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Dunkle Halunken

Terry Pratchett
Dunkle Halunken

Roman mit historischen Hintergründen, Hardcover mit Schutzumschlag, ivi, München, September 2013, 384 Seiten, 19,99 Euro, ISBN: 9783492703017, aus dem Englischen übersetzt von Andreas Brandhorst

Als der junge Dodger, eine Art Kanalisationsabenteurer und Straßenjunge, der schönen Simplicity das Leben rettet, ahnt er noch nicht, was das für Folgen haben wird. Denn die junge Frau ist in eine Auseinandersetzung politischen Ausmaßes verstrickt und bald bekommt es Dodger nicht nur mit berühmten Persönlichkeiten der europäischen Geschichte, sondern auch noch an jeder Ecke Londons mit Auftragsmördern zu tun…

Mit Terry Pratchett-Romanen ist das so eine Sache. Einerseits kann man mit ihnen wenig falsch machen – im Grunde sind sie immer gut. Aber die Spannweite des Wörtchens »gut« reicht da mitunter weit. Oft sprühen seine Bücher zwar nur so vor kuriosen und tiefsinnigen Einfällen oder Wortspielen, aber nicht immer können Handlung und Spannung da mithalten.
Schaut man sich seine letzten Werke an, so fällt auf, dass der Ton dieser Generation von Pratchett-Büchern ernster und oft sozialkritischer, die Handlungen weniger hektisch und die Struktur durchdachter geworden sind. Man mag den häufig ins Satirische gehenden Wortwitz, der einem feineren, lakonischeren Humor gewichen ist, manchmal ein wenig vermissen, doch Dunkle Halunken zeigt, wie dadurch gewonnen werden kann – denn dieses Werk ist ein Erfolg auf ganzer Linie!

Pratchett entwirft hierin das Bild eines gleichermaßen erbarmungslosen und verdreckten wie auch auf seine Art prachtvollen London des 19. Jahrhunderts. Selbst teils über Seiten hinweg ausgebreitete Details der Schauplätze und Ereignisse werden dabei vom Autor so lebendig geschildert, dass sie keinesfalls langwierig wirken, sondern im Gegenteil die Atmosphäre angenehm verdichten. Diese von der Sprache erwirkte Atmosphäre ist es, die das Buch heraushebt, es zu etwas ganz besonderem macht und der ohnehin gelungene Handlung über knapp 400 Seiten Glaubwürdigkeit verleiht.
Die Figuren mögen keine besonderen Überraschungen bieten, doch sind sie facettenreich und unverwechselbar. Zudem begegnet man unter ihnen einigen alten Bekannten der Geschichte und Fiktion. So führt Dodger einige weniger angenehme Gespräche mit Sir Robert Peel, steht Charles Dickens Rede und Antwort und legt Sweeney Todd das Handwerk. Der lose historische Hintergrund, bei dem sich Pratchett, wie in seinem Nachwort erläutert, einige Freiheiten erlaubt hat, sorgt darüber hinaus für einige Aha-Effekte und Anspielungen, die mal mehr, mal weniger offensichtlich daherkommen.

Wenn man wollte, könnte man Pratchett ein paar Details ankreiden. Etwa, dass Dodgers Entwicklung manchmal nicht besonders glaubwürdig rüberkommt. Oder dass das Ende ein klein wenig überhetzt wirkt. Aber man kann da auch getrost ein Auge zudrücken und einfach fasziniert sein von diesem teils sehr nachdenklichen und ungewöhnlichen Roman, der sicher zu Pratchetts besten Werken gehört.

Kritik ist da eher am deutschen Titel angebracht, der dem Geist des Buches nicht wirklich gerecht wird. Ansonsten muss aber erneut auch vor der gelungenen Übersetzung ins Deutsche der Hut gezogen werden.

(ar)