiedler der Nachbarschaft die Täter waren, aber er konnte es nicht beweisen; denn das Holz war längst zu Brettern verarbeitet. Als er dennoch seine Meinung öffentlich sagte, wurde er von einem großen, bulligen Cowboy namens Joe Wedge, der einen Ruf als Schläger hatte, zur Rede gestellt.

Der Mann war unbewaffnet, und er war zweifellos stärker als Olive. Der Rancher ließ sich nicht beeindrucken. Als Wedge ihn angriff, riß er blitzschnell seine Reitpeitsche hoch und versetzte dem Mann einen Schlag mit dem Stiel zwischen die Augen. Mit dem nächsten Schlag über das linke Ohr brachte er ihn zu Fall. Der dritte Schlag streckte Wedge der Länge nach in den Staub. Als er den Kopf hob, traf Olives Stiefel ihn seitlich am Kiefer. Dann zogen Freunde Olives, die befürchteten, er werde den Mann töten, den Rancher weg. »Das war die letzte Auseinandersetzung, die Big Joe Wedge mit irgendjemandem im Weideland von Kansas hatte … Der Kampf überzeugte die Cowboys, die Zeuge gewesen waren und bis dahi nur immer wieder gehört hatten, daß Olive ›ein ziemlich harter Bursche‹ sei, die aber niemals verstanden hatten, wieso ein so kleiner Mann einen so gewaltigen Ruf haben konnte.« (Chrisman 1962: 361-362)

Das Ende – Kopfgeld 10$

Im März 1885 traf Olive in Dodge City einen früheren Ranchhelfer, Joe Sparrow. Der Mann hatte einen äußerst schlechten Ruf. Er galt als Streitsüchtig, arbeitete zeitweise als Weidedetektiv und Kutschenbegleitmann, und hatte in jenem Frühjahr nach einem harten Winter Geldsorgen. Er hatte mit einer Cowboymannschaft eine Herde im Sturm verloren und brauchte dringend Geld, um seine Männer wenigstens mit Lebensmitteln zu versorgen.

Print Olive war skeptisch, aber er kannte das harte Leben von Rindermännern auf den Plains nur zu gut, also begleitete er Sparrow zu einer Bank und sorgte dafür, daß er einen Kredit von 100 $ erhielt, für den Olive die Garantie übernahm.

Sparrow zahlte die Summe in der vereinbarten Zeit zurück, blieb aber die Bankgebühren und Zinsen in Höhe von 10 Dollar schuldig.

Print Olive stand zu seinem Schuldschein und zahlte den Betrag, aber er füllte sich von Sparrow betrogen. Diese Lappalie sollte Olive das Leben kosten.

Im Sommer traf er Joe Sparrow in Trail City wieder. Sparrow hatte hier eine Tanzhalle und einen Saloon eröffnet. »Das Haus wurde eine der verrufensten Ecken von Trail, wo sich die Liebhaber und Bewunderer der Mädchen, die hier arbeiteten, ständig Streitigkeiten und Schlägereien lieferten. Joe wurde einer der erfolgreichsten Saloonkeeper der Stadt … Aber sein Ruf als Totschläger folgte ihm auf dem Fuße.« (Chrisman 1962: 359)

Trail City war in den zwei Jahren seit seiner Gründung fas eine Art »kleine Schwester« von Dodge City geworden. Viele Geschäftsleute aus Dodge unterhielten Filialen in Trail, und die meisten Tanzhallen- und Saloonangestellten sowie die Damen des Rotlichtgewerbes kamen nach Trail, wenn die Saison in Dodge City vorbei war. Man kannte sich, und man begegnete pittoresken Gestalten wie Rowdy Joe Lowe, Texas Jack, Skinny Nose Slim und Cimarron Kid auf den staubigen Straßen von Trail City.

Im August 1886 war Print Olive wieder in Trail, um seinen Mietstall und seinen Saloon zu verpachten. Die Viehsaison war vorbei. Olive lebte inzwischen in Dodge und hatte die Fahrkarte für die Eisenbahn schon in der Tasche, als ihm Joe Sparrow über den Weg lief.

Olive stellte den wie einen Dandy gekleideten, offensichtlich wohlhabenden Sparrow zur Rede. Sparrow stritt nicht ab, Olive 10 $ zu schulden, aber er behauptete, keinen Cent Bargeld zu besitzen.

Der Streit endete damit, daß Olive drohte: »Du zahlst das Geld besser zurück, Joe, und wenn du es dir woanders borgen musst. Ich werde Trail morgen verlassen. Entweder, du gibst mir bis dahin das Geld, oder einer von uns bleibt hier in einem Sarg.«

Sparrow ging ohne ein Wort. Olive besuchte einige Freunde, erzählte ihnen von seinem Streit mit Sparrow und trug ihnen auf, gegebenenfalls das Geld in Verwahrung zu nehmen, wenn Sparrow wider Erwarten zahlen sollte.

Am nächsten Morgen, Montag, dem 16. August 1886, begab er sich zur Bahnstation. Auf dem Weg passierte er seinen eigenen »Longhorn Saloon« und kehrte ein, um noch einen Whisky zu trinken.

Print Olive war an diesem Morgen waffenlos; sein Revolver befand sich in seiner Reisetasche.

Zu seiner Überraschung sah er an der Theke seines Saloons Joe Sparrow stehen; zusammen mit ihm ein ebenso schlecht beleumundeter Mann namens John Stansfield. Olive hatte Stansfield ein paar Tage zuvor zusammen mit seinem Bartender ziemlich unsanft vor die Tür gesetzt, weil der Mann volltrunken randaliert hatte.

Olive fühlte sich offenbar sehr sicher. Sein Instinkt, der ihn häufig vor Gefahren gewarnt hatte, versagte. Noch während er den Saloon betrat, sah er aus den Augenwinkeln den Pächter seines Mietstalls, der ihm mit seinem Halstuch geradezu flehentlich zuwinkte. Olive verstand nicht, daß dieses Zeichen eine Warnung war.

Die Saloontür schloß sich hinter Olive, und Sparrow am Tresen, der ihm den Rücken zugewandt hatte, drehte sich um. Er hielt seinen Revolver in der Hand und schoss ohne ein Wort. Print Olive starb auf der Schwelle des Schankraums – wegen eines unbeglichenen Schuldscheins über 10 $.

Sparrow wurde des Mordes angeklagt, verurteilt, aber in dritter Instanz 1888 in Pueblo, Colorado, freigesprochen. Er ging nach Texas, heiratete, züchtete Vieh, und starb 1924 im mexikanischen Tampico.

Fazit

Print Olive war so gewalttätig gestorben, wie er gelebt hatte – eine Gestalt des »Wilden Westens«, wie kein Roman- oder Filmautor sie besser hätte erfinden können. Aber die Klischees stimmen nur zum Teil.

Print Olive kann nicht mit den Normen einer hochzivilisierten Gesellschaft bewertet werden. Er war ein Mann der »freien Weide«, einer von jenen, die den Westen Amerikas erschlossen hatten. Die geographischen Bedingungen waren ebenso einzigartig wie die Lebensumstände, mit denen die frühen Siedler fertigwerden mussten. Diese Konditionen formten einen besonderen Menschenschlag, der – um es übertrieben auszudrücken – auf unsere Zeit so exotisch wirken muß wie die Neandertaler. Wir sollten uns nicht täuschen: In jedem Menschen stecken die Anlagen, sich derartigen Lebensbedingungen anzupassen, und der Weg zu einer Gesellschaft mit sozialen, humanen und von allgemeiner Gerechtigkeit getragenen Regeln ist viel weiter und schwerer als es umgekehrt der Fall ist. Aus diesem Grund war die zwangsläufig folgende Zivilisation für Männer von Olives Schlag nur schwer zu akzeptieren. Die neue Zeit war mit Einschränkungen verbunden, die er als das Ende der Freiheit im Westen ansah, so wie er sie gewöhnt war.

Olive war, wie sein Biograph, Harry E. Chrisman 1962 schrieb, »das typische Produkt seiner Epoche … Durch das Feuer des Bürgerkrieges gegangen, in den texanischen Weidekriegen und der Zeit der Rekonstruktion gehärtet, wurde er, von eher schmächtiger Statur, ein Mann aus Eisen.«

Damit schlägt Chrisman selbst in die Kerbe des Klischees der traditionellen Westerners. Tatsächlich waren Personen wie Olive weitaus komplexer. Das Gewaltpotential, das ein Mann wie Print Olive entfaltete, steckte auch in den meisten anderen Pionieren, die in den Westen zogen. Die meisten von ihnen richteten sich sehr schnell in den Rahmenbedingungen ein, die auch eine noch ungeformte Gesellschaft ihren Mitgliedern setzt. Allerdings gibt es zu allen Zeiten Menschen, die glauben, ihren Rahmen selbst setzen oder die bestehenden Freiräume über die Grenzen hinaus ausloten zu können.

Menschen können relativ schnell zu Bestien werden, aber es dauert weitaus länger, bis sie sich wieder in verwandelt haben. Noch heute sind solche Entwicklungen in kriegerischen Konflikten zu beobachten. Auch der Zug nach Westen brachte die meisten Menschen im 19. Jahrhundert in eine Extremsituation. Während die meisten Pioniere aber an Veränderungen zum Besseren interessiert waren, waren Männer wie Print Olive mit einer Situation, in der mit Gewalt harte und schnelle Lösungen geschaffen wurden, ganz zufrieden. Die oft komplizierten Mechanismen einer zivilisierten Massengesellschaft blieben ihm – selbst wenn er sich letztlich anpasste – fremd. So gefährlich und gewalttätig das Leben in der frühen Besiedelungsphase im amerikanischen Westen auch war – es hatte eine schwer zu beschreibende Verlockung; ein Reiz, der bis heute in romantisierten Beschönigungen seine Wirkung tut.

Es gibt immer mal wieder Publikationen, die die amerikanische Landbesiedlung mit falschen Vergleichen als buntes, aufregendes, aber im Grunde spielerisches Abenteuer verharmlosen. Aber der amerikanische Westen war – wie schon im 19. Jahrhundert gesagt wurde – »wild«. Der Westen war wild – und Männer wie Olive trugen dazu bei.

Ob Print Olive nun selbst die Leichen der Mörder seines Bruders anzündete, ob er die Anweisung dazu gab, oder ob es tatsächlich mit dieser Tat überhaupt nichts zu tun hatte – die Wahrheit wird sich letztlich kaum noch beweisen lassen. Trotz Freispruch blieb er der »Menschenbrenner von Nebraska«; weil man es ihm zutraute. Zwanzig Jahre früher hätte die Affäre wahrscheinlich bei Weitem nicht so viel Aufsehen erregt, aber in den 1870er Jahren hatten sich die Standards in Nebraska wie überall im Westen verändert. Dieser Teil des Westens war nicht mehr »wild«, und Männer wie Olive hatten sich selbst überlebt. Sie waren Überbleibsel einer Zeit, die die neuen Westerners vergessen wollten.

Anmerkung: Der Landbesitz der einstigen Olive-Ranch in Nebraska ist heute auf mehrere andere Farmen aufgeteilt. Die wilde Rinderstadt Trail City, wo Olive starb, existiert heute nicht mehr. Dodge City ist eine moderne mittelgroße Stadt im Weizengebiet vom Kansas, deren Hauptstraße den Namen „Wyatt Earp Boulevard“ trägt und damit an einen der prominentesten Gesetzeshüter der wilden Cowboy-Zeit erinnert. Die Front Street, in der Print Olive wohl bekannt war, wurde ein paar Hundert Meter von ihrem eigentlichen Standort zurückversetzt und ist heute die bedeutendste Touristenattraktion der Stadt, in der man noch immer Cowboys, Revolverhelden und Saloongirls in rüschenbesetzten Kleidern antreffen kann.

Quellen:

  • Chrisman, Harry, The Ladder of Rivers, 1962
  • Chrisman, Harry, Lost Trails of the Cimarron , 1961
  • Dick, Everett , The Sod House Frontier, 1954
  • Abbott, E. C./Smith, Helena H., We Pointed them North, 1955
  • Kuykendall, W. L., Frontier Days, o. J.
  • Vestal, Stanley , Dodge City , Queen of Cowtowns , 1952
  • Wood, A. B., Pioneer Tales of the Nebraska Panhandle , 1938
  • Dale, E. E., The Range Cattle Industry, 1930

(dk)